berlässt der Insolvenzverwalter gemäß § 170 Abs. 2 InsO dem absonderungsberechtigten Gläubiger die der Masse zugehörigen sicherungsübereigneten beweglichen Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens zur Verwertung und entsteht nachfolgend durch deren Verkauf -infolge Aufdeckung von stillen Reserven- ein einkommensteuerpflichtiger Gewinn, ist die darauf entfallende Einkommensteuer eine „in anderer Weise“ durch die Verwertung der Insolvenzmasse begründete Masseverbindlichkeit. Durch die Überlassung (nur) zur Verwertung erfolgt keine echte Freigabe und damit auch keine Entlassung des Gegenstandes aus dem Insolvenzbeschlag.

Entscheidend für die Qualifikation der Einkommensteuer als Masseverbindlichkeiten ist im hier vom Bundesfinanzhof entschiedenen Streitfall -§ 55 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 3 InsO sind offensichtlich nicht einschlägig-, ob die Voraussetzungen des § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO gegeben sind. Danach sind Masseverbindlichkeiten die Verbindlichkeiten, die durch Handlungen des Insolvenzverwalters oder in anderer Weise durch die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse begründet werden, ohne zu den Kosten des Insolvenzverfahrens zu gehören. Vorliegend sind die Tatbestandsmerkmale des § 55 Abs. 1 Nr. 1 Halbsatz 2 InsO erfüllt. Bei den veräußerten Gegenständen handelte es sich um bewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens des Insolvenzschuldners, die zur Insolvenzmasse gehörten.
Gemäß § 35 Abs. 1 InsO erfasst das Insolvenzverfahren das gesamte Vermögen, das dem Schuldner zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gehört und das er während des Verfahrens erlangt (Insolvenzmasse). In die Insolvenzmasse fallen auch Gegenstände, die der Schuldner einem Dritten zur Sicherheit übereignet hat, wenn sie sich -zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens- noch im Besitz des Schuldners befinden1. Sicherungseigentum an beweglichen Sachen begründet im Insolvenzverfahren ein Absonderungsrecht (§ 51 Nr. 1, § 50 Abs. 1 InsO).
Nach Maßgabe dessen gehörten die durch die absonderungsberechtigte Kreissparkasse veräußerten beweglichen Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens zur Insolvenzmasse, auch wenn sie bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens vom Insolvenzschuldner an die Kreissparkasse zur Sicherheit übereignet worden sein sollten.
Vorliegend hat der Insolvenzverwalter der Kreissparkasse die Verwertung des ihr sicherungsübereigneten beweglichen Anlagevermögens des Insolvenzschuldners überlassen und sie darum gebeten, den Verwertungserlös ihm gegenüber abzurechnen sowie den Umsatzsteueranteil und den Feststellungskostenbeitrag auszukehren. Diese Verfahrensweise stützt sich auf die Vorschrift des § 170 Abs. 2 InsO, die voraussetzt, dass der Insolvenzverwalter nach § 166 InsO zur Verwertung berechtigt ist. Nach § 166 Abs. 1 InsO darf der Insolvenzverwalter eine bewegliche Sache, an der ein Absonderungsrecht besteht, freihändig verwerten, wenn er die Sache „in seinem Besitz“ hat. Damit ist vom Finanzgericht mittelbar festgestellt, dass sich die Gegenstände im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens im Besitz des Schuldners befanden. Erst nachfolgend hat der Insolvenzverwalter sie durch Übernahme der Insolvenzmasse nach § 148 InsO selbst in Besitz genommen2.
