Alterseinkünftegesetz – und die Frage seiner Verfassungsmäßigkeit

Der Bundesfinanzhof hält an seiner Rechtsprechung fest, dass die Besteuerung der Altersrenten seit 2005 verfassungsgemäß ist, sofern nicht gegen das Verbot der doppelten Besteuerung verstoßen wird. Er hat nunmehr zudem hervorgehoben, dass mit dem Vorbringen gegen die Richtigkeit eines Urteils des Bundesverfassungsgerichts keine erneute verfassungsgerichtliche Prüfung eines Gesetzes erreicht werden kann:

Alterseinkünftegesetz – und die Frage seiner Verfassungsmäßigkeit

Die Besteuerung der Altersrenten mit dem Besteuerungsanteil des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG ist verfassungsmäßig, sofern nicht gegen das Verbot der Doppelbesteuerung verstoßen wird.Mit Vorbringen, das sich gegen die Richtigkeit des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 06.03.20021 richtet, kann eine erneute verfassungsgerichtliche Prüfung des AltEinkG nicht erreicht werden.

In dem hier vom Bundesfinanzhof entschiedenen Fall bezogen der klagende Rentner und seine 2014 verstorbene Ehefrau im Streitjahr 2009 Renteneinkünfte aus der gesetzlichen Rentenversicherung. Den steuerfreien Teil der Altersrenten ermittelte das Finanzamt gemäß § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa Sätze 3 ff. EStG. Im finanzgerichtlichen Verfahren machte der Rentner geltend, die Besteuerung der Sozialversicherungsrenten sei verfassungswidrig. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 06.03.20021 zur Verfassungswidrigkeit der früheren Rentenbesteuerung beruhe teilweise auf falschen Daten. Deshalb dürften die Renten auch künftig nur mit dem Ertragsanteil besteuert werden. Daran ändere auch die Tatsache nichts, dass das BVerfG drei Verfassungsbeschwerden, in denen die Verfassungswidrigkeit des Alterseinkünftegesetzes gerügt worden sei, nicht zur Entscheidung angenommen habe. Zudem hat der Rentner die Verletzung des Verbots der doppelten Besteuerung gerügt. Die steuerliche Entlastung seiner Altersrente sei geringer als die steuerliche Belastung der von ihm und seiner Frau geleisteten Vorsorgeaufwendungen.

Der Bundesfinanzhof hat an seiner Rechtsprechung zur Verfassungsmäßigkeit der Rentenbesteuerung seit 2005 festgehalten und klargestellt, dass der Rentner mit seinen Einwendungen gegen die Richtigkeit einer verfassungsgerichtlichen Entscheidung im Revisionsverfahren nicht gehört werden kann. Die im Bundesgesetzblatt veröffentlichte Entscheidungsformel eines Urteils habe nach § 31 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes Gesetzeskraft.

Ob im konkreten Streitfall gegen das Verbot der doppelten Besteuerung verstoßen worden ist, konnte der Bundesfinanzhof wegen fehlender Feststellungen des Finanzgerichts zu diesem Punkt nicht beurteilen. Er hat das Verfahren deshalb an das Finanzgericht zurückverwiesen, diesem aber gewisse Vorgaben für die weitere Prüfung gemacht. Der Bundesfinanzhof hat dabei darauf hingewiesen, dass bei der Berechnung einer möglichen doppelten Besteuerung das Nominalwertprinzip zugrunde zu legen ist. Bei der Ermittlung der steuerlichen Belastung der Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung müsse darüber hinaus berücksichtigt werden, dass die Arbeitgeberbeiträge gemäß § 3 Nr. 62 EStG steuerfrei gewesen seien. Nach Auffassung des BFH sind bei der Ermittlung der steuerlichen Belastung der Altersvorsorgeaufwendungen zudem die Höchstbeträge des § 10 Abs. 3 EStG a.F. bis einschließlich des Veranlagungszeitraums 2004 anhand der Beitragssätze der gesetzlichen Sozialversicherung aufzuspalten. Bei freiwillig geleisteten Beiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung seit 2005 sind die tatsächlich abziehbaren Beiträge gemäß § 10 Abs. 3 EStG n.F. zugrunde zu legen.

Obwohl die Ehefrau im Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesfinanzhofs bereits verstorben war, kann nach Auffassung des Gerichts die Höhe der steuerlichen Entlastung ihrer Rente nicht anhand der von ihr konkret bezogenen Leistungen berechnet werden. Entscheidend für die Berechnung der steuerlichen Entlastung der Rente seien vielmehr die zum Zeitpunkt des Beginns des Rentenbezugs der statistischen Wahrscheinlichkeit nach zu erwartenden Leistungen. Versterbe der Steuerpflichtige vor Erreichen der statistischen Lebenserwartung, verwirkliche sich das typische Rentenrisiko. Während bei einem Teil der Steuerpflichtigen die Lebenszeit die statistische Lebenserwartung unterschreite, werde diese bei anderen überschritten.

Die Leibrenten des Rentners und seiner Ehefrau aus der gesetzlichen Rentenversicherung können -entgegen der Auffassung des Rentners- nicht mit dem Ertragsanteil gemäß § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb Satz 4 EStG besteuert werden, sondern nur mit dem Besteuerungsanteil, der sich aus der Anwendung von § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa Sätze 2 ff. EStG ergibt. Der Bundesfinanzhof sieht die Übergangsregelung des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa Sätze 2 ff. EStG auch unter Berücksichtigung des Vorbringens des Rentners als verfassungsmäßig an. Er kann indes nicht abschließend beurteilen, ob im Streitfall gegen das Verbot der Doppelbesteuerung verstoßen worden ist, da finanzgerichtliche Feststellungen insbesondere zur Höhe der vom Rentner und seiner Ehefrau geleisteten Altersvorsorgeaufwendungen sowie zum Umfang ihrer steuerlichen Entlastung in der Beitragsphase fehlen. Um dem Finanzgericht die Möglichkeit zu geben, die notwendigen Feststellungen nachzuholen, wird die Sache zurückverwiesen.

