Die Mitteilung der Zentralen Zulagenstelle für Altersvermögen (ZfA) – und die Änderung des Einkommensteuerbescheids

Die Mitteilung der Zentralen Zulagenstelle für Altersvermögen (ZfA) führt bei Abweichungen in Bezug auf den Sonderausgabenabzug nach § 10a Abs. 1 Satz 1 EStG nicht dazu, dass das Finanzamt ungeprüft den Inhalt dieser Mitteilung umzusetzen hat; die Mitteilung nach § 91 Abs. 1 Satz 4 EStG ist im Verhältnis zum Einkommensteuerbescheid weder ein Grundlagenbescheid noch kommt ihr eine grundlagenbescheidsähnliche Wirkung zu. § 91 Abs. 1 Satz 4 EStG ermächtigt das Finanzamt lediglich, die Einkommensteuerfestsetzung i.S. des § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d AO zu ändern.

Die Mitteilung der Zentralen Zulagenstelle für Altersvermögen (ZfA) – und die Änderung des Einkommensteuerbescheids

Nach § 10a Abs. 1 Satz 1 EStG können in der gesetzlichen Rentenversicherung Pflichtversicherte Altersvorsorgebeiträge zuzüglich der dafür nach Abschnitt XI des EStG zustehenden Zulage ab dem Veranlagungszeitraum 2008 jährlich bis zu 2.100 € als Sonderausgaben abziehen. Hiermit sind lediglich die Steuerpflichtigen gemeint, die in dem konkreten Veranlagungszeitraum in der gesetzlichen Rentenversicherung pflichtversichert sind; eine frühere Pflichtmitgliedschaft reicht nicht aus1. Diese subjektive Voraussetzung für die Förderung nach § 10a EStG muss in dem Veranlagungszeitraum bestanden haben, in dem der zusätzliche Sonderausgabenabzug geltend gemacht wird. Im vorliegenden Fall ist der Ehemann aufgrund seiner Beteiligung als Kommanditist in den Streitjahren nicht (mehr) in der gesetzlichen Rentenversicherung pflichtversichert. Auch eine Gleichstellung des Ehemannes mit den in § 10a Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 Nr. 1 bis 5 EStG genannten Personen ist, worauf das Finanzgericht zutreffend hinweist, nicht erkennbar. Der Ehemann kann somit für die Streitjahre keine Altersvorsorgebeiträge als Sonderausgaben nach § 10a EStG geltend machen.

Gehört nur ein Ehegatte im Fall der -hier vorliegenden- Zusammenveranlagung nach § 26 Abs. 1 EStG zu dem nach § 10a Abs. 1 EStG begünstigten Personenkreis und ist der andere Ehegatte nach § 79 Satz 2 EStG zulageberechtigt, sind bei dem nach § 10a Abs. 1 EStG abzugsberechtigten Ehegatten allerdings die von beiden Ehegatten geleisteten Altersvorsorgebeiträge und die dafür zustehenden Zulagen nach § 10a Abs. 1 EStG zu berücksichtigen. Dies gilt gemäß § 10a Abs. 3 Satz 2 EStG auch für die nach § 10a Abs. 2 EStG vom Finanzamt durchzuführende Günstigerprüfung.

So auch in dem hier vom Bundesfinanzhof entschiedenen Fall: Die Ehefrau ist gemäß § 10a Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 Nr. 1 EStG i.V.m. § 79 Satz 1 EStG als Beamtin unmittelbar zulageberechtigt. Der Ehemann ist gemäß § 79 Satz 2 EStG mittelbar zulageberechtigt. Liegen nämlich bei Ehegatten die Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 EStG vor und ist nur ein Ehegatte nach § 79 Satz 1 EStG begünstigt, so ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des § 79 Satz 2 EStG, dass auch der andere Ehegatte zulageberechtigt ist, wenn ein auf seinen Namen lautender Altersvorsorgevertrag besteht2. Dies ist im Fall des Ehemannes gegeben.