Die Auffassung des Insolvenzverwalters, die „absonderungsberechtigte“ Kreissparkasse habe einen „Aussonderungsanspruch“ an den ihr sicherungsübereigneten Gegenständen gehabt, ist inhaltlich widersprüchlich und rechtlich unzutreffend. Aufgrund des Sicherungseigentums kann der Inhaber nämlich nicht geltend machen, dass ein Gegenstand nicht zur Insolvenzmasse gehört (vgl. § 47 InsO); vielmehr besteht nur ein Recht zur abgesonderten Befriedigung (vgl. § 51 Nr. 1, § 50 Abs. 1 InsO). Das Vorliegen von Sicherungseigentum ändert an der Massezugehörigkeit nichts. Denn durch ein Absonderungsrecht gemäß §§ 49 ff. InsO kann lediglich die vorrangige Befriedigung aus bestimmten Gegenständen, welche zur Haftungsmasse des Schuldners gehören, beansprucht werden3.
Die auf den Gewinn aus der Veräußerung der beweglichen Wirtschaftsgüter entfallende Einkommensteuer erfüllte -was die Zuordnung zu den insolvenzrechtlichen Forderungskategorien betrifft- die Voraussetzungen einer Masseverbindlichkeit.
Im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bereits begründete Steueransprüche sind zur Insolvenztabelle anzumelden. Später begründete Steueransprüche, die als Masseverbindlichkeiten nach § 55 Abs. 1 InsO zu qualifizieren sind, sind gegenüber dem Insolvenzverwalter durch Steuerbescheid festzusetzen4. Alle sonstigen Ansprüche sind insolvenzfrei. Die einheitliche Einkommensteuerschuld ist gegebenenfalls in eine Insolvenzforderung, eine Masseforderung und eine insolvenzfreie Forderung aufzuteilen5.
Die Abgrenzung zwischen Insolvenzforderungen und (sonstigen) Masseverbindlichkeiten richtet sich ausschließlich nach dem Zeitpunkt der insolvenzrechtlichen Begründung. Entscheidend ist dabei, ob und wann ein Besteuerungstatbestand nach seiner Art und Höhe tatbestandlich verwirklicht und damit die Steuerforderung insolvenzrechtlich begründet worden ist. Dies richtet sich allein nach steuerrechtlichen Grundsätzen6. Für die insolvenzrechtliche Begründung des Einkommensteueranspruchs kommt es deshalb darauf an, ob der einzelne (unselbständige) Besteuerungstatbestand -insbesondere die Erzielung von Einkünften nach § 2 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG)- vor oder nach Insolvenzeröffnung verwirklicht wurde. Entscheidend ist, wann der Tatbestand, an den die Besteuerung knüpft, vollständig verwirklicht ist7.
Nach Maßgabe dieser Grundsätze hat das Finanzamt zu Recht die auf den Veräußerungsgewinn entfallende Einkommensteuer der Kategorie der Masseverbindlichkeit zugeordnet und dementsprechend gegenüber dem Insolvenzverwalter als Insolvenzverwalter durch einen (gegenständlich beschränkten) Steuerbescheid festgesetzt8. Im Streitfall ist nämlich der in Rede stehende Besteuerungstatbestand -Einkünfte aus Gewerbebetrieb durch Veräußerung der zum Betriebsvermögen des Insolvenzschuldners gehörenden beweglichen Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens (vgl. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 2 EStG)- nach Insolvenzeröffnung verwirklicht worden.
Zwar ist vorliegend der Besteuerungstatbestand nicht durch eine Veräußerung seitens des Insolvenzverwalters selbst, sondern durch das Verhalten eines absonderungsberechtigten Insolvenzgläubigers (Kreissparkasse) ausgelöst worden, der die ihm zur Verwertung überlassenen beweglichen Gegenstände verkaufte. Erst mit den einzelnen Verkäufen der Wirtschaftsgüter endete aber deren Zugehörigkeit zum Betriebsvermögen. Auch wenn die durch diesen Vorgang aufgedeckten stillen Reserven schon vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden waren9, scheidet die Annahme eines bereits vor Insolvenzeröffnung begründeten Steueranspruchs aus. Vielmehr ist angesichts des Zeitpunkts der Gewinnrealisierung aufgrund der Veräußerung der zur Masse gehörenden beweglichen Gegenstände -vorbehaltlich der nachfolgenden Prüfung- die hierauf entfallende Einkommensteuer eine Masseverbindlichkeit.
