Doppelte Haushaltsführung und die Wohnung im Haus der Eltern

Es muss im Rahmen einer Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalles entschieden werden, ob der Steuerpflichtige einen Haushalt im Sinne der doppelten Haushaltsführung unterhält. Kann der Steuerpflichtige nicht nachweisen, dass er überhaupt etwas zum Haushalt beiträgt und halten die Eltern des erwachsenen Steuerpflichtigen, der bereits mehrere Jahre nicht mehr zu Hause gewohnt hat, die Wohnung nur vor, liegt kein eigener Hausstand des Kindes vor. Die Nichtanmeldung von Telefon, Fernsehen und Radio ist ein wesentliches Indiz gegen einen eigenen Hausstand des Kindes.

Doppelte Haushaltsführung und die Wohnung im Haus der Eltern

Gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG sind notwendige Mehraufwendungen, die einem Arbeitnehmer wegen einer aus beruflichem Anlass begründeten doppelten Haushaltsführung entstehen, Werbungskosten. Eine doppelte Haushaltsführung liegt nach Nr. 5 Satz 2 der Vorschrift vor, wenn der Arbeitnehmer außerhalb des Ortes, in dem er einen eigenen Hausstand unterhält, beschäftigt ist und auch am Beschäftigungsort wohnt.

Hausstand im Sinne der Vorschrift ist der Haushalt, den der Arbeitnehmer am Lebensmittelpunkt führt, also sein Erst- oder Haupthaushalt. Unter dem Begriff des Haushalts ist die Wirtschaftsführung mehrerer (in einer Familie) zusammenlebender Personen oder einer einzelnen Person zu verstehen1. Dabei ist die Wohnung der räumliche Bereich, in dem sich der Haushalt entfaltet.

Bei einem alleinstehenden Arbeitnehmer ist entscheidend, dass er sich in dem Haushalt, im Wesentlichen nur unterbrochen durch die arbeits- und urlaubsbedingte Abwesenheit, aufhält; denn allein das Vorhalten einer Wohnung für gelegentliche Besuche oder für Ferienaufenthalte ist noch nicht als Unterhalten eines Hausstands zu bewerten. Ebenfalls wird ein eigener Hausstand nicht unterhalten, wenn der Arbeitnehmer die Haushaltsführung nicht zumindest mitbestimmt, sondern nur in einen fremden Haushalt –etwa in den der Eltern oder als Gast– eingegliedert ist. Dann liegt keine eigene Haushaltsführung vor2. Der eigene Hausstand muss vom Arbeitnehmer „unterhalten“ oder mitunterhalten werden. Unterhalten bedeutet die Führung eines Haushalts. Dazu gehört auch, dass der Arbeitnehmer für die Kosten des Haushalts aufkommt.

