Zahlungen für die Ablösung von Namensgewinnscheinen, die von einem Unternehmen für seine Mitarbeiter ausgegeben worden sind, sind einkommensteuerpflichtige Einkünfte aus Kapitalvermögen (§ 20 Abs. 1 Nr. 7 i.V.m. § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG).

Nach § 20 Abs. 1 Nr. 7 i.V. mit § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG gehören zu den Einkünften aus Kapitalvermögen Erträge aus sonstigen Kapitalforderungen jeder Art, wenn die Rückzahlung des Kapitalvermögens oder ein Entgelt für die Überlassung des Kapitalvermögens zur Nutzung zugesagt oder gewährt worden ist, auch wenn die Höhe des Entgelts von einem ungewissen Ereignis abhängt. Dies gilt unabhängig von der Bezeichnung und der zivilrechtlichen Ausgestaltung der Kapitalanlage (§ 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG). Zu den Einkünften aus Kapitalvermögen gehören auch besondere Entgelte oder Vorteile, die neben den in den § 20 Abs. 1 und 2 EStG bezeichneten Einnahmen oder an deren Stelle gewährt werden (§ 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG).
Genussrechte begründen im Gegensatz zu Anteilen keine mitgliedschaftlichen Rechte, sondern stellen lediglich Gläubigerrechte auf schuldrechtlicher Grundlage dar. Es handelt sich um ein Dauerschuldverhältnis eigener Art [1]. Der Unterschied zu den Mitgliederrechten besteht darin, dass Genussrechte ausschließlich Vermögensrechte gewähren. Sie umfassen keine Mitverwaltungsrechte, insbesondere vermitteln sie kein Stimmrecht.
Steuerrechtlich ist zu unterscheiden zwischen Genussrechten, die einen Beteiligungscharakter aufweisen, und Genussrechten, denen lediglich Obligationscharakter zukommt. Genussrechte führen zu Bezügen i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG, wenn mit ihnen das Recht auf Beteiligung am Gewinn und am Liquidationserlös verbunden ist (Genussrecht mit Beteiligungscharakter [2]). Beide Voraussetzungen müssen kumulativ vorliegen. Fehlt eine der beiden Voraussetzungen, sind die Bezüge nach § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG anzusetzen (Genussrecht mit Obligationscharakter [3]).
Im vorliegend vom Finanzgericht Baden-Württemberg entschiedenen Streitfall gewährten die Namensgewinnscheine zwar eine Beteiligung am Gewinn der X AG. Allerdings vermittelten sie keine Beteiligung an einem etwaigen Liquidationserlös. Eine Beteiligung am Liquidationserlös liegt dann vor, wenn das Genussrechtskapital zuzüglich der anteiligen stillen Reserven zurückzuzahlen ist. Allein die Vereinbarung, dass das Genussrechtskapital erst nach der Befriedigung der übrigen Gesellschaftsgläubiger zurückzuzahlen ist (sog. Nachrangvereinbarung), verleiht dem Genussrecht allerdings noch keinen Beteiligungscharakter [4]. Demzufolge unterliegen die im vorliegenden Streitfall zu beurteilenden Namensgewinnschein nicht der Vorschrift des § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG, da mit ihnen nicht das Recht am Liquidationserlös der X AG verbunden war. Die Inhaber der Namensgewinnschein hatten im Falle der Liquidation der X AG nach Befriedigung der Gläubiger der Gesellschaft, aber vor Rückzahlungen an die Aktionäre, lediglich Anspruch auf Erstattung des Nennwerts ihrer Namensgewinnschein.
Nach den Namensgewinnschein-Bedingungen gewährte jeder Namensgewinnschein im Nennwert von 50 DM dem Inhaber einen Anteil am Gewinn der X AG in Höhe des Betrages, den die Gesellschaft als Dividende (einschließlich eines eventuell ausgeschütteten Bonus) auf 10 Stückaktien mit einem rechnerisch anteiligen Betrag des Grundkapitals von 2,56 EUR je Aktie bezahlt, mindestens aber 3,50 DM pro Namensgewinnschein für ein Geschäftsjahr. Die hieraus resultierenden jährlichen Erträge aus den Namensgewinnschein sind gem. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG steuerpflichtig, auch wenn das Entgelt der Höhe nach von einem ungewissen Ereignis abhängig war, nämlich der Höhe der Dividendenzahlungen an die Aktionäre [5].
