Die vom Verein erhobene Feststellungsklage ist zulässig.

Gemäß § 41 Abs. 1 FGO kann durch Klage u.a. die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses begehrt werden, wenn der Verein ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat. Dies gilt jedoch nicht, soweit der Verein seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können (§ 41 Abs. 2 Satz 1 FGO; unten c).
„Rechtsverhältnis“ i.S. des § 41 Abs. 1 FGO ist jede auf eine bestimmte, aus einem konkreten Sachverhalt resultierende, aufgrund von Rechtsnormen geordnete rechtliche Beziehung zwischen Personen oder zwischen Personen und Sachen, sofern es sich um ein abgabenrechtliches Verhältnis handelt, für das der Finanzrechtsweg eröffnet ist1.
Ob der Verein im Verhältnis zur Finanzverwaltung zur Ausstellung von Zuwendungsbestätigungen auch für Mitgliedsbeiträge berechtigt ist, ist eine Frage, die -schon wegen ihrer Normierung in § 10b Abs. 1 Satz 8 EStG- ein „Rechtsverhältnis“ i.S. des § 41 Abs. 1 FGO darstellt2.
Für das erforderliche berechtigte Interesse an der baldigen Feststellung genügt nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung jedes konkrete, vernünftigerweise anzu schutzwürdige Interesse rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Art, sofern die begehrte Feststellung geeignet ist, in einem der genannten Bereiche zu einer Verbesserung der Position des Vereins zu führen3.
Dieses Interesse ergibt sich hier aus dem Umstand, dass der Verein gemäß § 10b Abs. 4 Sätze 2 und 3 EStG für zumindest grob fahrlässig ausgestellte unrichtige Zuwendungsbestätigungen haftet. Darüber hinaus führt der Verein zu Recht an, dass auch die Möglichkeit, mit der steuerlichen Abziehbarkeit von Mitgliedsbeiträgen werben -oder eben nicht werben- zu können, ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung begründet4.
Die Anforderungen der Subsidiaritätsklausel des § 41 Abs. 2 Satz 1 FGO sind ebenfalls gewahrt.
Eine Anfechtungsklage kommt vorliegend nicht in Betracht, da es sich bei dem im Freistellungsbescheid enthaltenen bloßen Hinweis auf die vom Finanzamt vorgenommene Subsumtion unter § 10b Abs. 1 Satz 8 Nr. 2 EStG nicht um einen Verwaltungsakt (§ 118 AO) handelt. Schon nach seinem objektiven Gehalt fehlt dem Hinweis der für die Annahme eines Verwaltungsakts erforderliche Regelungscharakter. Darüber hinaus hat das Finanzamt auch keinen Anschein eines Verwaltungsakts gesetzt, denn der Hinweis ist optisch deutlich vom Regelungsteil des Feststellungsbescheids getrennt und die Rechtsbehelfsbelehrung bezieht sich ausdrücklich nicht auf den Hinweis.
Die Verpflichtungsklage ist ebenfalls nicht eröffnet.
Zwar dürfen mit einer (vorbeugenden) Feststellungsklage die gesetzlichen Regelungen über die Erteilung verbindlicher Auskünfte durch die Finanzbehörden (§ 89 Abs. 2 bis 7 AO) nicht unterlaufen werden5; ein Anspruch auf Erteilung einer verbindlichen Auskunft wäre im Wege der Verpflichtungsklage geltend zu machen6.
Allerdings setzt die Erteilung einer verbindlichen Auskunft voraus, dass der maßgebliche Sachverhalt noch nicht verwirklicht worden ist (§ 89 Abs. 2 Satz 1 AO). Vorliegend geht es im Kern nicht um die Klärung des künftigen gemeinnützigkeits- und zuwendungsrechtlichen Status des Vereins, sondern um dessen gegenwärtigen Status. Der Rechtsstreit beruht auf einer vergangenheitsbezogenen Überprüfung der Tätigkeiten des Vereins durch das Finanzamt in Bezug auf frühere Veranlagungszeiträume. Damit könnte der Verein im Streitfall keine verbindliche Auskunft für die streitgegenständliche Frage erhalten, so dass kein Konkurrenzverhältnis zu § 89 Abs. 2 AO besteht und eine Verpflichtungsklage ausscheidet.