Die auf die gewerblichen Einkünfte aus der Veräußerung der betrieblichen Gegenstände entfallende Einkommensteuer ist nicht gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 1 Halbsatz 1 InsO durch Handlungen des Insolvenzverwalters, sondern -als weitere Möglichkeit für die Entstehung von Masseverbindlichkeiten- gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 1 Halbsatz 2 InsO „in anderer Weise“ durch die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse begründet worden; sie gehört nicht zu den Kosten des Insolvenzverfahrens gemäß § 54 InsO.
§ 55 Abs. 1 Nr. 1 Halbsatz 1 InsO („durch Handlungen des Insolvenzverwalters“) umfasst alle Forderungen, die durch Rechtshandlungen des Insolvenzverwalters innerhalb seines amtlichen Wirkungskreises einschließlich deliktischer Handlungen und pflichtwidriger Unterlassungen begründet werden10. Der zweiten Tatbestandsalternative (vgl. § 55 Abs. 1 Nr. 1 Halbsatz 2 InsO), den „in anderer Weise“ durch Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Masse begründeten Verbindlichkeiten, sind Abgabenforderungen zuzuordnen, soweit sie die Insolvenzmasse betreffen. Dafür ist eine aktive Maßnahme des Verwalters nicht erforderlich11. Es kommt nicht darauf an, ob der Abgabentatbestand durch ein Verhalten des Insolvenzverwalters oder durch andere Tatsachen erfüllt ist. Vielmehr genügt es, dass die Abgabenforderung durch die Insolvenzverwaltung ausgelöst wird oder jedenfalls einen Bezug zur Masse aufweist und erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründet wurde12.
Für den Fall der Beteiligung des Insolvenzschuldners an einer Personengesellschaft hat der Bundesfinanzhof bereits entschieden, dass Masseverbindlichkeiten „in anderer Weise“ durch die Verwaltung der Insolvenzmasse begründet werden, wenn die Entstehung der Steuerverbindlichkeit ihre Ursache in der zur Masse gehörenden Beteiligung des Insolvenzschuldners an der Personengesellschaft und der daraus entstehenden Teilhabe an deren Ergebnissen hat13. Regelmäßig ist ein Gleichklang zwischen der Massezugehörigkeit der Beteiligung an der Personengesellschaft und der damit einhergehenden Steuerbelastung herzustellen. Die Steuerlast ist derjenigen Vermögensmasse zuzuordnen, in deren Bereich sie entstanden ist. Erklärt der Insolvenzverwalter nicht die Freigabe, muss er die aus der weiteren Massezugehörigkeit der (treuhänderischen) Beteiligung erwachsene Einkommensteuer als Verbindlichkeit gegen die Masse gelten lassen und hinnehmen14.
Diese Rechtsgrundsätze hat der Bundesfinanzhof ebenfalls sinngemäß angewendet, als ein zur Insolvenzmasse gehörendes und mit einem Absonderungsrecht belastetes Betriebsgrundstück nach Insolvenzeröffnung auf Betreiben eines Grundpfandgläubigers ohne Zutun des Insolvenzverwalters versteigert wurde und hierdurch -infolge Aufdeckung stiller Reserven- ein steuerpflichtiger Veräußerungsgewinn des Insolvenzschuldners entstand15.
Die auf den Gewinn aus der Versteigerung eines Gaststättengrundstücks des Insolvenzschuldners entfallende Einkommensteuer war eine „in anderer Weise“ durch die Verwaltung bzw. Verwertung der Insolvenzmasse begründete Masseverbindlichkeit. Kann die Zuordnung der Einkommensteuer zu den Masseverbindlichkeiten nicht an der Person des Handelnden festgemacht werden, da der absonderungsberechtigte Gläubiger (auch) nicht dem Bereich des Insolvenzverwalters zuzurechnen ist, sondern die Stellung eines Dritten einnimmt, so bleibt als Anknüpfungspunkt allein der Umstand bestehen, dass der Vermögensgegenstand bis zur Verwertung mit Willen des Insolvenzverwalters Teil der Insolvenzmasse gewesen ist. Insoweit sind die Massezugehörigkeit des Vermögensgegenstandes sowie dessen fehlende Freigabe durch den Insolvenzverwalter als entscheidende Wertungsmomente anzusehen.
