Die unter Nominalwert erworbene Kapitalforderung – und die Besteuerung ihrer Rückzahlung

Der Anspruch auf Auszahlung eines Körperschaftsteuerguthabens i.S. des § 37 Abs. 5 KStG ist eine sonstige Kapitalforderung nach § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG. Die Rückzahlung einer unter Nominalwert erworbenen Kapitalforderung ist nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7, Abs. 2 Satz 2 EStG zu besteuern und nicht in einen Zins- und Tilgungsanteil aufzuteilen. Die Anschaffungskosten für den Erwerb einer Forderung mit verschiedenen Fälligkeitszeitpunkten sind aufzuteilen und anteilig in dem Veranlagungszeitraum abziehbar, in dem die jeweils fällige Teilrückzahlung zufließt (§ 20 Abs. 4 Satz 1 EStG).

Die unter Nominalwert erworbene Kapitalforderung – und die Besteuerung ihrer Rückzahlung

Die Rückzahlung einer Forderung unterliegt nach der Einführung der Abgeltungsteuer zum 01.01.2009 der Besteuerung nach § 20 Abs. 2 Satz 2 EStG. Sie wird der Veräußerung i.S. des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG gleichgestellt. Hierdurch sollen alle Wertveränderungen im Zusammenhang mit Kapitalanlagen erfasst werden1. Da der Zessionar den am 23.09.2008 begründeten Anspruch erst nach dem 31.12.2008 erworben hat, ist § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7, Abs. 2 Satz 2 EStG anwendbar (vgl. § 52 Abs. 28 Satz 16 EStG; BFH, Urteil vom 09.07.2019 – X R 9/17, BFHE 265, 354, BStBl II 2021, 418, Rz 45).

Bei der hier streitgegenständlichen, vom Zessionar mit Kauf- und Abtretungsvertrag vom 08.08.2012 erworbenen Forderung auf Auszahlung des Körperschaftsteuerguthabens nach § 37 Abs. 5 KStG handelt es sich um eine sonstige Kapitalforderung i.S. des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG, deren Rückzahlung nach § 20 Abs. 2 Satz 2 EStG zu Kapitaleinkünften führt.

§ 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG erfasst sonstige Kapitalforderungen jeder Art i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG. Voraussetzung hierfür ist nach dem gesetzlichen Tatbestand, dass die Rückzahlung des Kapitalvermögens oder ein Entgelt für die Überlassung des Kapitalvermögens zur Nutzung zugesagt oder gewährt worden ist, auch wenn die Höhe des Entgelts von einem ungewissen Ereignis abhängt. Dies gilt unabhängig von der Bezeichnung und der zivilrechtlichen Ausgestaltung der Kapitalanlage. Der Rechtsgrund der Kapitalüberlassung bzw. des Anspruchs ist dabei ohne Bedeutung2. Er kann vertraglicher oder gesetzlicher, öffentlich-rechtlicher oder privatrechtlicher Natur sein3. Auch eine nicht freiwillige, sondern erzwungene Kapitalüberlassung kann zu Einnahmen aus Kapitalvermögen führen4. Dies gilt auch dann, wenn es sich um eine unverzinsliche Forderung handelt; denn § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG nimmt nur auf „sonstige Kapitalforderungen jeder Art i.S. des Abs. 1 Nr. 7“ Bezug und setzt nicht etwa voraus, dass auch laufende Erträge i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG vorliegen müssen5. Das Gesetz verlangt in § 20 Abs. 2 Satz 2 EStG nur eine Rückzahlung des Kapitals.

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Nach diesen Grundsätzen ist der auf eine Geldleistung gerichtete Anspruch auf Auszahlung eines Körperschaftsteuerguthabens gemäß § 37 Abs. 5 KStG in Form eines Steuererstattungsanspruchs6 eine sonstige Kapitalforderung i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG. Der Anspruch auf Auszahlung des verbleibenden Körperschaftsteuerguthabens entsteht zu dem im Gesetz genannten Stichtag. Zugleich hat der Gesetzgeber mit dem Zeitraum von 2008 bis 2017 und der Auszahlung in zehn gleichen Jahresbeträgen (ratenweise Auszahlung) in § 37 Abs. 5 KStG die Grundlagen festgelegt, in welchem Umfang und in welchem Zeitraum der Anspruch getilgt werden soll7 bzw. die einzelnen Raten fällig werden. Durch die zeitliche Streckung der Auszahlung ergibt sich eine erzwungene Kapitalüberlassung.

