Die Dienstwagenbesteuerung nach der 1%-Regelung ist – über die bisherige Praxis der Finanzverwaltung hinaus – nach einem aktuellen Urteil des Bundesfinanzhofs auch dann auf jedes vom Unternehmer privat genutzte Fahrzeug anzuwenden ist, wenn der Unternehmer selbst verschiedene Fahrzeuge zu Privatfahrten nutzt.

Führt der Steuerpflichtige kein Fahrtenbuch, so ist der private Nutzungsanteil eines betrieblichen Fahrzeugs pauschal mit 1% des inländischen Listenpreises zu bemessen. Umstritten war bis jetzt, ob die Regelung auf alle zum Betriebsvermögen gehörenden Kraftfahrzeuge einzeln, also mehrfach anzuwenden ist, wenn nur eine Person die Fahrzeuge auch privat nutzt. Die Finanzverwaltung hatte für diesen Fall die Anweisung erlassen, die 1%-Regelung nur einmal anzuwenden, und zwar für das Fahrzeug mit dem höchsten Listenpreis.
Zukünftig hilft da wohl nur noch die Führung eines ordnungsgemäßen Fahrtenbuchs.
Im Streitfall hielt ein Unternehmensberater mehrere Kraftfahrzeuge in seinem Betriebsvermögen, die er auch privat nutzte. Seine Ehefrau hatte an Eides Statt versichert, nur ihr eigenes Fahrzeug zu nutzen; Kinder waren nicht vorhanden. Gleichwohl hatte das Finanzamt entgegen der Verwaltungsanweisung die 1%-Regelung mehrfach angewandt. Die dagegen gerichtete Klage hatte bei dem zunächst hiermit befassten Finanzgericht Münster keinen Erfolg1. Die von dem Unternehmensberater gegen dieses Urteil eingelegte Revision hat nun der Bundesfinanzhof zurückgewiesen:
Im Ergebnis zutreffend, so der Bundesfinanzhof, hat das Finanzgericht Münster die privaten Nutzungsanteile für sämtliche zum Betriebsvermögen des Unternehmensberaters gehörenden Kfz durch mehrfache Anwendung von § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG bestimmt. Denn es ist, so der Bundesfinanzhof ausdrücklich, nicht geboten, die Vorschrift nur einmal anzuwenden, wenn mehrere betriebliche Kfz ausschließlich durch eine Person auch privat genutzt werden.
Für die Bewertung der privaten Nutzung eines Kfz enthält § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG eine spezielle Bewertungsregel2. Danach ist für jeden Kalendermonat 1% des inländischen Listenpreises im Zeitpunkt der Erstzulassung zuzüglich der Kosten für Sonderausstattungen einschließlich der Umsatzsteuer anzusetzen (sog. 1%-Regelung). Abweichend davon kann nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 3 EStG die private Nutzung mit den auf die Privatfahrten entfallenden Aufwendungen angesetzt werden, wenn die für das Kfz insgesamt entstehenden Aufwendungen durch Belege und das Verhältnis der privaten zu den übrigen Fahrten durch ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch nachgewiesen werden (sog. Fahrtenbuchregelung). Da der Kläger keine Fahrtenbücher geführt hat, kommt für die Bewertung der Nutzungsentnahme im Streitfall nur die 1%-Regelung in Betracht.
§ 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG ist grundsätzlich auf jedes betriebliche Fahrzeug einzeln anzuwenden, das auch privat genutzt wird. Dafür spricht der Wortlaut der Vorschrift. Zwar regelt sie nicht ausdrücklich den Fall, dass mehrere Kfz in einem Betriebsvermögen auch privat genutzt werden. Sowohl die 1%-Regelung in Satz 2 des § 6 Abs. 1 Nr. 4 EStG als auch die Fahrtenbuchregelung in Satz 3 der Vorschrift stellen aber ausdrücklich auf die Nutzung „eines“ Kfz bzw. auf die für „das“ Kfz entstehenden Aufwendungen ab. Den Regelungen liegt damit erkennbar eine fahrzeugbezogene Bewertung der Nutzungsentnahmen zugrunde3, die es grundsätzlich gebietet, für jedes zum Betriebsvermögen zählende und auch privat genutzte Fahrzeug eine gesonderte Bewertung vorzunehmen4. Davon ist der Bundesfinanzhof auch im Urteil vom 3. August 20005 ausgegangen, wonach die Wahl der Bewertungsmethode nicht einheitlich ausgeübt werden muss. Die Frage nach der Wahl einer Bewertungsmethode stellt sich nur, wenn für mehrere betriebliche Fahrzeuge, die auch privat genutzt worden sind, die privaten Nutzungsanteile für jedes Fahrzeug gesondert ermittelt werden müssen.
