Leistungen aus einem Promotionsstipendium können der Einkommensteuer unterliegen. Dies ist nach einer aktuellen Entscheidung des Bundesfinanzhofs jedenfalls dann der Fall, wenn der Stipendiat eine wirtschaftliche Gegenleistung zu erbringen hat und keine Steuerbefreiungsvorschrift eingreift.

- Leistungen aus einem Stipendium, die keiner gegenüber den sonstigen Einkünften i.S. von § 22 EStG vorrangigen Einkunftsart zuzuordnen sind, sind als wiederkehrende Bezüge gemäß § 22 Nr. 1 Satz 1 Halbsatz 1 bzw. Satz 3 Buchst. b EStG steuerbar, wenn der Stipendiat für die Gewährung der Leistungen eine wie auch immer geartete wirtschaftliche Gegenleistung zu erbringen hat1.
Die Anwendung von § 22 Nr. 1 Satz 2 Halbsatz 1 EStG setzt nicht die Feststellung voraus, dass der Stipendiengeber im konkreten Einzelfall keine steuerliche Entlastung hinsichtlich der Zahlungen an den Stipendiaten erfahren hat.
Ein von öffentlicher und privater Hand gemeinsam finanziertes Stipendium ist jedenfalls insoweit nicht gemäß § 3 Nr. 44 EStG steuerbefreit, als es unmittelbar von einem privatwirtschaftlichen Unternehmen, das nicht die Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG erfüllt, gezahlt wird.
In dem hier vom Bundesfinanzhof entschiedenen Fall hatte eine Studentin geklagt, die an einer bayerischen Universität promovierte. Zwecks Förderung akademischer Nachwuchskräfte wurde die Studentin während ihrer Promotionszeit aus den Mitteln des Europäischen Sozialfonds (ESF) mit monatlich 800 € unterstützt. Nach Maßgabe der Vergabebedingungen beteiligte sich ein im Freistaat Sachsen ansässiges privatwirtschaftliches Unternehmen in gleicher Höhe an der Finanzierung des Promotionsvorhabens und zahlte der Studentin somit ebenfalls monatlich 800 €. Die Studentin war verpflichtet, ihre Arbeitskraft ausschließlich der Promotion zu widmen und hierüber Nachweise zu erbringen. Zudem unterlag sie hinsichtlich der Ergebnisse ihres Promotionsprojekts einer fünfjährigen Ausübungs- und Verwertungspflicht in Sachsen. Das Finanzamt besteuerte den aus Mitteln des ESF gezahlten Teil des Stipendiums nicht. Die vom Unternehmen bezogenen Zuwendungen sah das Finanzamt dagegen als steuerbare und steuerpflichtige sonstige Einkünfte an. Die hiergegen gerichtete Klage hatte vor dem Finanzgericht Nürnberg keinen Erfolg2.
Der Bundesfinanzhof hob die angefochtene Entscheidung auf und verwies die Sache an das Finanzgericht Nürnberg zurück. Dem Bundesfinanzhof genügten die vom Finanzgericht bislang getroffenen Feststellungen nicht, um abschließend zu entscheiden, ob die gesamten – miteinander verknüpften – Leistungen aus dem Stipendium einem Steuertatbestand unterliegen. Die im Streitfall einzig in Betracht zu ziehenden Einkünfte aus wiederkehrenden Bezügen gemäß § 22 Nr. 1 Satz 1 Halbsatz 1 EStG setzten voraus, dass die Studentin für die Gewährung der Leistungen aus dem Stipendium eine – wie auch immer geartete – wirtschaftliche Gegenleistung hätte erbringen müssen. Zwar stellte der Bundesfinanzhof klar, dass die von der Studentin für die Promotion aufgewandte Arbeitszeit keine relevante Gegenleistung gewesen sei. Weiterer Sachaufklärung durch das Finanzgericht bedürfe aber, ob die im Zusammenhang mit der Förderung von Promotionen jedenfalls nicht allgemeinübliche Pflicht, die aus dem Vorhaben gewonnenen wissenschaftlichen Erkenntnisse innerhalb einer bestimmten Frist ausschließlich im Geber-Bundesland beruflich zu verwerten, als wirtschaftliche Gegenleistung oder als bloße Erwartungshaltung einzustufen sei. Eine Steuerbefreiung gemäß § 3 Nr. 44 EStG könne, so der Bundesfinanzhof weiter, nur hinsichtlich des aus dem ESF finanzierten Teils des Stipendiums gewährt werden. Soweit der Studentin in gleicher Höhe von einem privatwirtschaftlichen Unternehmen Zahlungen zugeflossen seien, handele es sich nicht um öffentliche Mittel im Sinne dieser Vorschrift.
