Ausfall einer privaten Darlehensforderung – und der einkommensteuerliche Verlust

Der endgültige Ausfall einer Kapitalforderung i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG in der privaten Vermögenssphäre führt nach Einführung der Abgeltungsteuer zu einem steuerlich anzu Verlust nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7, Satz 2, Abs. 4 EStG1.

Ausfall einer privaten Darlehensforderung – und der einkommensteuerliche Verlust

Für die Berücksichtigung des Verlusts aus dem Ausfall einer privaten Kapitalforderung muss endgültig feststehen, dass der Schuldner keine (weiteren) Zahlungen mehr leisten wird. Bei insolvenzfreier Auflösung einer Kapitalgesellschaft als Forderungsschuldnerin kann davon regelmäßig erst bei Abschluss der Liquidation ausgegangen werden, sofern sich nicht aus besonderen Umständen ausnahmsweise etwas anderes ergibt.

Gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG gehört zu den Einkünften aus Kapitalvermögen auch der Gewinn aus der Veräußerung von sonstigen Kapitalforderungen jeder Art i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG. Dabei gilt als Veräußerung i.S. des Satzes 1 auch die Einlösung, Rückzahlung, Abtretung oder verdeckte Einlage in eine Kapitalgesellschaft (§ 20 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 1 EStG). Gemäß § 20 Abs. 4 Satz 1 Halbsatz 1 EStG ist Gewinn i.S. des § 20 Abs. 2 EStG der Unterschied zwischen den Einnahmen aus der Veräußerung nach Abzug der Aufwendungen, die im unmittelbaren sachlichen Zusammenhang mit dem Veräußerungsgeschäft stehen, und den Anschaffungskosten.

Nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs vom 24.10.20172 führt der endgültige Ausfall einer Kapitalforderung i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG in der privaten Vermögenssphäre nach Einführung der Abgeltungsteuer zu einem steuerlich anzu Verlust nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7, Satz 2, Abs. 4 EStG3. Zwar fehlt es bei einem Forderungsausfall an dem eine Veräußerung i.S. des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG kennzeichnenden Rechtsträgerwechsel. Aus der Gleichstellung der Rückzahlung mit dem Tatbestand der Veräußerung einer Kapitalforderung in § 20 Abs. 2 Satz 2 EStG folgt jedoch, dass auch eine endgültig ausbleibende Rückzahlung zu einem Verlust i.S. des § 20 Abs. 4 Satz 1 EStG führen kann4. Wirtschaftlich betrachtet macht es keinen Unterschied, ob der Steuerpflichtige die Forderung noch kurz vor dem Ausfall zu Null veräußert, oder ob er sie -weil er keinen Käufer findet oder auf eine Quote hofft- behält. In beiden Fällen erleidet der Steuerpflichtige eine Einbuße seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, die die gleiche steuerliche Berücksichtigung finden muss5. Von einem Forderungsausfall ist allerdings erst dann auszugehen, wenn endgültig feststeht, dass (über bereits bezahlte Beträge hinaus) keine weiteren Rückzahlungen mehr erfolgen werden6.

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Das Vorliegen einer Einkünfteerzielungsabsicht ist im Grundsatz auch bei den Einkünften aus Kapitalvermögen i.S. des § 20 EStG -für jede einzelne Kapitalanlage getrennt- zu prüfen7. Das Erfordernis der Einkünfteerzielungsabsicht gilt grundsätzlich für alle Einkunftsarten, allerdings unter Berücksichtigung ihrer jeweiligen Besonderheiten hinsichtlich der Einkünfteermittlung. Nach dem BFH, Urteil vom 14.03.2017 – VIII R 38/158 bedingen die durch das UntStRefG 2008 mit der Abgeltungsteuer als Schedule eingeführten Besonderheiten der Einkünfte aus Kapitalvermögen eine tatsächliche (widerlegbare) Vermutung der Einkünfteerzielungsabsicht. So sollten mit der Abgeltungsteuer in § 20 EStG umfassend alle in Betracht kommenden Kapitalanlagen erfasst werden9, insbesondere auch realisierte Wertsteigerungen des Kapitalstamms (§ 20 Abs. 2 EStG). Hinzu kommen vor allem die Einschränkungen des objektiven Nettoprinzips durch das Werbungskostenabzugsverbot gemäß § 20 Abs. 9 EStG und die Verlustabzugsbeschränkungen gemäß § 20 Abs. 6 EStG.

