Veräußert der geschiedene Ehegatte im Rahmen der Vermögensauseinandersetzung anlässlich der Ehescheidung seinen Miteigentumsanteil an dem gemeinsamen Einfamilienhaus an den früheren Ehepartner, kann der Verkauf als privates Veräußerungsgeschäft der Besteuerung unterfallen.

Eine (willentliche) Veräußerung i.S. des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG kann auch dann vorliegen, wenn der Ehegatte seinen Miteigentumsanteil an dem im Miteigentum beider Ehepartner stehenden Einfamilienhaus vor dem Hintergrund der drohenden Zwangsvollstreckung im Rahmen einer Scheidungsfolgenvereinbarung (entgeltlich) auf seinen geschiedenen Ehepartner innerhalb der Haltefrist überträgt. Der Ehegatte nutzt seinen Miteigentumsanteil nach dem Auszug aus dem Familienheim nicht mehr zu eigenen Wohnzwecken i.S. des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG, wenn der geschiedene Ehepartner und das gemeinsame minderjährige Kind weiterhin dort wohnen.
In dem aktuell vom Bundesfinanzhof entschiedenen Fall hatte der Ehemann zusammen mit seiner früheren Ehefrau im Jahr 2008 ein Einfamilienhaus erworben und dieses zunächst mit ihrem gemeinsamen Kind bewohnt. Nachdem die Ehe in die Krise geriet, zog der Ehemann 2015 aus dem Objekt aus. Die Ehefrau verblieb mit dem gemeinsamen Kind in der Immobilie. Anschließend wurde die Ehe geschieden.
Im Rahmen der Vermögensauseinandersetzung im Scheidungsverfahren kam es zwischen den getrennt lebenden Ehepartnern zum Streit über die Immobilie. Nachdem die Ehefrau dem Ehemann die Versteigerung angedroht hatte, veräußerte der Ehemann im Jahr 2017 seinen hälftigen Miteigentumsanteil an die Ehefrau. Diese nutzte die Immobilie weiterhin mit dem gemeinsamen Kind zu eigenen Wohnzwecken. Das Finanzamt unterwarf den Gewinn aus der Veräußerung des Miteigentumsanteils der Einkommensteuer.
Das erstinstanzlich hiermit befasste Finanzgericht München wies die dagegen erhobene Klage ab1. Eine Nutzung zu eigenen Wohnzwecken i.S. des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG liege nicht vor. Von einer eigenen Wohnnutzung durch den Ehemann sei nach dessen trennungsbedingtem Auszug aus dem gemeinsamen Familienheim nicht mehr auszugehen. Eine Wohnnutzung durch ihn persönlich oder durch ihn persönlich und seine Familienangehörigen oder Dritte habe nicht mehr stattgefunden. Zudem seien keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass es sich nur um eine vorübergehende Trennung gehandelt haben könnte. Eine alleinige Wohnnutzung des hälftigen Miteigentumsanteils des Ehemanns durch dessen minderjährigen Sohn, die dem Ehemann nach den Grundsätzen des Urteils des Bundesfinanzhofs vom 21.05.20192 zuzurechnen wäre, sei ebenfalls nicht anzunehmen. Zudem habe sich der Ehemann nicht in einer -den Veräußerungstatbestand ausschließenden- Zwangslage befunden. Vielmehr sei von einer „wirtschaftlichen Betätigung“ auszugehen.
Der Bundesfinanzhof bestätigte diese Entscheidung und wies nun auch die hiergegen gerichtete Revision des Ehemannes als unbegründet zurück: Ein steuerpflichtiges privates Veräußerungsgeschäft liegt vor, wenn eine Immobilie innerhalb von 10 Jahren angeschafft und wieder veräußert wird. Dies gilt auch für einen hälftigen Miteigentumsanteil, der im Rahmen der Vermögensauseinandersetzung nach einer Ehescheidung von einem Miteigentümer an den anderen veräußert wird. Zwar ist die Veräußerung einer Immobilie dann nicht steuerbar, wenn die Immobilie durchgängig zwischen Anschaffung und Veräußerung oder im Jahr der Veräußerung und in den beiden vorangegangenen Jahren zu eigenen Wohnzwecken genutzt wird. Ein in Scheidung befindlicher Ehegatte nutzt das in seinem Miteigentum stehende Immobilienobjekt aber nicht mehr zu eigenen Wohnzwecken, wenn er ausgezogen ist und nur noch sein geschiedener Ehegatte und das gemeinsame Kind weiterhin dort wohnen. Eine das Vorliegen eines privaten Veräußerungsgeschäfts ausschließende Zwangslage, wie z.B. bei einer Enteignung oder einer Zwangsversteigerung, lag nicht vor. Zwar hatte die geschiedene Ehefrau ihren Ex-Partner erheblich unter Druck gesetzt. Letztlich hat dieser aber seinen Anteil an dem Einfamilienhaus an seine geschiedene Frau freiwillig veräußert.