Die vom Rentner beantragte Besteuerung der von ihm und seiner Ehefrau vereinnahmten Renteneinkünfte mit dem Ertragsanteil setzt gemäß § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb EStG voraus, dass es sich um Leibrenten und andere Leistungen handelt, die nicht solche des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG sind.

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Die Eheleute haben im Streitjahr Leibrenten aus der gesetzlichen Rentenversicherung bezogen; diese sind ausdrücklich in § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG genannt. Eine Ertragsanteilsbesteuerung der Renten gemäß § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb EStG scheidet daher im Streitfall aus.

Die Besteuerung der Renteneinkünfte der Eheleute mit dem Besteuerungsanteil nach § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG ist verfassungsmäßig. Dies hat der Bundesfinanzhof in seiner bisherigen Rechtsprechung immer betont, so dass insoweit zur Vermeidung von Wiederholungen insbesondere auf seine Urteile vom 26.11.20082 sowie vom 19.01.20103 verwiesen werden kann. Das Bundesverfassungsgericht hat die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs bestätigt und die dagegen gerichteten Verfassungsbeschwerden mit drei ausführlich begründeten Beschlüssen nicht zur Entscheidung angenommen4.

Die vom Rentner hiergegen vorgebrachten Argumente führen zu keiner anderen Beurteilung.

Soweit der Rentner rügt, das Bundesverfassungsgericht habe in seinem Urteil in BVerfGE 105, 73 zum einen unrealistische Renten- und Pensionshöhen zur Begründung einer steuerlichen Benachteiligung der Beamtenpensionen herangezogen, zum anderen den bei Pflichtversicherten eingetretenen Progressionsnachteil übersehen, zudem nicht berücksichtigt, dass auch Beamten die Vorsorgepauschale -bis zum Jahr 1982 sogar in derselben Höhe- zugestanden habe, und letztlich den Bundeszuschuss zu Unrecht als steuerfreien Kapitalstrom angesehen, wendet er sich gegen die Richtigkeit dieser verfassungsgerichtlichen Entscheidung.

Hiermit kann er in diesem Revisionsverfahren jedoch nicht gehört werden, da die Entscheidungsformel des Urteils in BVerfGE 105, 73 im Bundesgesetzblatt veröffentlicht wurde und gemäß § 31 Abs. 2 BVerfGG Gesetzeskraft hat5. Die in BGBl I 2002, 1305 veröffentlichte Entscheidungsformel des Urteils in BVerfGE 105, 73 lautete:

  1. § 19 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und Absatz 2 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes in der für den Veranlagungszeitraum 1996 geltenden Fassung der Bekanntmachung vom 07.09.19906, einschließlich aller nachfolgenden Fassungen, ist mit Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes unvereinbar, soweit einerseits Versorgungsbezüge bis auf einen Versorgungs-Freibetrag von höchstens insgesamt 6.000 Deutsche Mark zu den steuerpflichtigen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit gehören und andererseits Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung gemäß § 22 Nummer 1 Satz 3 Buchstabe a EStG in seinen jeweiligen Fassungen nur mit Ertragsanteilen besteuert werden, deren Höhe unabhängig davon festgesetzt ist, in welchem Umfang dem Rentenbezug Beitragsleistungen der Versicherten aus versteuertem Einkommen vorangegangen sind.
  2. Der Gesetzgeber ist verpflichtet, spätestens mit Wirkung zum 1.01.2005 eine Neuregelung zu treffen. Soweit § 19 des Einkommensteuergesetzes gemäß Ziffer 1 mit dem Grundgesetz unvereinbar ist, bleibt die Vorschrift bis zum Inkrafttreten einer Neuregelung, längstens mit Wirkung bis zum 31.12 2004, weiter anwendbar.“

Hieran sind sowohl der Bundesfinanzhof als auch der Rentner gebunden.

Der Rentner meint ferner, die Übergangsregelung beruhe auf fehlerhaften Berechnungen der Sachverständigenkommission. Sie habe willkürlich ignoriert, dass die Pflichtversicherten aufgrund der teilweisen steuerlichen Nichtberücksichtigung ihrer Renten- und Arbeitslosenversicherungsbeiträge einen Liquiditätsnachteil erlitten hätten. Ebenso sei nicht beachtet worden, dass den Beamten eine Vorsorgepauschale zugestanden habe, wodurch das Ausmaß der Ungleichbehandlung erst verdeutlicht werde.

Dem Rentner ist zwar zuzugeben, dass in den Berechnungen der Sachverständigenkommission die von ihm angesprochenen Punkte nicht berücksichtigt worden sind. Sie waren jedoch auch nicht Gegenstand des Kommissionsauftrags. Die Kommission hatte vielmehr den einkommensteuerlichen Handlungsrahmen zu analysieren, den das Urteil des BVerfG in BVerfGE 105, 73 dem Gesetzgeber zur Besteuerung von Renten und Pensionen eingeräumt hatte, und innerhalb dieses Spielraums einen umfassenden Lösungsvorschlag zu entwickeln7. Die Berechnungen der Sachverständigenkommission beziehen sich daher auf die von ihr vorgeschlagene Lösung und umfassen infolgedessen nur die zukünftigen Zeiträume ab 2005. Für die Einbeziehung von Belastungsvergleichen verschiedener Gruppen von Steuerpflichtigen früherer Zeiträume bestand demgegenüber kein Anlass. Die vorherige steuerliche Belastung der Vorsorgeaufwendungen von Pflichtversicherten war von der Sachverständigenkommission lediglich insoweit zu berücksichtigen, als es galt, einen geeigneten Besteuerungsanteil festzulegen, um eine Doppelbesteuerung zu vermeiden.