Nach Maßgabe dessen hat das erstinstanzlich hiermit befasste Finanzgericht Rheinland-Pfalz16 im vorliegenden Streitfall zu Recht die Einkommensteuer, soweit sie auf die -durch die absonderungsberechtigte Kreissparkasse vorgenommene- Veräußerung der betrieblichen Wirtschaftsgüter entfällt, als Masseverbindlichkeit qualifiziert und dabei entscheidend darauf abgestellt, dass der Insolvenzverwalter die in Rede stehenden Gegenstände bis zur Veräußerung nicht aus der Masse freigegeben hatte. Es hat die Voraussetzungen des § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO -ohne Entscheidung darüber, welche der beiden Tatbestandsalternativen gegeben sei- als erfüllt angesehen, da jedenfalls die „Realisationshandlung“ zur Verwirklichung des Steuertatbestandes nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens liege und es unerheblich sei, ob der Insolvenzverwalter die Verwertung aufgrund seiner Befugnis nach § 166 Abs. 1 InsO selbst vornehme oder -wie im Falle des § 170 Abs. 2 InsO- einem absonderungsberechtigten Gläubiger übertrage17. Diese Wertungen des Finanzgericht sind frei von Rechtsfehlern.
Im Streitfall wurde die Einkommensteuerschuld nicht durch eine (Rechts-)Handlung des Insolvenzverwalters begründet (vgl. § 55 Abs. 1 Nr. 1 Halbsatz 1 InsO). Dies würde voraussetzen, dass bereits durch die im Schreiben des Insolvenzverwalters an die Kreissparkasse vom 29.11.2012 erklärte Überlassung des sicherungsübereigneten beweglichen Betriebsvermögens zur Verwertung selbst eine Masseverbindlichkeit begründet worden wäre bzw. der Insolvenzverwalter durch sein Handeln (unmittelbar) die Grundlage hierfür geschaffen hätte18.
Dies war allerdings nicht der Fall. Eine solche Bedeutung kann der Verwertungsüberlassung schon deshalb nicht beigemessen werden, weil der Insolvenzverwalter über § 170 Abs. 2 InsO dem gesicherten Gläubiger nicht bestimmte Gegenstände zur Verwertung aufzwingen kann; der Gläubiger kann die Übernahme der Verwertung also auch ablehnen19. Vorliegend sind die in Rede stehenden Steuerverbindlichkeiten vielmehr erst im Streitjahr durch Veräußerungsvorgänge seitens der Kreissparkasse und die dadurch verursachte Gewinnrealisierung ausgelöst worden. Mithin hat der Insolvenzverwalter als Insolvenzverwalter nur „mittelbar“ durch Wahrnehmung der Option nach § 170 Abs. 2 InsO gehandelt, während die unmittelbare Verwertungshandlung von der Kreissparkasse als Sicherungsnehmerin ausging. Daher ist kein Fall des § 55 Abs. 1 Nr. 1 Halbsatz 1 InsO gegeben20.
