Destinatszahlungen, die eine nicht von der Körperschaftsteuer befreite Stiftung des bürgerlichen Rechts im Jahre 2001 ausgeschüttet hat, sind bei einem unbeschränkt steuerpflichtigen Destinatär –unter Anwendung des Halbeinkünfteverfahrens– als sonstige Leistungen zu besteuern.

Die im Streitjahr 2001 nach § 22 Nr. 1 Satz 1, Satz 2 Halbsatz 2 Buchst. a EStG steuerpflichtigen Destinatszahlungen waren nach § 3 Nr. 40 Buchst. i EStG zur Hälfte steuerfrei.
Steuerpflicht[↑]
Gemäß § 22 Nr. 1 Satz 1 EStG sind sonstige Einkünfte, Einkünfte aus wiederkehrenden Bezügen, soweit sie nicht zu den in § 2 Abs. 1 Nrn. 1 bis 6 EStG bezeichneten Einkunftsarten gehören. Die Destinatszahlungen sind als jährlich wiederkehrende Leistungen wiederkehrende Bezüge i.S. des § 22 Nr. 1 Satz 1 EStG. Sie gehörten im Streitjahr nicht zu den in § 2 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 bis 6 EStG bezeichneten Einkunftsarten, insbesondere nicht zu den in § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 EStG bezeichneten Einkünften aus Kapitalvermögen.
§ 20 Abs. 1 Nr. 9 EStG war im Streitjahr 2001 noch nicht anzuwenden. Nach § 52 Abs. 37 EStG war § 20 Abs. 1 Nr. 9 EStG erstmals auf Einnahmen anzuwenden, die nach Ablauf des ersten Wirtschaftsjahrs der Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse i.S. von § 1 Abs. 1 Nrn. 3 bis 5 KStG erzielt werden, für das das KStG i.d.F. des Art. 3 StSenkG erstmals anzuwenden ist. Gemäß § 34 Abs. 1 KStG galten die neuen Vorschriften ab dem 1. Januar 2001. Damit war § 20 Abs. 1 Nr. 9 EStG erstmals nach Ablauf des Jahres 2001, folglich erst seit 2002 anzuwenden. § 22 Nr. 1 Satz 1 EStG ist nicht deshalb im Streitjahr unanwendbar, weil Destinatszahlungen dem Grunde nach den Einkünften aus Kapitalvermögen zuzuweisen sein könnten. § 20 EStG enthält keine Generalklausel, sondern ordnet bestimmte, im Einzelnen bezeichnete Einkünfte mit konstitutiver Wirkung den Einkünften aus Kapitalvermögen zu, zu denen die streitbefangenen Destinatszahlungen im Streitjahr nicht gehörten.
§ 22 Nr. 1 EStG ist subsidiär (§ 22 Nr. 1 Satz 1 EStG). Einkünfte aus wiederkehrenden Bezügen sind nur unter der Voraussetzung anzusetzen, dass sie nicht zu den in § 2 Abs. 1 Nrn. 1 bis 6 EStG bezeichneten Einkunftsarten gehören. Nimmt der Gesetzgeber eine bestimmte Zuordnung von Erträgen aus einkunftsartspezifischen Gründen erst für einen späteren Zeitraum vor, kommt in den früheren Zeiträumen § 22 Nr. 1 EStG zur Anwendung.
Damit führen die unterschiedlichen Anwendungszeitpunkte der beiden Vorschriften zu einer Änderung der Einkünftequalifikation. Wenn auch Anwendungsvorschriften über das Inkrafttreten unmittelbar keinen materiell-rechtlichen Regelungsgehalt besitzen, entscheiden sie mittelbar wesentlich über das materielle Recht, weil sie vorgeben, welche materiell-rechtlichen Regelungssysteme in welchem Zeitraum anwendbar sind. Nach den hier maßgebenden Änderungsvorschriften war § 20 Abs. 1 Nr. 9 EStG im Streitjahr nicht geltendes Recht. Der ab dem Veranlagungszeitraum 2002 geltende § 20 Abs. 1 Nr. 9 EStG verdrängt nicht die Anwendung des § 22 Nr. 1 EStG im Veranlagungszeitraum 2001.
Es ist demnach systemgerecht, Fälle, die aus dem zeitlichen Geltungsbereich von § 20 Abs. 1 Nr. 9 EStG herausfallen, in dem betreffenden Jahr mittels des subsidiären § 22 EStG zu erfassen; dies gilt umso mehr, als Destinatszahlungen bereits vor 2001 dem Grunde nach sonstige Einkünfte i.S. von § 22 Nr. 1 EStG waren.