Sofern die Sachverständigenkommission in ihren Berechnungen in den Anlagen 3 bis 5 des Abschlussberichts die steuerlichen Auswirkungen ihrer Reformvorschläge in Bezug auf die Renten- und Versorgungsbezüge dargestellt und in den Tabellen auch Bezüge zugrunde gelegt hat, deren jeweilige Höhen -so der Rentner- teilweise unrealistisch sind, sollte nach Ansicht des Bundesfinanzhofs durch diese Vergleichszahlen lediglich verdeutlicht werden, welche unterschiedlichen Besteuerungsfolgen sich bei gleich hohen Einkünften aus unterschiedlichen Einkunftsarten bei Zugrundelegung eines Besteuerungsanteils von 50 % der Sozialversicherungsrenten ergeben können.

Dem Vorbringen des Rentners kann ebenfalls der Vorwurf entnommen werden, der Gesetzgeber habe sich bei der Neuregelung der Besteuerung der Alterseinkünfte durch das AltEinkG zu Unrecht an die Aussagen des -seiner Meinung nach fehlerhaften- Urteils des BVerfG gehalten, da die Regierungsfraktionen in ihrem Entwurf des AltEinkG ausdrücklich darauf hingewiesen hatten, mit diesem Gesetzentwurf solle der Auftrag des BVerfG aus seinem Urteil in BVerfGE 105, 73 erfüllt werden8.

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Sollten die Vorwürfe des Rentners gegen die endgültige Regelung mit dem Übergang zur nachgelagerten Besteuerung aller Alterseinkünfte gerichtet sein, die ab 2040 greifen wird, bestehen keine Zweifel, dass sich der Gesetzgeber -selbst bei Zugrundelegung der Bedenken des Rentners- im Rahmen des ihm zustehenden weiten Gestaltungsspielraums gehalten hat.

Der Bundesfinanzhof hat bereits mehrfach entschieden, dass der Gesetzgeber mit dieser neuen Ausrichtung auf die nachgelagerte Besteuerung, soweit sie in der endgültigen Ausgestaltung zu einer die gesamten Renteneinnahmen umfassenden Besteuerung führt, grundsätzlich eine den Gleichheitssatz nicht verletzende Regelung geschaffen und auch die durch das Verbot der Doppelbesteuerung gezogenen Grenzen seines Gestaltungsspielraums nicht überschritten hat, solange und soweit die Beitragsleistungen „steuerfrei“ gestellt werden9, sodass zur Vermeidung von Wiederholungen auf diese Urteile verwiesen wird. Die Rechtsprechung des BFH wurde vom Bundesverfassungsgericht jüngst in seinen Beschlüssen in BStBl II 2016, 310 und in HFR 2016, 72 gebilligt und bestätigt.

Sollte der Rentner hingegen rügen, der Gesetzgeber habe das Urteil des BVerfG in BVerfGE 105, 73 zur Rechtfertigung der von ihm normierten Übergangsregelung herangezogen, ohne dessen Richtigkeit hinterfragt bzw. überprüft zu haben, verkennt der Rentner, dass es dem Gesetzgeber unbenommen ist, seiner Tätigkeit die Rechtsprechung des BVerfG zugrunde zu legen.

Die dargestellte Unvereinbarkeitserklärung führt zu einer Pflicht des Gesetzgebers zur Herstellung einer der Verfassung entsprechenden Rechtslage10. Zwar enthält § 31 Abs. 1 BVerfGG keine explizite Bindungswirkung für den Gesetzgeber, so dass er durch die Rechtskraft normverwerfender verfassungsgerichtlicher Entscheidungen nicht daran gehindert wäre, z.B. eine inhaltsgleiche oder inhaltsähnliche Neuregelung zu beschließen11. Der Grundsatz der Verfassungsorgantreue bedingt aber, dass der Gesetzgeber die vom BVerfG festgestellten Gründe der Verfassungswidrigkeit des ursprünglichen Gesetzes nicht einfach übergehen darf. Es bedarf vielmehr besonderer Gründe, die sich vor allem aus einer wesentlichen Änderung der für die verfassungsrechtliche Beurteilung maßgeblichen tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse oder der ihr zugrunde liegenden Anschauungen ergeben können12.

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze konnte und musste der Gesetzgeber bei der Schaffung des AltEinkG das Urteil des Bundesverfassungsgerichts mit dessen Unvereinbarkeitserklärung zugrunde legen.

Zunächst fehlte es an einer neuen Rechts- oder Entscheidungslage, aufgrund derer es angezeigt gewesen wäre, von der Einschätzung des BVerfG abzuweichen, die Beamtenpensionen würden verfassungswidrig besteuert.

Vor allem aber war bei der Schaffung des AltEinkG die Besonderheit zu beachten, dass das BVerfG nicht erst in dem Urteil in BVerfGE 105, 73 eine Benachteiligung der Beamten erkannt hatte. Es hatte sich vielmehr bereits im Jahr 1980 dezidiert mit der ungleichen steuerlichen Behandlung der Alterseinkünfte aus Renten und Pensionen auseinandergesetzt13. Als Ergebnis hatte das BVerfG zwar einen Verstoß gegen den Gleichheitssatz für die dortigen Streitjahre 1969/1970 verneint, gleichzeitig aber darauf hingewiesen, eine verfassungsrechtliche Überprüfung des Umfangs der steuerlichen Begünstigung der Rentner gegenüber den pensionierten Beamten führe zu dem Ergebnis, dass die inzwischen veränderten Verhältnisse ein Ausmaß erreicht hätten, welches eine Korrektur notwendig mache. Auch in seinem Beschluss vom 24.06.199214 sah das Bundesverfassungsgericht zwar die dem Gesetzgeber für die Angleichung der Vorschriften über die steuerliche Behandlung von Renten und Ruhegehältern zur Verfügung stehende Zeit als noch nicht abgelaufen an, da durch sein Zögern die verfassungsrechtlichen Fristen noch nicht überschritten worden seien. An seiner verfassungsrechtlichen Einschätzung der steuerlichen Benachteiligung der Pensionäre hat das Bundesverfassungsgericht aber auch in dieser Entscheidung keinen Zweifel gelassen.