Der Ehemann hat im Streitjahr den Tatbestand der Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften gemäß § 22 Nr. 2 i.V.m. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 EStG verwirklicht.
Nach § 22 Nr. 2 EStG zählen zu den sonstigen Einkünften (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 EStG) auch Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften i.S. des § 23 EStG. Dazu gehören gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG Veräußerungsgeschäfte bei Grundstücken und Rechten, die den Vorschriften des bürgerlichen Rechts über Grundstücke unterliegen (z.B. Erbbaurecht, Mineralgewinnungsrecht), bei denen der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als zehn Jahre beträgt.
Die in § 23 EStG verwendeten Begriffe „Anschaffung“ und „Veräußerung“ erschließen sich aus den Bestimmungen des § 6 EStG, des § 255 Abs. 1 des Handelsgesetzbuchs und der §§ 135, 136 BGB. Unter Anschaffung bzw. Veräußerung i.S. des § 23 EStG ist danach der entgeltliche Erwerb und die entgeltliche Übertragung eines Wirtschaftsguts auf eine andere Person zu verstehen3.
Nach dem Wortlaut sowie dem Sinn und Zweck des § 23 EStG sollen innerhalb der Veräußerungsfrist realisierte Wertänderungen eines bestimmten Wirtschaftsguts im Privatvermögen des Steuerpflichtigen der Einkommensteuer unterworfen werden, soweit sie auf der entgeltlichen „Anschaffung“ und der entgeltlichen „Veräußerung“ des nämlichen Wirtschaftsguts innerhalb der maßgeblichen Haltefrist beruhen4.
Der entgeltliche Erwerb -die Anschaffung- und die entgeltliche Übertragung des nämlichen Wirtschaftsguts auf eine andere Person -die Veräußerung- müssen wesentlich vom Willen des Steuerpflichtigen abhängen5 und mithin Ausdruck einer „wirtschaftlichen Betätigung“ sein6.
Die Frage, ob ein vom Steuerpflichtigen tatbestandlich verwirklichtes privates Veräußerungsgeschäft in diesem Sinne unter Zwang abgeschlossen wurde, ist im Wesentlichen Tatfrage. Die tatsächlichen Feststellungen des Finanzgericht sind vom Revisionsgericht nur daraufhin zu prüfen, ob das Finanzgericht im Rahmen der Gesamtwürdigung von zutreffenden Kriterien ausgegangen ist, alle maßgeblichen Beweisanzeichen in seine Beurteilung einbezogen und dabei nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstoßen hat7.
Ausgehend von diesen Grundsätzen hat der Ehemann den Tatbestand des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 EStG verwirklicht, indem er seinen im Jahr 2008 erworbenen Miteigentumsanteil in der Scheidungsfolgenvereinbarung an seine geschiedene Ehefrau veräußert hat. Dass die Veräußerung des im Jahr 2008 erworbenen Miteigentumsanteils durch die im Jahr 2017 geschlossene Scheidungsfolgenvereinbarung innerhalb der zehnjährigen Haltefrist stattgefunden hat, bedarf daher keiner weitergehenden Erörterung.
Zu Recht hat das Finanzgericht in der Übertragung eine Veräußerung i.S. des § 23 Abs. 1 Satz 1 EStG gesehen. Entgegen der Ansicht der Revision ist eine solche nicht deshalb zu verneinen, weil der Ehemann ohne Übertragungswillen gehandelt und sich nicht wirtschaftlich betätigt habe.
Das Finanzgericht hat im Streitfall eine -den Veräußerungstatbestand ausschließende- Zwangslage mit der Erwägung abgelehnt, der Ehemann habe die Scheidungsfolgenvereinbarung nach Einholung steuerlicher Beratung selbst abgeschlossen. Da er durch die Veräußerung einen angemessenen Preis habe erzielen und einen mit der Zwangsversteigerung einhergehenden wirtschaftlichen Schaden habe abwenden wollen, liege darin eine wirtschaftliche Betätigung.