Allerdings führen nach Ansicht des Finanzgerichts Baden-Württemberg nicht nur die jährlichen Gewinnbeteiligungen, sondern auch der von der X AG gezahlte Abfindungsbetrag zu steuerpflichtigen Einkünften aus Kapitalvermögen.
Die Vorschrift des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG, nach der zu den Einkünften aus Kapitalvermögen auch besondere Entgelte oder Vorteile gehören, die neben den in den § 20 Abs. 1 und 2 EStG bezeichneten Einnahmen oder an deren Stelle gewährt werden, stellt den Umfang der von § 20 Abs. 1 EStG erfassten Einnahmen klar [6]. Sie bewirkt, dass alles, was für die Nutzung von Kapital gewährt wird, zu den Einnahmen aus Kapitalvermögen gehört. Dabei kommt es weder auf die Bezeichnung der Erträge noch darauf an, ob sie in offener oder verschleierter Form gewährt werden. Zu den Einkünften aus Kapitalvermögen gehören vielmehr alle Vermögensmehrungen, die bei wirtschaftlicher Betrachtung Entgelt für die Kapitalnutzung sind [7]. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs führt auch die Abfindung an einen typisch stillen Gesellschafter, die den Nennbetrag der Einlage übersteigt, grundsätzlich zu Einkünften aus Kapitalvermögen i.S. von § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG [8]. Wenn der Geschäftsinhaber als Abfindung mehr bezahlt als den Nennbetrag der Einlage, so geschieht dies regelmäßig nicht, um damit einen höheren „Wert“ der Einlage abzugelten, sondern um dem stillen Teilhaber ein zusätzliches Entgelt für die Überlassung der Einlage zu gewähren.
So verhält es sich auch bei dem im vorliegenden Streitfall zu beurteilenden Abfindungsbetrag für die Ablösung der Namensgewinnschein.
Da die Namensgewinnschein nach den hierzu geregelten Ausgabebedingungen dem Inhaber über die jährliche Gewinnbeteiligung hinaus keine Teilhabe an der Wertentwicklung des Unternehmens vermitteln sollten, gibt es keinen Anlass für die Annahme, dass mit der Abfindung gleichwohl eine während der Inhaberschaft des Klägers eingetretene Wertsteigerung der Namensgewinnschein ganz oder teilweise habe vergütet werden sollen.
Im Falle der Liquidation oder Auflösung der X AG sollte höchstens der Nennwert der Namensgewinnschein erstattet werden. Auch im Falle von Rückfällen bzw. Rückkäufen hatte die X AG lediglich den Nennwert der Namensgewinnschein zu vergüten. Dementsprechend konnte eine Abfindung der vorliegend streitbefangenen Art nicht beanspruchen, wer vor dem 30. Juni 2006 aus den Diensten der X AG (etwa durch Tod) ausgeschieden war. Vielmehr war die Fortdauer des Beschäftigungsverhältnisses bis zu diesem Zeitpunkt als Bedingung für den Fortbestand der Namensgewinnschein Voraussetzung für die mit dem Rückkaufangebot verbundene Abfindung. Das wird im Schreiben der X AG vom 5. Mai 2006 ausdrücklich hervorgehoben. Wer am 31. Mai 2006 – aus welchen Gründen auch immer – aus dem Konzern ausschied oder schon früher ausgeschieden war, verlor seine Namensgewinnschein auch dann ohne eine über deren Nennwert hinausgehende Abfindung, wenn er seinerzeit schon seit mehr als 20 Jahren Inhaber der Namensgewinnschein gewesen sein sollte. Dies zeigt, dass die von den Klägern postulierte Vorstellung von einem sich parallel zum Unternehmenswert der X‑Konzerngesellschaften entwickelnden Kurswert der Namensgewinnschein verfehlt ist.
