Auch die Inanspruchnahme von Handwerkerleistungen, die jenseits der Grundstücksgrenze auf fremdem, beispielsweise öffentlichem Grund erbracht werden, kann als Handwerkerleistung nach § 35a Abs. 2 Satz 2 EStG begünstigt sein1. Es muss sich dabei allerdings um Tätigkeiten handeln, die in unmittelbarem räumlichen Zusammenhang zum Haushalt durchgeführt werden und dem Haushalt dienen. Hiervon ist insbesondere auszugehen, wenn der Haushalt des Steuerpflichtigen an das öffentliche Versorgungsnetz angeschlossen wird.

Der Begriff „im Haushalt“ ist nicht räumlich, sondern funktionsbezogen auszulegen. Daher werden die Grenzen des Haushalts i.S. des § 35a EStG nicht ausnahmslos – unabhängig von den Eigentumsverhältnissen – durch die Grundstücksgrenzen abgesteckt. Es genügt, wenn die Dienstleistung für den Haushalt (zum Nutzen des Haushalts) erbracht werde. Es muss sich dabei allerdings um Tätigkeiten handeln, die ansonsten üblicherweise von Familienmitgliedern erbracht und in unmittelbarem räumlichen Zusammenhang zum Haushalt durchgeführt werden und dem Haushalt dienen. Hiervon ist insbesondere auszugehen, wenn der Steuerpflichtige als Eigentümer oder Mieter zur Reinigung und Schneeräumung von öffentlichen Straßen und (Geh-)Wegen verpflichtet ist. In einem solchen Fall sind Aufwendungen für die Inanspruchnahme haushaltsnaher Dienstleistungen in vollem Umfang und nicht nur anteilig, soweit sie auf Privatgelände entfallen, nach § 35a EStG begünstigt. Dies gilt auch bei der Inanspruchnahme von Handwerkerleistungen für Renovierungs, Erhaltungs- und Modernisierungsmaßnahmen (nicht aber bei einem Neubau), die in unmittelbarem räumlichem Zusammenhang zum Haushalt durchgeführt werden und dem Haushalt dienen.
Im hier vom Bundesfinanzhof entschiedenen Fall war der Haushalt des Steuerpflichtigen nachträglich an das öffentliche Versorgungsnetz angeschlossen worden. Bei Hausanschlüssen handele es sich zwar auch insoweit als die Anschlussleitung innerhalb des Privatgrundstücks des Anschlussnehmers verlaufe um Betriebsanlagen des Wasserversorgungsunternehmens. Gleichwohl sei der Hausanschluss insgesamt und damit auch, soweit er im öffentlichen Straßenraum verlaufe, zum Haushalt zu zählen und damit als Handwerkerleistung nach § 35a EStG begünstigt.
Nach § 35a Abs. 2 Satz 2 EStG ermäßigt sich auf Antrag die tarifliche Einkommensteuer für die Inanspruchnahme von Handwerkerleistungen für Renovierungs, Erhaltungs- und Modernisierungsmaßnahmen, die in einem inländischen Haushalt des Steuerpflichtigen erbracht werden, um 20 %, höchstens um 600 EUR. Nach § 35a Abs. 2 Satz 3 EStG gilt die Ermäßigung nur für Arbeitskosten.
Handwerkerleistungen sind einfache wie qualifizierte handwerkliche Tätigkeiten, unabhängig davon, ob es sich um regelmäßig vorzunehmende Renovierungsarbeiten oder um Erhaltungs- und Modernisierungsmaßnahmen handelt2. Begünstigt werden handwerkliche Tätigkeiten, die von Mietern und Eigentümern für die zu eigenen Wohnzwecken genutzte Wohnung in Auftrag gegeben werden, z.B. das Streichen und Tapezieren von Innenwänden, die Beseitigung kleinerer Schäden, die Erneuerung eines Bodenbelags (Teppichboden, Parkett oder Fliesen), die Modernisierung des Badezimmers oder der Austausch von Fenstern. Hierzu gehören auch Aufwendungen für Renovierungs, Erhaltungs- und Modernisierungsarbeiten auf dem Grundstück, z.B. Garten- und Wegebauarbeiten3, aber auch die Reparatur, Wartung und Austausch von Gas- und Wasserinstallationen4.