Bei der hier gegebenen Verwertungsüberlassung gemäß § 170 Abs. 2 InsO kann der Absonderungsberechtigte -hier die Kreissparkasse- auch nicht dem Bereich des Insolvenzverwalters zugerechnet werden. Diese nimmt vielmehr -im Verhältnis zum Insolvenzverwalter- die Stellung eines Dritten ein. Denn nach Überlassung zur Verwertung gemäß § 170 Abs. 2 InsO veräußert der Gläubiger im eigenen Namen und auf eigene Rechnung21. Eine andere Wertung ist auch im Hinblick auf die in dieser Vorschrift enthaltene Regelung, dass aus dem erzielten Verwertungserlös ein Beitrag in Höhe der Kosten der Feststellung sowie des Umsatzsteuerbetrages vorweg an die Masse abzuführen ist, nicht gerechtfertigt. Die Norm legt das Kostenverursachungsprinzip zugrunde, wonach die Kosten für die Feststellung und Verwertung der Absonderungsberechtigte als „Verursacher“ zu tragen hat; die Masse und damit die übrigen -ungesicherten- Gläubiger sollen damit nicht belastet werden22.
Dieser Fall ist zu unterscheiden von der -hier nicht gegebenen- Konstellation des § 168 Abs. 3 Satz 1 InsO, wonach die „andere Verwertungsmöglichkeit“ auch darin bestehen kann, dass der Gläubiger den Gegenstand selbst übernimmt, nachdem der Verwalter die Veräußerung vorbereitet und die Veräußerungsabsicht dem Gläubiger mitgeteilt hatte. Hier würde eine Verwertung durch den Insolvenzverwalter vorliegen23.
Es liegt aber eine „in anderer Weise“ durch Verwertung der Masse begründete Verbindlichkeit i.S. von § 55 Abs. 1 Nr. 1 Halbsatz 2 InsO vor.
Nach den oben dargestellten Rechtsgrundsätzen ist die Massezugehörigkeit des Vermögensgegenstandes sowie dessen fehlende Freigabe durch den Insolvenzverwalter als entscheidende Wertungsmomente anzusehen. Daher ist das Finanzgericht in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise zu der Einschätzung gelangt, dass der Gewinn aus der Veräußerung der zum Betriebsvermögen und zugleich zur Insolvenzmasse gehörenden Wirtschaftsgüter entfallende Teil der Einkommensteuer eine Masseverbindlichkeit darstellt.
Zum einen blieben nach zutreffender Rechtsansicht des Finanzgericht die betrieblichen Vermögensgegenstände bis zu ihrer Veräußerung durch die Kreissparkasse massezugehörig, da durch die Überlassung (nur) zur Verwertung keine echte Freigabe und damit auch keine Entlassung des Gegenstandes aus dem Insolvenzbeschlag erfolgte24. Außerdem war das Schreiben des Insolvenzverwalters vom 29.11.2012 nur an die Kreissparkasse gerichtet. Die Auslegung der Erklärung zur Verwertungsüberlassung zugleich als Freigabeerklärung scheidet von vornherein aus, da es an der bei einer Freigabe erforderlichen Willenserklärung gegenüber dem Insolvenzschuldner fehlt25.
Zum anderen hat der Insolvenzverwalter die streitbetroffenen betrieblichen Gegenstände -auch sonst- nicht aus dem Insolvenzbeschlag freigegeben, da er keine entsprechende Erklärung gegenüber dem Insolvenzschuldner abgegeben hat.
Ob diese Möglichkeit einer Freigabe stets bestehen muss, um die Entstehung von Masseverbindlichkeiten begründen zu können, bedarf im Streitfall keiner Entscheidung. Die Behauptung des Insolvenzverwalters, eine derartige Handlungsalternative habe für ihn nicht bestanden, vermag nicht zu überzeugen. Vielmehr ist anerkannt, dass auch sicherungsübereignete Gegenstände aus dem Insolvenzbeschlag freigegeben werden können26.