Gegen die Annahme, die Abfindung habe dessen ungeachtet eine Wertsteigerungskomponente, sprechen aber nicht nur die in den Ausgabebedingungen getroffenen Regelungen, sondern vor allem auch die Parameter zur Bemessung des Abfindungsbetrags. Wäre mit der Abfindung die Abgeltung einer Wertsteigerung bezweckt gewesen, dann würde nach der Überzeugung des Finanzgerichts in ihre Berechnung nämlich auch ein Faktor einbezogen worden sein, der eine – mindestens pauschale – Orientierung an der während der Dauer des Bestands des jeweiligen Namensgewinnschein eingetretenen Wertentwicklung erkennen lässt. Daran fehlt es indessen. Der Abfindungsbetrag betrug vielmehr für alle Namensgewinnschein unterschiedslos jeweils das Dreifache ihres Nennwerts, welcher sich im gesamten Zeitraum von 1980 bis 2000 stets auf 50 DM belaufen hatte. Auch darin erweist sich, dass es bei der Abfindung nicht darum ging, die Inhaber der Namensgewinnschein an einer während ihrer Besitzzeit eingetretenen Entwicklung des Unternehmenswerts teilhaben zu lassen. Anderenfalls wären im Jahr 1980 erworbene Namensgewinnschein nicht mit dem gleichen Betrag abgefunden worden wie die im Jahr 2000 erworbenen Namensgewinnschein. Dass die Entwicklung des Unternehmenswerts des X‑Konzerns im Zeitraum von 1980 bis 2006 nicht derjenigen in der Zeit von 2000 bis 2006 entspricht, liegt auf der Hand.
Die Bemessung der Abfindung für die Rückgabe der Namensgewinnschein und die zu deren Begründung von der X AG gegebenen Erläuterungen lassen nach Auffassung des Finanzgerichts vielmehr hinreichend deutlich werden, dass mit der Abfindung ein zusätzliches Entgelt für die Überlassung von Kapital gewährt wurde.
Die X AG hat in ihrem Schreiben an die Inhaber der Namensgewinnschein vom 5. Mai 2006 die Höhe der Abfindung nicht nur als einen Betrag in Höhe des dreifachen Nominalwerts bezeichnet; sie hat in diesen Zusammenhang auch ausdrücklich einen Bezug zur Rendite einer Kaitalüberlassung auf Zeit hergestellt, indem sie darauf hingewiesen hat, dass der Abfindungsbetrag einer Verzinsung der Namensgewinnschein für 10 Jahre zu einem Zinssatz von 30 % p. a. entspreche. Dass die streitbefangene Abfindung nicht mehr für eine künftige Kapitalüberlassung geschuldet sein sollte, steht ihrer Qualifizierung als besonderes Entgelt oder besonderen Vorteil im Sinne des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG nicht entgegen. Wie nicht zuletzt auch die – die Steuerpflicht nicht begründende, sondern voraussetzende – Regelung des § 24 Nr. 1 EStG zeigt, gehören zu den Einkünften im Sinne des § 2 Abs. 1 EStG gerade auch Entschädigungen, die als Ersatz für (künftig) entgehende Einnahmen gewährt werden, Zahlungen also, die – wie die vorliegend zu beurteilende Abfindung – im Grenzbereich von Einkunftserzielung und deren Beendigung geleistet werden.
Weder die Länge des für die Bemessung der Abfindung zugrunde gelegten Zeitraums (weitere 10 Jahre) noch die Höhe der angesetzten jährlichen Verzinsung (von 30 %) zwingen zu der Annahme, die Zahlung sei – aus der maßgeblichen Sicht des Gläubigers – für etwas anderes geleistet worden denn als Ersatz für in der Zukunft entgehende (steuerpflichtige) Einnahmen im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG.
