Das für einen bestimmten Geschäftsanteil gezahlte Aufgeld (Agio) erhöht die Anschaffungskosten dieses Anteils, auch wenn die Summe aus dem Nennbetrag und dem Agio den Verkehrswert des Anteils übersteigt (sog. Überpari-Emission)1. Das gilt jedenfalls für Veräußerungen bis zum 31.07.2019.

Bei einer Veräußerung des GmbH-Anteils sind vom erzielten Veräußerungspreis nach der Gewinnermittlungsformel des § 17 Abs. 2 Satz 1 EStG die Anschaffungskosten der Gesellschafterin für die veräußerten Geschäftsanteile abzuziehen. Übersteigen die Anschaffungskosten und gegebenenfalls vom Veräußerer getragene Veräußerungskosten den Veräußerungspreis, ist entsprechend § 17 Abs. 2 Satz 1 EStG ein Verlust zu ermitteln2.
Anschaffungskosten sind gemäß § 255 Abs. 1 Satz 1 des Handelsgesetzbuchs (HGB) die Aufwendungen, die geleistet werden, um einen Vermögensgegenstand zu erwerben und ihn in einen betriebsbereiten Zustand zu versetzen, soweit sie dem Vermögensgegenstand einzeln zugeordnet werden können. Dieser handelsrechtliche Begriff der Anschaffungskosten galt für das Streitjahr in Ermangelung einer abweichenden Definition im Einkommensteuergesetz auch für Zwecke des § 17 EStG3. Normspezifisch formuliert sind Anschaffungskosten somit diejenigen Aufwendungen, die geleistet werden, um die Anteile im Sinne von § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG zu erwerben4.
Hat der Steuerpflichtige Anteile an einer Kapitalgesellschaft zu verschiedenen Zeiten und zu unterschiedlichen Anschaffungskosten erworben, ist eine Zusammenrechnung der einzelnen Anteile und die Bildung eines durchschnittlichen Anschaffungspreises nicht zulässig. Dies widerspräche dem Grundsatz der zivilrechtlichen Selbständigkeit und Unterscheidbarkeit der Geschäftsanteile5. Dementsprechend ist der Gewinn beziehungsweise Verlust aus der Veräußerung von Geschäftsanteilen an einer Kapitalgesellschaft sowohl hinsichtlich des Veräußerungspreises als auch der Anschaffungskosten anteilsbezogen zu bestimmen6.
Zu den Anschaffungskosten zählt alles, was tatsächlich aufgewendet werden musste, um die Beteiligung beziehungsweise den einzelnen Geschäftsanteil zu erwerben7.
Der BFH hat in diesem Zusammenhang bereits mehrfach entschieden, dass ein Aufgeld, das ein Erwerber neuer Geschäftsanteile aufgrund der getroffenen Einlagevereinbarung über dem Nennbetrag der Einlage hinaus an eine Kapitalgesellschaft zu leisten hat und welches gemäß § 272 Abs. 2 Nr. 1 HGB in der Bilanz der Gesellschaft als Kapitalrücklage auszuweisen ist, Bestandteil der Gegenleistung ist, die der Erwerber aufbringen muss, um die Beteiligungsrechte zu erwerben8. Gerade wegen der zivilrechtlichen Selbständigkeit jedes Geschäftsanteils ist das Aufgeld nur demjenigen Anteil als Anschaffungskosten zuzurechnen, für deren Erwerb es aufzubringen war. Dies gilt selbst dann, wenn die Summe aus dem Nennbetrag des neuen Anteils und des Aufgelds den Verkehrswert des neuen Anteils übersteigt, sogenannte Überpari-Emission9.
Der BFH hat bereits früher klargestellt, dass es sich bei dem den Verkehrswert übersteigenden Teilbetrag (im hier entschiedenen Streitfall 500.000 €) nicht um eine verdeckte Einlage des Gesellschafters, die als -nachträgliche- Anschaffungskosten für sämtliche Geschäftsanteile zu berücksichtigen wäre, handelt. Es fehlt an der hierfür erforderlichen Unentgeltlichkeit10.
