Einkommensteuerpflichtige Ersatzleistungen führen nicht zu einer Kürzung der nach § 33 EStG abzugsfähigen Aufwendungen.

In dem hier vom Bundesfinanzhof entschiedenen Streitfall erhielt die klagende Tochter im Jahr 2017 nach dem Tod ihrer Mutter -auch ohne ihre Erbin geworden zu sein- gemäß § 23 Abs. 3 des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst der Länder ein Sterbegeld in Höhe von brutto 6.550, 20 €. In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr erklärte die Tochter das erhaltene Sterbegeld nicht, machte jedoch die Beerdigungskosten als außergewöhnliche Belastung geltend. Das Finanzamt setzte das Sterbegeld nach Abzug des Werbungskostenpauschbetrags sowie des Versorgungsfreibetrags als steuerpflichtige Einkünfte der Tochter aus nichtselbständiger Arbeit an und berücksichtigte die geltend gemachten Beerdigungskosten erklärungsgemäß. Im Einspruchsverfahren änderte das Finanzamt nach vorherigem Hinweis auf eine mögliche Verböserung den Einkommensteuerbescheid dahingehend, dass es die geltend gemachten Beerdigungskosten wegen einer Anrechnung des diese Kosten übersteigenden Sterbegelds nicht mehr zum Abzug als außergewöhnliche Belastung zuließ, und wies den Einspruch als unbegründet zurück.
Das Finanzgericht Düsseldorf gab der daraufhin erhobenen Klage teilweise statt. Es erkannte die Beerdigungskosten lediglich gekürzt um den Versorgungsfreibetrag als außergewöhnliche Belastung an1. Die hiergegen gerichtete Revision wies der Bundesfinanzhof als unbegründet zurück; das Finanzgericht habe zutreffend entschieden, dass das einkommensteuerpflichtige Sterbegeld der Tochter nicht auf ihre als außergewöhnliche Belastung abziehbaren Beerdigungskosten anzurechnen ist:
Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands (außergewöhnliche Belastung), so wird auf Antrag die Einkommensteuer dadurch ermäßigt, dass der Teil der Aufwendungen, der die dem Steuerpflichtigen zumutbare Belastung nach Abs. 3 übersteigt; vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen wird (§ 33 EStG). Gemäß § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG erwachsen Aufwendungen dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen.
Es entspricht ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH), die Ausgaben, die ein Steuerpflichtiger aus sittlichen Gründen für die Beerdigung eines nahen Angehörigen übernimmt, als außergewöhnliche Belastung gemäß § 33 EStG steuerlich zu berücksichtigen, soweit die Aufwendungen nicht aus dem Nachlass bestritten werden können oder durch sonstige dem Steuerpflichtigen im Zusammenhang mit dem Tod des Angehörigen zugeflossene Geldleistungen gedeckt sind2.
Diese Vorteilsanrechnung gründet auf der zweckgerichteten Auslegung des Begriffs der Aufwendungen und dem Merkmal der Außergewöhnlichkeit. Denn der Abzugstatbestand des § 33 EStG erfordert die verminderte subjektive Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen. Der Steuerpflichtige ist im Ergebnis lediglich um die Differenz von außergewöhnlichem Aufwand und (steuerfreier) Ersatzleistung belastet. Nur insoweit trägt er den außergewöhnlichen Aufwand tatsächlich und nur insoweit ist seine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit vermindert3. Da die Vorteilsanrechnung der Vermeidung einer steuerlichen Doppelentlastung dient4, führen einkommensteuerpflichtige Ersatzleistungen nicht zu einer Kürzung der nach § 33 EStG abzugsfähigen Aufwendungen5.
Das Finanzgericht Düsseldorf hat nach diesen Maßstäben die als außergewöhnliche Belastung abzugsfähigen Beerdigungskosten zu Recht nicht um das Sterbegeld gekürzt. Das von der Tochter bezogene Sterbegeld ist ein steuerpflichtiger Versorgungsbezug im Sinne des § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Buchst. a EStG. Dies ist zwischen den Beteiligten unstreitig. Der Bundesfinanzhof sieht insoweit von weiteren Ausführungen ab. Die vom Finanzamt begehrte Kürzung der Beerdigungskosten zumindest in Höhe des Nettobetrags des steuerpflichtigen Sterbegelds (Einnahmen gemindert um die darauf entfallende Steuer) kommt ebenfalls nicht in Betracht. Werden außergewöhnliche Belastungen -wie vorliegend- aus zu versteuerndem Einkommen geleistet, sind die entsprechenden Aufwendungen ohne Anrechnung der zu versteuernden Beträge nach § 33 EStG abziehbar. Denn eine (auch nur teilweise) Anrechnung der zu versteuernden Leistung auf die nach § 33 EStG abziehbare außergewöhnliche Belastung hätte in einem solchen Fall eine unzulässige doppelte steuerliche Belastung des Steuerpflichtigen zur Folge.
Bundesfinanzhof, Beschluss vom 15. Juni 2023 – VI R 33/20
- FG Düsseldorf, Urteil vom 15.06.2020 – 11 K 2024/18 E[↩]
- BFH, Urteil vom 19.10.1990 – III R 93/87, BFHE 162, 326, BStBl II 1991, 140 und BFH, Beschluss vom 21.02.2018 – VI R 11/16, BFHE 260, 507, BStBl II 2018, 469, Rz 46[↩]
- BFH, Beschlüsse vom 14.04.2011 – VI R 8/10, BFHE 233, 241, BStBl II 2011, 701; und vom 21.02.2018 – VI R 11/16, BFHE 260, 507, BStBl II 2018, 469, Rz 55[↩]
- vgl. BFH, Beschlüsse vom 14.04.2011 – VI R 8/10, BFHE 233, 241, BStBl II 2011, 701, Rz 14; und vom 21.02.2018 – VI R 11/16, BFHE 260, 507, BStBl II 2018, 469, Rz 56[↩]
- vgl. BFH, Urteil vom 14.03.1975 – VI R 63/73, BFHE 115, 357, BStBl II 1975, 632 und BFH, Urteil vom 23.11.2016 – X R 13/14, Rz 17; Arndt in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 33 Rz B 18; Brandis/Heuermann/Baldauf, § 33 EStG Rz 70 und 72; Fuhrmann in Korn, § 33 EStG Rz 22.1; Schmidt/Loschelder, EStG, 42. Aufl., § 33 Rz 17; Schmieszek in Bordewin/Brandt, § 33 EStG Rz 37; a.A. KKB/Bleschick, § 33 EStG, 8. Aufl., Rz 32; Kanzler in Herrmann/Heuer/Raupach, § 33 EStG Rz 42; Mellinghoff in Kirchhof/Seer, EStG, 22. Aufl., § 33 Rz 13[↩]
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