Bei der Ermittlung der als außergewöhnliche Belastungen abzugsfähigen Unterhaltsleistungen sind nach Änderung des § 33a Abs. 1 EStG durch das BürgEntlG KV vom 16.07.20091 die anrechenbaren Einkünfte der unterhaltenen Person nicht (mehr) um die Arbeitnehmerbeiträge zur gesetzlichen Renten- und Arbeitslosenversicherung sowie um die Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung für Leistungen, die über das sozialhilferechtliche Niveau der Krankenversorgung hinausgehen, zu mindern. Verfassungsrechtliche Bedenken hiergegen bestehen nach Ansicht des Bundesfinanzhofs nicht.

Erwachsen dem Steuerpflichtigen Aufwendungen für den Unterhalt einer dem Steuerpflichtigen oder seinem Ehegatten gegenüber gesetzlich unterhaltsberechtigten Person, so wird auf Antrag die Einkommensteuer dadurch ermäßigt, dass die Aufwendungen bis zu 8.004 EUR im Kalenderjahr vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden (§ 33a Abs. 1 Satz 1 EStG i.d.F. des BürgEntlG KV). Der Unterhaltshöchstbetrag erhöht sich gemäß § 33a Abs. 1 Satz 2 EStG i.d.F. des BürgEntlG KV um den Betrag der im jeweiligen Veranlagungszeitraum nach § 10 Abs. 1 Nr. 3 EStG i.d.F. des BürgEntlG KV für die Absicherung der unterhaltsberechtigten Person aufgewandten Beiträge; dies gilt nicht für Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge, die bereits (beim Unterhaltsverpflichteten) nach § 10 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 EStG i.d.F. des BürgEntlG KV anzusetzen sind. Hat die unterhaltene Person andere Einkünfte oder Bezüge, so vermindert sich nach § 33a Abs. 1 Satz 5 EStG i.d.F. des BürgEntlG KV die Summe der nach Satz 1 und Satz 2 ermittelten Beträge (Unterhaltshöchstbetrag) um den Betrag, um den diese Einkünfte und Bezüge den Betrag von 624 EUR im Kalenderjahr übersteigen.
Anrechenbare „andere Einkünfte“ i.S. des § 33a Abs. 1 Satz 5 EStG i.d.F. des BürgEntlG KV sind nach allgemeiner Meinung die nach einkommensteuerrechtlichen Vorschriften zu ermittelnden Einkünfte i.S. des § 2 Abs. 2 EStG; Verlustabzüge nach § 10d EStG, Sonderausgaben und außergewöhnliche Belastungen sind nicht zu berücksichtigen2. Denn der Begriff der Einkünfte in § 33a Abs. 1 Satz 5 EStG i.d.F. des BürgEntlG KV entspricht der Legaldefinition des § 2 Abs. 2 Satz 1 EStG. Innerhalb desselben Gesetzes ist eine einheitliche Auslegung von Grundbegriffen des Einkommensteuerrechts geboten, soweit nicht zwingende Gründe eine unterschiedliche Auslegung erfordern3.
Danach erhöhen Arbeitnehmeranteile zur Arbeitslosenversicherung, Krankenversicherung und Rentenversicherung die anrechenbaren Einkünfte i.S. des § 33a Abs. 1 Satz 5 EStG i.d.F. des BürgEntlG KV. Sie stellen nach allgemeiner Meinung eine Gegenleistung für die Erbringung der Arbeitsleistung dar und zählen damit zu den Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit4. Sie fließen dem Arbeitnehmer auch dann zu, wenn sie nicht in seinen Verfügungsbereich gelangen, weil der Arbeitgeber die Arbeitnehmeranteile an der Sozialversicherung unmittelbar an die Sozialkassen abführt. Da es sich insoweit nicht um Werbungskosten, sondern -soweit steuererheblich- um Sonderausgaben handelt, können die streitigen Aufwendungen bei der Einkünfteermittlung nicht in Abzug gebracht werden.