Das von der Gesellschafterin für den Erwerb des Geschäftsanteils Nr. 25 001 gezahlte Aufgeld von 500.000 € war jedenfalls für das hier vom Bundesfinanzhof betrachtete Streitjahr 2015 nicht auf sämtliche von ihr gehaltenen Anteile zu verteilen. § 17 Abs. 2a Satz 5 EStG, der diese Rechtsfolge anordnet, gilt erstmals für Veräußerungen nach dem 31.07.2019 (§ 52 Abs. 25a Satz 1 EStG). Zwar heißt es in der Begründung der Bundesregierung vom 23.09.2019 zum Entwurf eines Gesetzes zur weiteren steuerlichen Förderung der Elektromobilität und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften, die Neuregelung habe lediglich deklaratorischen Charakter, da sie inhaltlich der bisherigen Verwaltungsauffassung entspreche11. Unerwähnt bleibt in der Begründung allerdings, dass die Neuregelung die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, wonach Aufgelder im Zuge einer Kapitalerhöhung ausschließlich dem neu erworbenen Anteil zuzuordnen sind12, überschreibt und daher insoweit konstitutiv wirkt13.
Gesetzliche Verlustberücksichtigungsverbote bestehen im hier vom Bundesfinanzhof entschiedenen Fall nicht. § 17 Abs. 2 Satz 6 Buchst. b Satz 1 EStG bestimmt zwar, dass ein Veräußerungsverlust nicht zu berücksichtigen ist, soweit er auf Anteile entfällt, die entgeltlich erworben worden sind und -wie im Streitfall- nicht innerhalb der gesamten letzten fünf Jahre zu einer Beteiligung des Steuerpflichtigen im Sinne von Abs. 1 Satz 1 der Vorschrift gehört haben. Dies gilt nach § 17 Abs. 2 Satz 6 Buchst. b Satz 2 Alternative 2 EStG aber nicht für innerhalb der letzten fünf Jahre erworbene Anteile, die nach der Begründung einer tatbestandlich relevanten Beteiligung erworben worden sind. Diese Voraussetzungen sind im Streitfall erfüllt. Die Gesellschafterin hat den mit Verlust veräußerten Geschäftsanteil Nr. 25 001 zu einem Zeitpunkt erworben, zu dem sie bereits relevant im Sinne von § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG beteiligt war.
Bundesfinanzhof, Urteil vom 3. Mai 2023 – IX R 12/22
- Anschluss an BFH, Urteil vom 27.05.2009 – I R 53/08, BFHE 226, 500[↩]
- BFH, Urteil vom 29.07.1997 – VIII R 80/94, BFHE 184, 74, BStBl II 1997, 727, unter II. 1.a[↩]
- BFH, Urteil vom 11.07.2017 – IX R 36/15, BFHE 258, 427, BStBl II 2019, 208, Rz 35 f.; HHR/Schmidt, § 17 EStG Rz 190[↩]
- vgl. Schmidt/Levedag, EStG, 42. Aufl., § 17 Rz 168; Oellerich in Bordewin/Brandt, § 17 EStG Rz 247, jeweils unter Hinweis auf die inzwischen in § 17 Abs. 2a Satz 1 EStG geregelte Definition[↩]
- vgl. BFH, Urteil vom 29.07.1997 – VIII R 80/94, BFHE 184, 74, BStBl II 1997, 727, unter II. 1.b bb; BeckOK EStG/Trossen, 15. Ed. [01.03.2023], EStG § 17 Rz 526a[↩]
- in diesem Sinne BFH, Urteil vom 11.12.2013 – IX R 45/12, BFHE 244, 296, BStBl II 2014, 578, Rz 21, m.w.N.; Schneider in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 17 Rz C 182; Brandis/Heuermann/Vogt, § 17 EStG Rz 715[↩]
- vgl. hierzu Gosch in Kirchhof/Seer, EStG, 22. Aufl., § 17 Rz 86[↩]
- BFH, Urteile vom 24.04.2007 – I R 35/05, BFHE 218, 97, BStBl II 2008, 253, unter II. 2.a und b sowie vom 27.05.2009 – I R 53/08, BFHE 226, 500, unter II. 2.a[↩]
- BFH, Urteil vom 27.05.2009 – I R 53/08, BFHE 226, 500, unter II. 2.b; MünchKomm-HGB/Reiner, 4. Aufl., § 272 Rz 68; a.A. wohl Wingler, juris PraxisReport Steuerrecht 38/2022 Anm. 2, unter C.I.[↩]
- BFH, Urteil vom 27.05.2009 – I R 53/08, BFHE 226, 500, unter II. 2.b aa, m.w.N.[↩]
- BT-Drs.19/13436, S. 111[↩]
- BFH, Urteil vom 27.05.2009 – I R 53/08, BFHE 226, 500, unter II. 2.[↩]
- Gosch in Kirchhof/Seer, EStG, 22. Aufl., § 17 Rz 99d[↩]