Diese Auslegung des § 55 Abs. 1 Nr. 1 Halbsatz 2 InsO ist auch deshalb zutreffend, weil -worauf bereits die Berichterstatterin des Finanzgericht zutreffend hingewiesen hatte- ohne Freigabe der wirtschaftliche Wert des Sicherungsguts der Insolvenzmasse erhalten bleibt. Der Verwertungserlös kommt der Insolvenzmasse zugute, indem sich die Insolvenzforderung der Kreissparkasse entsprechend mindert27. Darüber hinaus wäre ansonsten die durch die Verwertung massezugehöriger Vermögenswerte durch einen Dritten entstehende Einkommensteuerschuld selbst dann keine Masseverbindlichkeit, wenn infolge der Verwertung ein (erheblicher) Erlös der Masse zuflösse und diese bereicherte. Verbleibt nämlich ein Übererlös, fällt dieser in die Insolvenzmasse und steht zur gemeinschaftlichen Befriedigung der Gläubiger zur Verfügung28.
Masseverbindlichkeiten scheiden auch nicht deshalb aus, weil vorliegend -außer dem Kostenbetrag i.S. des § 170 Abs. 2 InsO- der Erlös nicht in die Insolvenzmasse geflossen ist. Im Einklang mit der Rechtsprechung des IV. Bundesfinanzhofs29 kommt es hierauf nicht an30.
Die Erwägung des Insolvenzverwalters, aus der in § 170 Abs. 2 InsO für die Umsatzsteuer getroffenen Regelung (Erstattung an die Masse) folge im Umkehrschluss, dass der Gesetzgeber für den Bereich der Ertragsteuern -mangels Verpflichtung zur Kompensation auch dieser die Masse belastenden Steuern- nicht von der Entstehung von Masseverbindlichkeiten ausgegangen sei, vermag nicht zu überzeugen.
Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass mit dieser Norm mittelbar eine Regelung auch für den Bereich der Ertragsteuern getroffen werden sollte. Vielmehr sind die tatbestandlichen Voraussetzungen, die zur Annahme von Masseverbindlichkeiten führen, u.a. in § 55 InsO geregelt. Danach können allerdings -wie dargelegt- derartige Verbindlichkeiten gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 1 Halbsatz 2 InsO auch ohne Handlung des Insolvenzverwalters „in anderer Weise“ durch eine Fremdverwertung von zur Masse gehörenden Gegenständen begründet werden.
Ein anderes Auslegungsergebnis ergibt sich auch nicht im Hinblick auf das Vorbringen des Insolvenzverwalters, in der Insolvenzantragstellung sei jedenfalls in solchen Fällen eine Betriebsaufgabe des Steuerpflichtigen zu sehen, in denen der Insolvenzschuldner mit der Antragstellung keine Fortführung beabsichtige (innere Tatsache) und in der Folge eine solche auch weder veranlasse noch an ihr mitwirke.
Mit diesem Vorbringen rügt der Insolvenzverwalter keinen Verfahrensfehler dergestalt, dass das Finanzgericht keine ausreichenden Feststellungen hinsichtlich des Zeitpunkts der Betriebsaufgabe getroffen bzw. die Umstände in unvertretbarer Weise dahingehend gewürdigt habe, dass der Zeitpunkt der Insolvenzantragstellung nicht der Betriebsaufgabezeitpunkt gewesen sei. Er wendet sich vielmehr gegen die Rechtsgrundsätze der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung.
Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs ist der Eigenantrag des Schuldners auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens auch dann, wenn er vom Insolvenzgericht dem Finanzamt mitgeteilt wird, in der Regel nicht als Betriebsaufgabeerklärung anzusehen. Dies kann im Wesentlichen damit begründet werden, dass eine Betriebsaufgabeerklärung „eindeutig“ sein muss. Ein Insolvenzverfahren muss nach der Konzeption der InsO nicht etwa stets zur Zerschlagung eines Betriebs führen, sondern kann ebenso dessen Erhaltung zum Ergebnis haben. Selbst für den Geltungsbereich der früheren Konkursordnung -die wesentlich stärker als die heutige InsO auf die Zerschlagung der betroffenen Unternehmen gerichtet gewesen sei- hat der Bundesfinanzhof entschieden, dass eine Betriebsaufgabe nicht bereits mit Eröffnung des Konkursverfahrens, sondern erst durch die Veräußerung der wesentlichen Betriebsgrundlagen während des laufenden Verfahrens bewirkt wird31.