Angesichts dieser Ausgangslage ist es nicht zu beanstanden, dass der Gesetzgeber den Auftrag des Bundesverfassungsgerichts erfüllen wollte und eine Regelung geschaffen hat, die zu einer schrittweisen Beseitigung der vom BVerfG gesehenen Benachteiligung der Beamten im Hinblick auf die Besteuerung ihrer Pensionen geführt hat. Dies gilt umso mehr, als die fehlende Beseitigung der vom Bundesverfassungsgericht erkannten steuerlichen Nachteile bis zum 31.12 2004 zur Folge gehabt hätte, dass die Beamtenpensionen ab 2005 nicht mehr hätten besteuert werden dürfen.

Sofern der Rentner der Auffassung ist, der Bundesfinanzhof habe sich zur Rechtfertigung der Verfassungsmäßigkeit der Übergangsregelung in seiner ständigen Rechtsprechung zu Unrecht auf die Beseitigung der vom BVerfG festgestellten; und vom Rentner bezweifelten verfassungswidrigen Ungleichbehandlung der Beamtenpensionen berufen, übersieht er, dass der Bundesfinanzhof nicht nur gemäß § 31 Abs. 2 BVerfGG an die Entscheidungsformel des Urteils in BVerfGE 105, 73 gebunden ist, sondern seiner Rechtsprechung auch § 31 Abs. 1 BVerfGG zugrunde zu legen hat, wonach Entscheidungen des BVerfG die Verfassungsorgane des Bundes und der Länder sowie alle Gerichte und Behörden binden.

Diese Bindungswirkung entfaltet sich über den entschiedenen Einzelfall hinaus insofern, als die sich aus dem Tenor und den tragenden Gründen der Entscheidung ergebenden Grundsätze für die Auslegung der Verfassung von den Gerichten in allen künftigen Fällen beachtet werden müssen15. Die den Tenor tragenden Entscheidungsgründe sind jene Rechtssätze, die nicht hinweggedacht werden können, ohne dass das konkrete Entscheidungsergebnis nach dem in der Entscheidung zum Ausdruck gekommenen Gedankengang entfällt16.

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Damit war und ist der Bundesfinanzhof an die Feststellung des BVerfG gebunden, dass in der Besteuerung der Pensionen im Verhältnis zur Ertragsanteilsbesteuerung der Sozialversicherungsrenten ab dem Veranlagungszeitraum 1996 eine verfassungsrechtlich nicht zu rechtfertigende Benachteiligung liegt. Die Zweifel des Rentners an der materiellen Richtigkeit des Urteils des Bundesverfassungsgerichts ändern an dessen Bindungswirkung nichts.

Die Rechtskraft sowie die Bindungswirkung einer gerichtlichen Entscheidung bezieht sich indes stets auf den Zeitpunkt, in dem sie ergeht. Unberührt bleiben damit solche Veränderungen, die erst später eintreten. Eine erneute Befassung des BVerfG aufgrund einer Richtervorlage nach Art. 100 GG -das für den Bundesfinanzhof einzig mögliche Vorgehen, sollte er die Auffassung des Rentners teilen- wäre damit nicht ausgeschlossen, wenn tatsächliche oder rechtliche Veränderungen eingetreten wären, die die Grundlage der früheren Entscheidung berührten und deren Überprüfung nahe legten. Ausgehend von der Entscheidung des BVerfG wäre darzulegen und zu begründen, inwieweit sich die für die verfassungsrechtliche Beurteilung maßgebliche Lage verändert hat17.

Demzufolge kann die vom Rentner behauptete Unrichtigkeit des Urteils in BVerfGE 105, 73 nicht nochmals Gegenstand einer Richtervorlage sein. Der Rentner bezieht sich mit seinem Vorbringen nämlich nicht auf eine veränderte Sach- oder Rechtslage, er beanstandet vielmehr die -seiner Meinung nach fehlerhafte- verfassungsgerichtliche Beurteilung der Besteuerung der Pflichtversicherten und Rentner sowie der Beamten und Pensionäre in den Zeiträumen, die schon dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zugrunde lagen. Da bereits eine Sachentscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur damals geltenden Rechtslage ergangen ist, begehrt der Rentner vom Bundesfinanzhof im Kern, dass dieser das Bundesverfassungsgericht zu einem Überdenken seiner Entscheidung veranlasst, mit dem Ziel, dass das Gericht seine damalige Einschätzung aufgibt, die Beamten würden im Verhältnis zu den Pflichtversicherten in verfassungsrechtlich nicht zu rechtfertigender Weise benachteiligt. Hierfür gibt es indes keine verfahrensrechtliche Handhabe18.

Der Bundesfinanzhof konnte infolgedessen -ebenso wie das Bundesverfassungsgericht in seinen Beschlüssen in BStBl II 2016, 310, in HFR 2016, 72 und in HFR 2016, 77- die Verfassungsmäßigkeit der Einschränkung des Vertrauensschutzes durch die Übergangsregelung damit rechtfertigen, dass die vom Gesetzgeber gewählte Ausgestaltung der Übergangsregelung des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa Sätze 3 ff. EStG notwendig sei, um die verfassungswidrige Ungleichbehandlung der Pensionsbezüge nicht fortdauern zu lassen19.