Auch im Wege einer allgemeinen Leistungsklage könnte vorliegend kein vorrangiger Rechtsschutz erlangt werden. Denn außerhalb des -hier nicht einschlägigen- § 89 Abs. 2 AO besteht kein Anspruch auf Leistungen der Finanzverwaltung in Gestalt der Erteilung unverbindlicher Hinweise oder Rechtsauskünfte. Etwas anderes folgt auch nicht daraus, dass die Finanzverwaltung in Freistellungsbescheide regelmäßig Hinweise hinsichtlich der Befugnis zur Ausstellung von Zuwendungsbestätigungen aufnimmt; die früher gegenteilige Auffassung des Finanzgericht Köln7 ist jedenfalls durch die neuere Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs8 überholt9.
Auch bei einer Feststellungsklage ist -wie bei Anfechtungsklagen10- die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Finanzgericht maßgeblich. Es kommt damit weder auf die Sach- und Rechtslage zum Schluss des Zeitraums, auf den sich der Freistellungsbescheid bezieht, an (hier: Ende 2016) noch auf den Zeitpunkt des Ergehens des beanstandeten Hinweises des Finanzamtes (hier: Juni 2017).
Für das maßgebliche anwendbare Recht ist dies bereits entschieden11. Hinsichtlich der Sachlage, die der Entscheidung zugrunde zu legen ist, kann indes nichts anderes gelten. Wäre auf einen früheren Zeitpunkt abzustellen und entschiede das Finanzgericht auf dieser Tatsachengrundlage über den Feststellungsantrag, hätte sich die Sachlage aber bis zur Entscheidung des Finanzgericht geändert, so bestünde sogleich ein Anspruch auf eine erneute -abweichende- Entscheidung über den Feststellungsantrag. Dies wäre mit dem Gebot prozessökonomischen Handelns nicht vereinbar.
Das Finanzgericht hat seiner Betrachtung daher zutreffend die vom Verein in den Jahren 2017 bis 2019 entfalteten Aktivitäten zugrunde gelegt. Die gravierenden Einschränkungen der Tätigkeit des Vereins infolge der -insbesondere für Blasorchester geltenden- gesetzlichen Beschränkungen zur Eindämmung der Covid-19-Pandemie seit März 2020, die noch bis zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Finanzgericht im Februar 2021 andauerten, hat es demgegenüber in vertretbarer Weise außer Betracht gelassen, weil diese temporären Beschränkungen für die Beurteilung der Tätigkeit des Vereins nicht typisch sind.
Bundesfinanzhof, Urteil vom 28. September 2022 – X R 7/21
- BFH, Urteile vom 29.07.2003 – VII R 39, 43/02, BFHE 202, 411, BStBl II 2003, 828, unter 2.b; und vom 30.03.2011 – XI R 12/08, BFHE 233, 304, BStBl II 2011, 819, Rz 18 f.[↩]
- ebenso für die Rechtslage vor Schaffung des § 10b Abs. 1 Satz 8 EStG in Bezug auf die Frage, ob die Befugnis zur Ausstellung von Spendenbescheinigungen nach früherem Recht besteht, BFH, Urteil vom 23.09.1999 – XI R 66/98, BFHE 190, 278, BStBl II 2000, 533, unter II. 1.[↩]
- vgl. auch insoweit BFH, Urteil in BFHE 202, 411, BStBl II 2003, 828, unter 2.b, m.w.N.[↩]
- vgl. auch BFH, Urteil in BFHE 190, 278, BStBl II 2000, 533, unter II. 1.[↩]
- FG Münster, Urteil vom 27.07.2016 – 10 K 584/16, Deutsches Steuerrecht/Entscheidungsdienst 2018, 312, unter 3.[↩]
- Söhn in Hübschmann/Hepp/Spitaler -HHSp-, § 89 AO Rz 307, 308, m.w.N.[↩]
- FG Köln, Urteil vom 23.08.1991 – 13 K 3592/89, EFG 1992, 159, unter I., rkr.[↩]
- BFH, Urteile vom 10.06.1992 – I R 107/91, BFH/NV 1993, 13; und in BFHE 190, 278, BStBl II 2000, 533[↩]
- wie hier im Ergebnis auch FG Berlin, Urteile vom 06.10.2003 – 8 K 8844/99, EFG 2004, 316, rkr.; und vom 23.03.2004 – 7 K 7175/02, EFG 2004, 1338, rkr.; FG Münster, Urteil vom 16.02.2007 – 9 K 4907/02, EFG 2007, 1434, unter II. 1., rkr.[↩]
- dazu BFH, Urteil vom 28.07.2005 – III R 68/04, BFHE 211, 107, BStBl II 2008, 350, unter II. 2.[↩]
- vgl. BSG, Urteil vom 17.02.2009 – B 2 U 35/07 R, Neue Zeitschrift für Sozialrecht 2010, 49; Steinhauff in HHSp, § 41 FGO Rz 544[↩]