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In den Fällen, in denen dem Arbeitnehmer die Wohnung unentgeltlich überlassen wird, stellt sich in besonderer Weise die Frage, ob er einen eigenen Hausstand unterhält oder in einen fremden eingegliedert ist. Zwar ist die entgeltliche Einräumung einer Rechtsposition nicht Voraussetzung einer doppelten Haushaltsführung bei Alleinstehenden. Nutzt allerdings der Arbeitnehmer eine Wohnung unentgeltlich, ist stets sorgfältig zu prüfen, ob die Wohnung eine eigene oder die des Überlassenden, z. B. der Eltern, ist. Dabei ist das Merkmal der Entgeltlichkeit ein Indiz, das im Zusammenhang mit einer Gesamtwürdigung aller Umstände zu einer zutreffenden Beurteilung führen kann, nicht jedoch eine unerlässliche Voraussetzung (conditio sine qua non) für die Beantwortung der Frage, ob ein eigener Hausstand unterhalten wird. Denn ein eigener Hausstand kann bei Kostentragung im Übrigen auch in einer unentgeltlich überlassenen Wohnung geführt werden. Hier gilt nichts anderes als bei einem Familienhaushalt, bei dem es, wie dargestellt, auf die finanzielle Beteiligung des auswärts Beschäftigten an der „Haushaltsführung“ ankommt3. Dies gilt sowohl für die Überlassung der Wohnung selbst als auch für die Kostentragung im Übrigen. Zwischen dem Unterhalten eines eigenen Haushalts und der Frage, wer die Kosten dafür trägt, ist zu unterscheiden. Es ist deshalb nicht ausgeschlossen, dass ein alleinstehender Steuerpflichtiger auch dann einen eigenen Haushalt unterhält, wenn nicht er selbst, sondern Dritte für diese Kosten aufkommen. Denn eine eigene Haushaltsführung des auswärts Beschäftigten ist nicht zwingend ausgeschlossen, wenn sich dessen finanzielle Beteiligung am Haushalt nicht feststellen lässt, wie auch umgekehrt aus einem finanziellen Beitrag allein nicht zwingend auf das Unterhalten eines eigenen Haushalts zu schließen ist4. Ob ein Steuerpflichtiger in einer Wohnung einen eigenen Hausstand führt, kann mithin nur unter Berücksichtigung insbesondere der Einrichtung, der Ausstattung und der Größe eben dieser Wohnung entschieden werden. Wird der Haushalt in einer in sich abgeschlossenen Wohnung geführt, die auch nach Größe und Ausstattung ein eigenständiges Wohnen und Wirtschaften gestattet, wird regelmäßig vom Unterhalten eines eigenen Hausstands auszugehen sein. Ein eigener Hausstand kann auch dann unterhalten werden, wenn der Erst- oder Haupthausstand im Rahmen einer Wohngemeinschaft (mit den Eltern) geführt wird.

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Es sind aber auch die persönlichen Lebensumstände, Alter und Personenstand des Steuerpflichtigen zu berücksichtigen. So wird regelmäßig ein junger Steuerpflichtiger, der nach Schulabschluss gerade eine Ausbildung begonnen hat, noch eher in den Haushalt seiner Eltern eingegliedert sein, wenn er im Haus der Eltern wohnt, selbst wenn er dort auch eigene Räume zur Verfügung hat. Hatte der Steuerpflichtige dagegen schon –etwa im Rahmen einer gefestigten Beziehung oder Ehe– andernorts einen eigenen Hausstand geführt, ist es regelmäßig nicht fernliegend, dass er einen solchen auch dann weiter unterhalten und fortführen wird, wenn er diesen aufgibt und wieder eine Wohnung im Haus seiner Eltern bezieht.

Auf den hier entschiedenen Streitfall übertragen folgt hieraus für das Finanzgericht Hamburg, dass die Klägerin keinen eigenen Hausstand in A im Streitjahr unterhalten hat.

Zwar kann auch ein alleinstehender Steuerpflichtiger grundsätzlich eine doppelte Haushaltsführung für sich beanspruchen. Dies gilt auch in sog. Rückverlegungsfällen. Auch geht das Gericht davon aus, dass die Klägerin die Einliegerwohnung im Haus der Eltern nutzen durfte und diese Einliegerwohnung auch von der Größe zumindest vergleichbar mit der in E angemieteten Wohnung ist.