Dies hält revisionsrechtlicher Überprüfung stand. Die Vorinstanz ist von zutreffenden Kriterien ausgegangen, hat alle maßgeblichen Beweisanzeichen in die Gesamtwürdigung einbezogen und dabei nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstoßen. Der Ehemann veräußerte seinen Miteigentumsanteil im Rahmen der mit seiner geschiedenen Ehefrau abgeschlossenen Scheidungsfolgenvereinbarung willentlich. Ob er sich dabei in einer wirtschaftlichen oder emotionalen Zwangssituation befand, ist grundsätzlich ohne Bedeutung. Der Motivlage kommt -abgesehen von den Fällen, in denen der Verlust des Eigentums (aufgrund eines Hoheitsakts) der freien Willensentschließung des Steuerpflichtigen entzogen ist- regelmäßig keine Relevanz zu8.
Soweit der Ehemann in der mündlichen Verhandlung vorgebracht hat, aufgrund drohender häuslicher Gewalt ihm und seinem Sohn gegenüber sei ein Verbleib im Einfamilienhaus weder möglich noch zumutbar gewesen, handelt es sich um neues tatsächliches Vorbringen. Dieses kann im Revisionsverfahren nicht berücksichtigt werden (§ 118 Abs. 2 FGO).
Der Befreiungstatbestand des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG ist nicht einschlägig.
§ 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG nimmt Wirtschaftsgüter, die im Zeitraum zwischen Anschaffung oder Fertigstellung und Veräußerung ausschließlich zu eigenen Wohnzwecken (1. Alternative) oder im Jahr der Veräußerung und in den beiden vorangegangenen Jahren zu eigenen Wohnzwecken (2. Alternative) genutzt wurden, von der Besteuerung aus. Die Freistellung nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG bewirkt eine Rückausnahme von der ausnahmsweisen, den Grundsatz der im Dualismus der Einkunftsarten verankerten Nichtsteuerbarkeit von Wertveränderungen privater Wirtschaftsgüter durchbrechenden Steuerbarkeit privater Veräußerungsgeschäfte9.
Die Bundesfinanzhofsrechtsprechung hat den Ausdruck „Nutzung zu eigenen Wohnzwecken“ in der dem Dualismus der Einkunftsarten wieder Geltung verschaffenden Ausnahmeregelung des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG -entsprechend deren Zweck, die Besteuerung eines Veräußerungsgewinns bei Aufgabe eines Wohnsitzes zu vermeiden10- stets sehr weit gefasst und eigenständig ausgelegt. Danach setzt der Ausdruck „Nutzung zu eigenen Wohnzwecken“ in beiden Alternativen des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG voraus, dass eine Immobilie zum Bewohnen dauerhaft geeignet ist; und vom Steuerpflichtigen auch bewohnt wird. Der Steuerpflichtige muss das Gebäude zumindest auch selbst nutzen; unschädlich ist, wenn er es gemeinsam mit seinen Familienangehörigen oder einem Dritten bewohnt11.
Ein Gebäude wird auch dann zu eigenen Wohnzwecken genutzt, wenn es der Steuerpflichtige nur zeitweilig bewohnt, sofern es ihm in der übrigen Zeit als Wohnung zur Verfügung steht12. Denn eine Nutzung „zu eigenen Wohnzwecken“ setzt weder die Nutzung als Hauptwohnung voraus noch muss sich dort der Schwerpunkt der persönlichen und familiären Lebensverhältnisse befinden. Ein Steuerpflichtiger kann deshalb mehrere Gebäude gleichzeitig zu eigenen Wohnzwecken nutzen. Erfasst sind daher auch Zweitwohnungen, nicht zur Vermietung bestimmte Ferienwohnungen und Wohnungen, die im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung genutzt werden. Ist deren Nutzung auf Dauer angelegt, kommt es nicht darauf an, ob der Steuerpflichtige noch eine (oder mehrere) weitere Wohnung(en) hat und wie oft er sich darin aufhält13. Eine sich auf mehrere Wohnungen beziehende Nutzung zu eigenen Wohnzwecken kann gerade auch dann vorliegen, wenn sich der Haushalt einer Familie auf mehrere Örtlichkeiten -etwa auf den Familienwohnsitz einerseits und den doppelten Haushalt am Ort der Berufstätigkeit sowie einen weiteren Haushalt am Studienort von einkommensteuerlich zu berücksichtigenden Kindern andererseits- verteilt14.
