Eine nach der Insolvenzeröffnung entstehende Steuerschuld für Einkünfte, die während der Nachlassverwaltung aufgrund der Anlage von Mitteln des Nachlasses erzielt werden, ist eine Masseverbindlichkeit i.S. des § 55 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 324 Abs. 1 InsO, da sie durch Handlungen des Insolvenzverwalters oder in anderer Weise durch die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse begründet wird, ohne zu den Kosten des Insolvenzverfahrens zu gehören und der einzelne (unselbständige) Besteuerungstatbestand ‑insbesondere die Einkünfteerzielung nach § 2 Abs. 1 EStG- erst nach der Insolvenzeröffnung verwirklicht wird [1].

In der Rechtsprechung des BFH ist zudem geklärt, dass nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens aus der Insolvenzmasse (hier: den Mitteln des Nachlasses) an das Finanzamt entrichtete Steuerabzugsbeträge gemäß § 36 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EStG nur auf Steuerschulden angerechnet werden können, die zu den Masseverbindlichkeiten i.S. des § 55 Abs. 1 InsO (hier: i.V.m. § 324 Abs. 1 InsO) gehören. Nur in Höhe eines nach Anrechnung der Zahlungen auf nachinsolvenzlich begründete Steuerschulden (hier: die jeweilige Jahressteuerschuld der Streitjahre) verbliebenen Überschusses kann ein Erstattungsanspruch zugunsten der Masse entstehen [2].
Der Tod des Schuldners nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens bewirkt ohne weiteres eine Überleitung des bisherigen Insolvenzverfahrens in das Nachlassinsolvenzverfahren, wobei dies sowohl für ein Regelinsolvenzverfahren als auch für ein Verbraucherinsolvenzverfahren gilt. Das bisherige Insolvenzverfahren nimmt daher ohne Unterbrechung seinen Fortgang mit dem Erben als neuem Schuldner [3].
Hiernach kommt eine Erstattung der Steuerabzugsbeträge an die Masse nur auf der Grundlage einer Veranlagung des Erben und jetzigen Schuldners des Nachlassinsolvenzverfahrens in Betracht, in der die einbehaltenen Steuerabzugsbeträge gemäß § 36 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EStG anzurechnen sind. Da es sich bei der Jahressteuerschuld und einem sich hieraus eventuell ergebenden Erstattungsanspruch um Masseforderungen und ‑verbindlichkeiten handelt, sind die entsprechenden Steuerbescheide für die Streitjahre an den Nachlassinsolvenzverwalter zu richten [4].
Bestünden auch Streitigkeiten über die Anrechenbarkeit der Steuerabzugsbeträge dem Grunde und der Höhe nach, wären diese verfahrensrechtlich nicht im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung zur Festsetzung einer Masseverbindlichkeit oder ‑forderung, sondern auf der Grundlage eines Abrechnungsbescheids gemäß § 218 Abs. 2 der Abgabenordnung zu klären, weil der Abrechnungsbescheid gegenüber einer Anrechnungsverfügung vorrangig ist [5].
Bundesfinanzhof, Beschluss vom 12. Oktober 2015 – VIII B 143/14
- BFH, Entscheidungen vom 16.05.2013 – IV R 23/11, BFHE 241, 233, BStBl II 2013, 759, Rz 18, 19; vom 18.12 2014 – X B 89/14, BFH/NV 2015, 470; vom 24.02.2015 – VII R 27/14, BFHE 248, 518, unter Rz 13; Siegmann in Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung, Band 3, InsO § 325 Rz 7[↩]
- BFH, Urteil in BFHE 248, 518[↩]
- vgl. BGH, Entscheidungen vom 22.01.2004 – IX ZR 39/03, BGHZ 157, 350; vom 21.02.2008 – IX ZB 62/05, BGHZ 175, 307; vom 13.01.2011 – IX ZR 53/09, Zeitschrift für das gesamte Insolvenzrecht 2011, 389; vom 26.09.2013 – IX ZR 3/13; NJW 2014, 389, unter Rz 12[↩]
- s. BFH, Urteil vom 24.08.2011 – V R 53/09, BFHE 235, 5, BStBl II 2012, 256; Klein/Werth, AO, 12. Aufl., § 251 Rz 21[↩]
- s. BFH, Urteile vom 28.04.1993 – I R 100/92, BFHE 171, 397, BStBl II 1993, 836; – I R 123/91, BFHE 170, 573, BStBl II 1994, 147; vom 15.01.2015 – I R 69/12, BFHE 249, 99, BFH/NV 2015, 1037[↩]