Der Umstand, dass diese Einnahmen gesetzlich verwendungsgebunden und die Einkünfte des Unterhaltsempfängers insoweit nicht frei verfügbar sind, ist bei der Einkünfteermittlung nach § 2 Abs. 2 EStG und damit auch im Rahmen des § 33a Abs. 1 Satz 5 EStG i.d.F. des BürgEntlG KV unerheblich. Einkünfte sind daher auch dann i.S. des § 33a Abs. 1 Satz 5 EStG i.d.F. des BürgEntlG KV anrechenbar, wenn und soweit der unterhaltsberechtigte Empfänger damit seinen Lebensunterhalt (Nahrung, Kleidung, Hygiene, Hausrat, Wohnung und Heizung) nicht bestreiten kann, weil er (langfristige) vertragliche Verpflichtungen eingegangen ist, zwangsläufige (beispielsweise als außergewöhnliche Belastungen abziehbare) Ausgaben tätigt5 oder Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Renten- und Arbeitslosenversicherung oder Krankenversicherung für Leistungen, die über das sozialhilferechtliche Niveau der Krankenversorgung hinausgehen, bestreiten muss.
Der Wortlaut des § 33a Abs. 1 EStG i.d.F. des BürgEntlG KV ist insoweit eindeutig. Deshalb sind Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Sozialversicherung ab dem Veranlagungszeitraum 2010 nicht (mehr) einkünftemindernd zu berücksichtigen.
Der Gesetzgeber hat mit dem Bürgerentlastungsgesetz Krankenversicherung den in § 33a Abs. 1 Satz 4 EStG a.F. (jetzt: Satz 5) enthaltenen Verweis auf § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG a.F. gestrichen. Nach dieser Vorschrift wurde ein Kind nur berücksichtigt, wenn es Einkünfte und Bezüge, die zur Bestreitung des Unterhalts oder der Berufsausbildung bestimmt oder geeignet sind, von nicht mehr als 7.680 EUR im Kalenderjahr hatte. Den auch für Einkünfte geltenden Relativsatz „die zur Bestreitung des Unterhalts oder der Berufsausbildung bestimmt oder geeignet sind“ legte der Bundesfinanzhof im Anschluss an den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 11.01.20056 verfassungskonform dahin aus, dass die Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Sozialversicherung (einschließlich der Renten- und Arbeitslosenversicherung) auch bei der Ermittlung der anrechenbaren Einkünfte im Rahmen des § 33a EStG a.F. abzuziehen waren7. Die Finanzverwaltung hatte sich dem angeschlossen (R 32.10 Abs. 1 Satz 2 EStR).
Mit dem Bürgerentlastungsgesetz Krankenversicherung ist dieser Verweis auf § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG a.F. und damit jeglicher positivrechtliche Anknüpfungspunkt für eine einkünftemindernde Berücksichtigung der Arbeitnehmeranteile zur gesetzlichen Sozialversicherung jedoch entfallen. Der Verweis des Gesetzgebers auf „andere“ Mittel der „unterhaltenen Person“ kann nicht dahin gedeutet werden, dass lediglich zur Bestreitung des Unterhalts bestimmte oder geeignete Mittel den steuerlichen Entlastungsbetrag abschmelzen sollen und damit Einkünfte, die bestimmungsgemäß nicht der Bestreitung des Unterhalts dienen, -wie die gesetzlich geschuldeten Renten- und Arbeitslosenversicherungsbeiträge des Arbeitnehmers- von vornherein nicht verfügbar sind und daher nicht als „andere“ Einkünfte in Betracht kommen8. Das Wort „andere“ bezieht sich vielmehr auf Einkünfte und Bezüge, die der Unterhaltsempfänger neben den Unterhaltsleistungen des Steuerpflichtigen erzielt9. Der Rechtsgedanke des vormaligen § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG, nach dem nur Einkünfte, „die zur Bestreitung des Unterhalts oder der Berufsausbildung bestimmt oder geeignet sind“, anzurechnen sind, lässt sich hieraus nicht ableiten.
Aufgrund des eindeutigen Wortlauts der Vorschrift sind demnach die Einkünfte des Unterhaltsempfängers nach § 33a Abs. 1 Satz 5 EStG i.d.F. des BürgEntlG KV ab dem Veranlagungszeitraum 2010 weder um die gesetzlich geschuldeten Renten- und Arbeitslosenversicherungsbeiträge noch um die Beiträge zur (gesetzlichen) Kranken- und Pflegeversicherung, soweit diese nicht über § 33a Abs. 1 Satz 2 EStG i.d.F. des BürgEntlG KV Berücksichtigung gefunden haben, zu mindern10.