In Anwendung dieser Rechtsprechungsgrundsätze hat im vorliegenden Fall das erstinstanzlich tätige Finanzgericht Düsseldorf10 den Forderungsausfall im Zusammenhang mit dem (rückständigen) Darlehen zu Recht nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7, Satz 2, Abs. 4 EStG bei der Darlehensgeberin berücksichtigt:

Der Forderungsausfall fällt nach der zuvor aufgeführten Rechtsprechung unter § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7, Satz 2, Abs. 4 EStG. Zudem hat das Finanzgericht die erforderliche Einkünfteerzielungsabsicht der Darlehensgeberin im Hinblick auf das (stehen gelassene) Darlehen vom 10.01.2012 zu Recht bejaht.

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Die Vorinstanz hat aus ihren tatsächlichen Feststellungen geschlussfolgert, dass die Vermutung der Einkünfteerzielungsabsicht für das vor der Krise der GmbH gewährte, mit 5 % p.a. zu verzinsende und während der Darlehenslaufzeit zum Großteil zurückgeführte Darlehen nicht widerlegt sei. Diese Schlussfolgerung ist auf der Grundlage der Feststellungen des Finanzgericht jedenfalls möglich und in sich schlüssig. Die Würdigung des Finanzgericht verstößt weder gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze noch gegen die anerkannten Auslegungsregeln. Sie ist daher revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

Entsprechendes gilt für die Annahme des Finanzgericht, es habe bereits Ende 2014 endgültig festgestanden, dass die GmbH nicht mehr in der Lage sein werde, über die bis dahin geleisteten Darlehensrückzahlungen hinaus weitere Tilgungsleistungen zu erbringen.

Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs6 liegt ein steuerbarer Verlust aufgrund eines Forderungsausfalls als Tatbestand der Endbesteuerung erst dann vor, wenn endgültig feststeht, dass (über bereits gezahlte Beträge hinaus) keine (weiteren) Rückzahlungen (mehr) erfolgen werden. Die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners reicht hierfür in der Regel nicht aus11. Etwas anderes gilt, wenn die Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse abgelehnt worden ist12 oder wenn aus anderen Gründen feststeht, dass keine Rückzahlung mehr zu erwarten ist13.

Nach diesen Grundsätzen, denen sich der Bundesfinanzhof anschließt, muss für die Berücksichtigung des steuerbaren Ausfalls einer privaten Kapitalforderung endgültig feststehen, dass keine Rückzahlungen des Schuldners auf die Forderung mehr erfolgen werden. Dies wird im Fall der insolvenzfreien Auflösung einer Kapitalgesellschaft, der gegenüber die private Darlehensforderung besteht, regelmäßig erst bei Abschluss von deren Liquidation der Fall sein. Ausnahmsweise kann der Verlust allerdings schon zu einem früheren Zeitpunkt entstanden sein, wenn bei objektiver Betrachtung bereits zu diesem Zeitpunkt nicht mehr mit Rückzahlungen auf die Forderung zu rechnen ist14.

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Soweit das Finanzgericht Düsseldorf -abweichend von den genannten Grundsätzen- für die Bestimmung des Verlustentstehungszeitpunkts an die höchstrichterliche Rechtsprechung zur Verlustrealisierung nach § 17 Abs. 4 EStG anknüpfen möchte15, vermag der Bundesfinanzhof dem nicht zu folgen16. Gegen eine Übernahme dieser Grundsätze sprechen bereits systematische Erwägungen. Während im Fall des § 17 Abs. 4 EStG eine stichtagsbezogene Ermittlung des Gewinns oder Verlusts aus der Auflösung einer Kapitalgesellschaft erfolgt17, ist für Zwecke des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7, Satz 2, Abs. 4 EStG allein der Ausfall einer einzelnen privaten Kapitalanlage zu beurteilen. Zudem kommt es entgegen der Vorentscheidung auf die Beurteilung der Vermögenslage des Gesellschafters bei der hier allein maßgebenden Frage, ob das Ausbleiben weiterer Rückzahlungen auf die Kapitalforderung durch die Gesellschaft feststeht, nicht an.

Das Finanzgericht hat zur Begründung seiner Auffassung im Wesentlichen auf die Vermögenslosigkeit der GmbH infolge der Veräußerung des Anlagevermögens hingewiesen. Nach dem 21.11.2014 seien keine Tilgungen mehr durch die GmbH vorgenommen worden; die Zahlung des lediglich geringfügigen Betrags in Höhe von 277, 75 € im Januar 2016 stehe dem nicht entgegen, da dieser als Teilleistung zunächst auf die Kosten und die Zinsen anzurechnen sei (§ 367 Abs. 1 BGB).