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Folglich sind in den Streitjahren nicht nur die Beiträge und Zulagen der Ehefrau, sondern auch die Beiträge des Ehemanns nebst den Zulagen gemäß § 10a Abs. 3 Satz 2 EStG anzusetzen. Für die steuerpflichtigen Ehegatten ist deshalb aufgrund der Günstigerprüfung nach § 10a Abs. 2 EStG der in den ursprünglichen Einkommensteuerfestsetzungen für die Streitjahre vom Finanzamt richtig berechneten Sonderausgabenabzug nach § 10a Abs. 1 EStG in Höhe des Maximalbetrags von jeweils 2.100 € zu berücksichtigen.

Die angefochtenen Einkommensteuerbescheide und die Einspruchsentscheidung berücksichtigen die vom Ehemann geleisteten Altersvorsorgebeiträge und die dafür zustehenden Zulagen bei den Sonderausgaben der Ehefrau gemäß § 10a Abs. 1 Satz 1 EStG allerdings nicht.

Die aufgezeigte Rechtswidrigkeit der geänderten Steuerfestsetzungen hatte das Finanzgericht im Rahmen seiner Entscheidung auch zu berücksichtigen. Dies ergibt sich aus § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO, wonach das Gericht den angefochtenen Verwaltungsakt, soweit er rechtswidrig ist und den Ehemann dadurch in seinen Rechten verletzt, ebenso wie die etwaige Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf aufzuheben hat. Es hat eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts bei seiner Entscheidung ausnahmsweise nur dann hinzunehmen, wenn der Ehemann aufgrund einer Anfechtungsbeschränkung gemäß § 42 FGO sachlich nicht befugt ist, im finanzgerichtlichen Verfahren eine dementsprechende Rechtsverletzung geltend zu machen.

Eine derartige Beschränkung ist im Streitfall nicht gegeben. Insbesondere liegen die Voraussetzungen des § 42 FGO i.V.m. § 351 Abs. 2 AO nicht vor, wonach Entscheidungen in einem Grundlagenbescheid nur durch Anfechtung jenes Bescheides, nicht aber auch durch eine solche des Folgebescheides, angegriffen werden können. Bei der Mitteilung der ZfA an das Finanzamt gemäß § 91 Abs. 1 Satz 4 EStG handelt es sich weder um einen Grundlagenbescheid noch hat sie grundlagenbescheidsähnliche Wirkung. Ebenso wenig kommt der Mitteilung aus sonstigen Gründen Tatbestandswirkung zu. Vielmehr würde die Annahme einer Anfechtungsbeschränkung zu einer Verkürzung des Rechtsschutzes für den Steuerpflichtigen führen.

Bei der Mitteilung der ZfA an das Finanzamt i.S. von § 91 Abs. 1 Satz 4 Halbsatz 1 EStG handelt es sich nicht um einen Grundlagenbescheid.

Nach der Legaldefinition des § 171 Abs. 10 Satz 1 AO sind Grundlagenbescheide Feststellungsbescheide i.S. der §§ 179 ff. AO, Steuermessbescheide i.S. des § 184 AO und andere Verwaltungsakte, soweit diese für die Festsetzung der Steuer bindend sind. Verfahrensrechtlich sind Grundlagenbescheide verselbständigte, inhaltlich vorrangige Entscheidungen über Besteuerungsgrundlagen, die für andere Entscheidungen im Besteuerungsverfahren in dem Sinne bindend sind, dass die für die Folgeentscheidung zuständige Finanzbehörde sie ungeprüft zu übernehmen hat3.

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Diese Voraussetzungen sind im Streitfall bereits deshalb nicht erfüllt, da die Mitteilung der ZfA nach § 91 Abs. 1 Satz 4 EStG kein Verwaltungsakt (vgl. § 118 Satz 1 AO) ist. Es fehlt an einer Außenwirkung im Verhältnis zum Zulageberechtigten. Die ZfA teilt das Prüfungsergebnis lediglich dem Finanzamt mit, so dass es sich um ein bloßes Verwaltungsinternum handelt.

Diese fehlende Außenwirkung wird auch nicht durch die Bescheinigung des Anbieters nach § 92 EStG ersetzt. Denn anders als im Fall eines Antrags auf Festsetzung der Zulage kommt der Bescheinigung nach § 92 EStG insoweit keine Rechtswirkung zu. Zwar stellt § 90 Abs. 4 Satz 2 EStG im Zusammenhang mit der Jahresfrist nach Erhalt der Bescheinigung nach § 92 EStG auf Ermittlungsergebnisse für das Beitragsjahr ab. Die Bescheinigung des Anbieters nach § 92 EStG enthält aber weder Angaben zur Art der Zulageberechtigung noch zu den Ergebnissen des Datenabgleichs nach § 91 Abs. 1 EStG. Vielmehr beinhaltet sie nach § 92 Satz 1 Nr. 2 EStG lediglich die im abgelaufenen Beitragsjahr getroffenen, aufgehobenen oder geänderten Ermittlungsergebnisse nach § 90 EStG.