Der Insolvenzverwalter trägt -außer dem Wunsch nach einer ergebnisorientierten Auslegung in seinem Sinne- in der Sache keine beachtlichen Gründe vor, die Zweifel an der Richtigkeit der vorstehenden Rechtsgrundsätze begründen könnten. Im Gegenteil bestätigt -ohne dass dies entscheidungsrelevant wäre- der Inhalt der vorliegenden Verwaltungsakten die vom Bundesfinanzhof in seinem Beschluss in BFH/NV 2016, 34 vertretene Sichtweise. So hat der Insolvenzschuldner in dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens vom 24.09.2012 ausgeführt, dass neben ihm im Unternehmen noch drei weitere Mitarbeiter beschäftigt seien. Die Arbeitsverhältnisse seien noch nicht gekündigt. Der Geschäftsbetrieb laufe bislang nach wie vor ohne Einschränkung. Vorhandene Aufträge würden abgearbeitet. Die Auftragslage sei gut. Da der Geschäftsbetrieb nach wie vor laufe und umgehend Entscheidungen im Hinblick auf eine Betriebsfortführung getroffen werden müssten, werde um kurzfristige Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters gebeten. Angesichts dieser Aussagen, die auf eine mögliche Betriebsfortführung abzielen, kann in der Insolvenzantragstellung keine Betriebsaufgabeerklärung durch den Insolvenzschuldner gesehen werden. Unabhängig davon, dass es an einer ausdrücklichen Erklärung fehlt, kommt in der Begründung zum Insolvenzantrag klar zum Ausdruck, dass der Insolvenzschuldner eine Betriebsfortführung im Rahmen des Insolvenzverfahrens erhoffte. Die Behauptung des Insolvenzverwalters, ein Schuldner beabsichtige regelmäßig keine Fortführung, trifft daher -insbesondere im vorliegenden Streitfall- nicht zu.
Bundesfinanzhof, Urteil vom 14. Dezember 2022 – X R 9/20
- vgl. K. Schmidt/Büteröwe, InsO, 20. Aufl., § 35 Rz 6; BGH, Urteil vom 25.09.2014 – IX ZR 156/12, Deutsche Zeitschrift für Wirtschafts- und Insolvenzrecht -DZWIR- 2015, 82, Rz 6[↩]
- vgl. K. Schmidt/Sinz, a.a.O., § 166 Rz 10[↩]
- vgl. Fehst/Engels in Sonnleitner, Insolvenzsteuerrecht, 2017, Kap. 2 Rz 81[↩]
- vgl. z.B. BFH, Urteil vom 16.07.2015 – III R 32/13, BFHE 251, 102, BStBl II 2016, 251, Rz 19[↩]
- vgl. BFH, Urteil vom 18.05.2010 – X R 60/08, BFHE 229, 62, BStBl II 2011, 429, Rz 35[↩]
- ständige Rechtsprechung, so bereits BFH, Urteile vom 16.11.2004 – VII R 75/03, BFHE 208, 296, BStBl II 2006, 193, unter II. 2.; vom 29.08.2007 – IX R 4/07, BFHE 218, 435, BStBl II 2010, 145, unter III. 2.b dd (1), m.w.N., sowie in BFHE 241, 233, BStBl II 2013, 759, Rz 19[↩]
- so bereits BFH, Urteil in BFHE 241, 233, BStBl II 2013, 759, Rz 19[↩]