Das Finanzgericht hat rechtsfehlerhaft nicht gewürdigt, ob die Zahlungen aus dem „ESF-Stipendium“ überhaupt als steuerbare sonstige Einkünfte i.S. von § 22 Nr. 1 EStG einzuordnen sind. Diese Frage kann nicht offenbleiben, da die Zahlungen -wären sie steuerbar- nicht nach § 3 Nr. 44 EStG steuerbefreit wären; der prozessuale Erfolg der Klage hängt somit davon ab, ob die Leistungen aus dem Stipendium einen Einkünftetatbestand erfüllen.
Die Vorinstanz ist ohne Würdigung der bestehenden Bestimmungen zum „ESF-Stipendium“ und ohne nähere Begründung davon ausgegangen, dass die von der GmbH bezogenen Zahlungen von monatlich 800 € als steuerbare wiederkehrende Bezüge gemäß § 22 Nr. 1 EStG zu qualifizieren sind. Dieser entscheidungserhebliche Rechtsfehler führt zur Aufhebung des Urteils.
Zu den -vorliegend allein in Betracht zu ziehenden- sonstigen Einkünften i.S. von § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 EStG zählen gemäß § 22 Nr. 1 Satz 1 Halbsatz 1 EStG Einkünfte aus wiederkehrenden Bezügen; nach Satz 3 Buchst. b der Vorschrift gehören hierzu auch Einkünfte aus Zuschüssen und sonstigen Vorteilen, die als wiederkehrende Bezüge gewährt werden.
Der Bundesfinanzhof hat in seiner Entscheidung vom 08.07.20203 den Zufluss von Stipendien nicht von vornherein vom Einkünftetatbestand des § 22 Nr. 1 EStG ausgenommen und dies damit begründet, dass die finanzielle Unterstützung des Stipendiaten dessen wirtschaftliche Leistungsfähigkeit erhöht. Aus den differenzierenden Regelungen in § 22 Nr. 1 Satz 2 und der hiermit korrelierenden Vorschrift des § 12 Nr. 2 EStG hat der Bundesfinanzhof allerdings abgeleitet, dass ein Stipendiat jedenfalls dann keine steuerbaren Einkünfte nach § 22 Nr. 1 Satz 1 bzw. Satz 3 Buchst. b EStG erzielt, wenn er hierfür keine wie auch immer geartete wirtschaftliche Gegenleistung zu erbringen hat. Allein das durch das Stipendium geförderte Vorhaben stellt keine solche Gegenleistung dar, da es nicht deshalb durchgeführt wird, um Einnahmen in Form von Stipendienzahlungen zu erzielen.
An diesen Rechtsgrundsätzen hält der Bundesfinanzhof auch unter Berücksichtigung der vom Finanzamt mit der Revisionserwiderung vorgebrachten Erwägungen fest.
Das Finanzamt führt zunächst an, dass die von der GmbH bezogenen Zahlungen bereits deshalb steuerbar sein müssten, da dieser hierfür ein Betriebsausgabenabzug zugestanden habe. Das in § 22 Nr. 1 Satz 2 Halbsatz 1 EStG verankerte Prinzip einer korrespondierenden steuerrechtlichen Behandlung der Bezüge auf Geber- und Empfängerseite wäre gestört, würde man eine Steuerbarkeit ausschließen.
