Die vorzeitige Kündigung einer Kapitallebensversicherung – steuerlich gesehen

Werden Verluste danach nicht durch die erzielten Kapitalerträge veranlasst, sondern dadurch, dass der Versicherungsnehmer den Vertrag über die Lebensversicherung zu einem Zeitpunkt gekündigt hat, zu dem der Rückkaufswert unter den bereits eingezahlten Beiträgen lag, handelt es sich um einen Verlust in der privaten Vermögenssphäre, der bei der Einkommensteuerfestsetzung nicht als Werbungskosten gemäß § 9 EStG berücksichtigt werden kann.

Die vorzeitige Kündigung einer Kapitallebensversicherung – steuerlich gesehen

Der BFH hat bereits entschieden, dass bei Lebensversicherungsverträgen die in den Versicherungsbeiträgen enthaltenen Abschlusskosten und Verwaltungskostenanteile nicht als Werbungskosten abzugsfähig, sondern Anschaffungsnebenkosten für den Erwerb einer Kapitalanlage i.S. von § 20 EStG sind1.

Auch die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zum Werbungskostenabzug bei Kapitalanlagen rechtfertigt keine andere Beurteilung.

Danach sind Aufwendungen auf Kapitalanlagen nur dann uneingeschränkt als Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen abziehbar, wenn bei der jeweiligen Kapitalanlage die Absicht zur Erzielung steuerfreier Vermögensvorteile nicht im Vordergrund steht, d.h. nur mitursächlich für die Anschaffung der ertragsbringenden Kapitalanlage ist2.

Dies ist bei dem Abschluss einer Lebensversicherung auf den Todes- und Erlebensfall nicht der Fall. Diese unterscheidet sich von den der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zugrunde liegenden Kapitalanlagen dadurch, dass sie das Risiko des Versterbens des Kapitalanlegers mit absichert. In diesem Fall wird die Versicherungssumme vorzeitig in voller Höhe und nach § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 EStG steuerfrei ausgezahlt. Die Erzielung dieses Vermögensvorteils bei Eintritt des Versicherungsfalles ist nicht nur mitursächlich, sondern wesentlicher Grund für den Abschluss einer Lebensversicherung als Kapitalanlage. Die Minderung des Rückkaufswerts, die nach den Vertragsbedingungen nicht nur auf den Abschlusskosten und Kosten der Vermögensverwaltung, sondern im Wesentlichen auch darauf beruht, dass die Versicherung sofort nach Vertragsabschluss den vollen Versicherungsschutz übernommen hat, ist danach Aufwand für eine Kapitalanlage, bei der die Erzielung von steuerfreien Vermögensvorteilen im Vordergrund steht.

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Werden Verluste danach nicht durch die erzielten Kapitalerträge veranlasst, sondern dadurch, dass der Versicherungsnehmer den Vertrag über die Lebensversicherung zu einem Zeitpunkt gekündigt hat, zu dem der Rückkaufswert unter den bereits eingezahlten Beiträgen lag, handelt es sich um einen Verlust in der privaten Vermögenssphäre, der bei der Einkommensteuerfestsetzung nicht als Werbungskosten gemäß § 9 EStG berücksichtigt werden kann.

Eine Berücksichtigung des geltend gemachten Aufwands ist auch aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht geboten.

Die Besteuerung der Zinsen ohne Berücksichtigung des Verlusts der eingezahlten Sparanteile widerspricht nicht dem Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit (Art. 3 Abs. 1 GG). Vielmehr ist ihr Ergebnis3 die folgerichtige Ausprägung der Systematik der im Streitfall anwendbaren bis zum 31.12.2004 geltenden Fassung des § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG4.

Eine steuerliche Berücksichtigung des geltend gemachten Verlusts würde zu einer Durchbrechung des Systems der Einkünfteermittlung führen, nach dem Aufwendungen für den Erwerb nicht abnutzbarer Wirtschaftsgüter, die der Erzielung von Überschusseinkünften (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 4 bis 7 und Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EStG) dienen, die Bemessungsgrundlage für die Einkommensteuer grundsätzlich nicht mindern. Eine solche wäre nur statthaft, wenn auch Wertveränderungen des eingezahlten Vermögens bei der Ermittlung der Einkünfte, die aus einer Lebensversicherung erzielt werden, berücksichtigt würden5.

Diese Grundentscheidung hat der Gesetzgeber jedoch erst mit der Neuregelung des § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 1 EStG durch das Alterseinkünftegesetz6 geschaffen, nach der der Unterschiedsbetrag zwischen der Versicherungsleistung und der Summe der auf sie entrichteten Beiträge zu versteuern ist. Die Vorschrift findet nach der Anwendungsregelung in § 52 Abs. 36 Satz 5 EStG in der Fassung des Streitjahres (2006) indes nur Anwendung bei Versicherungsverträgen, die –anders als im Streitfall– nach dem 31.12.2004 abgeschlossen wurden. Eine planwidrige Gesetzeslücke, die Anlass für eine Analogie sein könnte, liegt nicht vor7.

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Bundesfinanzhof, Beschluss vom 23. September 2013 – VIII B 40/13

  1. vgl. BFH, Beschluss vom 06.11.2009 – VIII B 186/09, BFH/NV 2010, 235, m.w.N.[]
  2. BFH, Urteil vom 24.11.2009 – VIII R 30/07, HFR 2010, 1033[]
  3. kein Abzug der Aufwendungen auf den Vermögensstamm bei dessen Verlust[]
  4. vgl. BFH, Beschluss vom 24.04.2012 – IX B 154/10, BFHE 236, 557, BStBl II 2012, 454[]
  5. vgl. BVerfG, Entscheidung vom 11.05.1970 – 1 BvL 17/67, BVerfGE 28, 227, BStBl II 1970, 579[]
  6. Gesetz zur Neuordnung der einkommensteuerrechtlichen Behandlung von Altersvorsorgeaufwendungen und Altersbezügen (Alterseinkünftegesetz) vom 05.07.2004, BGBl I 2004, 1427[]
  7. vgl. BFH, Urteil vom 24.05.2011 – VIII R 46/09, BFHE 234, 49, BStBl II 2011, 920[]