Nach allgemeiner Meinung ist nicht erforderlich, dass der Leistungserbringer in die Handwerksrolle eingetragen ist5. Auch Kleinunternehmer i.S. des § 19 UStG6 oder die öffentliche Hand können steuerbegünstigte Handwerkerleistungen erbringen7. Dies gilt insbesondere dann, wenn eine juristische Person des öffentlichen Rechts (beispielsweise ein Zweckverband) mit dem Verlegen der Hausanschlussleitungen (= die Verbindung des Wasser-Verteilungsnetzes mit der Anlage des Grundstückseigentümers, vgl. § 10 Abs. 1 der Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Versorgung mit Wasser ‑AVBWasserV- vom 20.06.1980, BGBl I 1980, 750) gegen Kostenerstattung im Rahmen eines Betriebs gewerblicher Art unternehmerisch tätig geworden ist8. Auf welcher Rechtsgrundlage die öffentliche Hand die Kosten (Heranziehungsbescheid, öffentlich-rechtlicher Vertrag) für den Hausanschluss erhebt, ist insoweit ebenso unerheblich wie der Umstand, ob diese Leistung „eigenhändig“ oder durch einen von ihr beauftragten bauausführenden Dritten erbracht wird. Denn auch insoweit nimmt der Steuerpflichtige eine, wenn auch durch eine juristische Person vermittelte, Handwerkerleistung in Anspruch.
Die Handwerkerleistung muss ferner „in“ einem inländischen Haushalt des Steuerpflichtigen erbracht werden. Hieraus wird geschlossen, dass nur handwerkliche Tätigkeiten, die in der privaten Wohnung bzw. dem Haus nebst Zubehörräumen und Garten geleistet werden, nicht aber solche, die „für“ den Haushalt des Steuerpflichtigen erbracht werden, nach § 35a Abs. 2 Satz 2 EStG begünstigt sind9.
Dieses enge Verständnis der Vorschrift greift nach Auffassung des Bundesfinanzhofs jedoch zu kurz. Denn der Begriff „im Haushalt“ ist räumlich-funktional auszulegen10.
Deshalb werden die Grenzen des Haushalts i.S. des § 35a Abs. 2 Satz 1 EStG nicht ausnahmslos ‑unabhängig von den Eigentumsverhältnissen- durch die Grundstücksgrenzen abgesteckt11. Vielmehr kann auch die Inanspruchnahme von Handwerkerleistungen, die jenseits der Grundstücksgrenze auf fremdem, beispielsweise öffentlichem Grund erbracht werden, nach § 35a Abs. 2 Satz 2 EStG begünstigt sein. Es muss sich dabei allerdings um Leistungen handeln, die in unmittelbarem räumlichen Zusammenhang zum Haushalt durchgeführt werden und dem Haushalt dienen12. Hiervon ist insbesondere auszugehen, wenn der Haushalt des Steuerpflichtigen an das öffentliche Versorgungsnetz angeschlossen wird.
Zwar handelt es sich bei Hausanschlüssen (auch insoweit als die Anschlussleitung innerhalb des Privatgrundstücks des Anschlussnehmers verläuft) um Betriebsanlagen des Wasserversorgungsunternehmens (vgl. § 10 Abs. 3 Satz 1 AVBWasserV)13. Denn über diesen wird der auf dem Grundstück gelegene Haushalt des Steuerpflichtigen über das öffentliche Versorgungsnetz mit den für eine Haushaltsführung notwendigen Leistungen der Daseinsfürsorge versorgt. Ein Hausanschluss stellt sich damit als notwendige Voraussetzung eines Haushalts dar.
Entsprechende Handwerkerleistungen sind folglich nicht nur anteilig, soweit sie auf Privatgelände entfallen, sondern in vollem Umfang nach § 35a Abs. 2 Satz 2 EStG begünstigt14.
Wortlaut sowie Sinn und Zweck des § 35a Abs. 2 Satz 2 EStG stehen dieser Auslegung der Vorschrift nicht entgegen15.
Nach diesen Grundsätzen sind die streitigen Aufwendungen für den Wasserhausanschluss in Höhe der (geschätzten) Arbeitskosten als Handwerkerleistungen für eine Modernisierungsmaßnahme zu beurteilen, die dem Steuerpflichtigem die begehrte Steuerermäßigung nach § 35a Abs. 2 Satz 2 EStG vermitteln.
