Nach § 22 Nr. 3 EStG sind sonstige Einkünfte (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 EStG) Einkünfte aus Leistungen, soweit sie weder zu anderen Einkunftsarten noch zu den Einkünften i.S. der Nrn. 1, 1a, 2 oder 4 der Vorschrift gehören. Eine (sonstige) Leistung i.S. des § 22 Nr. 3 EStG ist jedes Tun, Dulden oder Unterlassen, das Gegenstand eines entgeltlichen Vertrages sein kann und das eine Gegenleistung auslöst.

Nicht erfasst sind Veräußerungsvorgänge oder veräußerungsähnliche Vorgänge im privaten Bereich1. Wird das Entgelt hingegen dafür erbracht, dass ein Vermögensgegenstand in seiner Substanz endgültig aufgegeben wird, so gehört es nicht zu den Einkünften gemäß § 22 Nr. 3 EStG2.
Kommt einer im Zusammenhang mit einer Anteilsveräußerung übernommenen und entgoltenen Verpflichtung zu einem Rechtsverzicht keine eigenständige wirtschaftliche Bedeutung zu, so handelt es sich um einen unselbständigen Teil des Veräußerungspreises i.S. von § 17 Abs. 2 EStG3. Nach der Rechtsprechung des BFH zählt zum Veräußerungspreis alles, was der Veräußerer als Gegenleistung für die Anteilsübertragung erhalten hat4. Insoweit gelten dieselben Grundsätze wie bei Veräußerungen nach § 16 EStG. Grundsätzlich keine eigenständige wirtschaftliche Bedeutung hat der Verzicht auf ein Recht, das notwendig Bestandteil des veräußerten Vermögensgegenstandes ist.
Ist dagegen eine eigenständige wirtschaftliche Bedeutung zu bejahen, insbesondere weil damit ein bestimmtes Tun, Dulden oder Unterlassen abgegolten werden soll, handelt es sich um eine eigenständige Leistung, die mangels Eingreifens anderer Besteuerungstatbestände nach § 22 Nr. 3 EStG steuerbar sein kann5.
Ob einer Vereinbarung in diesem Sinne eine eigenständige wirtschaftliche Bedeutung zukommt, hängt von den tatsächlichen Umständen des Einzelfalls ab, die das Finanzgericht als Tatsacheninstanz vollständig aufzuklären und insgesamt zu würdigen hat6. Dabei ist auf den wirtschaftlichen Gehalt der Vereinbarungen abzustellen. Entscheidend ist nicht, wie die Parteien ihre Leistungen benannt, sondern was sie nach dem Gesamtbild der wirtschaftlichen Verhältnisse wirklich gewollt und tatsächlich bewirkt haben7.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhof gehört die Auslegung von Verträgen dabei zum Bereich der tatsächlichen Feststellungen und bindet das Revisionsgericht gemäß § 118 Abs. 2 FGO, wenn sie den Grundsätzen der §§ 133, 157 BGB entspricht und nicht gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstößt, d.h. jedenfalls möglich ist. Umgekehrt entfällt die Bindungswirkung mit der Folge, dass der Bundesfinanzhof die Auslegung ggf. selbst vornehmen darf, wenn die Auslegung des Finanzgerichts anerkannte Auslegungsregeln, Denkgesetze oder Erfahrungssätze verletzt. Zu den anerkannten Auslegungsregeln gehören bei der Auslegung von Verträgen auch die vollständige Erfassung des Vertragstextes und -darauf fußend- die Einbeziehung der systematischen Stellung der zu beachtenden Regelungen im jeweiligen Gesamtzusammenhang8.
Nach diesen Grundsätzen bestätigte der Bundesfinanzhof die Entscheidung des Finanzgerichts Münster9, dass im hier entschiedenen Streitfall aufgrund seiner Auslegung (§§ 133, 157 BGB) der Poolvereinbarung zu dem Ergebnis gekommen war, die streitige Zahlung sei als Gegenleistung für die im Poolvertrag eingegangenen Verpflichtungen des Gesellschafters nach § 22 Nr. 3 EStG steuerbar und erhöhe nicht den Veräußerungspreis des GmbH-Anteils. Diese Auslegung bindet den Bundesfinanzhof gemäß § 118 Abs. 2 FGO, denn sie ist frei von rechtlichen Mängeln.
Zu Recht ist das Finanzgericht mit den Beteiligten davon ausgegangen, dass die Poolvereinbarung den Zweck hatte, die Geschäftsanteile der Z-Gruppe und der Manager-Gesellschafter wertvoller zu machen, indem ein potentieller Erwerber entweder sofort eine Mehrheitsbeteiligung erwerben oder bei Eintritt in die Poolvereinbarung zumindest eine Mehrheit der Stimmrechte erwerben konnte.
Möglicherweise hätten die Gesellschafter den durch die Poolvereinbarung geschaffenen Mehrwert auch steuerfrei vereinnahmen können, wenn es zu einem Anteilsverkauf an einen dritten Erwerber gekommen wäre. Dieser Fall ist jedoch nicht eingetreten.