- vgl. BFH, Urteil vom 27.10.2020 – VIII R 19/18, BFHE 271, 15, BStBl II 2021, 819, Rz 37[↩]
- vgl. BFH, Beschluss vom 27.10.2016 – IV B 119/15, BFH/NV 2017, 320, Rz 7[↩]
- vgl. BVerwG, Urteil vom 16.12.2009 – 8 C 9/09, Neue Juristische Wochenschrift -NJW- 2010, 2152, Rz 14; MünchKomm-InsO/Hefermehl, 4. Aufl., InsO, § 55 Rz 11[↩]
- vgl. BFH, Urteil in BFHE 270, 24, BStBl II 2021, 174, Rz 38[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 12.01.2017 – IX ZR 87/16, DZWIR 2017, 427, Rz 19; BVerwG, Urteil in NJW 2010, 2152, Rz 14; BFH, Urteil vom 03.08.2016 – X R 25/14, BFH/NV 2017, 317, Rz 29; Lohmann in Kayser/Thole, Insolvenzordnung, 11. Aufl., § 55 Rz 8[↩]
- vgl. Urteil in BFHE 229, 62, BStBl II 2011, 429, Rz 41 f.[↩]
- vgl. BFH, Urteil in BFHE 265, 300, BStBl II 2022, 488, Rz 53 ff.[↩]
- vgl. BFH, Urteil in BFHE 270, 24, BStBl II 2021, 174, Rz 28 ff.[↩]
- FG Rheinland-Pfalz, Urtei vom 03.03.2020 – 5 K 1193/17[↩]
- vgl. FG, Urteil in EFG 2020, 679, Rz 61[↩]
- vgl. BAG, Urteil vom 27.04.2006 – 6 AZR 364/05, Der Betrieb 2006, 2296, unter II. 2.a; FG Düsseldorf, Urteil vom 21.07.2016 – 11 K 613/13 E, EFG 2016, 1906, Rz 53[↩]
- vgl. Uhlenbruck/Brinkmann, Insolvenzordnung, 15. Aufl., § 170 Rz 21; K. Schmidt/Sinz, a.a.O., § 170 Rz 12[↩]
- vgl. auch Cranshaw, juris PraxisReport Insolvenzrecht 11/2020 Anm. 3, unter C.[↩]
- vgl. BeckOK InsR/Lütcke, 29. Ed. [15.10.2022], InsO § 170 Rz 20[↩]
- vgl. K. Schmidt/Sinz, a.a.O., § 170 Rz 1; Hölzle in Kayser/Thole, a.a.O., § 170 Rz 6[↩]
- vgl. Uhlenbruck/Brinkmann, a.a.O., § 170 Rz 19[↩]
- vgl. auch Uhlenbruck/Brinkmann, a.a.O., § 170 Rz 20; K. Schmidt/Sinz, a.a.O., § 170 Rz 13; BeckOK InsR/Lütcke, 29. Ed. [15.10.2022], InsO § 170 Rz 21; Hölzle in Kayser/Thole, a.a.O., § 170 Rz 18; Flöther in Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 170 Rz 12[↩]
- vgl. Windel in Jaeger, Insolvenzordnung, § 80 Rz 35[↩]
- vgl. Hölzle in Kayser/Thole, a.a.O., § 170 Rz 20; Becker in Nerlich/Römermann, InsO, § 170 Rz 4; Windel in Jaeger, a.a.O., § 80 Rz 31; Cranshaw, juris PraxisReport Insolvenzrecht 11/2020 Anm. 3, unter C.; OLG Frankfurt a.M., Urteil vom 12.04.2017 – 19 U 165/15 Rz 26, 141[↩]
- vgl. BFH, Urteil vom 12.05.1993 – XI R 49/90, BFH/NV 1994, 274[↩]
- vgl. BGH, Urteil in DZWIR 2015, 82, Rz 9; Hölzle in Kayser/Thole, a.a.O., § 170 Rz 14[↩]
- vgl. BFH, Urteil in BFHE 241, 233, BStBl II 2013, 759, Rz 29 f.[↩]
- so schon BFH, Urteil vom 09.12.2014 – X R 12/12, BFHE 253, 482, BStBl II 2016, 852, Rz 46[↩]
- vgl. BFH, Beschluss vom 01.10.2015 – X B 71/15, BFH/NV 2016, 34, Rz 20 ff.[↩]