Kosten der Unterkunft eines Studenten am Studienort können als vorab entstandene Werbungskosten nach § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG in Abzug gebracht werden, wenn der Studienort nicht der Lebensmittelpunkt des Steuerpflichtigen ist. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG kommt schon deshalb nicht zur Anwendung, weil eine Hochschule kein Beschäftigungsort im Sinne der Vorschrift ist1. Ein Student, der seinen Lebensmittelpunkt an den Studienort verlagert hat, ist dagegen regelmäßig nicht auswärts untergebracht i.S. des § 10 Abs. 1 Nr. 7 Satz 3 EStG.

Werbungskosten, nämlich Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG liegen vor, wenn sie durch den Beruf oder durch die Erzielung steuerpflichtiger Einnahmen veranlasst sind. Sie sind beruflich veranlasst, wenn ein objektiver Zusammenhang mit dem Beruf besteht und die Aufwendungen subjektiv zur Förderung des Berufs getätigt werden. Dies gilt grundsätzlich auch dann, wenn der Steuerpflichtige gegenwärtig noch keine Einnahmen erzielt. Dann sind die Aufwendungen als vorab entstandene Werbungskosten abziehbar, wenn sie in einem hinreichend konkreten, objektiv feststellbaren Veranlassungszusammenhang mit späteren Einnahmen stehen. Das kann auch bei einer berufsbezogenen Bildungsmaßnahme der Fall sein2.
Diese Voraussetzungen sind hier nach den Feststellungen des Finanzgericht erfüllt. § 9 Abs. 6 EStG3 steht dem nicht entgegen, weil der Kläger vor Beginn seines Studiums eine (erste) Berufsausbildung im Sinne dieser Vorschrift absolviert hat4.
Als Werbungskosten abziehbar sind sämtliche Aufwendungen, die im Zusammenhang mit der beruflichen Bildungsmaßnahme stehen, also i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG beruflich veranlasst sind. Hierzu gehören beispielsweise Fahrt- bzw. Mobilitätskosten5. Da die Kosten für beruflich veranlasste auswärtige Übernachtungen zu den im Rahmen des objektiven Nettoprinzips abziehbaren beruflichen Aufwendungen gehören, können –wie bei einer Auswärtstätigkeit6– grundsätzlich auch die durch eine Bildungsmaßnahme veranlassten Unterkunftskosten Werbungskosten gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG sein.
Dabei kommt § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG nicht zur Anwendung. Eine doppelte Haushaltsführung setzt voraus, dass der Arbeitnehmer außerhalb des Ortes, an dem er einen eigenen Hausstand unterhält, beschäftigt ist und auch wohnt. Das ist typischerweise dann der Fall, wenn sich der Arbeitnehmer am Ort einer Arbeitsstätte i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG eine Unterkunft nimmt. Beschäftigungsort i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG ist somit der Ort der regelmäßigen Arbeitsstätte7. Unter regelmäßiger Arbeitsstätte i.S. von § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG versteht der BFH nach neuerer Rechtsprechung nur eine ortsfeste dauerhafte betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers und damit regelmäßig den Betrieb des Arbeitgebers. Eine arbeitgeberfremde Bildungseinrichtung, wie eine Universität, ist nicht als regelmäßige Arbeitsstätte anzusehen8. Sucht ein Steuerpflichtiger, wie im Streitfall, eine solche Einrichtung auf, kommt § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG ebenso wenig wie bei der Auswärtstätigkeit eines Arbeitnehmers in Betracht.
Kosten der Unterkunft sind jedoch nur dann durch die Bildungsmaßnahme und damit beruflich veranlasst, wenn es sich dabei um notwendige Mehraufwendungen handelt. Das ist nur dann der Fall, wenn der Ort der Bildungsmaßnahme, hier der Studienort, nicht der Lebensmittelpunkt des Steuerpflichtigen ist und die Unterkunft dort zur Wohnung am Ort des Lebensmittelpunkts hinzukommt. Ob die außerhalb des Studienorts belegene Wohnung als Mittelpunkt seiner Lebensinteressen anzusehen ist, ist anhand einer Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalls festzustellen9.
