Bei einer doppelten Haushaltsführung im Ausland ist im Einzelfall zu prüfen, welche Unterkunftskosten notwendig sind1. Bei einer beamtenrechtlich zugewiesenen Dienstwohnung sind die Unterkunftskosten am ausländischen Beschäftigungsort stets in tatsächlicher Höhe als Werbungskosten im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung abzugsfähig.

Gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 1 EStG sind Werbungskosten auch notwendige Mehraufwendungen, die einem Arbeitnehmer wegen einer beruflich veranlassten doppelten Haushaltsführung entstehen. Eine doppelte Haushaltsführung liegt nur vor, wenn der Arbeitnehmer außerhalb des Ortes seiner ersten Tätigkeitsstätte einen eigenen Hausstand unterhält und auch am Ort der ersten Tätigkeitsstätte wohnt (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 2 EStG).
§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 4 EStG enthält mit Wirkung ab dem Veranlagungszeitraum 2014 eine besondere Bestimmung zur steuerlichen Berücksichtigung von Unterkunftskosten bei einer doppelten Haushaltsführung im Inland. Die Prüfung der in § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 1 EStG vorgesehenen Beschränkung auf notwendige Mehraufwendungen entfällt in diesem Fall2.
Angesichts des eindeutigen Wortlauts („im Inland“) scheidet eine Anwendung der Regelung auf einen -wie im hier entschiedenen Streitfall der Dienstwohnung eines deutschen Botschafters – im Ausland belegenen Zweithaushalt indes aus. Insoweit verbleibt es bei der gesetzlichen Regelung des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 1 EStG, wonach notwendige Unterkunftskosten, das heißt begrenzt auf das nach objektiven Maßstäben zur Zweckverfolgung Erforderliche, als Werbungskosten abzugsfähig sind3.
Eine Typisierung dahingehend, dass Unterkunftskosten, die den Durchschnittsmietzins einer 60 qm-Wohnung am Beschäftigungsort nicht überschreiten, notwendig in diesem Sinne sind -wie der Bundesfinanzhof in der bis zum Veranlagungszeitraum 2013 geltenden Fassung für Inlandssachverhalte angenommen hat4-, kommt für Auslandssachverhalte und damit im Streitfall nicht in Betracht1.
Der Bundesfinanzhof hat sich bei dieser typisierenden Bestimmung des notwendigen zusätzlichen Wohnbedarfs am Beschäftigungsort an dem inländischen sozialhilferechtlich anerkannten Mindestbedarf für Unterkunft und Wohnen einer Person nach § 22 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch und der zu dieser Vorschrift ergangenen sozialrechtlichen Rechtsprechung orientiert5 und diesen im Hinblick auf die Finanzierung durch die eigene Berufstätigkeit auf 60 qm angehoben, da die sozialrechtlichen Vorgaben lediglich einer existenziellen Versorgung dienen (sogenannte „60 qm-Rechtsprechung“). Die vorgenommene Typisierung des Tatbestandsmerkmals „notwendig“ gründet damit im Wesentlichen auf einem nach inländischen Verhältnissen bemessenen Merkmal, das sich als Maßgröße für die Notwendigkeit von Unterkunftskosten im Ausland nicht fruchtbar machen lässt.
Im Übrigen ist eine „Übertragung“ der sogenannten „60 qm-Rechtsprechung“ auf Auslandssachverhalte schon deshalb nicht angezeigt, weil die dahingehende typisierende Gesetzesauslegung des Tatbestandsmerkmals „notwendig“ nicht der einfacheren Handhabung in steuerlichen Massenverfahren dient. Sie ist vielmehr bei Auslandssachverhalten nicht handhabbar. Denn belastbare Feststellungen zum ortsüblichen Mietzins je Quadratmeter für eine nach Lage und Ausstattung durchschnittliche Wohnung (Durchschnittsmietzins) am ausländischen Beschäftigungsort können in der Regel -auch unter Berücksichtigung der erhöhten Mitwirkungspflichten des Steuerpflichtigen (§ 90 Abs. 2 der Abgabenordnung)- weder von den Beteiligten im Veranlagungsverfahren erhoben noch von den Finanzgerichten belastbar überprüft werden. Dies belegt auch der vorliegende Streitfall, in welchem das Finanzamt zugunsten der Botschafter mangels anderweitiger Erkenntnisse lediglich unterstellt hat, dass die tatsächlich vom Botschafter gezahlte Dienstwohnungsvergütung der ortsüblichen Vergleichsmiete einer durchschnittlichen Wohnung entsprach.