Aus der Entstehungsgeschichte der Norm ergeben sich keine gegenteiligen Erkenntnisse. Die Begründung für den vom Bundesrat eingebrachten Regelungsvorschlag6 befasst sich nicht mit der Frage, ob die Vorschrift bei mehreren Fahrzeugen im Betriebsvermögen mehrfach anzuwenden sein soll, sondern geht ersichtlich vom Grundfall aus, dass nur ein Fahrzeug vorhanden ist und auch privat genutzt wird. Entsprechend soll die Bewertung der Privatnutzung vom Listenpreis „des Kraftfahrzeugs“ und damit vom „individuellen Wert des Kraftfahrzeugs“ abhängen7. Dies bestätigt die fahrzeugbezogene Konzeption der Vorschrift, lässt aber keinen Schluss darauf zu, dass bei mehreren Fahrzeugen etwas Abweichendes gelten soll.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus systematischen Gründen. Als Bewertungsvorschrift setzt § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG den Tatbestand der Entnahme voraus; die Vorschrift begründet keinen speziellen Entnahmetatbestand8. Aus dem Begriff der Entnahme ergibt sich indes nichts für die Auffassung des Klägers, denn jede einzelne Fahrt mit einem betrieblichen Kfz zu betriebsfremden Zwecken erfüllt bereits den Tatbestand einer Nutzungsentnahme und müsste grundsätzlich einzeln bewertet werden. Die dem Kläger möglicherweise vorschwebende zusammenfassende Entnahme der privaten Nutzung eines unbestimmten Fahrzeugs ist damit nicht in Einklang zu bringen. Die Möglichkeit der zusammenfassenden, fahrzeugbezogenen Bewertung mehrerer Nutzungsentnahmen wird vielmehr erst durch § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG geschaffen. Über die Reichweite des Anwendungsbereichs dieser Norm lassen sich aus dem Entnahmebegriff keine Rückschlüsse ziehen.
Sinn und Zweck der Vorschrift gebieten ebenfalls keine andere Auslegung. § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG dient vor allem der Vereinfachung der Bewertung7. Dieser Zweck wird nicht verfehlt, wenn die Norm auf mehrere betriebliche Fahrzeuge jeweils einzeln angewandt wird, die auch privat genutzt worden sind. Umgekehrt würde jedes andere Auslegungsergebnis den Normzweck eher gefährden, da wegen der fahrzeugbezogenen Konzeption der Norm unvermeidliche, auch administrative Schwierigkeiten bei ihrer Anwendung entstehen, wenn der Grundsatz verlassen wird, dass für jedes auch privat genutzte Fahrzeug eine Bewertung nach der 1%-Regelung vorzunehmen ist9.
Diese Auslegung führt auch nicht zu vermeidbaren Härten. Zwar vervielfältigt die mehrfache Anwendung der 1%-Regelung den zu versteuernden privaten Nutzungsanteil ohne Rücksicht auf den tatsächlichen Umfang der Privatnutzung. Das ist jedoch Folge der vom tatsächlichen Nutzungsumfang absehenden Konzeption der Typisierungsvorschrift und führt insbesondere nicht zur Verfassungswidrigkeit der typisierenden Ermittlung der privaten Nutzungsentnahme nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG, denn die gesetzliche Typisierung ist insoweit nicht zwingend, sondern widerlegbar10. Der Steuerpflichtige hat jederzeit die Möglichkeit, den privaten Nutzungsanteil den tatsächlichen Verhältnissen entsprechend durch Führung eines Fahrtenbuchs zu ermitteln11.
Nach Ansicht des Bundesfinanzhofs besteht deshalb auch keine Veranlassung zu einer verfassungskonformen Auslegung der Vorschrift. Als ungerecht empfundenen oder den tatsächlichen Verhältnissen nicht entsprechenden Ergebnissen der 1%-Regelung kann der Steuerpflichtige ausweichen, indem er von der zumutbaren Möglichkeit Gebrauch macht, den privaten Nutzungsumfang durch ein ordnungsgemäß geführtes Fahrtenbuch nachzuweisen. In diesem Fall besteht auch das vom Kläger behauptete Verifikationsdefizit nicht.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht unter den besonderen Umständen des Streitfalles. Gehören mehrere Kfz zu einem Betriebsvermögen, ist § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG grundsätzlich auch dann fahrzeugbezogen, also mehrfach anzuwenden, wenn in tatsächlicher Hinsicht feststeht, dass ausschließlich eine Person die Fahrzeuge auch privat genutzt hat.
