Nach § 8 AO hat jemand (d.h. eine natürliche Person) einen Wohnsitz dort, wo er eine Wohnung unter Umständen innehat, die darauf schließen lassen, dass er die Wohnung beibehalten und benutzen kann. Zutreffend ist das Finanzgericht davon ausgegangen, dass ein Steuerpflichtiger gleichzeitig mehrere Wohnsitze haben kann und diese im Inland und/oder Ausland belegen sein können. Demgemäß ist es auch für das Vorliegen eines Wohnsitzes im Inland ohne Bedeutung, ob dieser den Mittelpunkt der Lebensinteressen der betreffenden Person bildet1.

Kennzeichnend für eine Wohnung ist, dass es sich -im Sinne einer bescheidenen Bleibe- um Räume handelt, die zum Bewohnen geeignet sind2. Zwischen den Beteiligten ist nicht streitig, dass die vom Kläger genutzte Wohnung in R diese Voraussetzung erfüllt hat. Der Bundesfinanzhof sieht insofern von weiteren Erläuterungen ab.
Der Begriff des Wohnsitzes setzt jedoch nach ständiger Rechtsprechung ferner voraus, dass der Steuerpflichtige die Wohnung innehat. Danach muss die Wohnung in objektiver Hinsicht dem Steuerpflichtigen jederzeit (wann immer er es wünscht) als Bleibe zur Verfügung stehen und zudem in subjektiver Hinsicht von ihm zu einer entsprechenden Nutzung, d.h. für einen jederzeitigen Wohnaufenthalt bestimmt sein. In dieser zur objektiven Eignung hinzutretenden subjektiven Bestimmung liegt der Unterschied zwischen dem bloßen Aufenthaltnehmen in einer Wohnung und dem Wohnsitz3. Diese Anforderungen gelten -wie der Bundesfinanzhof mit Urteil vom 10.04.2013 – I R 50/124 entschieden hat- gleichermaßen auch für im Inland belegene sog. Standby-Wohnungen, die beispielsweise von Piloten zusammen mit anderen Berufsangehörigen für die Ausübung ihrer nichtselbständigen Tätigkeit genutzt werden.
Hiervon unabhängig ist freilich die Frage, ob der Pilot seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hatte und aus diesem Grund unbeschränkt einkommensteuerpflichtig war (§ 1 Abs. 1 EStG 2002 i.V.m. § 9 AO). Die Frage nach Begründung des gewöhnlichen Aufenthalts ist dabei sowohl unter dem Gesichtspunkt des zeitlich zusammenhängenden Aufenthalts von mehr als sechs Monaten (§ 9 Satz 2 AO)5 als auch mit Rücksicht auf den Tatbestand des nicht nur vorübergehenden Verweilens im Inland (§ 9 Satz 1 AO)6 zu überprüfen.
Bundesfinanzhof, Urteil vom 13. November 2013 – I R 38/13
- BFH, Urteil vom 28.01.2004 – I R 56/02, BFH/NV 2004, 917, m.w.N.[↩]
- Buciek in Beermann/Gosch, AO § 8 Rz 15[↩]
- BFH, Urteile vom 26.02.1986 – II R 200/82, BFH/NV 1987, 301; vom 22.04.1994 – III R 22/92, BFHE 174, 523, BStBl II 1994, 887; vom 23.11.2000 – VI R 107/99, BFHE 193, 558, BStBl II 2001, 294; BFH, Urteil vom 19.03.1997 – I R 69/96, BFHE 182, 296, BStBl II 1997, 447[↩]
- BFH/NV 2013, 1909[↩]
- vgl. hierzu z.B. BFH, Urteil vom 22.06.2011 – I R 26/10, BFH/NV 2011, 2001[↩]
- vgl. hierzu -einschließlich der Rechtsprechung zu den Fällen der täglichen oder regelmäßigen Rückkehr zum ausländischen Wohnort- Buciek in Beermann/Gosch, AO § 9 Rz 16 ff.; Kruse in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 9 AO Rz 7; Löffler/Stadler, Internationales Steuerrecht 2008, 832[↩]