§ 90 EStG betrifft allein die Gewährung der Zulage an sich und deren Höhe. Ob die Zulage an den Zulageberechtigten aufgrund einer unmittelbaren Berechtigung nach § 79 Satz 1 EStG oder aufgrund einer mittelbaren Berechtigung nach § 79 Satz 2 EStG gewährt wird, ist schon nach dem Wortlaut des § 90 EStG dem Anbieter nicht mitzuteilen. Folglich kann er insoweit keine Bescheinigung nach § 92 EStG ausstellen. Deshalb enthalten auch die Muster der Bescheinigungen nach § 92 EStG, die das Bundesamt für Finanzen für die Streitjahre veröffentlicht hat4, keine Unterscheidung in Bezug auf die Art der Zulageberechtigung.

Darüber hinaus scheitert eine Qualifikation der Mitteilung nach § 91 Abs. 1 Satz 4 EStG als Grundlagenbescheid an dem Vorliegen einer gesetzlichen Bestimmung i.S. des § 179 Abs. 1 AO, die es ermöglicht, abweichend von § 157 Abs. 2 AO die Besteuerungsgrundlagen, hier also einen Sonderausgabenabzug nach § 10a EStG bzw. dessen nachträgliche Versagung, gesondert festzustellen.

Der Mitteilung nach § 91 Abs. 1 Satz 4 Halbsatz 1 EStG kommt auch keine grundlagenbescheidsähnliche Wirkung zu. Unabhängig davon, dass eine solche Wirkung mangels Bekanntgabe an den Zulageberechtigten überhaupt nicht eintreten konnte (vgl. § 124 Abs. 1 Satz 1 AO), fehlt es bereits an einer entsprechenden Formulierung in § 91 Abs. 1 Satz 4 EStG. Auch § 10a EStG enthält keinen Hinweis auf eine solche Bindungswirkung.

Der Wortlaut des § 91 Abs. 1 Satz 4 Halbsatz 1 EStG sieht lediglich vor, dass das Finanzamt aufgrund der Mitteilung der ZfA die Steuerfestsetzung oder die gesonderte Feststellung gemäß § 10a Abs. 4 EStG zu ändern hat. Diese Änderungsnorm ist aber nicht mit einer inhaltlichen Bindungswirkung ausgestaltet worden. Denn eine Bindungswirkung, wie sie § 182 Abs. 1 Satz 1 AO für den Fall von Feststellungsbescheiden ausdrücklich vorsieht, fehlt in Bezug auf § 91 Abs. 1 Satz 4 EStG ebenso wie ein Hinweis auf die Vorschriften des § 171 Abs. 10, § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 351 Abs. 2 AO oder § 42 FGO. Im Gegensatz dazu sieht z.B. § 10d Abs. 4 Satz 4 EStG eine entsprechende Anwendung dieser Vorschriften für den Fall der Verlustfeststellung vor. Erst die Nennung dieser im Fall eines Grundlagenbescheides relevanten Verfahrensvorschriften führt dazu, dass die höchstrichterliche Rechtsprechung von einer inhaltlichen Bindung des Einkommensteuer, Körperschaftsteuer- bzw. Gewerbebesteuermessbescheides für den Verlustfeststellungsbescheid ausgeht, obwohl diese gerade keine Grundlagenbescheide für den Verlustfeststellungsbescheid sind5.

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Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus § 10a Abs. 5 Satz 4 (heute Satz 5) EStG. Diese Vorschrift sieht in Abs. 5 Satz 4 (heute Abs. 5 Satz 5) zwar die Überprüfung der übrigen Voraussetzungen für den Sonderausgabenabzug nach § 10a Abs. 1 bis 3 EStG im Wege der Datenerhebung und des automatisierten Datenabgleichs nach § 91 EStG und damit durch die ZfA vor. Eine rechtliche Bindungswirkung des Finanzamt an das Überprüfungsergebnis folgt daraus aber nicht. Vielmehr dient die Vorschrift schon vom Wortlaut her allein der Klarstellung, dass diese Voraussetzungen durch die ZfA im Rahmen des auf der sog. zweiten Stufe vorgesehenen Datenabgleichs6 automatisiert überprüft werden können.