Allerdings ist, so der Bundesfinanzhof, zu prüfen, ob sich der Lebensmittelpunkt des (ledigen) Studenten auch weiterhin in seinem Heimatort befand. Zwar ist die Vorinstanz zu dem Ergebnis gekommen, dass der Student dort keinen eigenen Hausstand i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 2 EStG unterhalten habe10. Auch gehört zum Unterhalten eines eigenen Hausstands insoweit, dass dieser der Lebensmittelpunkt des Arbeitnehmers geblieben ist11. Dennoch ist damit keine ausreichenden Feststellungen zur Frage des Lebensmittelpunkts getroffen. Denn die Führung eines eigenen Hausstands durch den Studenten war schon deshalb zu verneinen, weil dieser in den elterlichen Haushalt eingegliedert war. Dies ist jedoch für die Abziehbarkeit von Unterkunftskosten gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG kein Kriterium. Ein Student kann, wie ein Arbeitnehmer im Rahmen einer Auswärtstätigkeit, seinen Lebensmittelpunkt auch dann weiterhin in seinem Heimatort haben, wenn er dort über keinen eigenen Hausstand i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 2 EStG verfügt.
Kommt ein Abzug der Unterkunftskosten gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG nicht in Betracht, scheidet auch eine steuerliche Berücksichtigung nach § 10 Abs. 1 Nr. 7 Satz 3 EStG aus. Zwar ist, wie der Einleitungssatz des § 10 Abs. 1 EStG deutlich macht, ein Sonderausgabenabzug grundsätzlich zulässig, wenn konkrete Bildungskosten die Voraussetzungen des § 9 EStG nicht erfüllen und damit keine Werbungskosten sind. Unterkunftskosten sind jedoch nur unter den Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Nr. 7 Satz 3 EStG –also bei einer auswärtigen Unterbringung– abziehbar. Bei einem steuerpflichtigen Studenten, der seinen Lebensmittelpunkt an den Studienort verlagert hat, kann regelmäßig nicht von einer auswärtigen „Unterbringung“ ausgegangen werden.
Bundesfinanzhof, Urteil vom 19. September 2012 – VI R 78/10
- Anschluss an BFH, Urteil vom 09.02.2012 – VI R 44/10, BFHE 236, 431, und VI R 42/11, BFHE 236, 439[↩]
- ständige Rechtsprechung, s. etwa BFH, Urteil vom 27.10.2011 – VI R 52/10, BFHE 235, 444[↩]
- i.d.F. des Beitreibungsrichtlinie-Umsetzungsgesetzes vom 07.12.2011, BGBl I 2011, 2592[↩]
- BFH, Urteil vom 09.02.2012 – VI R 42/11, BFHE 236, 439; s. auch BFH, Urteil vom 18.06.2009 – VI R 79/06[↩]
- s. dazu BFH, Urteile in BFHE 236, 439; und vom 09.02.2012 – VI R 44/10, BFHE 236, 431[↩]
- s. dazu BFH, Urteil vom 11.05.2005 – VI R 7/02, BFHE 209, 502, BStBl II 2005, 782[↩]
- BFH, Entscheidungen in BFHE 209, 502, BStBl II 2005, 782; vom 11.05.2005 – VI R 34/04, BFHE 209, 527, BStBl II 2005, 793[↩]
- BFH, Urteil in BFHE 236, 439[↩]
- vgl. im Einzelnen BFH, Entscheidungen vom 09.08.2007 – VI R 10/06, BFHE 218, 380, BStBl II 2007, 820; vom 09.07.2008 – VI B 4/08, BFH/NV 2008, 2000; jeweils m.w.N.[↩]
- s. dazu BFH, Urteil vom 28.03.2012 – VI R 87/10, BFHE 236, 553[↩]
- BFH, Urteil in BFHE 218, 380, BStBl II 2007, 820[↩]