Keine Nutzung zu eigenen Wohnzwecken liegt vor, wenn der Steuerpflichtige die Wohnung entgeltlich oder unentgeltlich an einen Dritten überlässt, ohne sie zugleich selbst zu bewohnen15. Hingegen ist eine Nutzung zu eigenen Wohnzwecken -wie im Anwendungsbereich des § 10e EStG und des § 4 EigZulG- zu bejahen, wenn der Steuerpflichtige Teile einer zu eigenen Wohnzwecken genutzten Wohnung oder die Wohnung insgesamt einem einkommensteuerlich zu berücksichtigenden Kind unentgeltlich zur teilweisen oder alleinigen Nutzung überlässt. Die Nutzung der Wohnung durch das Kind ist dem Eigentümer in diesem Fall als eigene zuzurechnen, weil es ihm im Rahmen seiner unterhaltsrechtlichen Verpflichtung obliegt, für die Unterbringung des Kindes zu sorgen16.
Überlässt der Steuerpflichtige die Wohnung nicht ausschließlich einem einkommensteuerlich zu berücksichtigenden Kind (oder mehreren einkommensteuerlich zu berücksichtigenden Kindern) unentgeltlich zur Nutzung, sondern zugleich einem Dritten (z.B. der Kindesmutter bzw. dem Kindesvater), liegt keine begünstigte Nutzung des Steuerpflichtigen zu eigenen Wohnzwecken vor17.
Die höchstrichterliche Rechtsprechung zu § 10e EStG hat die Zurechnung der Wohnnutzung durch unterhaltsberechtigte Kinder (als „mittelbare Eigennutzung“) damit begründet, dass der Steuerpflichtige die Wohnung nach dem Wortsinn auch dann zu eigenen Wohnzwecken nutzt, wenn er „in Erfüllung seiner unterhaltsrechtlichen Verpflichtung seinem Kind außerhalb des Familienhaushalts eine Wohnung zur Verfügung stellt“. Die Nutzung der Wohnung durch das Kind ist dem Eigentümer als eigene zuzurechnen, weil es ihm obliegt, für die Unterbringung des Kindes zu sorgen18. Soweit die höchstrichterliche Rechtsprechung im Zusammenhang mit dem Begriff der „eigenen Wohnzwecke“ tatbestandlich auf die Vorschrift des § 32 EStG abgestellt hat, geschah dies vor dem Hintergrund der Annahme, dass der Gesetzgeber -aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung- bei den nach dieser Vorschrift zu berücksichtigenden Kindern typisierend eine Unterhaltspflicht und das Entstehen von Aufwendungen unterstellt.
Zwar ist das Merkmal „Nutzung zu eigenen Wohnzwecken“ in § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG im Ausgangspunkt so zu verstehen wie in § 10e EStG und § 4 EigZulG19. Allerdings ist in diesem Zusammenhang auch die unterschiedliche Zweckrichtung der Tatbestände zu beachten. Zweck der gesetzlichen Freistellungsregelung des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG ist -wie ausgeführt- nicht der Erwerb von Wohnungseigentum durch möglichst viele Bürger und damit die Förderung der Vermögensbildung20, sondern die Vermeidung der Besteuerung eines Veräußerungsgewinns bei Aufgabe eines Wohnsitzes und eine damit einhergehende Behinderung der beruflichen Mobilität21. Vor diesem Hintergrund setzt die Anwendbarkeit des Ausnahmetatbestands in § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG entsprechend seiner Zweckrichtung dem Grunde nach voraus, dass eine Besteuerung der beruflichen Mobilität des Steuerpflichtigen entgegenstünde, was regelmäßig dann der Fall ist, wenn der Unterhaltsberechtigte -d.h. das nach § 32 EStG zu berücksichtigende Kind- im Falle eines beruflichen Wohnsitzwechsels des Steuerpflichtigen mitgehen würde22.