Aus der Entstehungsgeschichte des § 91 Abs. 1 Satz 4 EStG lässt sich ebenfalls nichts Gegenteiliges ableiten. Im Rahmen des Jahressteuergesetzes 2008 (JStG 2008) vom 20.12.20077 wurde die Formulierung, dass „die Steuerfestsetzung oder die gesonderte Feststellung insoweit zu ändern ist“, mit Rückwirkung ab dem Veranlagungszeitraum 2002 (§ 52 Abs. 65 EStG i.d.F. JStG 2008) eingefügt. Hierdurch sollte lediglich klarer zum Ausdruck gebracht werden, dass § 91 Abs. 1 Satz 4 EStG nicht nur eine Mitteilungspflicht beinhaltet, sondern -wie sich aus Halbsatz 2 der Regelung ergibt- eine spezialgesetzliche Änderungsvorschrift i.S. von § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d AO ist8. Von einer Grundlagenbescheidswirkung i.S. des § 171 Abs. 10, § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO ist hingegen nicht die Rede. Es war allein Sinn und Zweck der Änderung, dem Finanzamt eine Korrekturvorschrift im Fall der Mitteilung nach § 91 Abs. 1 Satz 4 EStG zur Verfügung zu stellen.

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Es muss im Übrigen deutlich zwischen einer gebundenen, also nicht in das Ermessen der Finanzbehörde gestellten Änderung aufgrund des § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d EStG und einem darüber hinausgehenden Anpassungszwang nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO unterschieden werden.

Zwar schreibt § 91 Abs. 1 Satz 4 Halbsatz 2 EStG i.V.m. § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d AO vor, die Steuerfestsetzung zu ändern. Dieses ist jedoch nicht gleichzusetzen mit der Bindungswirkung aufgrund des Vorliegens eines Grundlagenbescheides nach § 171 Abs. 10 AO. Die Regelung des § 91 Abs. 1 Satz 4 Halbsatz 2 EStG beschränkt sich allein darauf, eine Ermessensentscheidung des Finanzamt, wie sie § 172 Abs. 1 Satz 1 AO ansonsten jedenfalls von seinem Wortlaut her vorsieht, zu verneinen. Das Finanzamt hat die Steuerfestsetzung nach Erhalt der Mitteilung nach § 91 Abs. 1 Satz 4 Halbsatz 1 EStG grundsätzlich zu ändern. Dies beinhaltet jedoch keine darüber hinausgehende inhaltliche Bindung an die Mitteilung. Vielmehr bleibt das Finanzamt auch weiterhin verpflichtet, die Steuerfestsetzung auf ihre materielle Richtigkeit hin zu überprüfen. Im Fall einer materiell-rechtlich fehlerhaften Mitteilung ist eine Änderung trotz Existenz einer Mitteilung nach § 91 Abs. 1 Satz 4 Halbsatz 1 EStG nicht möglich.

Gegen eine inhaltliche Bindungswirkung der Mitteilung nach § 91 Abs. 1 Satz 4 Halbsatz 1 EStG spricht im Übrigen die Ausgestaltung der Günstigerprüfung in § 10a Abs. 2 EStG. Hiernach hat das Finanzamt lediglich den Anspruch auf die Zulage nach Abschnitt XI des EStG mit den dort beschriebenen steuerlichen Auswirkungen des Sonderausgabenabzugs zu vergleichen. Eines Antrags auf Zulage, wie ihn § 89 Abs. 1 Satz 1 EStG vorsieht, bedarf es ebenso wenig wie der Gewährung einer Zulage. Dies macht deutlich, dass der Gesetzgeber gerade zwei voneinander selbständige Verfahren im Zusammenhang mit der Förderung der Altersvorsorgebeiträge schaffen wollte. § 91 Abs. 1 Satz 4 EStG dient deshalb allein der Information der Finanzämter (FÄ) und schafft eine Änderungsbefugnis i.S. des § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d EStG.

