Die nicht einbehaltene Lohnsteuer – und die Haftung des Arbeitnehmers

Bei der Inanspruchnahme des Arbeitnehmers für nicht einbehaltene und abgeführte Lohnsteuer im Rahmen eines Einkommensteueränderungsbescheides besteht kein Ermessen des Finanzamtes.

Die nicht einbehaltene Lohnsteuer – und die Haftung des Arbeitnehmers

Es ist durch die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs geklärt, dass die Inanspruchnahme des Arbeitnehmers für nicht einbehaltene und abgeführte Lohnsteuer durch einen Einkommensteueränderungsbescheid keine Ermessensentscheidung ist1. Insoweit geht der Verweis auf § 42d Abs. 3 Satz 1 EStG ins Leere. Liegen deshalb die Voraussetzungen für eine Änderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO vor, weil die Finanzbehörde nachträglich erfahren hat, dass der bisherigen Steuerfestsetzung beispielsweise ein zu niedriger Arbeitslohn zugrunde gelegt wurde, ist die Finanzbehörde zum Erlass eines entsprechenden Änderungsbescheids verpflichtet.

Der Bundesfinanzhof hat in seinem Urteil in BFHE 144, 217, BStBl II 1985, 660 explizit ausgeführt, dass die von der Rechtsprechung zur Inanspruchnahme des Arbeitgebers entwickelten Ermessenskriterien auf die Inanspruchnahme des Arbeitnehmers durch Einkommensteuerbescheid nicht anwendbar sind. Der Bundesfinanzhof hat weiter ausgeführt, dass der Arbeitnehmer sich nicht auf § 42d Abs. 3 Satz 2 EStG berufen kann. Denn nach dieser Vorschrift kann das Betriebsstätten-Finanzamt die Steuerschuld oder die Haftungsschuld nach pflichtgemäßem Ermessen gegenüber jedem der Gesamtschuldner geltend machen. Auch im vorliegenden Fall hat jedoch nicht etwa das Betriebsstätten-Finanzamt (§ 41a Abs. 1 EStG) vom Arbeitnehmer durch Lohnsteuernachforderungsbescheid zu Unrecht nicht einbehaltene Lohnsteuerbeträge nachgefordert, sondern das für die Veranlagung des Arbeitnehmers zuständige Wohnsitz-Finanzamt hat durch Einkommensteueränderungsbescheide bisher im Lohnsteuerabzugsverfahren nicht berücksichtigte Lohnteile in die Veranlagung einbezogen. § 42d Abs. 3 Satz 2 EStG ist daher nicht einschlägig2.

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Selbst wenn eine Inanspruchnahme des Arbeitnehmers im Lohnsteuerabzugsverfahren nach § 42d Abs. 3 Satz 4 EStG ausgeschlossen ist, kann der Arbeitnehmer im Veranlagungsverfahren gleichwohl uneingeschränkt in Anspruch genommen werden3.

Bundesfinanzhof, Beschluss vom 11. Juli 2016 – VI B 14/16

  1. BFH, Urteil vom 17.05.1985 – VI R 137/82, BFHE 144, 217, BStBl II 1985, 660[]
  2. BFH, Urteil in BFHE 144, 217, BStBl II 1985, 660[]
  3. BFH, Urteil vom 13.01.2011 – VI R 62/09, BFH/NV 2011, 751[]