Zurechnung der Zahlungen[↑]
Die Destinatszahlungen waren auch der Empfängerin zuzurechnen. Nach § 22 Nr. 1 Satz 2 Halbsatz 1 EStG i.d.F. des Art. 1 Nr. 13 StSenkG sind die Bezüge nicht dem Empfänger zuzurechnen, wenn sie freiwillig oder auf Grund einer freiwillig begründeten Rechtspflicht oder einer gesetzlich unterhaltsberechtigten Person gewährt werden und der Geber unbeschränkt einkommensteuerpflichtig oder unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig ist. Nach § 22 Nr. 1 Satz 2 Halbsatz 2 Buchst. a EStG sind dagegen solche Bezüge dem Empfänger zuzurechnen, die von einer unbeschränkt steuerpflichtigen Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse außerhalb der Erfüllung steuerbegünstigter Zwecke i.S. der §§ 52 bis 54 der Abgabenordnung gewährt werden.
§ 22 Nr. 1 Satz 2 EStG i.d.F. des StSenkG war im Jahr 2001 bereits in dieser Fassung anwendbar. Nach § 52 Abs. 38 EStG ist § 22 Nr. 1 Satz 2 EStG erstmals auf Bezüge anzuwenden, die nach Ablauf des Wirtschaftsjahrs der Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse erzielt werden, die die Bezüge gewährt, für das das KStG in der Fassung der Bekanntmachung vom 22. April 19991, letztmalig anzuwenden ist. Auf die S war das alte KStG letztmals im Jahre 2000 anzuwenden, so dass § 22 Nr. 1 Satz 2 EStG erstmals nach dessen Ablauf, mithin seit 2001 anzuwenden war.
Halbeinkünfteprinzip[↑]
Nach § 3 Nr. 40 Buchst. i EStG war die Hälfte der Destinatszahlungen steuerfrei.
Gemäß § 3 Nr. 40 Buchst. i EStG in der im Jahr 2001 geltenden Fassung sind die Hälfte der Bezüge im Sinne des § 22 Nr. 1 Satz 2 EStG steuerfrei, soweit diese von einer –wie im Streitfall S– nicht von der Körperschaftsteuer befreiten Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse stammen. § 3 Nr. 40 Buchst. i EStG war im Streitjahr anwendbar. Wegen einer fehlenden ausdrücklichen Anwendungsvorschrift ist § 3 Nr. 40 Buchst. i EStG nach der allgemeinen Anwendungsregelung des § 52 Abs. 1 Satz 1 EStG vom 1. Januar 2001 an anzuwenden.
Die Steuerbarkeit der Destinatszahlungen bereits im Jahre 2001 entspricht dem in den Materialien zum Ausdruck gekommenen Willen des Gesetzgebers.
Die wortgleichen Gesetzesentwürfe der Bundesregierung zum StSenkG vom 30. März 20002 und der Fraktionen SPD und Bündnis 90/Die Grünen vom 15. Februar 20003 führen zu den Änderungen des § 22 EStG aus, es käme zu ungerechtfertigten Begünstigungen, wenn es bei der bisherigen Nichtbesteuerung beim Empfänger bliebe, während die Körperschaftsteuerbelastung bei der nicht steuerbefreiten Körperschaft nur noch 25% betrage. Den Erläuterungen ist hingegen nicht zu entnehmen, dass Leistungen, die vor und nach der Änderung des Körperschaftsteuerrechts in vollem Umfange besteuert wurden und werden, in einem Übergangsjahr nicht oder nur teilweise besteuert werden sollten. Der Gesetzgeber wollte Besteuerungslücken schließen, aber nicht neue schaffen.
Nach der Beschlussempfehlung und dem Bericht des Finanzausschusses vom 16. Mai 20004 sollten über § 20 Abs. 1 Nrn. 9 und 10 EStG die Grundsätze des Halbeinkünfteverfahrens für alle in § 1 Abs. 1 KStG genannten Körperschaften gelten. Die Auffassung der Klägerin, der Gesetzgeber habe die Destinatszahlungen im Streitjahr 2001 steuerfrei belassen wollen, kann den Gesetzesmaterialien nicht entnommen werden.
Die Steuerpflicht der Destinatszahlungen gemäß § 22 Nr. 1 Satz 2 Halbsatz 2 Buchst. a EStG nach Maßgabe des Halbeinkünfteverfahrens ist systemgerecht. Sie entspricht dem Ziel der Überleitungsvorschriften, die Besteuerungsmodalitäten bei Geber und Empfänger aufeinander abzustimmen.