Eine inhaltliche Anfechtungsbeschränkung der Einkommensteuerbescheide kann sich hinsichtlich des Sonderausgabenabzugs nach § 10a Abs. 1 Satz 1 EStG zudem nicht aus der einfachgesetzlich nicht geregelten Tatbestandswirkung ressortfremder Entscheidungen ergeben9.

Zwar können ressortfremde Verwaltungsakte, die keine Grundlagenbescheide i.S. von § 171 Abs. 10 Satz 1 AO sind, als feststehende Tatsache bzw. Besteuerungsgrundlage für das Finanzamt und auch für das Finanzgericht bindend sein. Diese Tatbestandswirkung führt dazu, dass sie im Besteuerungsverfahren als gegeben hinzunehmen und nicht etwa daraufhin zu überprüfen sind, ob sie dem materiellen Recht entsprechen. Die Tatbestandswirkung ressortfremder Entscheidungen ist Ausfluss des Rechtsstaatsprinzips aus Art.20 Abs. 3 GG. Es bezweckt, dass die Entscheidung über Rechtmäßigkeit und Bestand eines behördlichen Bescheides den dazu berufenen Spezialgerichten vorbehalten bleibt10. Dem hiervon Betroffenen werden deshalb keine Rechtsschutzmöglichkeiten genommen11.

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Allerdings ist die Mitteilung nach § 91 Abs. 1 Satz 4 EStG keine solche ressortfremde Entscheidung. Zunächst fehlt es bereits an dem Vorliegen eines Verwaltungsakts. Darüber hinaus liegt kein ressortfremdes Verwaltungsverfahren vor. Die ZfA ist im Verhältnis zu den FÄ gerade keine ressortfremde Behörde.

Die ZfA als Teil der Deutschen Rentenversicherung Bund wird als zentrale Stelle gemäß § 81 EStG bei der Sammlung, Auswertung und Weitergabe der Daten, die nach § 10a Abs. 5 EStG in den dort genannten Fällen zu übermitteln sind (§ 5 Abs. 1 Nr. 18 Satz 1 Buchst. b des Finanzverwaltungsgesetzes -FVG-) und der Gewährung der Altersvorsorgezulage nach Abschnitt XI des EStG (§ 5 Abs. 1 Nr. 18 Satz 1 Buchst. f FVG) nicht als Träger der Rentenversicherung, sondern im Wege der Organleihe für das Bundeszentralamt für Steuern tätig und handelt insoweit als Finanzbehörde (§ 6 Abs. 2 Nr. 7 AO).

Im Übrigen ist zu berücksichtigen, dass die BFH-Rechtsprechung die Tatbestandswirkung eines ressortfremden Verwaltungsakts im finanzbehördlichen oder -gerichtlichen Verfahren jedenfalls dann verneint, wenn diese Entscheidung „offensichtlich rechtswidrig“ ist12. Dies dürfte vorliegend anzunehmen sein.

Für die vom Bundesfinanzhof vorgenommene Gesetzesauslegung spricht auch, dass sie im Fall einer fehlerhaften Mitteilung die Gewährung umfassenden Rechtsschutzes zugunsten des Steuerpflichtigen sicherstellt. Dies ist insbesondere deshalb geboten, weil die in § 90 Abs. 4 Satz 2 EStG genannte Frist für den Antrag auf Festsetzung der Zulage in vielen Fällen bereits abgelaufen sein wird, bevor der Steuerpflichtige von der fehlerhaften Mitteilung überhaupt erfahren hat. Damit kann das Instrument des Antrags auf Festsetzung der Zulage allein noch keinen effektiven Rechtsschutz gewährleisten.

Nichts anderes ergibt sich aus dem Gesichtspunkt einer möglichst effizienten Verwaltung, dem Verfassungsrang gemäß Art. 108 GG zukommt13. Insoweit hat der Bundesfinanzhof zwar in diesem Urteil ausgeführt, dass der Zulageberechtigte Beeinträchtigungen aufgrund der Automatisierung bei der Bearbeitung der Altersvorsorgezulage hinnehmen müsse. Ein potentieller Ausschluss der Gewährung von Rechtsschutz aufgrund eines nicht abgestimmten Verfahrens der Prüfung durch die ZfA und der Mitteilung im Rahmen des geänderten Einkommensteuerbescheides durch das Finanzamt ist damit allerdings nicht gemeint. Auch eine effizient arbeitende Verwaltung hat effektiven Rechtsschutz zu gewähren. Dies ist im Rahmen des Rechtsbehelfsverfahrens gegen den Einkommensteuerbescheid möglich, da der Zulageberechtigte ohne Beachtung weiterer formeller Bindungen eine Fehlerhaftigkeit des Überprüfungsergebnisses der ZfA darlegen kann.