§ 33a Abs. 1 Satz 5 EStG i.d.F. des BürgEntlG KV ist auch nicht einer verfassungskonformen Auslegung dahin zugänglich, dass sämtliche zweckgebundenen Mittel des Unterhaltsempfängers und damit insbesondere auch die streitigen Arbeitnehmeranteile zur gesetzlichen Sozialversicherung beim Unterhaltsempfänger einkünftemindernd zu berücksichtigen sind. Denn nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs ist es ausgeschlossen, ein Gesetz gegen seinen ausdrücklichen Wortlaut und gegen den erkennbaren Willen des Gesetzgebers, der vorliegend ausweislich der Gesetzesmaterialien nur darauf abzielt, die Einkünfte des Unterhaltsempfängers um existenznotwendige Beiträge zur Krankenversicherung, nicht dagegen um die streitigen Arbeitnehmerbeiträge in die gesetzliche Sozialversicherung zu mindern11, verfassungskonform auszulegen12.
Eine dahingehende Auslegung ist auch nicht geboten. Denn der Umstand, dass die Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung und damit auch die streitigen Beiträge nicht (mehr) von den anrechenbaren Einkünften i.S. des § 33a Abs. 1 Satz 5 EStG i.d.F. des BürgEntlG KV in Abzug zu bringen sind, begründet keinen Verfassungsverstoß; insbesondere ist der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG nicht verletzt.
Die Gegenansicht verkennt, dass § 33a Abs. 1 EStG i.d.F. des BürgEntlG KV Unterhaltsleistungen der Steuerpflichtigen in nämlicher Weise entlastet, soweit sie ihnen zwangsläufig entstehen. Die Vorschrift trägt gleichheitskonform der verminderten subjektiven Leistungsfähigkeit der Unterhaltsleistenden insoweit Rechnung, als sie Unterhaltsaufwendungen erbringen, die zur Abdeckung des steuerlichen Existenzminimums eines Unterhaltsempfängers jenseits seiner eigenen Einkünfte und Bezüge erforderlich sind. Ein Mehr an steuerlicher Entlastung des Unterhaltsleistenden ist verfassungsrechtlich nicht geboten13. Folgerichtig lässt das Gesetz Unterhaltsaufwendungen in Höhe des Grundfreibetrags, der das sächliche Existenzminimum abbildet, ab dem Veranlagungszeitraum 2010 gegebenenfalls erhöht um die Beiträge für eine sozialhilfegleiche Kranken- und Pflegeversicherung des Unterhaltsempfängers zum Abzug nach § 33a EStG i.d.F. des BürgEntlG KV zu. Denn der Aufwand für die gesundheitliche Mindestversorgung ist Teil des steuerlich zu verschonenden Existenzminimums des Unterhaltsempfängers14 und verlangt deshalb insoweit nach einer Steuerfreistellung des Unterhaltsleistenden.
Die gesetzlich geschuldeten Arbeitnehmeranteile zur Renten- und Arbeitslosenversicherung zählen hierzu hingegen nicht. Vorsorgeaufwendungen sind nur dann Teil des steuerlichen Existenzminimums, wenn sie vom sozialhilferechtlichen Leistungsniveau umfasst sind. Anders als die Aufwendungen für die Kranken- und Pflegeversorgung sind die Beiträge zur Renten- und Arbeitslosenversicherung nicht integraler Bestandteil des Leistungskatalogs der Sozialhilfe. Sie sind deshalb von Verfassungs wegen weder dem erhöhten Unterhaltshöchstbetrag nach § 33a Abs. 1 Satz 2 EStG i.d.F. des BürgEntlG KV hinzuzurechnen noch von den Einkünften und Bezügen des Unterhaltsempfängers abzuziehen.
Dementsprechend lässt sich aus dem Gebot der Folgerichtigkeit nicht allgemein ableiten, dass die anrechenbaren Einkünfte des Unterhaltsempfängers unter dem Gesichtspunkt der „Zwangsläufigkeit“ um Ausgaben bis zur Höhe der Pflichtsozialversicherungsbeiträge zu „bereinigen“ sind. Denn das Prinzip der Steuerfreiheit des Existenzminimums gewährleistet dem Steuerpflichtigen und damit auch dem Unterhaltsempfänger lediglich einen Schutz des Lebensstandards auf Sozialhilfe, nicht aber auf Sozialversicherungsniveau15.