Unter Berücksichtigung dieses Gesetzeszwecks hat die höchstrichterliche Rechtsprechung -in Fortsetzung ihrer Rechtsprechung zu §§ 10e, 10f EStG und § 4 EigZulG- die Regelung in § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG dahin gedeutet, dass der Begriff der „eigenen“ Wohnzwecke nicht nur die Wohnzwecke des Steuerpflichtigen, sondern (mittelbar) auch die Wohnzwecke von Kindern, die nach § 32 EStG zu berücksichtigen sind, umfasst23; denn bei Kindern, für die der Steuerpflichtige kinderbezogene Leistungen beanspruchen kann, können auch das Bestehen einer Unterhaltspflicht und das Entstehen von Aufwendungen typisierend unterstellt werden. Nach Maßgabe dieser typisierenden Wertung wird eine vom Steuerpflichtigen zu Unterhaltszwecken unentgeltlich bereitgestellte Wohnung aber dann nicht mehr i.S. des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG (mittelbar) zu „eigenen Wohnzwecken“ (des Steuerpflichtigen) genutzt, wenn die Immobilie neben einem einkommensteuerlich nach § 32 EStG zu berücksichtigenden Kind auch anderen -ggf. auch aufgrund bürgerlich-rechtlicher Vorschriften unterhaltsberechtigten- Angehörigen überlassen wird. Die Wohnung ist dann nicht Teil des auf mehrere Örtlichkeiten verteilten Familienhaushalts. Eine Besteuerung des Veräußerungsgewinns würde der beruflichen Mobilität des Steuerpflichtigen regelmäßig nicht entgegenstehen24.
Wird der Miteigentumsanteil an einem bebauten Grundstück veräußert, ist für Zwecke der Befreiungsregelung des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG auf die Nutzung des Gebäudes (z.B. des Einfamilienhauses oder der Eigentumswohnung), an dem das Miteigentum besteht, abzustellen. Ein ideeller Miteigentumsanteil lässt sich nicht gegenständlich konkretisieren und mit einer konkreten Nutzung in Zusammenhang bringen; er ist nicht „bewohnbar“25.
Nach diesen Maßstäben nutzte der Ehemann das Einfamilienhaus nicht im Zeitraum zwischen Anschaffung (hier: 2008) und Veräußerung (hier: 2017) ausschließlich zu eigenen Wohnzwecken oder im Jahr der Veräußerung (2017) und in den beiden vorangegangenen Jahren (hier: 2015 und 2016) zu eigenen Wohnzwecken.Nach dem Auszug des Ehemannes im Jahr 2015 bewohnte der Ehemann das ehemalige Familienheim nicht mehr selbst. Ihm kann aber auch die Nutzung des Einfamilienhauses durch seinen Sohn (und seine geschiedene Ehefrau) nicht als Nutzung zu eigenen Wohnzwecken zugerechnet werden. Dies hat das Finanzgericht zu Recht erkannt.
Die Vorentscheidung hat in diesem Zusammenhang ausgeführt, eine alleinige Wohnnutzung des hälftigen Miteigentumsanteils des Ehemanns durch dessen im Zeitpunkt des Auszugs neunjährigen Sohn sei nicht vorstellbar; ein Kind in diesem Alter könne nicht eigenständig einen Haushalt führen. Vielmehr sei davon auszugehen, dass das Kind nach dem Auszug des Ehemanns im Haushalt von dessen geschiedener Ehefrau gelebt und der Ehemann seinen hälftigen Miteigentumsanteil beiden überlassen habe.
Dies hält rechtlicher Überprüfung jedenfalls im Ergebnis stand.
Soweit der Ehemann das in seinem Miteigentum stehende Einfamilienhaus seinem Sohn als einkommensteuerlich zu berücksichtigendem Kind unentgeltlich zur Nutzung überlassen haben will, könnte darin -jedenfalls bei isolierter Betrachtung- eine „mittelbare“ Nutzung zu eigenen Wohnzwecken zu sehen sein. Dies kann der Bundesfinanzhof jedoch offenlassen.
Denn nach dem Auszug des Ehemanns nutzte auch seine geschiedene Ehefrau das Einfamilienhaus zu (ihren) Wohnzwecken. Entgegen der Ansicht der Revision steht dem nicht entgegen, dass diese das ehemalige Familienheim (auch) aus eigenem Recht -aufgrund ihres hälftigen Miteigentumsanteils- bewohnte26. Das hälftige Miteigentum rechtfertigt nicht die Annahme, der in der Wohnung lebende Miteigentümer nutze nur seinen eigenen Miteigentumsanteil -quasi die Hälfte der Wohnung- zu eigenen Wohnzwecken. Bei Bruchteilseigentum wird die Sache nicht real geteilt; geteilt wird nur die Rechtszuständigkeit am gemeinschaftlichen Gegenstand. Ein vorrangiger Verbrauch des Miteigentumsanteils im Wege der Selbstnutzung findet dementsprechend nicht statt27. Ungeachtet dieser rechtlichen Beurteilung nutzte die geschiedene Ehefrau des Ehemanns das Einfamilienhaus nach dem Auszug des Ehemanns aber auch tatsächlich über ihren Miteigentumsanteil hinaus; sie bewohnte das gesamte ehemalige Familienheim zusammen mit ihrem Sohn. Die beiden Miteigentumsanteile lassen sich -wie bereits dargestellt- nicht gegenständlich konkretisieren und mit einer konkreten Nutzung in Zusammenhang bringen.