In der bis zum Jahre 2000 geltenden Fassung war § 22 Nr. 1 Satz 2 Halbsatz 2 Buchst. a EStG auf diejenigen Fälle beschränkt, in denen die Geber von der Körperschaftsteuer befreit waren. Wurden Bezüge freiwillig oder auf Grund einer freiwillig begründeten Rechtspflicht oder einer gesetzlich unterhaltsberechtigten Person gewährt, waren sie nach § 22 Nr. 1 Satz 2 Halbsatz 1 EStG dem Empfänger nicht zuzurechnen, es sei denn, der Geber war von der Körperschaftsteuer befreit (§ 22 Nr. 1 Satz 2 Halbsatz 2 Buchst. a EStG). Auf Seiten des Gebers waren derartige Zahlungen gemäß § 10 Nr. 1 KStG nicht abziehbar. So wurde sichergestellt, dass die Erträge, aus denen die Bezüge stammten, wenigstens einmal, aber auch nur einmal besteuert wurden.
Mit Inkrafttreten des Halbeinkünfteverfahrens unterliegen die Einkünfte der (steuerpflichtigen) Körperschaften gemäß § 23 Abs. 1 KStG nur noch, allerdings definitiv, einem Steuersatz von zunächst 25 %, während die von der Körperschaft bezogenen Zahlungen auf Grund der fortgefallenen Anrechnungsmöglichkeit grundsätzlich gemäß § 3 Nr. 40 EStG zur Hälfte der Besteuerung unterworfen wurden. Das Halbeinkünfteverfahren geht davon aus, dass ausgekehrte Erträge der Körperschaft teilweise bei der Körperschaft und teilweise bei dem Empfänger steuerlich erfasst werden.
Vor diesem Hintergrund ist es folgerichtig, wenn diejenigen Mittel, die –wie es hier unstreitig ist– bei ihrer Erwirtschaftung bei der Körperschaft nur noch dem Steuersatz von 25 % unterlegen haben, beim Empfänger nach den Regeln des Halbeinkünfteverfahrens besteuert werden.
Nicht systemgerecht wäre es, wenn Erträge, die auf der Ebene der Körperschaft nur mit 25 % besteuert werden, auf der Ebene des Empfängers überhaupt nicht besteuert würden. Dazu käme es, wenn die Bezüge der Klägerin im Jahre 2001 nicht steuerbar wären.
Dabei ist es unerheblich, welcher Einkunftsart die Destinatszahlungen zuzuordnen sind und ob sie in den Folgejahren § 20 Abs. 1 Nr. 9 EStG unterfallen. Wenn es nicht nur dem Wortlaut des Gesetzes, sondern auch dessen Systematik entspricht, Einnahmen der Besteuerung zu unterwerfen, besteht kein Grund, davon nur deshalb Abstand zu nehmen, weil auch eine andere Zuordnung zu den Einkunftsarten vorstellbar gewesen wäre.
Hinzu tritt, dass die spätere Anwendung des § 20 Abs. 1 Nr. 9 EStG jedenfalls in typischen Fällen dem Konzept der Überleitungsvorschriften entspricht. Die Vorschrift des § 52 Abs. 37 EStG i.d.F. des StSenkG erfasst Einnahmen, die Gewinnausschüttungen im Sinne der Nummer 1 wirtschaftlich vergleichbar sind, wie es sich auch der Ergänzung des § 20 Abs. 1 Nr. 9 EStG durch Art. 1 Nr. 7 Buchst. c UntStFG entnehmen lässt. Das sind typischerweise Ausschüttungen, die erst im Folgejahr aus den Gewinnen des vorangegangenen, abgelaufenen Wirtschaftsjahrs vorgenommen werden. Es ist daher folgerichtig, wenn die Bezüge bei dem Empfänger erst im Jahre 2002, dem Jahr nach der erstmaligen Definitivbesteuerung bei der ausschüttenden Körperschaft, dem Halbeinkünfteverfahren unterworfen werden.
Ob § 27 KStG auf die S unmittelbar oder entsprechend anwendbar ist oder ob auf andere Weise einfachgesetzlich sichergestellt werden kann, dass dem Verbot der Besteuerung rückgewährter Einlagen Rechnung getragen wird, muss der Bundesfinanzhof in diesem Verfahren nicht beantworten, da es sich bei den Destinatszahlungen unstreitig nicht um solche handelt.
Bundesfinanzhof, Urteil vom 14. Juli 2010 – X R 62/08