Austausch einer mit Vorbehaltsnießbrauch belasteten Immobilie – und die AfA-Bemessungsgrundlage

Wird eine mit einem Vorbehaltsnießbrauch belastete Immobilie mit Zustimmung des Nießbrauchers gegen eine andere Immobilie in der Weise ausgetauscht, dass dem Nießbraucher an der neuen Immobilie auf der Grundlage eines zuvor vereinbarten, rahmenbildenden Vertrags wiederum ein Nießbrauch eingeräumt wird, und trägt der Nießbraucher wirtschaftlich die Anschaffungs- oder Herstellungskosten der Ersatzimmobilie, so setzt sich der Vorbehaltsnießbrauch an der erworbenen Immobilie fort (verlängerter Vorbehaltsnießbrauch).  

Austausch einer mit Vorbehaltsnießbrauch belasteten Immobilie – und die AfA-Bemessungsgrundlage

Kann der Eigentümer die Ersatzimmobilie nur aus dem Veräußerungserlös anschaffen oder herstellen, gilt nichts anderes, sofern sich der Nießbrauch im Zeitraum zwischen der Veräußerung der Altimmobilie und der Anschaffung der Ersatzimmobilie ununterbrochen auf den Veräußerungserlös erstreckt. Ein obligatorisches Nießbrauchsrecht ist einem dinglichen Nießbrauch steuerrechtlich insoweit gleichzustellen.

Grundsätzlich ist derjenige befugt, AfA nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 7 i.V.m. § 7 Abs. 4 EStG geltend zu machen, der den Tatbestand der Vermietung nach § 21 Abs. 1 EStG erfüllt und die Anschaffungs- oder Herstellungskosten für das Wirtschaftsgut getragen hat. Die Befugnis setzt nicht zwingend voraus, dass er bürgerlich-rechtlicher oder wirtschaftlicher Eigentümer ist1. Aufgrund dessen hat die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs das Recht auf die Inanspruchnahme von AfA auch einem Vorbehaltsnießbraucher zugesprochen, sofern und soweit er die Anschaffungs- oder Herstellungskosten getragen hat, bevor er das Grundstück unter dem Vorbehalt des Nießbrauchs übereignete, und der nunmehr aufgrund seines dinglichen Rechts Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielt. Er nutzt das Grundstück ununterbrochen aufgrund eigenen Rechts2. Wer hingegen ein Gebäude aufgrund eines ihm unentgeltlich zugewendeten Nießbrauchs nutzt, ist nicht AfA-berechtigt, wenn nicht er, sondern der Eigentümer die Anschaffungs- oder Herstellungskosten getragen hat3.

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Dem Vorbehaltsnießbraucher hat die Rechtsprechung einen Schenker gleichgestellt, der mit seinen Mitteln einem zu Beschenkenden den Kauf eines von dem Schenker im Voraus bestimmten Grundstücks ermöglicht, sich bei der Schenkung ein Nießbrauchsrecht an dem Grundstück vorbehält und anschließend aufgrund seines Nutzungsrechts Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielt. Ein solcher Schenker ist mit demjenigen vergleichbar, der im Fall einer unmittelbaren Schenkung ein Grundstück zunächst zu seinem Eigentum erwirbt, um es sodann seinerseits auf den zu Beschenkenden unter Vorbehalt eines Nießbrauchs weiter zu übertragen; denn sowohl bei der unmittelbaren als auch bei der mittelbaren Grundstücksschenkung trägt der Schenker die Anschaffungskosten des Grundstücks als derjenige, für dessen Rechnung das Grundstück auf den Beschenkten übertragen wird. In beiden Fällen wendet der Schenker die Anschaffungskosten auf, um aufgrund des ihm bei der schenkweisen Übertragung eingeräumten Nutzungsrechts Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung zu erzielen4.

