Die Liposuktion als außergewöhnliche Belastung

Aufwendungen für eine Liposuktion zur Behandlung eines Lipödems können jedenfalls ab dem Jahr 2016 ohne vorherige Vorlage eines vor den Operationen erstellten amtsärztlichen Gutachtens oder einer ärztlichen Bescheinigung eines Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen sein.

Die Liposuktion als außergewöhnliche Belastung

Entgegen der Auffassung des Thüringer Finanzgerichts1 handelt es sich bei einer Liposuktion jedenfalls seit dem Jahr 2016 nicht um eine wissenschaftlich nicht anerkannte Behandlungsmethode zur Behandlung eines Lipödems, unabhängig vom Stadium der Erkrankung. Das Fehlen eines vor der Operation erstellten amtsärztlichen Gutachtens oder einer ärztlichen Bescheinigung eines Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung steht der Anerkennung der streitigen Kosten als außergewöhnliche Belastung daher nicht entgegen. Vielmehr kann die Zwangsläufigkeit der Behandlungskosten durch eine „einfache“ ärztliche Verordnung nachgewiesen werden (§ 64 Abs. 1 Nr. 1 EStDV), soweit sich aus dieser ergibt, dass die Liposuktion nicht kosmetischen Zwecken gedient hat, sondern wegen des Lipödems und der damit einhergehenden Beeinträchtigungen medizinisch indiziert war2.

Dass die Liposuktion bei der Klägerin nicht kosmetischen Zwecken gedient hat, sondern medizinisch indiziert war, kann auch durch einen Arztbrief sowie durch die nach der Operation eingeholte amtsärztliche Stellungnahme hinreichend nachgewiesen werden.

Hinsichtlich der Höhe der dem Grunde nach abzugsfähigen Behandlungskosten ist zu beachten, dass Aufwendungen für die eigentliche Heilbehandlung typisierend als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden, ohne dass es im Einzelfall der nach § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG an sich gebotenen Prüfung der Zwangsläufigkeit des Grundes und der Höhe nach bedarf, wenn die Maßnahmen medizinisch indiziert sind. 

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Weiter ist zu beachten, dass davon nicht nur das medizinisch Notwendige im Sinne einer Mindestversorgung erfasst wird. Medizinisch indiziert (angezeigt) ist vielmehr jedes diagnostische oder therapeutische Verfahren, dessen Anwendung in einem Erkrankungsfall hinreichend gerechtfertigt (angezeigt) ist. Dieser medizinischen Wertung hat die steuerliche Beurteilung zu folgen3.

Bundesfinanzhof, Urteil vom 10. August 2023 – VI R 36/20

  1. Thür. FG, Urteil vom 07.07.2020 – 3 K 54/20, EFG 2021, 211[]
  2. vgl. BFH, Urteil vom 23.03.2023 – VI R 39/20, BFHE 280, 175[]
  3. BFH, Urteil vom 11.11.2010 – VI R 17/09, BFHE 232, 40, BStBl II 2011, 969, Rz 26, m.w.N.[]