Dem steht nicht entgegen, dass der Zessionar nicht selbst eine Kapitalforderung i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG durch die Gewährung eines Darlehens begründet hat, sondern eine solche Forderung -vorliegend in Form des Anspruchs auf Auszahlung eines Körperschaftsteuerguthabens i.S. des § 37 Abs. 5 KStG- durch eine Abtretung entgeltlich erworben hat. Dies folgt bereits aus der Regelung des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG, der auch die Veräußerung und über § 20 Abs. 2 Satz 2 EStG auch die Rückzahlung einer erworbenen Kapitalforderung der Besteuerung unterwirft. Wie die Regelung des § 37 Abs. 5 Satz 10 KStG über die Nichtanwendung des § 46 Abs. 4 der Abgabenordnung (AO) zeigt, gilt dies auch für die Abtretung eines Anspruchs auf Auszahlung des Körperschaftsteuerguthabens. Denn danach ist der geschäftsmäßige Erwerb von Ansprüchen auf Erstattung von Körperschaftsteuerguthaben i.S. des § 37 Abs. 5 KStG zum Zwecke der Einziehung zulässig.

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Die Zahlung des Körperschaftsteuerguthabens in Höhe von 200.683 € fällt unter den Tatbestand der Rückzahlung i.S. des § 20 Abs. 2 Satz 2 EStG. Der Fiskus zahlte an den Zessionar, der infolge der Abtretung gemäß § 46 Abs. 1 bis 3 AO, §§ 398 ff. BGB hinsichtlich des Zahlungsanspruchs an die Stelle des bisherigen Gläubigers der Kapitalforderung -zuletzt die K-GmbH- getreten war8, um in Höhe der geleisteten Zahlung den Anspruch auf Auszahlung des Körperschaftsteuerguthabens nach § 37 Abs. 5 KStG zum Erlöschen zu bringen.

Damit sind die Voraussetzungen des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7, Abs. 2 Satz 2 EStG erfüllt. Dem steht auch § 37 Abs. 7 KStG nicht entgegen. Zwar gehören danach Erträge und Gewinnminderungen der Körperschaft, die sich aus der Anwendung des § 37 Abs. 5 KStG ergeben, nicht zu den Einkünften im Sinne des Einkommensteuergesetzes. Dies gilt jedoch nur für die Körperschaft selbst und nicht für Dritte, die den Anspruch auf Auszahlung des Körperschaftsteuerguthabens erworben haben9.

Das erstinstanzlich hiermit befasste Finanzgericht Düsseldorf10 hat den Gewinn in Höhe von 116.683 € zutreffend ermittelt. Der im Kaufvertrag vom 08.08.2012 vereinbarte Kaufpreis in Höhe von 210.000 € ist unter Berücksichtigung der Umstände des Streitfalls gemäß § 20 Abs. 4 Satz 1 EStG als Anschaffungskosten verhältnismäßig auf den Nominalwert der vom Zessionar erworbenen Forderung in Höhe von insgesamt 501.707, 67 € aufzuteilen. Dies gilt nach Auffassung des Bundesfinanzhofs unabhängig davon, wann die an den Zessionar abgetretenen Forderungen auf Erstattung des Körperschaftsteuerguthabens nach § 37 Abs. 5 KStG fällig geworden sind.

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Nach der Regelung des § 20 Abs. 4 Satz 1 EStG ist Gewinn bzw. Verlust i.S. des § 20 Abs. 2 EStG der Unterschied zwischen den Einnahmen aus der Veräußerung nach Abzug der Aufwendungen, die im unmittelbaren sachlichen Zusammenhang mit dem Veräußerungsgeschäft stehen, und den Anschaffungskosten. Anschaffungskosten sind gemäß § 255 des Handelsgesetzbuchs die Aufwendungen, die geleistet werden, um einen Vermögensgegenstand zu erwerben und ihn in einen betriebsbereiten Zustand zu versetzen, soweit sie dem Vermögensgegenstand einzeln zugeordnet werden können. Die Rückzahlung unterliegt im Rahmen der Gewinnermittlung den gleichen Grundsätzen wie die Veräußerung11.