Die Nutzung des Einfamilienhauses durch die geschiedene Ehefrau des Ehemanns kann diesem nicht als Eigennutzung zugerechnet werden. Es fehlt an einer entsprechenden rechtlichen Grundlage. Die Zurechnung lässt sich nicht mit der Erwägung rechtfertigen, die geschiedene Ehefrau des Ehemanns habe das minderjährige Kind betreut28. Nichts anderes würde gelten, wenn der Ehemann seiner geschiedenen Ehefrau -was das Finanzgericht nicht festgestellt hat- Unterkunft in Erfüllung einer bestehenden Unterhaltspflicht gewährt hätte. Denn eine Nutzung zu „eigenen Wohnzwecken“ im Sinne des Einkommensteuerrechts liegt nur vor, wenn unterhaltsberechtigte Personen -wie Kinder- typischerweise zur Lebens- oder Wirtschaftsgemeinschaft des Steuerpflichtigen gehören. Dies ist bei dauernd getrennt lebenden Ehegatten, die nicht mehr Teil einer Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft sind, indes nicht der Fall. Der laufende Unterhalt ist vielmehr regelmäßig durch Zahlung einer Geldrente zu gewähren (§ 1361 Abs. 4 BGB)29.
Damit liegt nach den eingangs dargestellten Grundsätzen eine schädliche Mitbenutzung des Einfamilienhauses durch die geschiedene Ehefrau des Ehemanns vor. Diese steht der Zurechnung der Nutzung durch das einkommensteuerlich zu berücksichtigende Kind entgegen.
Gegenteiliges folgt nicht daraus, dass es für die Annahme einer Nutzung zu eigenen Wohnzwecken ausreicht, wenn der Steuerpflichtige das Objekt „zumindest auch“ selbst nutzt. Findet eine unmittelbare Eigennutzung durch den Steuerpflichtigen statt, erweist sich die Mitbenutzung durch Angehörige oder Dritte -die unentgeltliche gemeinschaftliche Nutzung30- als unschädlich. Anders ist dies jedoch, wenn Kinder die Wohnung zusammen mit dem geschiedenen Ehegatten bewohnen: Eine gemeinschaftliche Nutzung mit dem Steuerpflichtigen erfolgt dann nicht, so dass aus dessen Sicht eine (vollumfängliche) „Fremdnutzung“ vorliegt; nur für den anderen Ehegatten erweist sich die Mitbenutzung durch die Kinder als unschädlich.
An diesem Ergebnis ändert nichts, dass die Finanzverwaltung einen (vollständigen) Leerstand der zuvor zu eigenen Wohnzwecken genutzten Immobilie vor der Veräußerung als unschädlich ansieht, wenn der Steuerpflichtige die Veräußerungsabsicht nachweist31. Dieser Fallgruppe steht die „Räumung durch einen Ehegatten“ nicht gleich32. Denn im Gegensatz zur Fallgruppe des vorübergehenden Leerstands vor der Veräußerung findet in Fallkonstellationen wie der vorliegenden eine (schädliche) Zwischennutzung der Wohnung jenseits der eigenen Wohnzwecke des Steuerpflichtigen statt.
Auch Art. 6 GG vermag der Revision nicht zum Erfolg zu verhelfen33. Dagegen spricht bereits, dass der Ehemann und seine geschiedene Ehefrau im Zeitpunkt der Übertragung des Miteigentumsanteils rechtskräftig geschieden waren. Im Übrigen hat der Ehemann die zum Wesen der Ehe gehörende Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft durch seinen Auszug aufgelöst.