Bundesfinanzhof, Urteil vom 20. März 2014 – VI R 56/12
- entgegen BMF, Schreiben vom 10.01.2014 – IV C 4‑S 2296‑b/07/0003:004, 2014/0023765, BStBl I 2014, 75[↩]
- vgl. BFH, Urteil vom 06.05.2010 – VI R 4/09, BFHE 229, 534, BStBl II 2011, 909[↩]
- BT-Drs. 16/643, 10, und BT-Drs. 16/753, 11[↩]
- Barein in Littmann/Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht, Kommentar, § 35a Rz 25[↩]
- vgl. BMF, Schreiben vom 15.02.2010 – IV C 4‑S 2296‑b/07/0003, 2010/0014334, BStBl I 2010, 140, Tz. 21; ersetzt durch BMF, Schreiben vom 10.01.2014 – IV C 4‑S 2296‑b/07/0003:004, 2014/0023765, BStBl I 2014, 75, Tz. 23[↩]
- vgl. BMF, Schreiben in BStBl I 2010, 140, Tz. 21, ersetzt durch BMF, Schreiben in BStBl I 2014, 75, Tz. 23[↩]
- Apitz in Herrmann/Heuer/Raupach, § 35a EStG Rz 21; vgl. Eversloh in Lademann, EStG, § 35a EStG Rz 86; Wüllenkemper, EFG 2013, 52; BMF, Schreiben in BStBl I 2010, 140
[↩] - vgl. hierzu BFH, Urteil vom 08.10.2008 – V R 61/03, BFHE 222, 176, BStBl II 2009, 321; BMF, Schreiben vom 07.04.2009 – IV B 8‑S 7100/07/10024, 2009/0215132, BStBl I 2009, 531[↩]
- BMF, Schreiben in BStBl I 2010, 140, Tz. 15, ersetzt durch BMF, Schreiben in BStBl I 2014, 75, Tz. 15; FG München, Urteil vom 24.10.2011 – 7 K 2544/09, DStRE 2012, 1118[↩]
- vgl. Kratzsch in Frotscher, EStG, Freiburg 2011, § 35a Rz 77; Eversloh in Lademann, EStG, § 35a EStG Rz 92; Wüllenkemper, EFG 2013, 52; Bode, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 35a Rz D 7, E 7; Schmidt/Krüger, EStG, 32. Aufl., § 35a Rz 4[↩]
- BFH, Urteil vom 20.03.2014 – VI R 55/12, zur amtlichen Veröffentlichung bestimmt; entgegen BMF, Schreiben in BStBl I 2010, 140, Tz. 15, ersetzt durch BMF, Schreiben in BStBl I 2014, 75, Tz. 15[↩]
- Schmidt/Krüger, EStG, 32. Aufl., § 35a Rz 4; vgl. auch Köhler in Bordewin/Brandt, EStG, § 35a Rz 300 f.[↩]
- BGH, Urteile vom 07.02.2008 – III ZR 307/05, NJW-RR 2008, 771; und vom 01.02.2007 – III ZR 289/06, NJW-RR 2007, 823). Gleichwohl ist der Hausanschluss insgesamt und damit auch, soweit er im öffentlichen Straßenraum verläuft, zum Haushalt i.S. des § 35a Abs. 2 Satz 2 EStG zu zählen ((entgegen BMF, Schreiben in BStBl I 2010, 140, Tz. 12, 15, ersetzt durch BMF, Schreiben in BStBl I 2014, 75, Tz. 9, 15[↩]
- Schmidt/Krüger, EStG, 32. Aufl., § 35a Rz 4; Bode, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 35a Rz D 7, E 7; Kratzsch in Frotscher, EStG, Freiburg 2011, § 35a Rz 71 f., 77; Eversloh in Lademann, EStG, § 35a EStG Rz 92; Wüllenkemper, EFG 2013, 52; a.A. Fischer in Kirchhof, EStG, 12. Aufl., § 35a Rz 7; Durst in Korn, § 35a EStG Rz 41; Heß/Görn, Deutsches Steuerrecht 2007, 1804 <1805>[↩]
- vgl. BFH, Urteil vom 20.03.2014 – VI R 55/12, zur amtlichen Veröffentlichung bestimmt; entgegen BMF, Schreiben in BStBl I 2010, 140, Tz. 15, ersetzt durch BMF, Schreiben in BStBl I 2014, 75, Tz. 15[↩]