Zwar hätte im Falle des Vorliegens eines Kündigungsgrundes im Sinne der Ziffer 5 der Namensgewinnschein-Bedingungen 2000 die durch den Erwerb der Namensgewinnschein begründete – auf unbestimmte Dauer erfolgte – Kapitalüberlassung schon vor Ablauf weiterer 10 Jahre ihr Ende finden können. Ungeachtet dessen, dass die X AG in ihren Schreiben an die Inhaber der Namensgewinnschein vom Frühjahr 2006 die Möglichkeit einer kurzfristigen Kündigung nach dem 30. Juni 2006 angedeutet hatte, war seinerzeit jedoch noch offen, ob und ggf. wann eine Situation entstehen würde, die sie zu einer Kündigung aus wichtigem Grund gegenüber allen Inhabern von Namensgewinnschein (insbesondere auch gegenüber dem Kläger) berechtigte. Auch war der Ansatz von 30 % des eingesetzten Kapitals pro Jahr für die abzufindenden künftigen Gewinnbeteiligungsansprüche zwar hoch, zumal wenn man berücksichtigt, dass ausweislich des vorletzten Absatzes im Schreiben der X AG vom 5. Mai 2006 aufgrund einer Änderung der Regelungen zu Ziffer 4 der Ausgabebedingungen künftig nur noch mit einer Verzinsung von 7 % gerechnet werden konnte. Im Vergleich zu den in der Vergangenheit mit den Namensgewinnschein erzielten Renditen (für das Jahr 2005 waren dies immerhin 154,7 %; für die erste Hälfte des Jahres 2006 wurde den Inhabern der Namensgewinnschein ausweislich des Schreibens der X vom 5. Mai 2006 die gleiche Rendite nochmals vergütet) nimmt sich die Verzinsung mit 30 % jedoch eher bescheiden aus.
Selbst wenn die Höhe der Abfindung auch durch das Interesse der X AG beeinflusst gewesen sein sollte, die aus ihrer Sicht ungünstige Finanzierung des Konzerns mittels Namensgewinnschein zu beenden, stünde dies ihrer Qualifizierung als – steuerpflichtigen – Kapitalertrag im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 7 i.V.m. Abs. 2 Nr. 1 EStG nicht entgegen. Insofern wäre die Sachlage vergleichbar mit der im BFH-Urteil vom 11. Januar 2005 [9] – wenngleich für Vermietungseinkünfte – entschiedenen Konstellation. Auch dort hatte nämlich der Empfänger der Abfindung diese erhalten, weil seinem Vertragspartner die Fortsetzung der Rechtsbeziehung für die gesamte vertraglich vereinbarte Dauer lästig geworden war, ohne dass der Bundesfinanzhof wegen dieser Motivation den Charakter der Zahlung als – steuerpflichtige – Entschädigung für (künftig) entgehende Einnahmen in Frage gestellt hätte. Dementsprechend ist auch hinsichtlich der Beurteilung von Abfindungen wegen Auflösung eines Arbeitsverhältnisses als steuerbare sonstige Bezüge im Sinne des § 19 Abs. 1 Nr. 1 EStG – soweit ersichtlich – nie die Frage aufgeworfen worden, ob die Abfindung deshalb gezahlt worden ist, weil die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers für den Arbeitgeber lästig gewesen wäre. Soweit das Niedersächsische Finanzgericht [10] dies in Bezug auf Abfindungen im Zusammenhang mit der Beendigung einer typisch stillen Gesellschaft anders beurteilt hat, folgt das Finnazgericht Baden-Württemberg dem nicht.
An der Steuerpflicht gem. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG i.V. mit § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG ändert auch die Einführung des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 EStG mit Wirkung ab 1. Januar 1994 durch das Missbrauchsbekämpfungs- und Steuerbereinigungsgesetz [11] nichts [12].
Nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 EStG gehören zu den Einkünften aus Kapitalvermögen auch Einnahmen aus der Veräußerung oder Abtretung von Schuldverschreibungen, Schuldbuchforderungen und sonstigen Kapitalforderungen, soweit sie der rechnerisch auf die Besitzzeit entfallenden Emissionsrendite entsprechen. Haben die Wertpapiere und Kapitalforderungen keine Emissionsrendite oder weist der Steuerpflichtige sie nicht nach, gilt der Unterschied zwischen dem Entgelt für den Erwerb und den Einnahmen aus der Veräußerung, Abtretung oder Einlösung als Kapitalertrag (sog. Marktrendite; § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 EStG).
Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, der das Finanzgericht Baden-Württemberg folgt, ist eine Besteuerung nach der Marktrendite gem. § 20 Abs. 2 Satz 2 EStG allerdings nur für solche Wertpapiere gerechtfertigt, die eine Verbindung von Erträgen aus der Kapitalnutzung durch entgeltliche Überlassung und der Ausschöpfung der Werthaltigkeit des Kapitals beinhalten. Die – bis zur Einführung der Abgeltungssteuer ab dem Jahr 2009 durch das Unternehmensteuerreformgesetz 2008 [13] – systematisch gebotene Abschöpfung nur des Kapitalnutzungsentgelts kann in derartigen Fällen nicht gewährleistet werden, weil es nicht von der Wertentwicklung abgrenzbar ist. Es ist demnach eine tatbestandsmäßige Eingrenzung der von § 20 Abs. 2 Satz 1 EStG erfassten Finanzinnovationen geboten. Der Tatbestand der sonstigen Kapitalforderungen, bei denen die Höhe der Erträge von einem ungewissen Ereignis abhängt (fehlende Emissionsrendite, § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 Buchst. c, d EStG), ist als sachgerechte gesetzliche Typisierung gerade solcher Anlagen einzuordnen, bei denen ihrer Ausgestaltung nach Nutzungsentgelt und Kursgewinn rechnerisch nicht abgrenzbar sind [14].
Bei den hier zu beurteilenden Namensgewinnschein handelte es sich allerdings nicht um eine derartige Anlageform. Denn nach den Namensgewinnschein-Bedingungen bestand für die Anleger nicht die Möglichkeit der Realisierung von Wertsteigerungen. Es war vielmehr lediglich eine jährliche Gewinnausschüttung verbunden mit einer Mindestverzinsung geregelt. Die Problematik der fehlenden Abgrenzbarkeit von Nutzungsentgelt und Kursgewinn stellte sich demzufolge nicht. Zudem sind die in § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 EStG getroffenen Regelungen nicht auf Erträge aus Genussrechten im Sinne des § 43 Abs. 1 Nr. 2 EStG anzuwenden (§ 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 5 EStG). Hiermit sind Genussrechte angesprochen, die nicht in § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG genannt sind, also solche, die – wie die im Streitfall zu beurteilenden – unter die Vorschrift des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG fallen [15].
Daraus folgt jedoch nicht, dass nur die laufende Gewinnbeteiligung als steuerpflichtiger Kapitalertrag zu erfassen wäre. Vielmehr sind nach der Vorschrift des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG, die im Zuge der Einführung des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 EStG keine Einschränkung erfahren hat, auch besondere Entgelte oder Vorteile als Einkünfte aus Kapitalvermögen anzusehen, wenn sie für die Überlassung des Kapitals zur Nutzung geleistet werden. Diese Voraussetzung ist bei dem hier zu beurteilenden Abfindungsbetrag erfüllt.
Wollte man hingegen – abweichend von den vorstehenden Ausführungen – die Auffassung vertreten, mit dem Zufluss der Abfindungsteilbeträge beim Kläger sei keiner der in § 20 EStG normierten Tatbestände verwirklicht worden, dann entfiele damit indessen noch nicht die Steuerbarkeit dieser Zahlungen. Es wäre dann nämlich von Einkünften des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit auszugehen. Denn die streitbefangene Abfindung war (jedenfalls mittelbar) auch durch sein Arbeitsverhältnis veranlasst.
