Der für eine Tätigkeit als International Civilian Consultant bei der ISAF in Afghanistan gezahlte Arbeitslohn unterliegt der Einkommensteuer. Aus völkerrechtlichen Vereinbarungen ergibt sich kein Anspruch auf eine Steuerbefreiung. Der im Zusammenhang mit einer Tätigkeit für die ISAF gezahlte Gefahren- und Erschwerniszuschlag ist nicht nach § 3 Nr. 64 EStG steuerfrei.

Das aus den Vorschriften des EStG resultierende Besteuerungsrecht der ISAF-Tätigkeit ist nicht ausgeschlossen oder beschränkt. Völkerrechtliche Vereinbarungen über die Besteuerung i.S. des § 2 Abs. 1 AO sind auf den Civilian Consultant und dessen Tätigkeit für die ISAF aus verschiedenen Gründen nicht anzuwenden.
Ein Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung mit Afghanistan besteht nicht; ein solches existierte auch nicht im Streitjahr.
Art. X des Abkommens zwischen den Parteien des Nordatlantikvertrages über die Rechtsstellung ihrer Truppen vom 19.06.1951 (NATO-Truppenstatut) -NATOTrStat-1 spricht zwar die Besteuerung an, regelt aber nur die Verhältnisse Entsandter einer Vertragspartei der Nordatlantikvertrags-Organisation (NATO) im Hoheitsgebiet einer anderen NATO-Vertragspartei (sog. Aufnahmestaat, vgl. Art. I NATOTrStat) und ist daher bei einer Tätigkeit in Afghanistan ebenso wenig einschlägig wie das Zusatzabkommen zu dem Abkommen zwischen den Parteien des Nordatlantikvertrages über die Rechtsstellung ihrer Truppen hinsichtlich der in der Bundesrepublik Deutschland stationierten ausländischen Truppen vom 03.08.19592, das nach dessen Art. 1 die Rechte und Pflichten bestimmter NATO-Staaten im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland regelt.
Entgegen der Rechtsauffassung des Civilian Consultants ergibt sich aus der Tatsache, dass die Führung des ISAF-Einsatzes bei der NATO lag, nichts anderes3. Denn das NATO-Truppenstatut mit seinen klaren Regelungen über den räumlichen Anwendungsbereich wurde nicht geändert und ein deutsches Zustimmungsgesetz zu einer etwaigen Änderung ist nicht ergangen. Die vom Civilian Consultant angeführte Entscheidung des BVerfG in BVerfGE 118, 244 enthält keine für die Besteuerung relevanten Aussagen.
Eine Steuerbefreiung ergibt sich auch nicht aus dem sog. Ottawa-Abkommen.
Nach § 1 Abs. 1 der Verordnung über die Gewährung von Vorrechten und Befreiungen an die Nordatlantikvertrags-Organisation, die nationalen Vertreter, das internationale Personal und die für die Organisation tätigen Sachverständigen vom 30.05.19584 finden die Bestimmungen des Abkommens über die Vorrechte und Befreiungen der Sonderorganisationen der Vereinten Nationen sinngemäß auf die NATO, die nationalen Vertreter, das internationale Personal und die für die Organisation tätigen Sachverständigen nach Maßgabe des von Deutschland am 29.05.1956 unterzeichneten Übereinkommens über den Status der Nordatlantikvertrags-Organisation, der nationalen Vertreter und des internationalen Personals vom 20.09.1951 -Ottawa-Abkommen-5 Anwendung.
Nach Art.19 Satz 1 des Ottawa-Abkommens sind die Bediensteten der Organisation i.S. des Art. 17 von Steuern auf die ihnen von der Organisation in ihrer Eigenschaft als deren Bedienstete gezahlten Gehälter und sonstigen Dienstbezüge befreit. Art. 17 des Ottawa-Abkommens wiederum sieht vor, dass die Gruppen von Bediensteten, auf die (u.a.) Art.19 des Ottawa-Abkommens Anwendung findet, Gegenstand einer Vereinbarung zwischen dem Vorsitzenden der Stellvertreter im Rat und jedem beteiligten Mitgliedstaat ist. Über die Durchführung von Teil – IV -u.a. Art. 17- des Ottawa-Abkommens haben die NATO und Deutschland am 30.11.1961 eine Vereinbarung geschlossen6, die nach § 1 Abs. 1 Satz 1 der -in Ergänzung zur Verordnung vom 30.05.1958- erlassenen Verordnung über die Gewährung von Vorrechten und Befreiungen an internationale Bedienstete der Nordatlantikvertrags-Organisation vom 29.03.19627 für die Gewährung von Vorrechten und Befreiungen an Bedienstete der NATO maßgebend ist. Dem dortigen Art. 1 zufolge umfassen die Gruppen von Bediensteten der NATO und der nachgeordneten Stellen der NATO, auf welche u.a. Art.19 des Ottawa-Abkommens in Deutschland Anwendung findet, die Besoldungsgruppen A, B und C der NATO-Personalbestimmungen, wenn die entsprechenden Bediensteten ihren Dienstort auf dem Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland haben.
