Die zivile Tätigkeit für die ISAF in Afghanistan – und die deutsche Steuerpflicht

Der für eine Tätigkeit als International Civilian Consultant bei der ISAF in Afghanistan gezahlte Arbeitslohn unterliegt der Einkommensteuer. Aus völkerrechtlichen Vereinbarungen ergibt sich kein Anspruch auf eine Steuerbefreiung. 

Die zivile Tätigkeit für die ISAF in Afghanistan – und die deutsche Steuerpflicht

In dem hier vom Bundesfinanzhof entschiedenen Rechtsstreit stand der in Deutschland wohnhafte Zivilbeschäftigte stand zunächst als Soldat im Dienst der Bundeswehr. Nach dem Ausscheiden aus dem aktiven Dienst war er in den Jahren 2012 und 2013 als International Civilian Consultant bei der ISAF (International Security Assistance Force /Internationale Sicherungsunterstützungstruppe) in Afghanistan tätig. Sein Gehalt für diese Tätigkeit zahlte die NATO. Der Zivilbeschäftigte war der Auffassung, dass der Arbeitslohn in Deutschland nicht der Besteuerung unterliege. Dies folge aus internationalen Abkommen, die die NATO beziehungsweise die ISAF beträfen.

Das Finanzamt und auch das Finanzgericht Rheinland-Pfalz1 gingen dagegen von der Steuerpflicht der gezahlten Bezüge aus. Der Bundesfinanzhof bestätigte nunmehr diese Einschätzung und wies auch die Revision des Zivilbeschäftigten zurück: 

Völkerrechtliche Vereinbarungen über die Besteuerung i.S. des § 2 Abs. 1 AO sind auf den Zivilbeschäftigten und dessen Tätigkeit für die ISAF aus verschiedenen Gründen nicht anzuwenden.

Ein Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung mit Afghanistan besteht nicht; ein solches existierte auch nicht in den Streitjahren.

Eine Steuerbefreiung ergibt sich auch nicht aus dem sog. Ottawa-Abkommen.

Nach § 1 Abs. 1 der Verordnung über die Gewährung von Vorrechten und Befreiungen an die Nordatlantikvertrags-Organisation, die nationalen Vertreter, das internationale Personal und die für die Organisation tätigen Sachverständigen vom 30.05.19582 finden die Bestimmungen des Abkommens über die Vorrechte und Befreiungen der Sonderorganisationen der Vereinten Nationen sinngemäß auf die NATO, die nationalen Vertreter, das internationale Personal und die für die Organisation tätigen Sachverständigen nach Maßgabe des von Deutschland am 29.05.1956 unterzeichneten Übereinkommens über den Status der Nordatlantikvertrags-Organisation, der nationalen Vertreter und des internationalen Personals vom 20.09.1951 -Ottawa-Abkommen-3 Anwendung.

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Nach Art.19 Satz 1 des Ottawa-Abkommens sind die Bediensteten der Organisation i.S. des Art. 17 von Steuern auf die ihnen von der Organisation in ihrer Eigenschaft als deren Bedienstete gezahlten Gehälter und sonstigen Dienstbezüge befreit. Art. 17 des Ottawa-Abkommens wiederum sieht vor, dass die Gruppen von Bediensteten, auf die (u.a.) Art.19 des Ottawa-Abkommens Anwendung findet, Gegenstand einer Vereinbarung zwischen dem Vorsitzenden der Stellvertreter im Rat und jedem beteiligten Mitgliedstaat ist. Über die Durchführung von Teil IV -u.a. Art. 17- des Ottawa-Abkommens haben die NATO und Deutschland am 30.11.1961 eine Vereinbarung geschlossen4, die nach § 1 Abs. 1 Satz 1 der -in Ergänzung zur Verordnung vom 30.05.1958- erlassenen Verordnung über die Gewährung von Vorrechten und Befreiungen an internationale Bedienstete der Nordatlantikvertrags-Organisation vom 29.03.19625 für die Gewährung von Vorrechten und Befreiungen an Bedienstete der NATO maßgebend ist und deren Art. 1 zufolge die Gruppen von Bediensteten der NATO und der nachgeordneten Stellen der NATO, auf welche u.a. Art.19 des Ottawa-Abkommens in Deutschland Anwendung findet, die Besoldungsgruppen A, B und C der NATO-Personalbestimmungen umfassen, wenn die entsprechenden Bediensteten ihren Dienstort auf dem Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland haben.

Diese Voraussetzungen erfüllt der Zivilbeschäftigte im Streitfall ersichtlich nicht, da er nach den finanzgerichtlichen Feststellungen seinen Dienst im streitigen Zeitraum in Afghanistan ausübte. Hiernach kann es dahinstehen, wie das Verhältnis zwischen dem Zivilbeschäftigten, der NATO und der ISAF im Einzelnen zu qualifizieren ist.

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Auch die Voraussetzungen des Art.19 Sätze 2 ff. des Ottawa-Abkommens erfüllt der Zivilbeschäftigte nicht. Hierzu wäre u.a. erforderlich, dass er seine Dienstbezüge aus deutschen Mitteln nach einem von Deutschland festgesetzten Tarif bezogen hat, was nach den tatsächlichen Feststellungen des Finanzgericht nicht der Fall ist. Der Zivilbeschäftigte erhielt seine Zahlungen von der NATO.

Sonstige auf internationaler Vereinbarung basierende Befreiungstatbestände sind ebenfalls nicht erfüllt.