Der hier einschlägige Fall des „verlängerten Vorbehaltsnießbrauchs“ ist dem Vorbehaltsnießbrauch und der mittelbaren Grundstücksschenkung unter Nießbrauchsvorbehalt gleichzustellen. Wenn ein mit einem Vorbehaltsnießbrauch belastetes Grundstück mit Zustimmung des Nießbrauchers gegen ein anderes Grundstück ausgewechselt und dem bisherigen Nießbraucher an dem neuen Grundstück wiederum ein Nießbrauch eingeräumt wird, handelt es sich bei wirtschaftlicher Betrachtung aufgrund des zeitlichen und sachlichen Zusammenhangs steuerrechtlich um das Fortbestehen des Vorbehaltsnießbrauchs. Voraussetzung ist, dass angesichts einer von vorneherein feststehenden Abrede, die in einem rahmenbildenden Vertrag zwischen den Nießbrauchern und den verpflichteten Eigentümern getroffen wurde, bereits während des Bestehens des ursprünglichen Vorbehaltsnießbrauchs an einer Immobilie die Fortsetzung des Nießbrauchsrechts an einer mit dem Erlös aus dem Verkauf der Erstimmobilie zukünftig zu erwerbenden Ersatzimmobilie vereinbart wird. Zudem muss die Abrede entsprechend der Vereinbarung umgesetzt werden. Wird dementsprechend eine mit einem Vorbehaltsnießbrauch belastete Immobilie mit Zustimmung der Nießbraucher gegen eine andere Immobilie ausgewechselt, an der den Nießbrauchern aufgrund eines bereits während des Bestehens des ursprünglichen Vorbehaltsnießbrauchs abgeschlossenen Vertrags wiederum ein Nießbrauch eingeräumt wird, und trägt der Nießbraucher wirtschaftlich die Anschaffungskosten für den Erwerb der Ersatzimmobilie, so setzt sich der Vorbehaltsnießbrauch an der erworbenen Immobilie fort (verlängerter Vorbehaltsnießbrauch).

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Dies gilt nicht nur in Fällen, in denen der aus dem Vorbehaltsnießbrauch verpflichtete Eigentümer über die Ersatzimmobilie bei Veräußerung der belasteten Immobilie bereits verfügen konnte, sondern auch dann, wenn er erst durch den Veräußerungserlös, den er durch die lastenfreie Übertragung der Altimmobilie erzielt, die Ersatzimmobilie anschaffen kann und sich der Nießbrauch in dem Zeitraum zwischen der Veräußerung der Altimmobilie und der Anschaffung der Ersatzimmobilie vereinbarungsgemäß ununterbrochen auf den Veräußerungserlös erstreckt. Es liegt auch dann bei wirtschaftlicher Betrachtung entsprechend der zugrunde liegenden, ausdrücklichen Vereinbarung eine Fortsetzung des Vorbehaltsnießbrauchs an der Ersatzimmobilie als Surrogat vor5. Denn der Nießbraucher trägt in diesem Fall die Anschaffungskosten der erworbenen Ersatzimmobilie in der Weise, dass er den Erwerb dieser Immobilie durch den bisherigen und neuen Eigentümer dadurch ermöglicht, dass er auf seinen Vorbehaltsnießbrauch an der Altimmobilie, deren Anschaffungskosten er getragen hat, sowie auf seinen Nießbrauch an dem an die Stelle der Altimmobilie tretenden Veräußerungserlös verzichtet. Aufgrund der gebotenen wirtschaftlichen Betrachtungsweise ist es insoweit unerheblich, wenn sich das Surrogat aus zwei oder mehr Immobilien zusammensetzt, deren Anschaffungs- oder Herstellungskosten den aus der Veräußerung der Altimmobilie erzielten Erlös in der Summe nicht überschreiten. Ein obligatorisches Nießbrauchsrecht ist einem dinglichen Nießbrauch steuerrechtlich insoweit gleichzustellen, da auch der obligatorisch Nutzungsberechtigte den Einkünfteerzielungstatbestand erfüllen kann6.

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Nach diesen Maßstäben hat das Finanzgericht Baden-Württemberg7 zu Recht entschieden, dass im Streitfall der an der Altimmobilie bestellte Vorbehaltsnießbrauch an den Ersatzimmobilien im Wege der Surrogation fortgesetzt worden ist. Im vorliegenden Streitfall haben die Eltern als Nießbraucher und ihre drei Kinder als Eigentümer und Nießbrauchsverpflichtete ihre ausdrückliche, während des Bestehens des ursprünglichen Vorbehaltsnießbrauchs abgeschlossene und formfrei mögliche Vereinbarung vom 07.01.2013, nach der sich die Nießbrauchsrechte am Verkaufserlös der Immobilie in A-Stadt und nach dem Erwerb auch an den aus dem Erlös finanzierten Ersatzimmobilien fortsetzen mit der Verpflichtung der Kinder, den Nießbrauch zunächst an dem Bankguthaben und beim späteren Kauf an den Ersatzimmobilien für die Eltern zu bestellen, vertragsgerecht umgesetzt und die Fortsetzung der Nießbrauchsrechte in den notariell beurkundeten Verträgen auch ausdrücklich bestätigt.