Entgegen der Auffassung der Gesellschafter ist die Entscheidung des Finanzgericht nicht widersprüchlich, soweit es unter den Umständen des Streitfalls die Ausgleichszahlung nicht als Teil des Kaufpreises angesehen hat. Grundlage der Besteuerung ist der tatsächlich verwirklichte, nicht ein gedachter Sachverhalt. Tatsächlich ist die Ausgleichszahlung im Streitfall auf der Grundlage der Poolvereinbarung und der zu ihrer Aufhebung geschlossenen Vereinbarung gezahlt worden, ohne dass der Gesellschafter und die anderen Manager-Gesellschafter zu diesem Zeitpunkt ihre Anteile veräußert oder an die A-GmbH zurückgegeben hatten. Dass dies wenig später stattgefunden hat, steht erkennbar nicht im Zusammenhang mit der bei der Aufhebung vereinbarten Ausgleichszahlung. Wenn das Finanzgericht aus diesen tatsächlichen Umständen geschlossen hat, dass ein relevanter Zusammenhang zwischen der Ausgleichszahlung und der Veräußerung der Geschäftsanteile durch den Gesellschafter nicht bestand, liegt darin kein Rechtsverstoß, sondern die konsequente Zugrundelegung des tatsächlich verwirklichten Sachverhalts. Es ist auch nicht ersichtlich, inwiefern dadurch ein veräußerungsähnlicher Vorgang verwirklicht worden sein sollte. Zwar war der von der Z-Gruppe erzielte Anteilsveräußerungspreis Bemessungsgrundlage für das gezahlte Entgelt. Dieses wird dadurch aber nicht zum Veräußerungspreis. Die Aufhebungsvereinbarung dokumentiert gerade im Gegenteil, dass die Ausgleichszahlung keinen Bezug mehr zu einer späteren Veräußerung der Geschäftsanteile durch die Manager-Gesellschafter haben sollte und auch nicht davon abhängig war.
Das Finanzgericht konnte deshalb auch annehmen, dass die streitige Zahlung für die vom Gesellschafter in der Poolvereinbarung eingegangenen Verpflichtungen erbracht worden ist. Diese Schlussfolgerung ist vor dem Hintergrund des bereits Gesagten zumindest möglich; sie bindet deshalb den BFH ebenfalls (§ 118 Abs. 2 FGO). Soweit die Gesellschafter dagegen einwenden, das Finanzgericht hätte eine Aufteilung der Ausgleichszahlung in Betracht ziehen müssen, trifft dies nicht zu, denn eine andere Veranlassung für die Zahlung ist unter den Umständen des Falles und auf der Grundlage der bindenden Feststellungen des Finanzgericht nicht gegeben, denn es fehlt an einer Mitveranlassung durch die Veräußerung der Geschäftsanteile an die A-GmbH.
Bundesfinanzhof, Urteil vom 11. April 2017 – IX R 46/15
- ständige Rechtsprechung, vgl. u.a. BFH, Urteile vom 22.04.2008 – IX R 19/07, BFH/NV 2008, 1820, unter II. 1.; vom 29.05.2008 – IX R 97/07, BFH/NV 2009, 9, unter II. 1.; vom 19.02.2013 – IX R 35/12, BFHE 240, 559, BStBl II 2013, 578, unter II. 2.a; vom 19.03.2013 – IX R 65/10, BFH/NV 2013, 1085, unter II. 2.a; Eckardt in Kanzler/Kraft/Bäuml, EStG, § 22 Rz 171 f.; Fischer in Kirchhof, EStG, 16. Aufl., § 22 Rz 66; Blümich/Nacke, § 22 EStG Rz 163; Schmidt/Weber-Grellet, EStG, 36. Aufl., § 22 Rz 150, Stichwort „Veräußerungsvorgänge“[↩]
- ständige Rechtsprechung, vgl. BFH, Urteile vom 18.05.2004 – IX R 63/02, BFHE 206, 174, BStBl II 2004, 874, unter II. 1.b bb, und in BFH/NV 2009, 9; in BFHE 240, 559, BStBl II 2013, 578, unter II. 2.a; Fischer in Kirchhof, a.a.O., § 22 Rz 67; Schmidt/Weber-Grellet, a.a.O., § 22 Rz 131, m.w.N.[↩]
- vgl. BFH, Urteile vom 11.03.2003 – IX R 76/99, BFH/NV 2003, 1161, unter II. 2.a; vom 23.02.1999 – IX R 86/95, BFHE 188, 552, BStBl II 1999, 590, und in BFH/NV 2009, 9; zusammenfassend BFH, Beschluss vom 16.02.2007 – VIII B 26/06, BFH/NV 2007, 1113, m.w.N; Fischer in Kirchhof, a.a.O., § 22 Rz 67[↩]
- BFH, Urteil vom 07.03.1995 – VIII R 29/93, BFHE 178, 116, BStBl II 1995, 693[↩]
- BFH, Urteile in BFHE 188, 552, BStBl II 1999, 590, betreffend ein Wettbewerbsverbot; in BFH/NV 2013, 1085, unter II. 2.a; BFH, Beschluss in BFH/NV 2007, 1113, unter II. 1.b; Fischer in Kirchhof, a.a.O., § 22 Rz 66[↩]
- BFH, Urteil in BFHE 188, 552, BStBl II 1999, 590, unter 2.a[↩]
- ständige Rechtsprechung, vgl. BFH, Urteile vom 24.08.2006 – IX R 32/04, BFHE 214, 542, BStBl II 2007, 44, unter II. 1., m.w.N.; in BFH/NV 2008, 1820, unter II. 1., und in BFH/NV 2009, 9[↩]
- ständige Rechtsprechung, vgl. u.a. BFH, Urteile vom 19.08.2015 – X R 30/12, BFH/NV 2016, 203, unter II. 3.a aa, m.w.N.; und vom 16.12 2015 – IV R 24/13, BFHE 252, 146, BStBl II 2017, 224, unter II. 2.c ee[↩]
- FG Münster, Urteil vom 25.09.2015 – 11 K 1830/13 E[↩]