Nichts anderes folgt für den Bundesfinanzhof aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Familienbesteuerung16. Danach verstößt die Einbeziehung von Sozialversicherungsbeiträgen des Kindes in die Bemessungsgröße für den Jahresgrenzbetrag gemäß § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG a.F. zu Lasten der unterhaltsverpflichteten Eltern zwar gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Dieser zum Kindergeldrecht ergangene Grundsatz ist aber nicht auf die Berechnung des Unterhaltshöchstbetrags nach § 33a Abs. 1 EStG i.d.F. des BürgEntlG KV zu übertragen.
Der Gesetzeszweck des § 33a Abs. 1 EStG i.d.F. des BürgEntlG KV unterscheidet sich von demjenigen des § 32 Abs. 4 EStG a.F. Anders als bei § 32 Abs. 4 EStG a.F., der -neben dem Schutz des Familienexistenzminimums- maßgeblich auch auf die „Familienförderkomponente“ des Kindergelds abzielt, ist § 33a Abs. 1 EStG i.d.F. des BürgEntlG KV vorrangig auf die steuerliche Berücksichtigung von „zwangsläufigem“ Unterhaltsaufwand beim Steuerpflichtigen ausgerichtet. § 33a Abs. 1 EStG i.d.F. des BürgEntlG KV soll dem subjektiven Nettoprinzip gerecht werden, indem er die „zwangsläufigen“ Unterhaltsaufwendungen beim Steuerpflichtigen berücksichtigt13. „Zwangsläufig“ sind nach den Vorgaben des BVerfG die Unterhaltsaufwendungen nur bis zur Höhe des sozialhilferechtlichen Existenzminimums. Das darüber hinausgehende Sozialversicherungsniveau der unterhaltsberechtigten Person ist davon nicht erfasst15.
Bundesfinanzhof, Urteil vom 18. Juni 2015 – VI R 45/13
- BGBl I 2009, 1959[↩]
- Schmidt/Loschelder, EStG, 34. Aufl., § 33a Rz 26; Hufeld, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 33a Rz B 63 f.; Pfirrmann in Herrmann/Heuer/Raupach -HHR-, § 33a EStG Rz 94; Blümich/K. Heger, § 33a EStG Rz 208; Mellinghoff in Kirchhof, EStG, 14. Aufl., § 33a Rz 19[↩]
- BFH, Urteil vom 26.03.2013 – VI R 22/11, BFHE 240, 400, BStBl II 2013, 631, m.w.N.[↩]
- BFH, Beschluss vom 19.05.2004 – VI B 120/03, BFH/NV 2004, 1263, m.w.N.[↩]
- HHR/Pfirrmann, § 33a EStG Rz 94[↩]
- BVerfG, Beschluss vom 11.01.2005 – 2 BvR 167/02, BVerfGE 112, 164[↩]
- BFH, Urteil vom 26.03.2009 – VI R 60/08, BFH/NV 2009, 1418, unter II. 2.a[↩]
- a.A. Hufeld, a.a.O., § 33a Rz B 63 f.[↩]
- so auch HHR/Pfirrmann, § 33a EStG Rz 92[↩]
- HHR/Pfirrmann, § 33a EStG Rz 96; Pust in Littmann/Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht, Kommentar, § 33a Rz 196; Myßen/Wolter, Neue Wirtschafts-Briefe 2009, 3900; H 33a.1 des Amtlichen Einkommensteuer-Handbuchs; a.A. Hufeld, a.a.O., § 33a Rz B 63 f.; Schmidt/Loschelder, a.a.O., § 33a Rz 27; Fuhrmann in Korn, § 33a EStG Rz 35.1; Endert in Frotscher, EStG, Freiburg 2011, § 33a Rz 48, 34; Sächsisches Finanzgericht, Urteil vom 14.08.2013 2 K 946/13, EFG 2013, 1921[↩]
- vgl. BT-Drs. 16/12254, S. 26[↩]
- z.B. BFH, Urteil vom 27.03.2012 – I R 62/08, BFHE 236, 543, BStBl II 2012, 745[↩]
- Schmidt/Loschelder, a.a.O., § 33a Rz 1; Hufeld, a.a.O., § 33a Rz A 1; HHR/Pfirrmann, § 33a EStG Rz 4; Mellinghoff, a.a.O., § 33a Rz 3[↩][↩]
- BVerfG, Beschluss vom 13.02.2008 2 BvL 1/06, BVerfGE 120, 125[↩]
- BVerfG, Beschluss in BVerfGE 120, 125[↩][↩]
- BVerfGE 112, 164[↩]