Nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 EStG 2002 (hier i.V.m. § 8 Abs. 1 KStG 2002 und § 7 Satz 1 GewStG 2002) dürfen Aufwendungen für die Bewirtung von Personen aus geschäftlichem Anlass, soweit sie 70 v.H. der Aufwendungen übersteigen, die nach der allgemeinen Verkehrsauffassung als angemessen anzusehen und deren Höhe und betriebliche Veranlassung nachgewiesen sind, den Gewinn nicht mindern.

„Bewirtung“ im Sinne dieser Regelung ist jede Darreichung von Speisen, Getränken oder sonstigen Genussmitteln zum sofortigen Verzehr1.
Dem Wortlaut ist zunächst nicht zu entnehmen, dass es sich dabei um eine unentgeltliche Zuwendung entsprechend dem bürgerlich-rechtlichen Begriff der Schenkung handeln muss. Dies lässt sich auch nicht aus einem Rückgriff auf den Begriff des „Geschenks“ in § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 EStG 2002 entnehmen. Beide Normen können sich zwar tatbestandlich überschneiden und weisen damit eine gewisse Nähebeziehung auf, sind aber tatbestandlich nicht miteinander verknüpft. Ein anderes Begriffsverständnis lässt sich nicht aus dem Sinn und Zweck der Vorschrift des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 EStG 2002 ableiten.
Ausweislich der Gesetzesbegründung besteht dieser hauptsächlich darin, dem so genannten „Spesenunwesen“ entgegenzuwirken2. Unter „Spesenunwesen“ ist dabei in Anlehnung an die Begründung des Regierungsentwurfs3 des Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes, des Körperschaftsteuergesetzes, des Gewerbesteuergesetzes und des Wohnungsbau-Prämiengesetzes (Steueränderungsgesetz 1960) vom 30.07.19604 der Umstand zu verstehen, dass „die zunehmende Steigerung des Lebensstandards […] es in den letzten Jahren mit sich gebracht [habe], daß viele Unternehmer bei ihrer betrieblichen Repräsentation einen hohen Aufwand trieben (Spesenunwesen).
Im Interesse der Steuergerechtigkeit und des sozialen Friedens solle dieser Aufwand nicht länger über den Abzug vom steuerpflichtigen Gewinn auf die Allgemeinheit abgewälzt werden„5. Dieser Sinn und Zweck der Regelung besteht unabhängig von der Frage, ob die Überlassung oder Verschaffung von Speisen, Getränken oder sonstigen Genussmitteln zum sofortigen Verzehr unentgeltlich oder entgeltlich erfolgt. Entgegen der Ansicht der Klägerin ergibt sich nichts anderes, wenn man mit Teilen der Literatur den Begriff der „Bewirtung“ als Einladung anderer Personen zum Verzehr von Speisen und/oder Getränken und/oder sonstigen zum sofortigen Verzehr bestimmten Genussmitteln versteht6. Der Begriff der „Einladung“ lässt sich nicht unmittelbar mit dem Begriff der Unentgeltlichkeit gleichsetzen. Zudem ist dem Wortlaut des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 EStG 2002 bereits der Begriff der „Einladung“ nicht zu entnehmen.
Aus der BFH-Rechtsprechung zu § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 EStG 20027 ergibt sich nichts Gegenteiliges. In den genannten Entscheidungen wird zwar eine „Bewirtung“ ausdrücklich als eine unentgeltliche Überlassung oder Verschaffung von Speisen, Getränken oder sonstigen Genussmitteln zum sofortigen Verzehr verstanden. Beiden Entscheidungen des Bundesfinanzhofs liegt aber die Absicht zugrunde, Bewirtungsaufwendungen nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 EStG 2002 von (Bewirtungs-)Aufwendungen nach § 4 Abs. 5 Satz 2 EStG abzugrenzen, bei denen diese Gegenstand einer mit Gewinnerzielung ausgeübten Betätigung des Steuerpflichtigen sind. Dementsprechend hat der BFH Bewirtungsaufwendungen, bei denen von dem Bewirteten ein unmittelbar auf die Bewirtungsleistung bezogenes Entgelt verlangt wird, aus dem Anwendungsbereich von § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 EStG 2002 ausgenommen8.
Bundesfinanzhof, Beschluss vom 6. Juni 2013 – I B 53/12
- BFH, Urteil vom 03.02.1993 – I R 57/92, BFH/NV 1993, 530[↩]
- Stapperfend in Herrmann/Heuer/Raupach, § 4 EStG Rz 1202; Söhn, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 4 Rz H 10; Begründung der Bundesregierung zum Entwurf des Dritten Steuerreformgesetzes, BT-Drs. 7/1470, S. 221, 249[↩]
- BT-Drs. 3/1811, S. 8[↩]
- BGBl I 1960, 616, BStBl I 1960, 514[↩]
- BFH, Urteil vom 30.07.1980 – I R 111/77, BFHE 131, 469, BStBl II 1981, 58[↩]
- vgl. Söhn, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, a.a.O., § 4 Rz H 61; fast wortgleich Bode in Kirchhof, EStG, 12. Aufl., § 4 Rz 202; Schmidt/Heinicke, EStG, 32. Aufl., § 4 Rz 544[↩]
- BFH, Urteile vom 18.09.2007 – I R 75/06, BFHE 219, 78, BStBl II 2008, 116, und vom 07.09.2011 – I R 12/11, BFHE 235, 225, BStBl II 2012, 194[↩]
- ähnlich R 4.10 Abs. 5 Satz 3 der Einkommensteuer-Richtlinien 2005[↩]