Auch unter Berücksichtigung der weiteren Bedenken des Rentners bleibt der Bundesfinanzhof bei seiner Rechtsprechung, die inhaltliche Ausgestaltung der Übergangsregelung sei verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

Aufgabe der Übergangsregelung war und ist es, die bestehenden unterschiedlichen Altersvorsorge- und Alterseinkünftesysteme in das verfassungsrechtlich nicht zu beanstandende System der nachgelagerten Besteuerung zu überführen, um eine einheitliche Besteuerung der Alterseinkünfte zu erreichen.

Da die verschiedenen Alterseinkünfte bis zu dieser Neuregelung vollkommen unterschiedlich besteuert wurden, waren zur Verwirklichung einer einkommensteuerrechtlichen Gleichbehandlung jeweils unterschiedliche Zwischenschritte notwendig. Dabei erforderte die gleitende Überführung der Besteuerung von Sozialversicherungsrenten wie der bisherigen Ertragsanteilsbesteuerung nach § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a EStG a.F. hin zur vollständigen nachgelagerten Besteuerung steigende Besteuerungsanteile, wohingegen Versorgungsbezüge bereits dem tragenden Element des AltEinkG entsprechend nachgelagert besteuert wurden20.

Im Rahmen der Ausgestaltung der Übergangsregelung war der Gesetzgeber bestrebt, bei der Besteuerung aller Alterseinkünfte die spezifischen Steuervergünstigungen der jeweiligen Einkunftsarten, die den Steuerpflichtigen im Laufe der Zeit zum Ausgleich gewährt worden waren, schrittweise abzusenken. So ist bei der Beamtenversorgung der Versorgungsfreibetrag gemäß § 19 Abs. 2 EStG ab 2005 über einen Zeitraum von 35 Jahren abgesenkt worden, wobei wie bei den Renten die Umstellung nach dem sog. Kohortenprinzip erfolgt, d.h. für den einzelnen Bezieher von Versorgungsbezügen wird die Besteuerungssituation jeweils in dem Zustand „eingefroren“, der im Jahr des Renten- oder Pensionseintritts gegeben ist21. Zudem ist der Arbeitnehmer-Pauschbetrag für die Versorgungsbezüge von 920 € auf 102 € abgesenkt worden. Um zu vermeiden, dass durch die ab 2005 wirkenden Absenkungen vor allem die Bezieher niedrigerer Beamten- und Werkspensionen überproportional benachteiligt werden, ist ein Zuschlag zum Versorgungsfreibetrag von 900 EUR eingeführt worden, der ebenfalls bis zum Jahr 2040 auf 0 EUR abgeschmolzen sein wird.

Der Bundesfinanzhof hat sowohl die Verfassungsmäßigkeit dieser Maßnahmen in Bezug auf die Besteuerung der Beamtenpensionen bestätigt22 als auch entschieden, dass eine Ungleichbehandlung zu Lasten der Sozialversicherungsrentner in deren Übergangsregelung nicht gesehen werden kann, sofern gewährleistet ist, dass Rentenzahlungen, die auf Beiträgen beruhen, die sich nicht steuermindernd ausgewirkt haben, nicht erneut der Besteuerung unterworfen werden23.

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Das Vorbringen des Rentners ändert an dieser Beurteilung nichts.

Die von ihm beanstandeten Beispiele und Tabellen des Urteils in BVerfGE 105, 73 sowie die seiner Meinung nach fehlende Berücksichtigung der auch den Beamten gewährten Vorsorgepauschale spielten im Gesetzgebungsverfahren keine Rolle. Dieses hatte lediglich die künftige Ausgestaltung zum Inhalt. Dasselbe gilt für die Kritik des Rentners an den verfassungsgerichtlichen Erwägungen in Bezug auf den Bundeszuschuss. Der Bundesfinanzhof weist im Übrigen darauf hin, dass dem Bundesverfassungsgericht die teilweise Finanzierung der Sozialversicherungsrenten durch den Bundeszuschuss lediglich als ein weiteres Argument zur Begründung der ungleichen Besteuerung gedient hat und auch nur „soweit die Rentenzahlungen auf dem Bundeszuschuss beruhen“24.

Die vom Rentner berechneten und gerügten Progressionsnachteile sind das Ergebnis der teilweisen Nichtabziehbarkeit der Altersvorsorgeaufwendungen der Eheleute in der Beitragsphase. Die fehlende Abziehbarkeit ist im Rahmen der Prüfung des Verbots der Doppelbesteuerung zu berücksichtigen. Zudem beruhen die Nachteile auf der Annahme des Rentners, Pflichtversicherte erhielten ein höheres Bruttoeinkommen als vergleichbare Beamte; die höhere steuerliche Belastung ist demzufolge die Konsequenz des insoweit verfassungsrechtlich nicht zu beanstandenden progressiven Einkommensteuertarifs25.

Der vom Rentner geltend gemachte sog. Grundpreisnachteil kann ebenfalls nicht dazu führen, dass der Bundesfinanzhof zur Auffassung gelangen könnte, die Übergangsvorschrift verstoße gegen den Gleichheitssatz.

Nach dem Vorbringen des Rentners beruht der sog. Grundpreisnachteil darauf, dass ein Pflichtversicherter, der einen Lohn in Höhe der Beitragsbemessungsgrenze bezogen hat, für 1.000 € seiner monatlichen Erstrente Rentenversicherungsbeiträge in Höhe von 42.349 € aus versteuertem Einkommen zu entrichten gehabt habe, während ein Vergleichsrentner, der nur einen Lohn in Höhe eines Viertels der Beitragsbemessungsgrenze bezogen habe, lediglich 2.010 € aus versteuertem Einkommen habe entrichten müssen.