Für die Anwendung des § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG kommt es, so der Bundesfinanzhof in seinen Urteilsgründen weiter, nicht darauf an, wie viele Personen die Fahrzeuge privat nutzen12. Zwar wird, wenn nur eine Person abwechselnd mehrere Fahrzeuge nutzt, dem Betrieb zu jeder Zeit nur jeweils ein Fahrzeug entzogen; auch führt die mehrfache Anwendung der 1%-Regelung dazu, dass bei konstanter Summe aller Privatfahrten der private Nutzungsanteil mit einem Mehrfachen dessen angesetzt werden muss, mit dem er anzusetzen wäre, wenn der Steuerpflichtige nur eines der Fahrzeuge für Privatfahrten genutzt hätte und diese Tatsache nachweisen könnte. Indes ergeben sich weder aus dem Wortlaut der Norm noch aus deren Entstehungsgeschichte Hinweise darauf, dass die –wie dargelegt– fahrzeugbezogene Konzeption der Vorschrift für Sonderfälle ergänzt werden sollte durch eine personenbezogene Betrachtung13. Auch für eine am Zweck der Vorschrift ausgerichtete einschränkende oder verfassungskonforme Auslegung der Vorschrift besteht nach dem oben Dargelegten keine Veranlassung. Der Steuerpflichtige kann auch in diesem Sonderfall Fahrtenbücher führen und dadurch jederzeit die Besteuerung der Privatanteile mit den tatsächlichen Kosten herbeiführen. Entscheidet er sich nicht dafür, gebietet es der mit der Typisierung verfolgte Vereinfachungszweck, die Norm entsprechend ihrer fahrzeugbezogenen Konzeption ohne Rücksicht auf die Zahl der Nutzer für mehrere Fahrzeuge mehrfach anzuwenden.
Aus Tz. 9 Satz 2 des BMF-Schreibens in BStBl I 2002, 148 ergibt sich für den Streitfall nichts anderes. Danach soll der Ermittlung des privaten Nutzungswerts nur das Fahrzeug mit dem höchsten Listenpreis zugrunde gelegt werden, wenn der Steuerpflichtige glaubhaft macht, dass die betrieblichen Fahrzeuge nicht von Personen genutzt werden, die zu seiner Privatsphäre gehören14. Die Vorschrift ist für die Streitjahre (2002, 2003) anwendbar. Zwar ist das BMF-Schreiben in BStBl I 2002, 148 ersetzt worden durch das BMF-Schreiben in BStBl I 2009, 132615. Dieses enthält keine entsprechende Vorschrift mehr. Die insoweit neu gefasste Tz. 12 des BMF-Schreibens in BStBl I 2009, 1326 ist aber nach der Übergangsvorschrift in Tz. 36 desselben Schreibens erstmals auf Wirtschaftsjahre anzuwenden, die nach dem 31. Dezember 2009 beginnen.
Dem Kläger ist zuzugeben, dass die Voraussetzungen für die Anwendung der Verwaltungsvorschrift ihrem Wortlaut nach in seinem Fall erfüllt sein könnten. Das Finanzamt steht demgegenüber auf dem Standpunkt, der Kläger habe trotz Vorlage einer eidesstattlichen Versicherung seiner Ehefrau nicht glaubhaft gemacht, die im Streit stehenden Kfz ausschließlich selbst genutzt zu haben. Auch hat das Finanzamt im Revisionsverfahren behauptet, den Umständen des Falles insoweit Rechnung getragen zu haben, als es für den Übergangsmonat März 2003, in dem drei Fahrzeuge zur Verfügung standen, nur Privatanteile für zwei Fahrzeuge berücksichtigt habe, was nach Aktenlage nicht zutrifft.
Das Finanzgericht Münster hat es in seinem erstinstanzlichen Urteil nach Auffassung des Bundesfinanzhofs im Ergebnis gleichwohl zu Recht abgelehnt, im Streitfall zu prüfen, ob das Finanzamt die Verwaltungsvorschrift nicht anwenden musste. Zutreffend hat das Finanzgericht Münster darauf hingewiesen, dass es in rechtlicher Hinsicht an die in Tz. 9 des BMF-Schreibens in BStBl I 2002, 148 zum Ausdruck kommende Rechtsauffassung der Verwaltung nicht gebunden wäre, wenn es sich um eine norminterpretierende Verwaltungsvorschrift handelte. Mangels Rechtsnormqualität sind solche Verwaltungsvorschriften für die Gerichte nicht beachtlich16. Das Finanzgericht Münster hat weiter ausgeführt, der Kläger könne die Anwendung der Verwaltungsvorschrift auch dann nicht verlangen, wenn es sich um eine Billigkeitsvorschrift handelte, da sie außerhalb des gesetzlichen Rahmens liege17.