Bundesfinanzhof, Urteil vom 14. Februar 2023 – IX R 11/21
- FG München, Urteil vom 11.03.2021 – 11 K 2405/19, EFG 2021, 1625[↩]
- BFH, Urteil vom 21.05.2019 – IX R 6/18, BFH/NV 2019, 1227[↩]
- ständige Rechtsprechung, s. etwa BFH, Urteile vom 08.11.2017 – IX R 25/15, BFHE 260, 202, BStBl II 2018, 518, mit zahlreichen weiteren Nachweisen; in BFHE 265, 258, BStBl II 2019, 701, Rz 18, zum Entzug des Eigentums durch Sonderungsbescheid nach dem Bodensonderungsgesetz[↩]
- s. BFH, Urteile vom 12.06.2013 – IX R 31/12, BFHE 241, 557, BStBl II 2013, 1011, Rz 13; in BFHE 260, 202, BStBl II 2018, 518, Rz 17, zur „Nämlichkeit“, und in BFHE 265, 258, BStBl II 2019, 701, Rz 19[↩]
- BFH, Urteile vom 13.04.2010 – IX R 36/09, BFHE 229, 193, BStBl II 2010, 792, Rz 14; vom 29.03.1995 – X R 3/92, BFHE 177, 418, unter 1.; vom 19.04.1977 – VIII R 23/75, BFHE 122, 453, BStBl II 1977, 712, unter 1., jeweils zur Frage, ob ein „Anschaffungsgeschäft“ vorliegt[↩]
- so ausdrücklich BFH, Urteil vom 07.12.1976 – VIII R 134/71, BFHE 120, 531, BStBl II 1977, 209; s.a. BFH, Urteile vom 16.01.1973 – VIII R 96/70, BFHE 108, 502, BStBl II 1973, 445, zum Fall der „Veräußerung“; vom 05.05.1961 – VI 107/60 U, BFHE 73, 326, BStBl III 1961, 385; und vom 15.01.1974 – VIII R 63/68, BFHE 112, 31, BStBl II 1974, 606, jeweils zum Fall der „Anschaffung“; in BFHE 265, 258, BStBl II 2019, 701, Rz 20[↩]
- BFH, Urteil in BFH/NV 2019, 1227, Rz 25[↩]
- BFH, Urteil in BFH/NV 2019, 1227, Rz 20[↩]
- BFH, Urteil vom 01.03.2021 – IX R 27/19, BFHE 272, 393, BStBl II 2021, 680, Rz 12; Brandis/Heuermann/Ratschow, § 23 EStG Rz 10; BeckOK EStG/Trossen, 12. Ed. [01.03.2022], EStG § 23 Rz 6[↩]
- BT-Drs. 14/265, S. 181[↩]
- BFH, Urteil in BFHE 272, 393, BStBl II 2021, 680, Rz 14, m.w.N.; vgl. auch BFH, Urteile vom 18.01.2006 – IX R 18/03, BFH/NV 2006, 936, unter II. 1.a; vom 25.05.2011 – IX R 48/10, BFHE 234, 72, BStBl II 2011, 868, Rz 12; vom 27.06.2017 – IX R 37/16, BFHE 258, 490, BStBl II 2017, 1192, Rz 12; in BFH/NV 2019, 1227, Rz 16; vom 03.09.2019 – IX R 8/18, BFHE 266, 173, BStBl II 2020, 122, Rz 22; vom 03.09.2019 – IX R 10/19, BFHE 266, 507, BStBl II 2020, 310, Rz 10; vom 24.05.2022 – IX R 28/21, BFH/NV 2023, 20, Rz 15; BFH, Beschluss vom 28.05.2002 – IX B 208/01, BFH/NV 2002, 1284, unter II. 2.a, zu § 4 des Eigenheimzulagengesetzes -EigZulG-; BMF, Schreiben in BStBl I 2000, 1383, Rz 22[↩]
- vgl. BFH, Urteile vom 31.05.1995 – X R 140/93, BFHE 178, 140, BStBl II 1995, 720, beginnend unter den Entscheidungsgründen ab 2.; vom 28.03.1990 – X R 160/88, BFHE 160, 481, BStBl II 1990, 815, beginnend unter den Entscheidungsgründen ab 2.a, beide jeweils zu § 10e EStG; vom 23.07.1997 – X R 143/94, BFH/NV 1998, 160, unter II. 3.c; BFH, Beschluss in BFH/NV 2002, 1284, unter II. 2.a; BFH, Urteil vom 28.11.2001 – X R 27/01, BFHE 197, 218, BStBl II 2002, 145, unter II. 1.a[↩]