Damit hat das Finanzgericht vertretbar und somit für den BFH bindend (§ 118 Abs. 2 FGO) festgestellt, dass bereits Ende 2014 nicht mehr mit Darlehenstilgungen zu rechnen war. Dies ergibt sich auch aus der vom Finanzamt angeforderten Bestätigung des Liquidators der GmbH (in Person des Ehemanns der Darlehensgeberin), der zufolge die Darlehen am 31.12.2014 endgültig verloren waren. Hierin sind jedenfalls unter Berücksichtigung der Umstände des Streitfalls ausreichende objektive Anhaltspunkte für eine Uneinbringlichkeit der Forderung zu sehen.

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Die Frage der Konkurrenz zwischen § 20 EStG und § 17 EStG (s. § 20 Abs. 8 Satz 1 EStG) stellt sich vorliegend nicht; die Darlehensgeberin war nicht Gesellschafterin der GmbH.

§ 32d Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 Buchst. b EStG gelangt nicht zur Anwendung. Ein Näheverhältnis i.S. des § 32d Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 Buchst. b Satz 2 EStG liegt nicht vor. Ein aus der Ehe abgeleitetes persönliches Interesse reicht dafür nicht aus18. Der gesonderte Steuertarif für Einkünfte aus Kapitalvermögen gemäß § 32d Abs. 1 EStG ist daher nicht ausgeschlossen.

Bundesfinanzhof, Urteil vom 27. Oktober 2020 – IX R 5/20

  1. Anschluss an BFH, Urteil vom 24.10.2017 – VIII R 13/15, BFHE 259, 535, BStBl II 2020, 831[]
  2. BFH, Urteil vom 24.10.2017 – VIII R 13/15, BFHE 259, 535, BStBl II 2020, 831[]
  3. s.a. Jachmann-Michel/Lindenberg in Lademann, EStG, § 20 Rz 708 ff.; Bleschick in Kirchhof, EStG, 19. Aufl., § 20 Rz 139a[]
  4. BFH, Urteil in BFHE 259, 535, BStBl II 2020, 831, Rz 15[]
  5. BFH, Urteil in BFHE 259, 535, BStBl II 2020, 831, Rz 17[]
  6. BFH, Urteil in BFHE 259, 535, BStBl II 2020, 831, Rz 19[][]
  7. BFH, Urteil vom 14.05.2014 – VIII R 37/12, BFH/NV 2014, 1883[]
  8. BFHE 258, 240, BStBl II 2017, 1040, m.w.N.[]
  9. vgl. Gesetzesbegründung zum UntStRefG 2008 in BT-Drs. 16/4841, S. 33[]
  10. FG Düsseldorf, Urteil vom 28.01.2020 – 10 K 2166/16 E[]
  11. BFH, Urteil vom 25.01.2000 – VIII R 63/98, BFHE 191, 115, BStBl II 2000, 343[]
  12. vgl. nur BFH, Urteil vom 27.11.2001 – VIII R 36/00, BFHE 197, 394, BStBl II 2002, 731[]
  13. vgl. BFH, Urteil vom 13.10.2015 – IX R 41/14, BFH/NV 2016, 385[]
  14. ähnlich Hahne, BB 2018, 99, 100; Vortmann, Entscheidungsanmerkungen zum Wirtschafts- und Bankrecht 2018, 206, 208; s.a. Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses zum Entwurf eines Gesetzes zur Einführung einer Pflicht zur Mitteilung grenzüberschreitender Steuergestaltungen, BT-Drs.19/15876, S. 61, zu § 20 Abs. 6 Satz 6 EStG[]
  15. vgl. auch Moritz/Strohm, BB 2018, 542, 545; Förster, Der Betrieb 2018, 336, 338[]
  16. kritisch auch FG Düsseldorf vom 18.07.2018 – 7 K 3302/17 E, EFG 2018, 1645, Rz 13, Revision anhängig unter – VIII R 28/18[]
  17. vgl. nur BFH, Urteil vom 19.11.2019 – IX R 7/19, BFH/NV 2020, 675, Rz 16; BeckOK EStG/Trossen, 8. Ed. [01.10.2020], EStG § 17 Rn 557[]
  18. vgl. BFH, Urteile vom 14.05.2014 – VIII R 31/11, BFHE 245, 531, BStBl II 2014, 995, Rz 14; vom 16.06.2020 – VIII R 5/17, BFHE 269, 179, BStBl II 2020 807, Rz 23; vgl. auch Schmidt/Levedag, a.a.O., § 32d Rz 7; Blümich/Werth, § 32d EStG Rz 68 ff.[]
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