Der Bundesfinanzhof kann zwar nicht im Einzelnen nachvollziehen, wie der Rentner diese Zahlen ermittelt hat, und daher auch nicht beurteilen, ob die Berechnungen letztlich zwingend sind. Erkennbar ist aber, dass die unterschiedliche steuerliche Belastung der Beiträge darauf beruht, dass der erstgenannte Rentner, ebenso wie der Rentner, aufgrund des zugrunde liegenden Lohns in Höhe von mindestens der Beitragsbemessungsgrenze einen Teil seiner Rentenversicherungsbeiträge steuerlich nicht geltend machen konnte, während bei dem Vergleichsrentner zum einen seine niedrigeren Rentenversicherungsbeiträge fast vollständig steuerlich abziehbar waren und dieser zum anderen wegen des damit verbundenen unterstellten geringeren steuerpflichtigen Einkommens weniger Einkommensteuern zu zahlen hatte.

Unabhängig davon hat der Bundesfinanzhof bereits in Bezug auf die insofern vergleichbare Interessenlage der vormals Selbstständigen im Verhältnis zu den früheren Pflichtversicherten entschieden, dass die unterschiedliche steuerliche Vorbelastung der Altersvorsorgeaufwendungen nicht daran hindert, die darauf beruhenden Alterseinkünfte in einem Übergangszeitraum mit demselben Besteuerungsanteil zu besteuern26. Mit der unterschiedslosen Einbeziehung aller Basisversorgungssysteme in die Übergangsregelung mit einem Besteuerungsanteil, der sich am Beginn der Rente orientiert, hat der Gesetzgeber dem Gesichtspunkt Rechnung getragen, dass es im Rahmen der Rentenbesteuerung und damit in einem Massenverfahren einer einfachen, praktikablen und gesamtwirtschaftlich tragbaren Lösung bedarf. Bei der gebotenen Abwägung mit dem Aspekt der Besteuerung des Steuerpflichtigen nach seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit und insbesondere seines Anspruchs darauf, nicht willkürlich anders besteuert zu werden als andere gleich leistungsfähige Steuerpflichtige, konnte der Gesetzgeber dem Gebot einer praktikablen und administrierbaren Lösung die entscheidende Bedeutung beimessen, ohne dass dies verfassungsrechtlich zu beanstanden ist. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die Ausführungen in den BFH-Urteilen in BFHE 223, 445, BStBl II 2009, 710, unter II. 2.b und in BFHE 228, 223, BStBl II 2011, 567, Rz 35 verwiesen. Diese BFH-Rechtsprechung ist vom Bundesverfassungsgericht ebenfalls gebilligt worden27 und auch auf das Verhältnis zwischen vormaligen Beamten und Arbeitnehmern ausgeweitet worden28.

In Bezug auf die unterschiedliche steuerliche Vorbelastung der Altersvorsorgebeiträge der Pflichtversicherten der gesetzlichen Rentenversicherung untereinander kann infolgedessen nichts anderes gelten. Es ist kein Gesichtspunkt erkennbar, warum der Gesetzgeber nicht auch hier -ebenso wie bei Selbstständigen und Beamten- dem Gesichtspunkt der einfachen und praktikablen Handhabbarkeit der Übergangsregelung die maßgebliche Bedeutung beimessen konnte.

Soweit der Rentner das unterschiedliche Versorgungsniveau der Rentner und Pensionäre rügt, ist auf die BVerfG-Rechtsprechung zu verweisen, wonach es für die verfassungsrechtliche Würdigung der hier einschlägigen Normen des EStG am Maßstab des Art. 3 Abs. 1 GG ausschließlich auf die einkommensteuerliche Belastung ankommt, die diese Normen (gegebenenfalls im Verbund mit anderen Normen des Einkommensteuerrechts) bei verschiedenen Steuerpflichtigen bewirken. Außerhalb der verfassungsrechtlich maßgeblichen Vergleichsperspektive liegen dagegen Be- und Entlastungswirkungen, die sich jenseits der einkommensteuerlichen Belastung erst aus dem Zusammenspiel mit den Normen des Besoldungs, Versorgungs- und Sozialversicherungsrechts ergeben29. Für die verfassungsrechtliche Würdigung der unterschiedlichen Besteuerung von Versorgungsbezügen der Ruhestandsbeamten und von Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung kommt es damit allein auf den Vergleich einkommensteuerlicher Be- und Entlastung der jeweiligen Bruttobezüge der Steuerpflichtigen an, nicht aber auf einen Vergleich der Nettoversorgung30.

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Der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 13.02.200831 zur Abziehbarkeit der Beiträge zur Krankenversicherung steht dem nicht entgegen. Das Bundesverfassungsgericht bezieht sich in diesem Beschluss explizit auf das Urteil in BVerfGE 105, 7332, so dass nicht davon ausgegangen werden kann, das Bundesverfassungsgericht habe in der späteren Entscheidung die bisherigen Kriterien für die Gleichheitsprüfung in Bezug auf die Besteuerung von Renten und Pensionen aufgeben wollen.

Der Bundesfinanzhof kann indes nicht beurteilen, ob durch die Besteuerung der Sozialversicherungsrenten der Eheleute mit dem Besteuerungsanteil gemäß § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa Satz 3 EStG im Einzelfall gegen das Verbot der Doppelbesteuerung verstoßen wird.

In seinem Urteil in BVerfGE 105, 73 hat das Bundesverfassungsgericht den Gesetzgeber aufgefordert, die steuerliche Behandlung von Vorsorgeaufwendungen für die Alterssicherung und die Besteuerung von Bezügen aus dem Ergebnis der Vorsorgeaufwendungen „in jedem Fall“ so aufeinander abzustimmen, dass eine doppelte Besteuerung vermieden wird. Auch aktuell sieht das Bundesverfassungsgericht das Verbot der Doppelbesteuerung als einen, vielleicht sogar den unverzichtbaren Bestandteil der Neuregelung an. Dies zeigen seine Erwägungen zur Gleichbehandlung der Renten trotz unterschiedlicher steuerlicher Berücksichtigung der zugrunde liegenden Beiträge sowie zur Zulässigkeit der unechten Rückwirkung, in denen das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich das Verbot der Doppelbesteuerung als nicht zu überschreitende Regelungsgrenze nennt33.