Allerdings gab es keinen schriftlichen Mietvertrag und auch keine schriftliche Vereinbarung darüber, ob die Klägerin Kosten, die durch „ihre“ Wohnung entstanden sind, erstatten musste. Bei der Ausstattung der Wohnung muss zu Lasten der Klägerin berücksichtigt werden, dass für die Wohnung in A weder ein Telefon, noch ein Radio oder Fernseher angemeldet worden ist. Gerade diese Ausstattungen sind aber ein besonderes Indiz dafür, ob tatsächlich ein eigener Hausstand besteht oder Räume nur zu Besuchszwecken benutzt werden. In diesem Zusammenhang ist auch einzubeziehen, dass die Ausstattung der Einliegerwohnung in A, welche sich auf den von der Klägerin eingereichten Fotos zeigt, einen eher vorläufigen Eindruck macht. Die Klägerin konnte das Gericht auch nicht davon überzeugen, dass sie überhaupt eigene relevante Aufwendungen getragen hat, welche das Unterhalten eines eigenen Hausstandes hätten begründen können. Zwar ist es nach der neueren Rechtsprechung des BFH nicht mehr erforderlich im Sinne einer conditio sine qua non, dass der Steuerpflichtige eigene Aufwendungen tätigt. Indizielle Bedeutung kommt diesem Kriterium aber nach wie vor zu. Die Klägerin hat nicht substantiiert dargelegt, dass sie sich tatsächlich an den laufenden Kosten für die Wohnung, insbesondere Strom, Wasser oder Heizung beteiligt hat. Für die Einliegerwohnung wurden die Strom-, Wasser- und Heizungskosten nicht separat ermittelt, so dass noch nicht einmal feststeht, dass überhaupt durch die Einliegerwohnung zusätzliche Kosten entstanden sind, welche die Eltern hätten tragen können. Die vom Vater in diesem Zusammenhang vorgelegte Aussage ist zudem zu unkonkret und wurde auch nicht durch entsprechende Belege substantiiert. Die Klägerin hat auch keine Versicherung für diese Wohnung abgeschlossen oder Nachweise darüber erbracht, dass sie (relevante und eindeutig zuordnungsfähige) Einrichtungsgegenstände speziell für diese Wohnung gekauft hätte. Aus den von der Klägerin eingereichten Unterlagen geht auch nicht hervor, dass die Klägerin regelmäßig Lebensmittel in A gekauft hätte, so dass das Gericht insgesamt davon ausgeht, dass die Klägerin, wenn sie sich in A aufhielt, in den Hausstand der Eltern eingegliedert war und keinen eigenen Hausstand unterhalten hat. Der Vortrag der Klägerin ist auch nicht geeignet, um z. B. von einer vollwertigen Wohngemeinschaft mit den Eltern auszugehen5.

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Entscheidend für die vorzunehmende Gesamtwürdigung ist, dass die Klägerin in der Zeit von 2003 bis April 2008 zusammen mit ihrem Freund bereits eine gemeinsame Wohnung in B bewohnt hat und sie zunächst von dieser Wohnung in B auch täglich nach E pendelte. Für diesen Zeitraum hat selbst die Klägerin nicht vorgetragen, dass sie einen eigenen Hausstand in A unterhalten hätte. Auch in dieser Zeit hätte die Klägerin jedoch nach der Bestätigung ihres Vaters die Einliegerwohnung nutzen können. Eine solche Benutzungsmöglichkeit kann aber nicht als Unterhalten eines eigenen Hausstandes in A gewertet werden, sondern entspricht einem Vorhalten der Räume durch die Eltern für Besuchszwecke der Tochter. Alleine die Größe des elterlichen Hauses und damit die Möglichkeit, eine abgeschlossene Wohnung für die Kinder vorzuhalten, kann nicht allein entscheidend sein, um in jedem Fall von einem Unterhalten eines eigenen Hausstandes des bereits erwachsenen Kindes ausgehen zu können. Der Vortrag der Klägerin genügt nicht, um das Gericht davon zu überzeugen, dass sie nach Aufgabe der Wohnung in B einen Hausstand in A neu begründet hat.

Finanzgericht Hamburg, Urteil vom 17. April 2013 – 6 K 134/11
[nicht rechtskräftig, Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt beim Bundesfinanzhof – VI B 53/13

  1. vgl. BFH, Urteil vom 01.02.2007 – VI R 77/05, BFH/NV 2007, 1024[]
  2. BFH, Urteil vom 21.04.2010 – VI R 26/09, BFHE 230, 5, BStBl II 2012, 618, mit Hinweis auf BFH, Urteil vom 14.06.2007 – VI R 60/05, BFHE 218, 229, BStBl II 2007, 890[]
  3. s. dazu auch BFH, Urteile vom 12.09.2000 – VI R 165/97, BFHE 193, 282, BStBl II 2001, 29; vom 04.11.2003 – VI R 170/99, BFHE 203, 386, BStBl II 2004, 16; vom 14.10.2004 – VI R 82/02, BFHE 207, 292, BStBl II 2005, 98[]
  4. BFH, Urteil vom 28.03.2012 – VI R 87/10, BFHE 236, 553[]
  5. wie z. B. in dem BFH, Urteil vom 26.07.2012 – VI R 10/12, BFHE 238, 413 oder im anhängigen Revisionsverfahren VI R 46/12[]
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