Abgeltungsteuer – und die Verrechnung von Veräußerungsverlusten

Die Verrechnung von Altverlusten aus der Veräußerung von Wertpapieren mit nach der Verrechnung i.S. des § 43a Abs. 3 EStG verbleibenden positiven Kapitaleinkünften i.S. des § 20 Abs. 2 EStG ist zwingend, wenn gemäß § 32d Abs. 4 EStG die Einbeziehung der Kapitaleinkünfte in die Steuerfestsetzung beantragt wurde und keine Ausgleichsmöglichkeit der Altverluste mit Gewinnen aus privaten Veräußerungsgeschäften i.S. des § 23 EStG besteht.

Abgeltungsteuer – und die Verrechnung von Veräußerungsverlusten

Gemäß § 20 Abs. 6 Satz 1 EStG 2009 sind verbleibende positive Einkünfte aus Kapitalvermögen nach der Verrechnung i.S. des § 43a Abs. 3 EStG 2009 zunächst mit Verlusten aus privaten Veräußerungsgeschäften nach Maßgabe des § 23 Abs. 3 Satz 9 und 10 EStG 2009 zu verrechnen. Gemäß § 23 Abs. 3 Satz 9 EStG 2009 können Verluste aus privaten Veräußerungsgeschäften i.S. des § 23 a.F. auch mit Einkünften aus Kapitalvermögen i.S. des § 20 Abs. 2 EStG i.d.F. des Art. 1 des Gesetzes vom 14.08.20071 ausgeglichen werden. Danach ist die Verrechnung von Altverlusten aus privaten Veräußerungsgeschäften i.S. des § 23 EStG a.F. mit nach der Verrechnung i.S. des § 43a Abs. 3 EStG 2009 verbleibenden positiven Kapitaleinkünften i.S. des § 20 Abs. 2 EStG 2009 jedenfalls dann zwingend, wenn keine Ausgleichsmöglichkeit der Altverluste mit Gewinnen aus privaten Veräußerungsgeschäften i.S. des § 23 EStG 2009 besteht. Eine Verrechnung der Altverluste im Veranlagungsverfahren geht dabei einer Verrechnung mit „neuen“ Verlusten aus § 20 Abs. 2 EStG 2009 vor2.

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Diese Voraussetzungen für eine zwingende Verrechnung der zum 31.12 2008 festgestellten Altverluste der Anleger aus privaten Veräußerungsgeschäften mit den im Streitjahr erzielten positiven Einkünften i.S. des § 20 Abs. 2 EStG 2009 waren in dem hier vom Bundesfinanzhof entschiedenen Fall erfüllt, da die Anleger im Streitjahr keine positiven Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften erzielt haben. Einer Antragstellung, wie in Zeile 59 der Anlage KAP zur Einkommensteuererklärung 2009 vorgesehen, bedurfte es folglich nicht.

Der Bundesfinanzhof hat mangels positiver Einkünfte der Anleger i.S. des § 23 EStG 2009 im Streitjahr nicht über die Frage zu entscheiden, ob die Altverluste vor der Verrechnung mit Kapitaleinkünften i.S. des § 20 Abs. 2 EStG 2009 zunächst mit den nach § 23 EStG 2009 zu besteuernden Einkünften innerhalb der Einkunftsart zu verrechnen sind oder ob bezüglich der Verrechnung mit Kapitaleinkünften i.S. des § 20 Abs. 2 EStG 2009 ein Wahlrecht besteht.

Die Anleger haben danach einen Anspruch auf Änderung des Einkommensteuerbescheids für 2009 gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO. Das Finanzamt wird verpflichtet, den Einkommensteuerbescheid für 2009 vom 25.08.2014 mit der Maßgabe abzuändern, dass die Einkünfte der Anleger aus Kapitalvermögen i.S. des § 20 Abs. 2 EStG 2009 in Höhe von jeweils 25.271 EUR mit dem im Bescheid vom 23.09.2009 über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer zum 31.12 2008 festgestellten verbleibenden Verlustvortrag für die Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften i.S. des § 23 EStG a.F. vollumfänglich verrechnet werden. Eine Festsetzung durch den Bundesfinanzhof (§ 100 Abs. 2 i.V.m. § 121 Satz 1 FGO) kommt nicht in Betracht, da die Vorschrift auf Verpflichtungsklagen -wie die erhobene Klage auf Änderung der formell bestandskräftigen Steuerfestsetzung- keine Anwendung findet3.

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Bei der Verlustverrechnung hat das Finanzamt zu berücksichtigen, dass Verluste aus der Veräußerung von Wertpapieren, die vor dem 1.01.2009 angeschafft wurden, auch nach dem Inkrafttreten der Abgeltungsteuer dem Halbeinkünfteverfahren unterliegen4. Der verbleibende Verlustvortrag aus privaten Veräußerungsgeschäften zum 31.12 2008 ist danach in Höhe der festgestellten Nominalbeträge mit den Kapitaleinkünften der Anleger i.S. des § 20 Abs. 2 EStG 2009 zu verrechnen. Der Bundesfinanzhof weist zudem darauf hin, dass der durch die Saldierung im Einkommensteuerbescheid vom 25.08.2014 verbrauchte Verlust in Höhe von 349, 72 EUR im Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer zum 31.12 2009 vom 25.08.2014 mit jeweils 25.271 EUR für jeden der beiden Anleger zu hoch angesetzt wurde.

Bundesfinanzhof, Urteil vom 9. August 2016 – VIII R 27/14

  1. BGBl I 2007, 1912[]
  2. vgl. Jachmann/Lindenberg in Lademann, a.a.O., § 20 EStG Rz 856, 865 ff.; Jochum, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, a.a.O., § 20 Rz H 21 -214. Ergänzungslieferung, November 2010-; HHR/Buge, § 20 EStG Rz 611, 614 f.; Blümich/Ratschow, § 20 EStG Rz 465; Blümich/Glenk, § 23 EStG Rz 242; Schmidt/Weber-Grellet, EStG, 32. Aufl., § 20 Rz 187; Seitz, Der Steuerberater 2009, 426; Lappas, Die Steuerberatung 2009, 446, 451; Strauch, Deutsches Steuerrecht 2010, 254 f.; Jäck/Modler, DStZ 2011, 106, 108; Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 18.01.2016, BStBl I 2016, 85, Rz 118[]
  3. BFH, Urteil vom 28.10.2009 – I R 27/08, BFHE 227, 73, BStBl II 2011, 229, m.w.N.[]
  4. BFH, Urteil vom 03.11.2015 – VIII R 37/13, BFHE 252, 274, BStBl II 2016, 273[]
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