Im Übrigen geht das Finanzamt fehl in der Annahme, der Bundesfinanzhof habe eine Verletzung des Gebots effektiven Rechtsschutzes nicht für unverhältnismäßig gehalten, weil die Funktionsfähigkeit der Verwaltung Verfassungsrang genieße. Der Bundesfinanzhof kann in seinem Urteil in BFHE 247, 312, BStBl II 2015, 371, Rz 45 ff. nur so verstanden werden, dass bei der Gewährung geringer Zulagen die Beeinträchtigung einer zeitnahen Überprüfung der Rechtmäßigkeit aufgrund eines mehrstufigen automatisierten Verfahrens hingenommen werden muss. Dieses Zuwarten darf jedoch nicht zu einer Beeinträchtigung des effektiven Rechtsschutzes führen.

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Da das Finanzamt trotz der Mitteilung nach § 91 Abs. 1 Satz 4 EStG die Steuerbescheide zur Einkommensteuer 2010 und 2011 ändern konnte, kann der Bundesfinanzhof es im Übrigen offenlassen, ob deren Inhalt („der Anleger gehört nicht zum berechtigten Personenkreis“) überhaupt eine Abweichung in Bezug auf den Sonderausgabenabzug nach § 10a Abs. 1 Satz 1 EStG (i.V.m. § 10a Abs. 3 Satz 2 EStG) aufzeigt. Die steuerpflichtigen Ehegatten hatten stets angegeben, der Ehemann sei nicht unmittelbar zulagenberechtigt gemäß § 79 Satz 1 EStG, was ggf. so zu verstehen sein könnte, dass er nicht „zum berechtigten Personenkreis“ gehöre.

Bundesfinanzhof, Urteil vom 8. September 2020 – X R 16/19

  1. weiterführend BFH, Urteil vom 29.07.2015 – X R 11/13, BFHE 250, 531, BStBl II 2016, 18, Rz 17 ff., m.w.N.[]
  2. vgl. weiterführend nur BFH, Urteil vom 25.03.2015 – X R 20/14, BFHE 249, 475, BStBl II 2015, 709, Rz 38[]
  3. vgl. statt aller Banniza in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 171 AO Rz 202, m.w.N.[]
  4. vgl. nur BMF, Schreiben vom 09.01.2009 – IV C 3-S 2495/08/10003, 2009/0004504, BStBl I 2009, 46; und vom 10.10.2011 – IV C 3-S 2495/08/10003:002, 2011/0789638, BStBl I 2011, 964[]
  5. vgl. nur BFH, Urteil vom 16.05.2018 – XI R 50/17, BFHE 261, 342, BStBl II 2018, 752, Rz 20, m.w.N.[]
  6. vgl. insoweit BFH, Urteil vom 22.10.2014 – X R 18/14, BFHE 247, 312, BStBl II 2015, 371, Rz 41[]
  7. BGBl I 2007, 3150[]
  8. BT-Drs. 16/6739, 18[]
  9. vgl. zu diesem Institut ausführlich BFH, Urteil vom 21.01.2010 – VI R 52/08, BFHE 228, 295, BStBl II 2010, 703, Rz 19 ff.; Steinhauff, AO-Steuerberater -AO-StB- 2010, 271; von Wedelstädt, AO-StB 2014, 150[]
  10. vgl. etwa BGH, Urteil vom 19.06.1998 – V ZR 43/97, NJW 1998, 3055, unter II. 1.b, Rz 15[]
  11. BFH, Urteil in BFHE 228, 295, BStBl II 2010, 703, Rz 20[]
  12. BFH, Urteil in BFHE 228, 295, BStBl II 2010, 703, Rz 19[]
  13. so BFH, Urteil in BFHE 247, 312, BStBl II 2015, 371, Rz 45[]