Die langjährige Berufstätigkeit – und die spätere Berufsausbildung

Aufwendungen für eine Berufsausbildung sind ohne den vorherigen Abschluss einer Erstausbildung gemäß § 9 Abs. 6 EStG1 nicht als Werbungskosten abzugsfähig, auch wenn der Steuerpflichtige zuvor langjährig Einkünfte aus einer gewerblichen Tätigkeit erzielt hat.

Die langjährige Berufstätigkeit – und die spätere Berufsausbildung

Auch in einem solchen Fall sind die Aufwendungen für die Ausbildung nicht als vorweggenommene Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit, sondern lediglich als Sonderausgaben i.S. des § 10 Abs. 1 Nr. 7 Satz 1 EStG zu berücksichtigen.

Aufwendungen des Steuerpflichtigen für seine Berufsausbildung oder für sein Studium zählen grundsätzlich zu den (vorweggenommenen) Werbungskosten, wenn sie in einem hinreichend konkreten, objektiv feststellbaren Veranlassungszusammenhang mit (späteren) Einnahmen stehen2. Sie sind jedoch gemäß § 9 Abs. 6 Satz 1 EStG i.d.F. des Gesetzes zur Anpassung der Abgabenordnung an den Zollkodex der Union und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften -ZollkodexAnpG- vom 22.12.20143, der erstmals mit dessen Inkrafttreten (vgl. Art. 16 Abs. 1 ZollkodexAnpG) für den Veranlagungszeitraum 2015 und damit auch im Streitfall anzuwenden ist, nur dann als Werbungskosten abziehbar, wenn der Steuerpflichtige zuvor bereits eine Erstausbildung (Berufsausbildung oder Studium) abgeschlossen hat oder wenn die Berufsausbildung oder das Studium im Rahmen eines Dienstverhältnisses stattfindet.

Nach diesen Maßstäben waren in dem hier vom Bundesfinanzhof entschiedenen Fall die streitigen Aufwendungen des Flugschülers für seine Ausbildung zum Verkehrsflugzeugführer gemäß § 9 Abs. 6 EStG nicht als Werbungskosten abzugsfähig:

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Die Verkehrsflugzeugführerausbildung ist eine Berufsausbildung i.S. von § 9 Abs. 6 Satz 1 EStG4. Denn unter Berufsausbildung i.S. von § 9 Abs. 6 Satz 1 EStG ist die Ausbildung zu einem künftigen Beruf zu verstehen. In Berufsausbildung befindet sich, wer sein Berufsziel -hier das des Verkehrsflugzeugführers- noch nicht erreicht hat, sich aber -wie der Flugschüler- ernstlich darauf vorbereitet. Der Vorbereitung auf ein Berufsziel dienen alle Maßnahmen, bei denen es sich um den Erwerb von Kenntnissen, Fähigkeiten und Erfahrungen handelt, die als Grundlage für die Ausübung des angestrebten Berufs geeignet sind. Gegenbegriff zur (steuerlichen) Berufsausbildung ist die Allgemeinbildung, die keine notwendige Voraussetzung für die geplante Berufsausübung darstellt5.

Aufgrund des steuerrechtlich geprägten Begriffsverständnisses der Berufsausbildung in § 9 Abs. 6 Satz 1 EStG kommt es nicht darauf an, ob diese als berufliche Umschulung (unter Umständen nach einer langjährigen gewerblichen Tätigkeit) nach § 1 Abs. 5 des Berufsbildungsgesetzes einzuordnen ist. Entgegen der Auffassung des Flugschülers ist es daher unerheblich, dass er zuvor ein 20 Monate dauerndes Praktikum absolviert und infolge der dabei erworbenen Kenntnisse ein entsprechendes Gewerbe langjährig betrieben hat.

Der Flugschüler hat vor Beginn seiner Ausbildung zum Verkehrsflugzeugführer keine erstmalige Berufsausbildung abgeschlossen.

Eine Berufsausbildung als Erstausbildung i.S. des § 9 Abs. 6 Satz 1 EStG liegt vor, wenn eine geordnete Ausbildung mit einer Mindestdauer von zwölf Monaten bei vollzeitiger Ausbildung und mit einer Abschlussprüfung durchgeführt wird (§ 9 Abs. 6 Satz 2 EStG). Eine geordnete Ausbildung setzt gemäß § 9 Abs. 6 Satz 3 EStG voraus, dass sie auf der Grundlage von Rechts- oder Verwaltungsvorschriften oder internen Vorschriften eines Bildungsträgers durchgeführt wird. Ist eine Abschlussprüfung nach dem Ausbildungsplan nicht vorgesehen, gilt die Ausbildung mit der tatsächlichen planmäßigen Beendigung als abgeschlossen (§ 9 Abs. 6 Satz 4 EStG). Eine Berufsausbildung als Erstausbildung hat aber auch abgeschlossen, wer die Abschlussprüfung einer durch Rechts- oder Verwaltungsvorschriften geregelten Berufsausbildung mit einer Mindestdauer von zwölf Monaten bestanden hat, ohne dass er zuvor die entsprechende Berufsausbildung durchlaufen hat (§ 9 Abs. 6 Satz 5 EStG).

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Danach hat das Finanzgericht zu Recht entschieden, dass das von dem Flugschüler in den Jahren 2001 bis 2003 absolvierte Praktikum den gesetzlichen Anforderungen an eine Erstausbildung nicht entspricht. Weder hat der Flugschüler mit dem Praktikum eine geordnete Ausbildung durchlaufen, noch hat er eine Abschlussprüfung absolviert. Dies ist zwischen den Beteiligten auch unstreitig. Der Bundesfinanzhof sieht daher von einer weiteren Begründung ab.

Angesichts des eindeutigen Wortlauts der Norm lässt sich die mehrjährige gewerbliche Tätigkeit des Flugschülers, anders als der Flugschüler meint, nicht unter das Tatbestandsmerkmal „Berufsausbildung als Erstausbildung“ in § 9 Abs. 6 Sätze 1 und 2 EStG subsumieren. Auch eine teleologische Reduktion der Vorschrift kommt nicht in Betracht, da der Gesetzeswortlaut Folge einer bewussten rechtspolitischen Entscheidung des Gesetzgebers ist6.

Schließlich hat der Flugschüler seine Ausbildung zum Verkehrsflugzeugführer auch nicht im Rahmen eines Berufsausbildungsverhältnisses absolviert. 

Bundesfinanzhof, Urteil vom 15. Februar 2023 – VI R 22/21

  1. i.d.F. des ZollkodexAnpG[]
  2. BFH, Urteile vom 04.12.2002 – VI R 120/01, BFHE 201, 156, BStBl II 2003, 403; vom 18.06.2009 – VI R 49/07, BFH/NV 2009, 1799; und vom 28.07.2011 – VI R 7/10, BFHE 234, 271, BStBl II 2012, 557[]
  3. BGBl I 2014, 2417[]
  4. vgl. BFH, Beschluss vom 07.07.2020 – VI R 18/20[]
  5. BFH, Urteil vom 12.01.2023 – VI R 41/20, m.w.N.[]
  6. vgl. BFH, Urteil vom 26.11.2002 – VI R 68/01, BFHE 201, 123, BStBl II 2003, 492, unter II. 2.c bb[]
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