Diese Voraussetzungen erfüllt der Civilian Consultant im Streitfall ersichtlich nicht, da er nach den finanzgerichtlichen Feststellungen seinen Dienst im streitigen Zeitraum in Afghanistan ausübte. Soweit der Civilian Consultant -vergleichbar mit seiner Argumentation zum NATO-Truppenstatut- mit Bediensteten der NATO in steuerlicher Hinsicht gleichbehandelt werden möchte, gibt es hierfür keine Rechtsgrundlage. Aus der oben zitierten Rechtsprechung des BVerfG zu den völkerrechtlichen Grundlagen des von der NATO geführten ISAF-Einsatzes folgt auch hier nichts anderes.
Die Voraussetzungen des Art.19 Satz 2 ff. des Ottawa-Abkommens erfüllt der Civilian Consultant ebenfalls nicht. Hierzu wäre u.a. erforderlich, dass der Civilian Consultant seine Dienstbezüge aus deutschen Mitteln nach einem von Deutschland festgesetzten Tarif bezogen hat, was nach den tatsächlichen Feststellungen des Finanzgericht nicht der Fall ist. Der Civilian Consultant erhielt seine Zahlungen von der NATO.
Eine Steuerbefreiung aus dem sog. „Military Technical Agreement“ (MTA) vom 04.01.2002 ergibt sich im Streitfall nicht, weil die Vereinbarung hinsichtlich der Mission in Afghanistan allein das Verhältnis Afghanistans zur ISAF (vgl. Art. VIII MTA), nicht aber zu Deutschland betrifft. Darüber hinaus ist die verfassungsrechtlich zwingend gebotene Umsetzung dieses Abkommens in deutsches Gesetzesrecht nicht erfolgt8.
Aus den die Vereinten Nationen und ihre Sonderorganisationen unmittelbar betreffenden Vereinbarungen ergeben sich für den Civilian Consultant ebenfalls keine Steuerbefreiungstatbestände. Die insoweit einschlägigen Art. V Abschn. 18 Buchst. b des Übereinkommens über die Vorrechte und Immunitäten der Vereinten Nationen vom 13.02.1946 und der darauf Bezug nehmende Art. VI § 19 Buchst. b des Abkommens über die Vorrechte und Befreiungen der Sonderorganisationen der Vereinten Nationen vom 21.11.19479 sind nur auf Bedienstete der Organisation der Vereinten Nationen, Beamte von Sonderorganisationen i.S. des Art. I § 1 Abs. 2 des Abkommens über die Vorrechte und Befreiungen der Sonderorganisationen der Vereinten Nationen vom 21.11.1947 oder Beamte solcher Organisationen, die gemäß Art. 57 und 63 der Charta der Vereinten Nationen10 angeschlossen sind, und von diesen gezahlte Gehälter und Bezüge anwendbar (vgl. Art. I § 1 Abs. 2 des Abkommens über die Vorrechte und Befreiungen der Sonderorganisationen der Vereinten Nationen vom 21.11.1947). Mangels erforderlichen Abkommens nach Art. 63 der Charta der Vereinten Nationen mit dem Wirtschafts- und Sozialrat der Vereinten Nationen sind weder die NATO noch die ISAF (noch die daran beteiligten Staaten) Sonderorganisationen der Vereinten Nationen. Dass die ISAF durch die Resolution 1386 (2001) des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen vom 20.12.2001 gemäß den Regelungen in Kapitel VII der Charta der Vereinten Nationen („Maßnahmen bei Bedrohung oder Bruch des Friedens und bei Angriffshandlungen“) eingerichtet wurde, genügt demnach nicht. Die ISAF fällt im Übrigen auch nicht unter die Auflistung der Sonderorganisationen in Art. I § 1 Abs. 2 des Abkommens über die Vorrechte und Befreiungen der Sonderorganisationen der Vereinten Nationen vom 21.11.1947 und das dazu ergangene Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 18.03.201311.
Der gezahlte Gefahren- und Erschwerniszuschlag ist nicht gemäß § 3 Nr. 64 EStG steuerfrei, da die einzelnen Regelungen dieser Vorschrift tatbestandlich jeweils nicht erfüllt sind.