Das BVerfG hat bislang darauf verzichtet, den Begriff „doppelte Besteuerung“ zu konkretisieren. Der Bundesfinanzhof hat zwischenzeitlich -wenn auch noch nicht abschließend- bestimmte; vom BVerfG inzwischen gebilligte Kriterien herausgearbeitet, wie die doppelte Besteuerung zu errechnen ist. Dabei unterscheiden sich seine Berechnungen erheblich von denen des Rentners.

Anders als der Rentner meint, ist den Berechnungen das Nominalwertprinzip zugrunde zu legen. Dieses hat das Bundesverfassungsgericht in seinen Beschlüssen aus dem Jahr 2015 ausdrücklich bestätigt34. Die Anwendung des Nominalwertprinzips bei der Gegenüberstellung der aus versteuertem Einkommen geleisteten Beitragszahlungen mit dem nicht steuerbaren Rentenzufluss begegnet danach keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Es ist mit dem Gleichheitsgebot einer Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit vereinbar, dass bei der Berechnung einer Doppelbesteuerung die zwischenzeitliche Geldentwertung unberücksichtigt bleibt. Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist der Bundesfinanzhof auf die Ausführungen des BVerfG in BStBl II 2016, 310, Rz 51 ff.

Nach Ansicht des Bundesfinanzhofs, die vom Bundesverfassungsgericht gebilligt worden ist35, liegt eine doppelte Besteuerung vor, wenn die steuerliche Belastung der Vorsorgeaufwendungen höher ist als die steuerliche Entlastung der darauf beruhenden Altersrenten36.

Bei der Ermittlung der steuerlichen Belastung der Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung ist zunächst zu berücksichtigen, dass die Arbeitgeberbeiträge gemäß § 3 Nr. 62 EStG steuerfrei waren37. Bei der Ermittlung des Ausmaßes der steuerlichen Berücksichtigung als Sonderausgaben der von den Versicherten getragenen Altersvorsorgeaufwendungen sind die Höchstbeträge des § 10 Abs. 3 EStG a.F. bis einschließlich des Veranlagungszeitraums 2004 anhand der Beitragssätze der gesetzlichen Sozialversicherung aufzuspalten38. In Bezug auf die von der Ehefrau in den Jahren seit 2005 geleisteten freiwilligen Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung sind hingegen die tatsächlich abziehbaren Beiträge gemäß § 10 Abs. 3 EStG n.F. zugrunde zu legen.

In die Berechnung der steuerlichen Entlastung der Renten sind die bislang vereinnahmten sowie die zum Zeitpunkt des Bezugsbeginns der Rente der statistischen Wahrscheinlichkeit nach zu erwartenden Leistungen einzubeziehen39. Dies gilt auch im Hinblick auf die bereits verstorbene E. Der Bundesfinanzhof hat in ständiger Rechtsprechung entschieden, es stelle eine verfassungsrechtlich zulässige Typisierung dar, wenn die Rentenzahlungen mit dem gesetzlich festgelegten Anteil der Besteuerung unterworfen werden, auch wenn der Steuerpflichtige vor Erreichen der statistischen Lebenserwartung verstirbt. In einem solchen Fall verwirkliche sich das typische Rentenrisiko; während bei einem Teil der Steuerpflichtigen die Lebenszeit die statistische Lebenserwartung unterschreite, werde diese bei anderen überschritten40.

Da Feststellungen des Finanzgericht zur Höhe der steuerfrei bezogenen Renteneinnahmen des Rentners und seiner Ehefrau seit dem jeweiligen Rentenbeginn sowie insbesondere zur Höhe der jeweiligen Vorsorgeaufwendungen und deren steuerlicher Berücksichtigung in der Beitragsphase fehlen, wird das Urteil aufgehoben und dem Finanzgericht Gelegenheit gegeben, die erforderlichen Feststellungen nachzuholen.