Auf der Einnahmeseite hat das Finanzamt zu Recht die Zahlung des Fiskus von 200.683 € -in voller Höhe- als Einnahme i.S. des § 20 Abs. 2 Satz 2 EStG behandelt und diese nicht in einen nach § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG zu besteuernden Zinsanteil und einen nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7, Abs. 2 Satz 2 EStG zu besteuernden Tilgungsanteil aufgeteilt. Diese Vorgehensweise entspricht den Ausführungen des Gesetzgebers in der Begründung zum Unternehmensteuerreformgesetz 2008 vom 14.08.200712, wonach Erträge, die bei Rückzahlung, Einlösung oder Veräußerung realisiert werden, allein der Besteuerung nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG unterliegen13. Grund hierfür ist, dass nach der Einführung der Abgeltungsteuer die traditionelle quellentheoretische Trennung von Vermögens- und Ertragsebene für Einkünfte aus Kapitalvermögen aufgegeben wurde. Danach kommt es auf die Frage, ob in dem vom Zessionar erworbenen Anspruch auf Auszahlung des Körperschaftsteuerguthabens i.S. des § 37 Abs. 5 KStG aufgrund der gemäß § 37 Abs. 5 Satz 7 KStG gesetzlich angeordneten zinslosen Stundung und der Regelung des § 12 Abs. 3 des Bewertungsgesetzes ein Zinsanteil enthalten war bzw. dieser nur mit dem Barwert anzusetzen ist14, im vorliegenden Fall nicht an. Ein solcher Zinsanteil ist Teil des Gewinns aus der Rückzahlung der abgetretenen Kapitalforderung und gemäß § 20 Abs. 2 Satz 2 EStG steuerbar.

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Hinsichtlich der Ermittlung der abzuziehenden Anschaffungskosten im Streitjahr ist das Finanzgericht unter Berücksichtigung der Umstände des Streitfalls in Bezug auf die vertragliche Auslegung des Parteiwillens revisionsrechtlich bindend (§ 118 Abs. 2 FGO) davon ausgegangen, dass der im Forderungskauf- und Abtretungsvertrag vom 08.08.2012 vereinbarte Kaufpreis in Höhe von 210.000 € im Verhältnis zum Nominalwert der voll werthaltigen Forderung auf Erstattung des Körperschaftsteuerguthabens nach § 37 Abs. 5 KStG aufzuteilen ist15. Dabei war zu berücksichtigen, dass der Zessionar -entgegen der Auffassung des Finanzgerichts Düsseldorf – von der K-GmbH nicht drei nach den Zeitpunkten der Auszahlung in den Jahren 2015, 2016 und 2017 selbständige Ansprüche auf Auszahlung eines Körperschaftsteuerguthabens, sondern einen einheitlichen Auszahlungsanspruch mit drei verschiedenen Fälligkeitszeitpunkten in den Jahren 2015, 2016 und 2017 erworben hat. Dies entspricht der gesetzlichen Ausgestaltung des Anspruchs auf Auszahlung des Körperschaftsteuerguthabens in § 37 Abs. 5 KStG als einheitlichem Auszahlungsanspruch mit jeweils unterschiedlichen Fälligkeiten hinsichtlich der Jahresraten und der Vereinbarung eines einheitlichen Kaufpreises im Vertrag vom 08.08.2012. Danach sind die Aufwendungen für den Erwerb des Anspruchs auf Erstattung des Körperschaftsteuerguthabens i.S. des § 37 Abs. 5 KStG (Anschaffungskosten) erst in dem Veranlagungszeitraum -anteilig- abziehbar, in dem die jeweils fällige Teilrückzahlung zufließt. Nur mit diesem veranlagungszeitraumbezogenen Ausgleich zwischen den vom dem Steuerpflichtigen erwirtschafteten, steuerbaren Einnahmen und den zur Erzielung dieser Einnahmen aufgewendeten, anteiligen Ausgaben, tritt dem Prinzip der finanziellen Leistungsfähigkeit folgend eine periodengerechte Leistungsfähigkeitsbemessung nach dem objektiven Nettoprinzip ein16. Somit kann nicht bereits im Streitjahr -dem Jahr der ersten Teilrückzahlung- der gesamte Kaufpreis in Höhe von 210.000 € als Anschaffungskosten geltend gemacht werden, sondern ist dieser auf die Jahre der Fälligkeit der Auszahlung aufzuteilen.