Hinzu kommt, dass eine Typisierung sich realitätsgerecht am typischen Fall orientieren muss6. Ein solch typischer Fall lässt sich für Unterkunftskosten aufgrund einer doppelten Haushaltsführung im Ausland aber schon deshalb nicht ausmachen, weil diese maßgebend von den jeweiligen Gegebenheiten im einzelnen Land geprägt sind. Bei einer doppelten Haushaltsführung im Ausland ist deshalb stets im Einzelfall zu prüfen, welche Unterkunftskosten im Ausland notwendig, das heißt nach objektiven Maßstäben zur Zweckverfolgung erforderlich sind1.
Nach diesen Maßstäben sind die von einem Botschafter für seine Zweitwohnungen gezahlten Unterkunftskosten -vorbehaltlich der Anwendung des § 3c Abs. 1 EStG- in tatsächlicher Höhe als Werbungskosten im Rahmen seiner doppelten Haushaltsführung zu berücksichtigen, da sie nach objektiven Maßstäben insgesamt zur Zweckverfolgung erforderlich waren. Vorliegend wurden die in den jeweiligen Residenzen belegenen Wohnungen dem Botschafter vom Auswärtigen Amt nach § 72 Abs. 2 des Bundesbeamtengesetzes zugewiesen wurden. Danach kann der Dienstvorgesetzte anweisen, wenn die dienstlichen Verhältnisse es erfordern, dass eine Dienstwohnung zu beziehen ist. In solchen Fällen sind die vom Steuerpflichtigen zu tragenden Unterkunftskosten für die zugewiesene Dienstwohnung nach objektiven Maßstäben in voller Höhe zur Zweckverfolgung erforderlich7.
Im vorliegenden Fall sind allerdings die Unterkunftskosten gemäß § 3c Abs. 1 EStG nicht als Werbungskosten abzuziehen, soweit sie in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang mit den steuerfreien Bezügen des Botschafters stehen.
Bundesfinanzhof, Urteil vom 9. August 2023 – VI R 20/21
- entgegen: BMF, Schreiben vom 25.11.2020, BStBl I 2020, 1228, Rz 112[↩][↩][↩]
- ebenso BMF, Schreiben vom 25.11.2020, BStBl I 2020, 1228, Rz 106[↩]
- z.B. BFH, Beschluss vom 12.07.2017 – VI R 42/15, BFHE 258, 439, BStBl II 2018, 13, Rz 9[↩]
- s. BFH, Urteil vom 09.08.2007 – VI R 10/06, BFHE 218, 380, BStBl II 2007, 820, unter II. 2. sowie BFH, Beschluss vom 12.07.2017 – VI R 42/15, BFHE 258, 439, BStBl II 2018, 13, Rz 10, m.w.N.[↩]
- s. BFH, Urteil vom 09.08.2007 – VI R 10/06, BFHE 218, 380, BStBl II 2007, 820, unter II. 2.d aa[↩]
- z.B. BFH, Urteil vom 29.04.2021 – VI R 31/18, BFHE 273, 183, BStBl II 2021, 606, Rz 19, m.w.N.[↩]
- ebenso: Schmidt/Krüger, EStG, 42. Aufl., § 9 Rz 246; Tormöhlen in Korn, § 3 Nr. 13 EStG Rz 12; entgegen: Brandis/Heuermann/Thürmer, § 9 EStG Rz 400[↩]