Bundesfinanzhof, Urteil vom 6. April 2016 – X R 2/15

  1. BVerfG, Urteil vom 06.03.2002 – 2 BvL 17/99, BVerfGE 105, 73[][]
  2. BFH, Urteil vom 26.11.2008 – X R 15/07, BFHE 223, 445, BStBl II 2009, 710[]
  3. BFH, Urteil vom 19.01.2010 – X R 53/08, BFHE 228, 223, BStBl II 2011, 567[]
  4. BVerfG, Beschlüsse in BStBl II 2016, 310; in HFR 2016, 72, und in HFR 2016, 77[]
  5. vgl. nur BFH, Urteil vom 24.05.2000 – II R 25/99, BFHE 191, 240, BStBl II 2000, 378[]
  6. BGBl I 1990, 1898, berichtigt BGBl I 1991, 808, zuletzt geändert durch das Jahressteuer-Ergänzungsgesetz 1996 vom 18.12 1995, BGBl I 1996, 1959[]
  7. vgl. Abschlussbericht der Sachverständigenkommission zur Neuordnung der steuerrechtlichen Behandlung von Altersvorsorgeaufwendungen und Altersbezügen, Schriftenreihe des BMF, Bd. 74, 2003, 3[]
  8. BT-Drs. 15/2150, S. 1[]
  9. siehe u.a. BFH, Urteile in BFHE 223, 445, BStBl II 2009, 710, unter II. 2.a, und in BFHE 228, 223, BStBl II 2011, 567, unter B.I. 2.[]
  10. BVerfG, Beschluss vom 08.10.1980 – 1 BvL 122/78, 1 BvL 61/79, 1 BvL 21/77, BVerfGE 55, 100, unter C.I.; siehe auch Bethge in Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, Bundesverfassungsgerichtsgesetz, 47. Erg.Lfg., § 31 Rz 238[]
  11. siehe BVerfG, Beschluss vom 06.10.1987 – 1 BvR 1086/82, 1 BvR 1468/82, 1 BvR 1623/82, BVerfGE 77, 84, unter C.II.[]
  12. siehe z.B. BVerfG, Entscheidungen vom 15.07.1997 – 1 BvL 20/94, 1 BvL 6/96, BVerfGE 96, 260, unter B.I. 1.; und vom 26.02.2014 – 2 BvE 2/13, 2 BvE 5/13, 2 BvE 6/13, 2 BvE 7/13, 2 BvE 8/13, 2 BvE 9/13, 2 BvE 10/13, 2 BvE 12/13, 2 BvR 2220/13, 2 BvR 2221/13, 2 BvR 2238/13, BVerfGE 135, 259, unter C.I. 1.; siehe dazu auch Lechner/Zuck, Bundesverfassungsgerichtsgesetz, 7. Aufl.2015, § 31, Rz 35; Lenz/Hansel, Bundesverfassungsgerichtsgesetz, 2. Aufl., 2015, § 31, Rz 37; Burkiczak/Dollinger/Schorkopf, Bundesverfassungsgerichtsgesetz, 2015, § 31, Rz 62[]
  13. BVerfG, Beschluss vom 26.03.1980 – 1 BvR 121/76, 1 BvR 122/76, BVerfGE 54, 11[]
  14. BVerfg, Beschluss vom 24.06.1992 – 1 BvR 459/87, 1 BvR 467/87, BVerfGE 86, 369, BStBl II 1992, 774[]
  15. vgl. z.B. BVerfG, Beschluss vom 08.09.2010 – 2 BvL 3/10, BFH/NV 2010, 2217, unter II. 1., m.w.N.[]
  16. BVerfG, Beschluss vom 18.01.2006 – 2 BvR 2194/99, BVerfGE 115, 97[]
  17. ständige Rechtsprechung des BVerfG, z.B. BVerfG, Beschluss vom 16.11.1992 1 BvL 31/88 u.a., BVerfGE 87, 341[]
  18. vgl. auch BFH, Beschluss vom 24.11.2010 – II B 9/10, BFH/NV 2011, 441, Rz 3[]
  19. vgl. BFH, Urteil in BFHE 228, 223, BStBl II 2011, 567, Rz 53; z.B. BVerfG, Beschlüsse in BStBl II 2016, 310, Rz 63, und in HFR 2016, 72, Rz 69[]
  20. so BFH, Urteil vom 07.02.2013 – VI R 83/10, BFHE 240, 549, BStBl II 2013, 573, Rz 16[]
  21. vgl. BT-Drs. 15/2150, S. 38[]
  22. BFH, Urteile in BFHE 240, 549, BStBl II 2013, 573, Rz 14 ff.; und vom 16.09.2013 – VI R 67/12, BFH/NV 2014, 37, Rz 14 f.[]
  23. z.B. BFH, Urteil in BFHE 223, 445, BStBl II 2009, 710, unter II. 2.b bb[]
  24. siehe BVerfG, Urteil in BVerfGE 105, 73, unter C.V.01.c[]
  25. siehe hierzu z.B. BVerfG, Beschluss vom 21.06.2006 – 2 BvL 2/99, BVerfGE 116, 164, unter C.I. 2.[]
  26. vgl. z.B. BFH, Urteil in BFHE 228, 223, BStBl II 2011, 567, Rz 32 ff.[]
  27. vgl. BVerfG, Beschlüsse in BStBl II 2016, 310, Rz 36 ff., und in HFR 2016, 72, Rz 39[]
  28. BVerfG, Beschluss in HFR 2016, 72, Rz 42[]
  29. BVerfG, Entscheidungen in BVerfGE 105, 73, unter C.II.; und in HFR 2016, 77, Rz 47[]
  30. so ausdrücklich BVerfG, Urteil in BVerfGE 105, 73, unter C.II.[]
  31. BVerfG, Beschluss vom 13.02.2008 – 2 BvL 1/06, BVerfGE 120, 125[]
  32. BVerfGE 120, 125, unter C.I. 2.[]
  33. BVerfG, Beschlüsse in BStBl II 2016, 310, Rz 32 und Rz 66 ff.; in HFR 2016, 72, Rz 32 und Rz 72 ff., und in HFR 2016, 77, Rz 32[]
  34. BVerfG, Beschlüsse in BStBl II 2016, 310, Rz 51 ff.; in HFR 2016, 72, 60, und in HFR 2016, 77, Rz 42[]
  35. siehe BVerfg, Beschlüsse in BStBl II 2016, 310, Rz 49 ff.; in HFR 2016, 72, Rz 58 ff., und in HFR 2016, 77, Rz 41 ff.[]
  36. vgl. z.B. BFH, Urteil vom 23.10.2013 – X R 3/12, BFHE 243, 287, BStBl II 2014, 58, Rz 52[]
  37. siehe BFH, Urteil in BFHE 223, 445, BStBl II 2009, 710, unter II. 2.c bb[]
  38. BFH, Urteile in BFHE 223, 445, BStBl II 2009, 710, unter II. 2.c cc; und vom 23.10.2013 – X R 11/12, BFH/NV 2014, 328, Rz 23[]
  39. z.B. BFH, Urteil in BFH/NV 2014, 328, Rz 23[]
  40. BFH, Beschlüsse vom 18.08.2010 – X B 50/09, BFH/NV 2010, 2270, Rz 15; und vom 04.12 2012 – X B 152/11, BFH/NV 2013, 375, Rz 14[]
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