Die Möglichkeit, Namensgewinnschein zu erwerben und so in den Besitz dieser hochrentierlichen Kapitalanlagen zu gelangen, hatten nur bestimmte aktive Mitarbeiter des X‑Konzerns; überdies war die Dauer der Inhaberschaft an den Namensgewinnschein – von Ausnahmen beim Eintritt in den Ruhestand nach mehr als 10 Jahre währender Beschäftigung im Konzern abgesehen – auch an die Fortdauer der Arbeitnehmereigenschaft im Konzern geknüpft. Der Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis findet überdies in den Mitwirkungsrechten des Konzernbetriebsrats ihren Ausdruck. Er tritt zwar im sachlichen Anwendungsbereich der Tatbestände des § 20 EStG in den Hintergrund, wird dadurch aber nicht aufgehoben. Erhalten (aktive oder ehemalige) Arbeitnehmer aufgrund des ihnen ermöglichten Erwerbs von Namensgewinnschein Sonderzahlungen, die von den Tatbeständen des § 20 EStG nicht erfasst werden, können diese deshalb – steuerbare und auch steuerpflichtige – Bezüge aus einer Beschäftigung im privaten Dienst im Sinne des § 19 Abs. 1 Nr. 1 EStG darstellen.
Verneinte man die Anwendbarkeit des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG auf die von der X AG für die freiwillige Einlösung der Namensgewinnschein gewährten Abfindungen deshalb, weil diese in ihrer Höhe über eine angemessene Abgeltung von in der Zukunft noch zu erwartenden Renditen der Namensgewinnschein hinausgingen, zumal die von der X AG in ihrem Schreiben vom 5. Mai 2006 angekündigte – und später auch realisierte – Umstrukturierung des Konzerns ihr ohnehin eine baldige abfindungslose Kündigung zahlreicher Namensgewinnschein ermöglicht haben würde, dann wäre zu fragen, was Anlass für die großzügige Dotierung der Abfindungen war. Außer dem für die Annahme von Einkünften aus Kapitalvermögen unerheblichen Grund der möglichst reibungslosen Beendigung einer unvorteilhaften – weil für die Aktionäre teuren – Finanzierung bliebe als plausibles Motiv nur noch die zufriedenstellende Berücksichtigung von Arbeitnehmerbelangen. Ganz offensichtlich war der X AG daran gelegen, ihren Mitarbeitern (nur solche waren zum Erwerb von Namensgewinnschein berechtigt) einen Ausgleich dafür anzubieten, dass aufgrund einer Neuausrichtung der Unternehmenspolitik die bisherige Form der Mitarbeitergewinnbeteiligung beendet und damit zwangsläufig mit dem Erwerb von Namensgewinnschein verbundene langfristige Renditeerwartungen enttäuscht werden würden. Ohne dass es für diese Beurteilung noch darauf ankäme, wird angemerkt, dass die X AG in der Vergangenheit den über 7 % per anno hinausgehenden Teil der Gewinnbeteiligung als Personalaufwand angesehen und verbucht hatte.
Das Finanzamt hat in Bezug auf die nach den vorstehenden Ausführungen steuerbaren Einkünfte zutreffend keine ermäßigt zu besteuernden außerordentlichen Einkünfte gem. § 24 Nr. 1 i.V. mit § 34 Abs. 2 Nr. 2 EStG angenommen.
Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs sind außerordentliche Einkünfte solche, deren Zufluss in einem Veranlagungszeitraum zu einer für den jeweiligen Steuerpflichtigen im Vergleich zu seiner regelmäßigen sonstigen Besteuerung einmaligen und außergewöhnlichen Progressionsbelastung führen. Diese abzumildern ist der Zweck der Billigkeitsregelung des § 34 Abs. 1 und 2 Nr. 2 EStG [16]. Diese – veranlagungszeitraumbezogen betrachtet – begünstigende Behandlung von zusammengeballt zugeflossenen Einnahmen, deren Zufluss sich beim jeweiligen Steuerpflichtigen nach dessen regelmäßiger Einkünftesituation normalerweise auf mehrere Jahre verteilt hätte [17], verwirklicht – veranlagungszeitraumübergreifend betrachtet – eine gleichmäßige progressive Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. Dementsprechend sind solche Entschädigungen als außerordentliche Einkünfte zu behandeln, deren zusammengeballter Zufluss zu einer Ausnahmesituation in der Progressionsbelastung des jeweiligen Steuerpflichtigen führt. Typischerweise liegt sie nicht vor, wenn eine einheitliche Entschädigungsleistung in mehreren Veranlagungszeiträumen zufließt; indes kann eine nur geringfügige Teilleistung in dem dem Zuflussjahr der Hauptentschädigungsleistung vorangegangenen Veranlagungszeitraum dieser Ausnahmesituation mit ihrem Bedarf nach der von § 34 EStG bezweckten Progressionsabmilderung entsprechen [18].
