Der Kindergeldantrag bei der Außenstelle der Arbeitsagentur

Anträge, die bei einer Familienkasse der Bundesagentur für Arbeit anzubringen sind, können auch bei einer Außenstelle derjenigen Agentur für Arbeit angebracht werden, bei der die Familienkasse eingerichtet ist.

Der Kindergeldantrag bei der Außenstelle der Arbeitsagentur

Gemäß § 47 AO erlöschen Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis u.a. durch Eintritt der Festsetzungsverjährung (§§ 169 bis 171 AO) und der Zahlungsverjährung (§§ 228 bis 232 AO). Der Anspruch auf das als Steuervergütung (§ 31 Satz 3 EStG) gewährte Kindergeld stellt einen solchen Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis (§ 37 Abs. 1 AO) dar.

Da der Eintritt der Verjährung von Amts wegen zu prüfen ist, liegt es nicht im Ermessen der Familienkasse, auf eine Geltendmachung der Verjährung zu verzichten1.

Die Verjährungsfrist beträgt fünf Jahre (§ 228 Satz 2 AO). Sie beginnt mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Anspruch erstmals fällig geworden ist, jedoch nicht vor Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Festsetzung des Kindergelds wirksam bekanntgegeben worden ist (§ 229 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Halbsatz 1 AO). Selbst wenn -wozu das Finanzgericht keine Feststellungen getroffen hat- eine Kindergeldfestsetzung für 2005 noch vor Ablauf des Jahres 2005 erfolgt wäre, wäre daher frühestens mit Ablauf des Jahres 2010 Zahlungsverjährung eingetreten. Denn der Anspruch auf Kindergeld wird frühestens am Beginn des Monats fällig, in dem die Anspruchsvoraussetzungen für den betreffenden Anspruchszeitraum erfüllt sind (§ 220 Abs. 2 Satz 1 AO i.V.m. § 66 Abs. 2 EStG).

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Gemäß § 231 Abs. 1 Satz 1 AO wird die Zahlungsverjährung u.a. durch schriftliche Geltendmachung des Anspruchs unterbrochen. Im hier vom Bundesfinanzhof entschiedenen Fall ging der Antrag für das Jahr 2005 am 29.12 2010 und damit vor Ablauf der Zahlungsverjährungsfrist (31.12 2010) bei der einer zwar bei der zuständigen Agentur für Arbeit ein, allerding bei einer Außenstelle, in der nicht die Familienkasse angesiedelt war. Für den Bundesfinanzhof ging der Antrag damit rechtzeitig bei zuständigen Behörde ein. Dass der Zugang des Schreibens bei der Dienststelle der Agentur für Arbeit in A eine fristwahrende Wirkung entfalten konnte, ergibt sich aus folgenden Erwägungen:

Gemäß § 231 Abs. 1 Satz 1 AO wird die Zahlungsverjährung u.a. durch schriftliche Geltendmachung des Anspruchs unterbrochen. Der Antrag des Klägers ging am 29.12 2010 und damit vor Ablauf der Zahlungsverjährungsfrist2 bei der zuständigen Behörde ein. Dass der Zugang des Schreibens bei der Dienststelle der Agentur für Arbeit in A eine fristwahrende Wirkung entfalten konnte, ergibt sich aus folgenden Erwägungen:

Die Durchführung des Familienleistungsausgleichs nach Maßgabe der §§ 31, 62 bis 78 EStG ist Aufgabe des Bundeszentralamts für Steuern (§ 5 Abs. 1 Nr. 11 Satz 1 des Finanzverwaltungsgesetzes -FVG-). Die Bundesagentur für Arbeit stellt dem Bundeszentralamt für Steuern zur Durchführung dieser Aufgabe ihre Dienststellen als Familienkassen zur Verfügung (§ 5 Abs. 1 Nr. 11 Satz 2 FVG). Die Familienkassen sind Finanzbehörden im Sinne der Abgabenordnung (§ 6 Abs. 2 Nr. 6 AO). Örtlich zuständig ist grundsätzlich die Familienkasse, in deren Bezirk der Kindergeldberechtigte seinen Wohnsitz hat (§ 19 Abs. 1 Satz 1 AO).

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Im dreistufigen Aufbau der Bundesagentur für Arbeit erfolgt die Aufgabenerfüllung auf der örtlichen Ebene durch die Agenturen für Arbeit (vgl. § 367 Abs. 2 Satz 1 SGB III). Die bei den Agenturen für Arbeit als unselbständige Nebenstellen eingerichteten Geschäftsstellen werden im Gegensatz zur früheren Gesetzesfassung (vgl. § 368 Abs. 1 Nr. 1 SGB III in der bis zum 31.12 2003 geltenden Fassung) zwar nicht mehr ausdrücklich erwähnt. Damit sollte jedoch nicht ausgeschlossen werden, dass solche Nebenstellen weiterhin zur ortsnahen Aufgabenerledigung eingesetzt werden3. Auch wenn die Nebenstellen nach außen die Bezeichnung „Arbeitsamt“ führen durften (vgl. § 368 Abs. 2 SGB III in der bis zum 31.12 2003 geltenden Fassung) sollte damit jedoch keine Verselbständigung der Nebenstellen verbunden sein4. Daneben eröffnet § 367 Abs. 2 Satz 2 SGB III der Bundesagentur für Arbeit die Möglichkeit, besondere Dienststellen einzurichten.