Dementsprechend haben die Eltern Anschaffungskosten für die Eigentumswohnung in B-Stadt in Höhe von 171.417 € und Herstellungskosten für das Pflegeappartement in – C-Stadt in Höhe von 108.198 € getragen. Da es sich um die Anschaffung und Herstellung von Gebäuden gehandelt hat, die nach dem 31.12.1924 fertiggestellt worden sind (§ 7 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG), beträgt die AfA für die zum 01.10.2013 angeschaffte Eigentumswohnung in B-Stadt 857 € für 2013 und je 3.428 € für 2014 und 2015 sowie für das zum 01.04.2015 hergestellte Pflegeappartement in – C-Stadt 1.623 € für 2015. Denn im Jahr der Anschaffung oder Herstellung des Wirtschaftsguts vermindert sich für dieses Jahr der AfA-Betrag um jeweils ein Zwölftel für jeden vollen Monat, der dem Monat der Anschaffung oder Herstellung vorangeht (§ 7 Abs. 1 Satz 4 EStG). Eine höhere AfA steht den Elternn für die Streitjahre nicht zu.

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Soweit sich die Eltern auf eine angeblich divergierende Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs berufen, steht dies nicht entgegen.

Anders als die Eltern meinen, lässt sich aus dem BFH, Urteil in BFH/NV 1995, 770 nichts Abweichendes entnehmen. Denn jener Entscheidung lag ein anderer Sachverhalt als im Streitfall zugrunde. In jenem Fall hatte die Tochter zur Finanzierung der Anschaffungskosten der Ersatzimmobilie neben der Verwendung des ihr zustehenden Verkaufserlöses ein Darlehen aufgenommen. Damit haben auch bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise nicht (mehr) die Eltern, sondern die Tochter die Anschaffungskosten des von ihr erworbenen Hausgrundstücks getragen.

Ohne Erfolg berufen sich die Eltern auch auf das BFH, Urteil in BFH/NV 1997, 643. In jenem Fall hat kein Austausch der nießbrauchsbelasteten Grundstücke stattgefunden, so dass dahingestellt bleiben konnte, ob in einem solchen Fall der Vorbehaltsnießbraucher weiter AfA in Anspruch nehmen könnte. Darüber hinaus hat der Vater weder die Anschaffungskosten bzw. Herstellungskosten des Gebäudes getragen noch hat er seiner Tochter Geld zum Erwerb gerade dieses Grundstücks geschenkt.

Ebenso wenig verhilft das Urteil des Bundesfinanzhofs vom 12.09.19698 der Klage zum Erfolg. Diese Entscheidung erging zur Nutzungswertbesteuerung und insoweit zu einem vom Streitfall abweichenden Verfahrensgegenstand.

Auch das Urteil des Bundesfinanzhofs vom 28.07.19819 steht den Grundsätzen nicht entgegen. In jener Entscheidung wird im Wesentlichen lediglich ausgeführt, dass die Bestellung des Nießbrauchs keine Gegenleistung des Erwerbers ist, wenn sich der Eigentümer bei der Veräußerung seines Grundstücks den Nießbrauch daran vorbehält.

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Dem BFH, Urteil in BFHE 134, 133, BStBl II 1982, 380 lassen sich ebenfalls keine abweichenden Rechtsgrundsätze entnehmen. Danach ist der Vorbehaltsnießbraucher im selben Umfang wie zuvor als Eigentümer zu AfA gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 7 i.V.m. § 7 EStG befugt, wenn er das belastete Grundstück zur Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung nutzt.

Bundesfinanzhof, Urteil vom 24. Mai 2022 – IX R 1/21

  1. BFH, Urteile vom 24.04.1990 – IX R 9/86, BFHE 160, 522, BStBl II 1990, 888, unter 1.a; vom 15.05.1990 – IX R 21/86, BFHE 162, 26, BStBl II 1992, 67, unter 1.a; in BFH/NV 1995, 770, unter 1.a; vom 28.03.1995 – IX R 126/89, BFHE 177, 412, BStBl II 1997, 121, unter 1.; in BFH/NV 1997, 643, unter 2.a[]
  2. vgl. BFH, Urteile vom 28.07.1981 – VIII R 35/79, BFHE 134, 133, BStBl II 1982, 380; in BFH/NV 1995, 770, unter 1.a[]
  3. vgl. BFH, Urteile in BFHE 160, 522, BStBl II 1990, 888; in BFH/NV 1997, 643[]
  4. vgl. BFH, Urteil in BFHE 162, 26, BStBl II 1992, 67, unter 1.[]
  5. vgl. Götz/Hülsmann, DStR 2010, 2432, 2434; Binninger, DStR 1995, 1049, 1050; Brambring, DNotZ 2003, 565, 570 f.[]
  6. im Ergebnis ebenso: BMF, Schreiben vom 30.09.2013, BStBl I 2013, 1184, Rz 6[]
  7. FG Baden-Württemberg, Urteil vom 16.10.2020 – 13 K 452/18[]
  8. BFH, Urteil vom 12.09.1969 – VI R 333/67, BFHE 96, 523, BStBl II 1969, 706[]
  9. BFH, Urteil vom 28.07.1981 – VIII R 124/76, BFHE 134, 130, BStBl II 182, 378[]
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