Der Bundesfinanzhof konnte in seinem aktuellen Urteil offenlassen, ob er sich dieser Auffassung des Finanzgerichts Münster anschließen könnte. Zumindest aber könnte der Unternehmensberater die Anwendung einer Billigkeitsregelung im vorliegenden Verfahren nicht durchsetzen. Die Klage richtet sich allein gegen die Rechtmäßigkeit der Steuerfestsetzung. Über die Frage einer abweichenden Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen gemäß § 163 Satz 1 der Abgabenordnung muss grundsätzlich in einem eigenständigen Verwaltungsverfahren entschieden werden. Daran fehlt es. Deshalb kann darüber im Streitverfahren nicht entschieden werden18. Vor diesem Hintergrund kann der Bundesfinanzhof auch nicht zu der Frage Stellung nehmen, ob der Kläger Anspruch auf eine Billigkeitsentscheidung haben könnte, wenn und soweit er im Vertrauen auf die Verwaltungsvorschrift in Tz. 9 Satz 2 des BMF-Schreibens in BStBl I 2002, 148 davon abgesehen haben sollte, Fahrtenbücher zu führen.
Bundesfinanzhof, Urteil vom 9. März 2010 – VIII R 24/08
- FG Münster, Urteil vom 29.04.2008 – 6 K 2405/07 E,U, EFG 2008, 1275[↩]
- vgl. BFH, Urteil vom 19.03.2009 – IV R 59/06, BFH/NV 2009, 1617[↩]
- vgl. BFH, Urteil vom 15.05.2002 – VI R 132/00, BFHE 199, 230, BStBl II 2003, 311; BFH, Beschluss vom 26.11.2009 – VIII B 190/09, BFHE 226, 541[↩]
- vgl. Nolte in Herrmann/Heuer/Raupach –HHR–, § 6 EStG Rz 1203b a.E.; Fischer in Kirchhof, EStG, 8. Aufl., § 6 Rz 162c; vgl. auch BFH, Beschluss vom 31.07.2009 – VIII B 28/09, BFH/NV 2009, 1967[↩]
- BFH, Urteil vom 03.08.2000 – III R 2/00, BFHE 193, 101, BStBl II 2001, 332[↩]
- vgl. BT-Drs 13/1686, S. 8[↩]
- vgl. BT-Drs. 13/1686, S. 8[↩][↩]
- vgl. BFH, Urteil in BFH/NV 2009, 1617[↩]
- vgl. Urban, FR 1997, 661; Hoffmann, EFG 2008, 1277, 1278[↩]
- vgl. u.a. BFH, Urteile vom 24.02.2000 – III R 59/98, BFHE 191, 286, BStBl II 2000, 273; und in BFH/NV 2009, 1617[↩]
- BFH, Urteil vom 01.03.2001 – IV R 27/00, BFHE 195, 200, BStBl II 2001, 403[↩]
- Hoffmann, EFG 2008, 1277; HHR/Musil, § 4 EStG Rz 80[↩]
- so schon Urban, FR 1996, 741; und ders. FR 1997, 661, 663[↩]
- zustimmend: Schmidt/Glanegger, EStG, 28. Aufl., § 6 Rz 421; Werndl, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 6 Rz E 110; Korn/Strahl in Korn, § 6 EStG Rz 404.9; Meurer in Lademann, EStG, § 6 EStG Rz 889; Herrmann in Frotscher, EStG, 6. Aufl., Freiburg 1998 ff., § 6 Rz 399[↩]
- BMF, Schreiben vom 18. November 2009 – IV C 6 – S 2177/07/10004, BStBl I 2009, 1326[↩]
- vgl. nur BFH, Beschluss vom 04.12.2008 – XI B 250/07, BFH/NV 2009, 394[↩]
- zustimmend Hoffmann, EFG 2008, 1277, 1278[↩]
- ständige Rechtsprechung, vgl. BFH, Urteile vom 18.11.1998 – X R 110/95, BFHE 187, 488, BStBl II 1999, 225; und vom 21.09.2000 – IV R 54/99, BFHE 193, 301, BStBl II 2001, 178[↩]