Seit Einführung der Abgeltungsteuer unterliegen nach § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6, Abs. 3 Satz 4 EStG auch ausländische Kapitalerträge i.S.d. § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG dem Steuerabzug vom Kapitalertrag. Zu diesen Kapitalerträgen zählen grundsätzlich Erträge im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 1 (und 2) EStG. Nach § 20 Abs. 4a Satz 2 EStG 2009 liegt ein Kapitalertrag i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG vor, soweit der Steuerpflichtige neben dem Anteilstausch nach § 20 Abs. 4a Satz 1 EStG eine Gegenleistung erhält.

Der zum 1. Januar 2009 eingeführte Besteuerungstatbestand des § 20 Abs. 4a Satz 2 EStG ist jedoch bei der Barabfindung, welche der Aktieninhaber anlässlich des Tausches ihrer Anteile gegen Anteile einer anderen Firma im Jahr 2009 zusätzlich erhalten hat, nicht anwendbar.
Werden Anteile an einer Körperschaft, die weder ihre Geschäftsleitung noch ihren Sitz im Inland hat, gegen Anteile an einer anderen Körperschaft, die weder ihre Geschäftsleitung noch ihren Sitz im Inland hat, getauscht und wird der Tausch auf Grund gesellschaftsrechtlicher Maßnahmen vollzogen, die von den beteiligten Unternehmen ausgehen, treten abweichend von § 20 Abs. 2 Satz 1 und § 13 Abs. 2 des Umwandlungssteuergesetzes die übernommenen Anteile steuerlich an die Stelle der bisherigen Anteile, wenn das Recht der Bundesrepublik Deutschland hinsichtlich der Besteuerung des Gewinns aus der Veräußerung der erhaltenen Anteile nicht ausgeschlossen oder beschränkt ist.
§ 20 Abs. 4a Satz 1 EStG 2009 umfasst also Verschmelzungen, Aufspaltungen und Anteilstauschvorgänge, sofern diese auf eine gesellschaftsrechtlich veranlasste Maßnahme – z.B. ein Übernahmeangebot – zurückzuführen sind. In diesen Fällen, in denen der Anteilseigner eines Unternehmens für die Hingabe der Anteile einer Gesellschaft neue Anteile einer anderen Gesellschaft erhält, werden die Anschaffungskosten der hingegebenen Anteile in den neuen Anteilen fortgeführt. Der Anteilstausch stellt dabei keine Veräußerung nach § 20 Abs. 2 EStG dar. Die Besteuerung wird aufgeschoben. Die Reserven bleiben steuerlich verstrickt und werden erst im Fall einer zukünftigen Veräußerung gegen Geldzahlung realisiert.
Entsprechend den vorstehenden Grundsätzen gehen die Beteiligten zu Recht übereinstimmend davon aus, dass der hier zu beurteilende Aktientausch unter die Vorschrift des § 20 Abs. 4a Satz 1 EStG 2009 fällt.
Die an dem Aktientausch beteiligten Firmen B und A haben im vorliegend entschiedenen Fall weder ihre Geschäftsleitung noch ihren Sitz im Inland. Der Tausch vollzog sich aufgrund eines Übernahmeangebots der Firma A und somit aufgrund einer gesellschaftsrechtlich veranlassten Maßnahme. Zudem war das Recht der Bundesrepublik Deutschland hinsichtlich der Besteuerung des Gewinns aus der Veräußerung der erhaltenen Anteile nach dem DBA USA 1989/2008 nicht ausgeschlossen oder beschränkt.
Allein die Tatsache, dass die Klägerin zusätzlich zu diesem Anteilstausch noch eine Gegenleistung seitens der Firma A in Höhe von umgerechnet 16.549 € erhalten hat, führt jedoch nicht dazu, dass diese Barabfindung dem Steuerabzug vom Kapitalertrag unterliegt.