- BFH, Urteile in BFHE 258, 490, BStBl II 2017, 1192, Rz 13; in BFHE 272, 393, BStBl II 2021, 680, Rz 15[↩]
- BFH, Urteil in BFH/NV 2023, 20, Rz 16[↩]
- BFH, Urteile in BFHE 258, 490, BStBl II 2017, 1192, Rz 12; in BFHE 272, 393, BStBl II 2021, 680, Rz 14, und in BFH/NV 2023, 20, Rz 17[↩]
- BFH, Urteile in BFH/NV 2019, 1227, Rz 18; in BFH/NV 2023, 20, Rz 17; vom 18.01.2011 – X R 13/10, BFH/NV 2011, 974, Rz 14, m.w.N., zu § 10f Abs. 1 EStG[↩]
- BFH, Urteil in BFH/NV 2023, 20, Rz 18; BeckOK EStG/Trossen, 12. Ed. [01.03.2022], EStG § 23 Rz 184, zur Nutzung durch getrennt lebende Ehepartner oder Eltern; Kube in Kirchhof/Seer, EStG, 21. Aufl., § 23 Rz 6; Obermeier, Neue Wirtschafts-Briefe 2001, 567, 584, zur Nutzung durch andere, auch unterhaltsberechtigte Angehörige; Urteil des Hessisches Finanzgericht in EFG 2016, 201, rechtskräftig, zur Nutzung durch die ehemalige Lebensgefährtin und Kindesmutter mit unterhaltsberechtigtem Kind; Urteil des Niedersächsisches Finanzgericht vom 04.03.2010 – 10 K 259/08, EFG 2010, 1133, rechtskräftig, zur Nutzung durch den volljährigen, einkommensteuerlich nicht mehr zu berücksichtigenden Sohn[↩]
- BFH, Urteil vom 26.01.1994 – X R 94/91, BFHE 173, 345, BStBl II 1994, 544, unter 1.b[↩]
- BFH, Urteile vom 26.10.2021 – IX R 5/21, BFHE 275, 36, BStBl II 2022, 403, Rz 25, und in BFH/NV 2006, 936, unter II. 1.a[↩]
- vgl. BFH, Urteil in BFHE 160, 481, BStBl II 1990, 815, unter 2.a, zu § 10e EStG[↩]
- BT-Drs. 14/265, S. 181; BFH, Urteil in BFHE 275, 36, BStBl II 2022, 403, Rz 25[↩]
- Wernsmann in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 23 Rz B 49[↩]
- BFH, Urteile in BFH/NV 2019, 1227, Rz 18, und in BFH/NV 2023, 20, Rz 17[↩]
- vgl. BFH, Urteil in BFH/NV 2023, 20, Rz 26[↩]
- vgl. Musil in Herrmann/Heuer/Raupach, § 23 EStG Rz 130; s.a. Hartmann/Meyer, Finanz-Rundschau -FR- 1999, 1089, 1093; a.A. Sagmeister, DStR 2011, 1589, 1591[↩]
- ähnlich Bäumler/Schramm, NJW-Spezial 2019, 644[↩]
- vgl. BFH, Urteil vom 18.05.2004 – IX R 49/02, BFHE 206, 168, BStBl II 2004, 929, unter II. 3.b; Brandis/Heuermann/Ratschow, § 23 EStG Rz 52; KKB/Bäuml, § 23 EStG, 7. Aufl., Rz 183; vgl. auch Hartmann/Meyer, FR 1999, 1089, 1093; anders wohl BMF, Schreiben in BStBl I 2000, 1383, Rz 24; Schallmoser in Spiegelberger/Schallmoser, Immobilien im Zivil- und Steuerrecht, 3. Aufl., Rz 12.94[↩]
- so aber Tiedtke/Wälzholz, Rheinische Notar-Zeitschrift 2001, 380, 386[↩]
- BFH, Urteil vom 26.01.1994 – X R 17/91, BFHE 173, 352, BStBl II 1994, 542, unter 1.[↩]
- vgl. Schallmoser in Spiegelberger/Schallmoser, a.a.O., Rz 12.92[↩]
- BMF, Schreiben in BStBl I 2000, 1383, Rz 25[↩]
- a.A. Hermanns, DStR 2002, 1065, 1067; Sagmeister, DStR 2011, 1589, 1591; vgl. auch Bäumler/Schramm, NJW-Spezial 2019, 644[↩]
- vgl. aber Sagmeister, DStR 2011, 1589, 1591, zur Wohnnutzung auf der Grundlage des § 1568a BGB[↩]
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