Zwar ist die Familienkasse i.S. des § 6 Abs. 1 AO eine eigenständige Behörde, da sie in funktioneller Hinsicht selbständig Aufgaben und Befugnisse der öffentlichen Verwaltung gegenüber den Kindergeldberechtigten wahrnimmt5. Die Selbständigkeit besteht insbesondere auch gegenüber den von den Agenturen für Arbeit auf anderen Rechtsgebieten -etwa dem SGB III- wahrzunehmenden Aufgaben. Aus dieser funktionellen Selbständigkeit folgt jedoch nicht, dass die Familienkassen auch in personeller und organisatorischer Hinsicht vollständig von den übrigen Bereichen der Agentur für Arbeit getrennt sind und ihre Aufgaben in umfassender Weise autark wahrnehmen. Vielmehr liegt es im Wesen der in § 5 Abs. 1 Nr. 11 Satz 2 und 10 FVG vorgesehenen Organleihe, dass die Bundesagentur für Arbeit die Dienststellen, welche die Aufgaben der Familienkassen wahrzunehmen haben, auch entsprechend dieser Zielsetzung zur Verfügung stellt. Soweit die einzelne Agentur für Arbeit daher Serviceeinrichtungen bereit hält, die nicht eindeutig erkennbar nur der Wahrnehmung von Aufgaben außerhalb des Bereichs der Familienkassen dienen, ist auch eine Zurechnung von Handlungen dieser Serviceeinrichtungen gegenüber der Familienkasse nicht ausgeschlossen. Nichts anderes gilt, soweit die Bundesagentur für Arbeit die Aufgaben der Familienkassen in einer besonderen Dienststelle i.S. des § 367 Abs. 2 Satz 2 SGB III konzentriert. Auch wenn hierdurch die Familienkassenaufgaben in organisatorischer, personeller und finanzieller Hinsicht gebündelt werden, schließt dies nicht aus, dass daneben gleichwohl zur Erfüllung dieser Aufgaben in Einzelbereichen auf Personal und Infrastruktur des übrigen Bereichs der Bundesagentur für Arbeit zurückgegriffen wird.

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Im Streitfall befand sich der Wohnsitz des Klägers in B im Bezirk der -unstreitig- bei der Agentur für Arbeit H eingerichteten Familienkasse. Da die Agentur für Arbeit H in A eine unselbständige Außenstelle eingerichtet hatte, eröffnete sie insoweit einen weiteren (ortsnahen) Zugang für den Bürger.

Unabhängig von der Frage, ob Kindergeldanträge auch an dieser Außenstelle oder nur in der Hauptstelle bearbeitet werden, sind jedenfalls die Handlungen zentraler Serviceeinrichtungen der Haupt- und der Außenstelle der Bundesagentur für Arbeit H -wie z.B. des Pfortendienstes oder der Poststelle- der Familienkasse zuzurechnen, soweit sie in Kindergeldangelegenheiten tätig werden.

Nichts anderes ergibt sich aus dem von der Familienkasse geltend gemachten Umstand, wonach die Familienkassenaufgaben zum 1.02.2005 in einer besonderen Dienststelle i.S. des § 367 Abs. 2 Satz 2 SGB III konzentriert worden seien. Dass auch insoweit keine vollständige Herauslösung aus der Infrastruktur der Agentur für Arbeit H stattgefunden haben kann, ergibt sich bereits daraus, dass auch die Eingangsstempelung vom 05.01.2011 als Eingangsbehörde die „Agentur für Arbeit“ H und nicht etwa -als besondere Dienststelle- die „Familienkasse“ H ausweist. Dies belegt vielmehr, dass zentrale Serviceeinrichtungen der Agentur für Arbeit weiterhin sowohl in Kindergeldangelegenheiten als auch außerhalb dieses Bereiches zuständig blieben. Entsprechend ist auch der Eingangsstempel der Außenstelle A geeignet, einen Nachweis über den noch im Jahr 2010 erfolgten Zugang des Schreibens vom 29.12 2010 bei der Familienkasse H zu erbringen.

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Im Übrigen weist der Bundesfinanzhof -ohne dass es für die Entscheidung darauf ankäme- darauf hin, dass die über die Internetseite des Bundeszentralamts für Steuern eröffnete Suchfunktion auch in ihrer derzeitigen Fassung für den Wohnsitz des Klägers die Außenstelle A als zuständige Behörde für Kindergeldangelegenheiten ausweist.

Eine etwaige Absicht, Anträgen von Kindergeldberechtigten erst ab Zugang bei der Hauptstelle der Agentur für Arbeit H rechtliche Wirkungen beizumessen, wäre daher auch unter dem Gesichtspunkt des Außenauftritts der Behörde nicht hinnehmbar.

Bundesfinanzhof, Urteil vom 25. September 2014 – III R 25/13

  1. BFH, Urteil vom 07.02.2002 – VII R 33/01, BFHE 197, 569, BStBl II 2002, 447, Leitsatz 5[]
  2. 31.12 2010[]
  3. BT-Drs. 15/1515, S. 104; Pfeifer in Mutschler, Schmidt-De Caluwe, Coseriu, Sozialgesetzbuch III, 5. Aufl., § 367 Rz 17[]
  4. BT-Drs. 13/4941, S. 217; ebenso Wendtland in Gagel, SGB III, § 367 Rz 22[]
  5. vgl. hierzu Musil in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 6 AO Rz 11; Schmitz in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl., § 1 Rz 230[]