Die der Klägerin gezahlte Barabfindung von 33 $ pro Aktie ist zwar eine „Gegenleistung“ i.S.d. § 20 Abs. 4a Satz 2 EStG, denn mit ihr sollte – vergleichbar der in §§ 327a ff. AktG, §§ 39a ff WpÜG enthaltenen Regelungen – der Mehrwert des Unternehmens B abgegolten und eine Vermögenseinbuße, die ansonsten eingetreten wäre, vergütet werden.
Dennoch unterliegt auch die bare Zuzahlung – ebenso wenig wie die getauschten Aktien – nicht der Besteuerung, wenn – wie hier – Anteile, die bereits steuerentstrickt waren, gegen neue Anteile getauscht werden.
Im Streitfall hatte die Klägerin jene Anteile der Firma B bereits im Jahr 2006 erworben. Zum Zeitpunkt des Aktientausches im Jahr 2009 war demnach die einjährige Veräußerungsfrist gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG a.F. abgelaufen. Die Anteile hätten somit steuerfrei veräußert werden können. Würde man in Fällen wie diesen die Barkomponente als steuerpflichtigen Betrag behandeln, würden letztendlich anlässlich des Tauschvorganges stille Reserven über den Ablauf der Haltefrist hinaus erneut steuerverstrickt. Denn bis zur Einführung der Abgeltungsteuer wurden Wertsteigerungen von im Privatvermögen befindlichen Beteiligungen bei Veräußerung nur innerhalb der einjährigen Spekulationsfrist (§ 22 Nr. 2 i.V.m. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG a.F.) besteuert. Seit dem 1. Januar 2009 werden diese Wertsteigerungen nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG bei der Veräußerung von sog. Neuanteilen – d.h. Anteilen, die nach dem 31. Dezember 2008 erworben wurden, vgl. § 52 Abs. 10 Satz 1 EStG – unabhängig von einer bestimmten Haltedauer steuerlich erfasst.
Die parlamentarischen Vorgänge zur Einführung der sog. Abgeltungsteuer lassen jedoch erkennen, dass der Blick des Gesetzgeber bereits vor Inkrafttreten des Jahressteuergesetzes 2009 auf Fälle wie den vorliegenden gelenkt war, man mit der Vorschrift des § 20 Abs. 4a EStG eine Vereinfachung des AbgeltungsteuerVerfahrens und die Vermeidung von Veranlagungen erreichen wollte (vgl. BT-Drucks.- 16/10189, S. 50) und die vor dem 1. Januar 2009 angeschafften sog. Altanteile vollumfänglich Bestandsschutz erhalten sollten.
Noch während des Gesetzgebungsverfahrens hatte sich das Bundesministerium der Finanzen mit einem Schreiben vom 15. August 20081 gerichtet an die kreditwirtschaftlichen Spitzenverbände u.a. zur steuerlichen Behandlung von Kapitalmaßnahmen geäußert und bekräftigt, dass stille Reserven, die bei einer marktoffenen Veräußerung der hingegebenen Anteile steuerfrei wären, durch eine zwischengeschaltete Kapitalmaßnahme nicht erneut steuerverstrickt werden dürften. Zur konsequenten Vermeidung einer unsystematischen steuerlichen Verstrickung sog. Altanteile, d.h. vor dem 1. Januar 2009 angeschaffter Altbestände, wurde seitens der Kreditwirtschaft vorgeschlagen, die gegen Hingabe der Altbestände oder hierfür zusätzlich erlangten neuen Wertpapiere weiter als Altbestand zu führen, was auch die ungeteilte Zustimmung des BMF fand2.
Dementsprechend wurde anschließend § 20 Abs. 4a EStG gegenüber dem Regierungsentwurf neu gefasst und in der BT-Drucks. 16 /11108, S. 16 ausdrücklich festgehalten, mit der Neufassung – welche letztlich Gesetz wurde – werde verhindert, „dass bei Anteilen, bei denen die bisher geltende Haltefrist von einem Jahr bereits überschritten ist, die stillen Reserven wieder steuerverstrickt werden“.