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Setzt man den im Streitjahr fälligen Betrag von 200.683 € (Nominalwert der Teilrückzahlung in 2015) dementsprechend ins Verhältnis zum Gesamtnominalwert der im Vertrag erworbenen Forderung in Höhe von 501.707, 67 €, ergeben sich in Bezug auf den Gesamtkaufpreis in Höhe von 210.000 € im Streitjahr abzugsfähige Anschaffungskosten von 40 % in Höhe von 84.000 €. Der Zessionar hat danach einen Gewinn in Höhe von 116.683 € (Einnahmen in Höhe von 200.683 € abzüglich Anschaffungskosten in Höhe von 84.000 €) erzielt, der vom Finanzamt zu Recht der Besteuerung nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7, Abs. 2 Satz 2 EStG zugrunde gelegt wurde.

Bundesfinanzhof, Urteil vom 25. Oktober 2022 – VIII R 1/19

  1. vgl. BT-Drs. 16/4841, S. 56; BFH, Urteil vom 24.10.2017 – VIII R 13/15, BFHE 259, 535, BStBl II 2020, 831[]
  2. vgl. BFH, Urteil vom 20.10.2015 – VIII R 40/13, BFHE 252, 260, BStBl II 2016, 342, Rz 26[]
  3. z.B. Schmidt/Levedag, EStG, 41. Aufl., § 20 Rz 115; Buge in Herrmann/Heuer/Raupach -HHR-, § 20 EStG Rz 294; Bleschick in Kirchhof/Seer, EStG, 21. Aufl., § 20 Rz 111; Brandis/Heuermann/Ratschow, § 20 EStG Rz 308a[]
  4. z.B. BFH, Urteil in BFHE 252, 260, BStBl II 2016, 342 Rz 26, m.w.N.; zu Steuererstattungsansprüchen vgl. BFH, Urteil vom 08.04.1986 – VIII R 260/82, BFHE 146, 408, BStBl II 1986, 557[]
  5. vgl. zum Verhältnis von § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 und Abs. 1 Nr. 7 EStG: HHR/Buge, § 20 EStG Rz 421[]
  6. s. hierzu BFH-Vorlagebeschluss vom 10.08.2011 – I R 39/10, BFHE 234, 396, BStBl II 2012, 603, Rz 37[]
  7. vgl. HHR/Thurmayr, § 37 KStG Rz 105[]
  8. BFH, Urteile vom 19.04.1977 – VII R 44/73, BFHE 123, 225; und vom 09.04.1986 – I R 62/81, BFHE 146, 344, BStBl II 1986, 565[]
  9. vgl. BT-Drs. 16/3369, S. 9; BFH, Urteil vom 28.11.2018 – I R 56/16, BFHE 263, 401, BStBl II 2020, 104, Rz 19; BMF, Schreiben vom 14.01.2008, BStBl I 2008, 280; Bott in Bott/Walter, KStG, § 37 Rz 256; Förster/Felchner, Deutsches Steuerrecht 2007, 280, 282[]
  10. FG Düsseldorf, Urteil vom 20.11.2018 – 13 K 2486/17 E[]
  11. BFH, Urteil in BFHE 259, 535, BStBl II 2020, 831, Rz 14[]
  12. BGBl I 2007, 1912[]
  13. BT-Drs. 16/4841, S. 54; s.a. zur Zuordnung von offen ausgewiesenen Stückzinsen zu § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG bei der Veräußerung einer Kapitalforderung BFH, Urteil vom 07.05.2019 – VIII R 31/15, BFHE 265, 76, BStBl II 2019, 577, Rz 7 und 8[]
  14. s. hierzu BMF, Schreiben in BStBl I 2008, 280; Bott in Bott/Walter, a.a.O., § 37 Rz 252 ff.; HHR/Thurmayr, § 37 KStG Rz 110 ff.[]
  15. vgl. im Ergebnis auch BMF, Schreiben vom 19.05.2022, BStBl I 2022, 742, Rz 61a[]
  16. vgl. BFH, Urteil vom 06.12.2016 – IX R 18/16, BFHE 256, 308, BStBl II 2017, 676, Rz 18[]
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