Im vorliegenden Streitfall wurde der Abfindungsbetrag jedoch in zwei gleich hohen Teilzahlungen verteilt auf die Veranlagungszeiträume 2006 und 2007 geleistet. Damit liegen mangels Zusammenballung von Einnahmen keine außerordentlichen Einkünfte i.S. des § 34 Abs. 1 und 2 Nr. 2 EStG vor. Es kann damit offen bleiben, ob die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 24 Nr. 1 Buchst. a bzw. Buchst. b EStG erfüllt wären.
Finanzgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 13. Dezember 2011 – 11 K 1189/09
- BGH, Urteile vom 05.10.1992 – II ZR 172/91, BGHZ 119, 305; vom 21.07.2003 – II ZR 109/02, BGHZ 156, 38[↩]
- BFH, Urteile vom 19.01.1994 – I R 67/92, BStBl II 1996, 77; vom 14.06.2005 – VIII R 73/03, BStBl II 2005, 861[↩]
- Intemann, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, Kommentar, Stand: 09/2010, § 20 EStG Anm. 56[↩]
- vgl. BFH, Urteil vom 14.06.2005 – VIII R 73/03, BStBl II 2005, 861[↩]
- vgl. hierzu auch FG München, Urteil vom 29.03.2011 – 12 K 3991/09, EFG 2011, 1522; Az. BFH: VIII R 20/11[↩]
- BFH, Urteil vom 11.025.1981 – I R 98/76, BFHE 133, 35, BStBl II 1981, 465[↩]
- vgl. BFH, Urteil vom 13.10.1987 – VIII R 156/84, BStBl II 1988, 252[↩]
- vgl. BFH, Urteil vom 14.02.1984 – VIII R 126/82,BFHE 141, 124, BStBl II 1984, 580[↩]
- BFH, Urteil vom 11.01.2005 – IX R 67/02, BFH/NV 2005, 1044[↩]
- Nds. FG, Urteil vom 01.12.2005 – 11 K 127/03, DStRE 2006, 1517; rkr.[↩]
- Gesetz zur Bekämpfung des Missbrauchs und zur Bereinigung des Steuerrechts (Missbrauchsbekämpfungs- und Steuerbereinigungsgesetz – StMBG) vom 21.12.1993, BGBl I 1993, 2310[↩]
- gleicher Auffassung: FG München, Urteil vom 29.03.2011 – 12 K 3991/09, EFG 2011, 1522; Az. BFH: VIII R 20/11[↩]
- BGBl I 2007, 1912[↩]
- vgl. zur weiteren Begründung ausführlich BFH, Urteil vom 13.12.2006 – VIII R 6/05, BFHE 216, 606, BStBl II 2007, 571[↩]
- FG München, Urteil vom 29.03.2011 – 12 K 3991/09, EFG 2011, 1522; Az. BFH: VIII R 20/11; Harenberg/Irmer, in: Herrmann/Heuer/Raupach, a.a.O., § 43 EStG Anm. 40[↩]
- vgl. die ständige Rechtsprechung, BFH, Urteil vom 04.03.1998 – XI R 46/97, BFHE 185, 429, BStBl II 1998, 787, m.w.N.[↩]
- vgl. BFH, Urteil in BFHE 185, 429, BStBl II 1998, 787[↩]
- vgl. BFH, Urteil vom 26.01.2011 – IX R 20/10, BFHE 232, 471, BFH/NV 2011, 1056[↩]
Bildnachweis:
- Verwaltungsgericht Köln /Finanzgericht Köln: Bildrechte beim Autor
- Bundesfinanzhof (BFH): Bildrechte beim Autor