Dies zusammen genommen verdeutlicht, dass sich der Gesetzgeber bei der Umgestaltung der Besteuerung von Veräußerungsgewinnen der Existenz bereits steuerentstrickter Papiere bewusst war und er eine erneute Steuerverstrickung dieser Papiere anlässlich der Einführung der Abgeltungsteuer explizit verhindern wollte.
Für eine Differenzierung in der steuerlichen Behandlung zwischen dem Aktientausch einerseits und der Barabfindung andererseits gibt es bei den sog. Altbeständen, bei denen die einjährige Spekulationsfrist des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 a.F. vor dem 31. Dezember 2008 abgelaufen war, danach keinen Grund. In zeitlicher Hinsicht sind vielmehr in Fällen eines Aktientausches mit Barkomponente die neu eingeführten Besteuerungstatbestände insgesamt erstmals auf Gewinne aus der Veräußerung von Anteilen anzuwenden, die nach dem 31. Dezember 2008 erworben wurden (vgl. § 52 a Abs. 10 Satz 1 EStG).
Auch das Ziel des Gesetzgebers, eine praktikable Lösung für sog. Altbestände zu finden, wird nur dann erreicht, wenn man nicht nur den ausschließlichen Tausch von Altaktien, die nach Ablauf der einjährigen Veräußerungsfrist des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 a.F. steuerfrei veräußert werden können, nicht sofort der Besteuerung unterwirft, sondern auch einen in diesem Zusammenhang gezahlten Barbetrag steuerfrei lässt.
Denn ansonsten müssten der Barabfindung möglicherweise noch nachträgliche anteilige Anschaffungskosten gegenübergestellt werden, was dem gesetzgeberischen Ziel einer Vereinfachung des AbgeltungsteuerVerfahrens zuwider liefe.
Schließlich käme es – wie bereits erwähnt – zu einem steuerpflichtigen Ertrag, obwohl der Anteilseigner der vor 2009 erworbenen Anteile mittels der Barkomponente für nicht mehr steuerverstrickte Reserven abgefunden wird3. Eine Besteuerung der Barabfindung bei sog. Altbeständen müsste sich dementsprechend an den seitens des Bundesverfassungsgerichts im Beschluss vom 7. Juli 20104 bekräftigten verfassungsrechtlichen Grundsätzen des Vertrauensschutzes messen lassen, was womöglich verfassungsrechtliche Bedenken zur Folge hätte.
Damit stellt die Barzahlung, die anlässlich eines Tausches von Anteilen, die vor dem 1. Januar 2009 erworben wurden und bei denen bereits die einjährige Veräußerungsfrist gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 a.F. abgelaufen war, gezahlt wird, in voller Höhe keinen steuerbaren Kapitalertrag i.S.d. §§ 20 Abs. 4a Satz 2, Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG dar5.
Finanzgericht Düsseldorf, Urteil vom 11. Dezember 2012 – 10 K 4059/10 E
- BMF, Schreiben vom 15.08.2008 – IV C 1 – S 2000/07/0009[↩]
- vgl. Tz. I.9 am Ende[↩]
- ebenso: Jochum in Kirchhof/ Söhn / Mellinghoff, EStG, Stand: Februar 2011 § 20 Rdnr. Fa 25[↩]
- BVerfG, Beschluss vom 07.07.2010 – 2 BvL 14/02, 2 BvL 2/04, 2 BvL 13/05, BVerfGE 127, 1 ff[↩]
- im Ergebnis ebenso: Harenberg in Herrmann/ Heuer/ Raupach, EStG, Stand: Februar 2010 § 20 Rdnr. 583; Jachmann/ Lindenberg in Lademann, EStG, Stand: Juli 2012 § 20 Rn. 803; Dötsch in Dötsch/ Jost/ Pung/ Witt, Kommentar zum KStG und EStG, Stand: Dezember 2010, § 20 EStG, Tz. 299a; a.A. von Beckerath in Kirchhof, EStG, 11. Aufl. 2012, § 20 EStG Rdnr 160; Steinlein, DStR 2009, 499, 511; Benecke/ Schnitger, Ubg 2011, S. 1, 11[↩]