Art. X des Abkommens zwischen den Parteien des Nordatlantikvertrages über die Rechtsstellung ihrer Truppen vom 19.06.1951 (NATO-Truppenstatut) -NATOTrStat-6 spricht zwar die Besteuerung an, regelt aber nur die Verhältnisse Entsandter einer NATO-Vertragspartei im Hoheitsgebiet einer anderen NATO-Vertragspartei (sog. Aufnahmestaat, vgl. Art. I NATOTrStat) und ist daher bei einer Tätigkeit in Afghanistan ebenso wenig einschlägig wie das Zusatzabkommen zu dem Abkommen zwischen den Parteien des Nordatlantikvertrages über die Rechtsstellung ihrer Truppen hinsichtlich der in der Bundesrepublik Deutschland stationierten ausländischen Truppen vom 03.08.19597, das nach dessen Art. 1 die Rechte und Pflichten bestimmter NATO-Staaten im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland regelt.

Eine Steuerbefreiung aus dem sog. „Military Technical Agreement“ (MTA) vom 04.01.2002 ergibt sich im Streitfall schon deshalb nicht, weil die Vereinbarung hinsichtlich der Mission in Afghanistan allein das Verhältnis Afghanistans zur ISAF (vgl. Art. VIII MTA), nicht aber zu Deutschland betrifft.

Die in Art. II Nr. 1 MTA i.V.m. Annex A Section 3 Nr. 8 formulierte Verpflichtung zur Steuerfreistellung betrifft darüber hinaus ausdrücklich und ausschließlich die Besteuerung durch die afghanische Regierung („exempt from taxation by the Interim Administration“). Der in Art. II Nr. 1 i.V.m. Annex A Section 1 Nr. 1 MTA enthaltene Verweis auf das Übereinkommen über die Vorrechte und Immunitäten der Vereinten Nationen vom 13.02.19468 bezieht sich nach seinem Wortlaut allein auf dessen Art. VI („experts on mission for the United Nations“), der aber bereits im Ausgangspunkt keine steuerrechtlichen Fragen anspricht.

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Aus den die Vereinten Nationen und ihre Sonderorganisationen unmittelbar betreffenden Vereinbarungen ergeben sich für den Zivilbeschäftigten ebenfalls keine Steuerbefreiungstatbestände. Die insoweit einschlägigen Art. V Abschn. 18 Buchst. b des Übereinkommens über die Vorrechte und Immunitäten der Vereinten Nationen vom 13.02.1946 und der darauf Bezug nehmende Art. VI § 19 Buchst. b des Abkommens über die Vorrechte und Befreiungen der Sonderorganisationen der Vereinten Nationen vom 21.11.19479 sind nur auf Bedienstete der Organisation der Vereinten Nationen, Beamte von Sonderorganisationen i.S. des Art. I § 1 Abs. 2 des Abkommens über die Vorrechte und Befreiungen der Sonderorganisationen der Vereinten Nationen vom 21.11.1947 oder Beamte solcher Organisationen, die gemäß Art. 57 und 63 der Charta der Vereinten Nationen10 angeschlossen sind, und von diesen gezahlte Gehälter und Bezüge anwendbar (vgl. Art. I § 1 Abs. 2 des Abkommens über die Vorrechte und Befreiungen der Sonderorganisationen der Vereinten Nationen vom 21.11.1947). Mangels erforderlichen Abkommens nach Art. 63 der Charta der Vereinten Nationen mit dem Wirtschafts- und Sozialrat der Vereinten Nationen sind weder die NATO noch die ISAF (noch die daran beteiligten Staaten) Sonderorganisationen der Vereinten Nationen. Dass die ISAF durch die Resolution 1386 (2001) des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen vom 20.12.2001 gemäß den Regelungen in c VII der Charta der Vereinten Nationen („Maßnahmen bei Bedrohung oder Bruch des Friedens und bei Angriffshandlungen“) eingerichtet wurde, genügt demnach nicht. Die ISAF fällt im Übrigen auch nicht unter die Auflistung der Sonderorganisationen in Art. I § 1 Abs. 2 des Abkommens über die Vorrechte und Befreiungen der Sonderorganisationen der Vereinten Nationen vom 21.11.1947 und das dazu ergangene Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 18.03.201311. Auch besteht kein Anhaltspunkt dafür, an der Richtigkeit und Vollständigkeit der Auflistung der Sonderorganisationen im BMF, Schreiben zu zweifeln.

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An der nach diesen Darlegungen fehlenden gesetzlichen Grundlage für eine Steuerbefreiung ändert auch das vom Zivilbeschäftigten vorgelegte „Certificate“ vom 17.03.2013 nichts. Es handelt sich hierbei um eine Art Arbeitgeberbescheinigung, die lediglich auf das MTA verweist, welches aber für sich genommen als Rechtsgrundlage für eine Befreiung von der deutschen Einkommensteuer ausscheidet.

Fehlt es aber an einer Rechtsgrundlage für die vom Zivilbeschäftigten reklamierte Steuerbefreiung, lässt sich aus einer (einen anderen Steuerpflichtigen betreffenden) behördlichen Sachbehandlung oder einer ministeriellen Stellungnahme kein Rechtsanspruch begründen.

Bundesfinanzhof, Urteil vom 13. Oktober 2021 – I R 43/19

  1. FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 30.07.2019 – 5 K 1077/17[]
  2. BGBl II 1958, 117[]
  3. abgedruckt in BGBl II 1958, 118 ff.[]
  4. abgedruckt in BGBl II 1962, 114 ff.[]
  5. BGBl II 1962, 113[]
  6. BGBl II 1961, 1190[]
  7. BGBl II 1961, 1183, 1218[]
  8. BGBl II 1980, 943[]
  9. BGBl II 1954, 640[]
  10. BGBl II 1973, 431[]
  11. BMF, Schreiben vom 18.03.2013, BStBl I 2013, 404[]

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