Der Civilian Consultant stand nicht i.S. des § 3 Nr. 64 Satz 1 EStG in einem Dienstverhältnis zu einer inländischen juristischen Person des öffentlichen Rechts. Dabei kann offen bleiben, ob die ISAF über eine eigene Rechtspersönlichkeit verfügt oder insoweit auf die NATO abzustellen wäre. Denn die NATO ist eine supranationale und keine inländische Rechtsperson.
Die Anwendung des § 3 Nr. 64 Satz 2 EStG, der die Steuerbefreiung auf Mitarbeiter von privaten Einrichtungen ausdehnt, die im Wesentlichen durch öffentliche Mittel finanziert werden, scheidet ebenfalls aus. Denn die Regelung hat zur weiteren -hier nicht erfüllten- Voraussetzung, dass der Arbeitslohn nach den Grundsätzen des Bundesbesoldungsgesetzes ermittelt wird12.
Die auf Arbeitnehmer in der Privatwirtschaft anwendbare Regelung in § 3 Nr. 64 Satz 3 EStG setzt einen inländischen Arbeitgeber und eine von diesem veranlasste Auslandsentsendung voraus. An beiden Voraussetzungen fehlt es im Streitfall. Vielmehr hat der Civilian Consultant unmittelbar das Arbeitsangebot eines ausländischen Arbeitgebers angenommen und sich sodann zur Arbeitsaufnahme ins Ausland begeben13.
Im Wesentlichen aus den vom Finanzgericht genannten Gründen ist der Bundesfinanzhof nicht i.S. des Art. 100 Abs. 1 GG davon überzeugt, dass mit der Nichtanwendung des § 3 Nr. 64 EStG ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG einhergeht. Eine Vorlage an das BVerfG kommt daher im Streitfall nicht in Betracht.
Der Civilian Consultant befindet sich gegenüber den von § 3 Nr. 64 EStG erfassten Sachverhalten in einer unterschiedlichen Situation. Mangels Gleichheit i.S. des Art. 3 Abs. 1 GG muss die Steuerbefreiung daher nicht auf ihn erstreckt werden. Während die von § 3 Nr. 64 EStG begünstigten Arbeitnehmer typischerweise dauerhaft in einem inländischen Arbeitsverhältnis stehen, vorübergehend ihre Dienste im Ausland verrichten und zum Ausgleich der mit dem Auslandseinsatz einhergehenden Belastungen steuerbegünstigte Zahlungen erhalten, hat der Civilian Consultant ein Arbeitsverhältnis mit einem ausländischen Arbeitgeber neu begründet. Er konnte somit von vornherein in Zusammenhang mit der Arbeitsaufnahme selbstbestimmt seine gesamten Lebensumstände auf die Auslandstätigkeit einrichten und war auf einen Nachteilsausgleich nicht in derselben Weise angewiesen wie inländische und sodann ins Ausland abgeordnete oder entsandte Arbeitnehmer. Aus denselben Gründen ist der Bundesfinanzhof auch nicht davon überzeugt, dass der Civilian Consultant steuerlich Bundeswehrsoldaten, die im Rahmen der ISAF in Afghanistan eingesetzt wurden, gleichzustellen wäre.
Bundesfinanzhof, Urteil vom 24. November 2021 – I R 17/20
- BGBl II 1961, 1190[↩]
- BGBl II 1961, 1183, 1218[↩]
- vgl. BVerfG, Urteil vom 03.07.2007 – 2 BvE 2/07, BVerfGE 118, 244, zu den völkerrechtlichen Grundlagen des ISAF-Einsatzes[↩]
- BGBl II 1958, 117[↩]
- abgedruckt in BGBl II 1958, 118 ff.[↩]
- abgedruckt in BGBl II 1962, 114 ff.[↩]
- BGBl II 1962, 113[↩]
- zum Erfordernis der Transformation völkervertraglicher Bestimmungen in nationales Recht vgl. nur Burghart in Leibholz/Rinck, GG, Art. 59 Rz 31[↩]
- BGBl II 1954, 640[↩]
- BGBl II 1973, 431[↩]
- BStBl I 2013, 404[↩]
- Intemann in Herrmann/Heuer/Raupach, § 3 Nr. 64 EStG Rz 4; Schmidt/Levedag, EStG, 40. Aufl., § 3 Rz 218; Tormöhlen in Korn, § 3 Nr. 64 EStG Rz 8; v. Beckerath in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 3 Nr. 64 Rz B 64/75[↩]
- vgl. zum Begriff der Entsendung z.B. v. Beckerath, a.a.O., Rz B 64/93; Intemann, a.a.O., Rz 5[↩]