Dieser Einwand greift nicht durch. Das Finanzamt merkt zwar zutreffend an, dass der Vorschrift des § 22 Nr. 1 Satz 2 Halbsatz 1 EStG ein Korrespondenzprinzip zugrunde liegt, wonach eine Besteuerung wiederkehrender Bezüge nicht gerechtfertigt ist, wenn dem Geber wegen eines ihn treffenden Abzugsverbots nach § 12 Nr. 2 EStG eine steuerliche Entlastung versagt bleibt4. Dieses Abzugsverbot findet bei körperschaftsteuerpflichtigen Subjekten keine Anwendung5. Entsprechende Aufwendungen können jedoch unter den Voraussetzungen des § 10 Nr. 1 Satz 1 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) vom körperschaftsteuerlichen Abzug ausgeschlossen sein.
Das Korrespondenzprinzip verlangt allerdings nicht, dass im konkreten Einzelfall festgestellt wird, ob ein Abzug und eine Versteuerung auf Geber- und Empfängerseite sichergestellt ist. Insbesondere hängt die Anwendung jenes Prinzips nicht von der Rechtsform des Mittelgebers und dem für ihn geltenden Besteuerungsregime ab. Entscheidend ist allein, ob die wiederkehrenden Bezüge freiwillig oder aufgrund einer freiwillig begründeten Rechtspflicht gewährt werden, was dann der Fall ist, wenn der Empfänger keine wirtschaftliche Gegenleistung zu erbringen hat6, sodass die Zahlung beim Geber -unterläge er dem Einkommensteuerregime- vom Abzugsverbot des § 12 Nr. 2 EStG erfasst wäre.
Auch die Existenz der Steuerbefreiungsvorschrift des § 3 Nr. 44 EStG zwingt nicht dazu, den Zufluss von Stipendien stets zumindest als steuerbar zu qualifizieren. Der Katalog der Befreiungstatbestände des § 3 EStG erklärt zum Teil Einnahmen für steuerfrei, die bereits nicht steuerbar sind7. Insbesondere der Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 44 EStG wird außerhalb einer Einkünftezuordnung gemäß §§ 18, 19 EStG lediglich deklaratorische Bedeutung beigemessen8.
Seine Aussage, die konstitutive Wirkung des § 3 Nr. 44 EStG werde durch die Änderung jener Vorschrift durch das StVereinfG 2011 unterstrichen, wird vom Finanzamt nicht konkretisiert; sie kann vom Bundesfinanzhof auch nicht nachvollzogen werden. Der mit dem StVereinfG 2011 umgesetzte Verzicht auf das zuvor tatbestandlich nach Satz 1 der Vorschrift geltende Erfordernis einer Unmittelbarkeit der Zahlung des begünstigten Stipendiengebers an den Stipendiaten hatte ausschließlich verwaltungspraktische Erwägungen9. Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber hierdurch die Vorschrift auch für die Einkünfte i.S. von § 22 Nr. 1 EStG als konstitutiv habe ausgestalten wollen, bestehen nicht.
Das Finanzgericht, das die oben dargelegten Rechtsgrundsätze nicht erwogen hat und in Bezug auf die BFH-Entscheidung in BFHE 269, 556, BStBl II 2021, 557 auch noch nicht erwägen konnte, wird unter Berücksichtigung der nachfolgenden Hinweise zu würdigen haben, ob den Zahlungen eine wirtschaftliche Gegenleistung der Studentin gegenüberstand.
Der vorliegende Streit betrifft im Kern zwar nur die einkommensteuerrechtliche Beurteilung der von der GmbH zugeflossenen Leistungen. Hinsichtlich der vom Freistaat Sachsen gewährten Zuwendungen (ebenfalls 800 €/Monat) gehen die Beteiligten hingegen übereinstimmend nicht von einer Einkommensteuerpflicht aus.
Dennoch ist für die Frage, ob die Zahlungen der GmbH dem Einkünftetatbestand des § 22 Nr. 1 EStG unterfallen, eine einheitliche Betrachtung des aus öffentlichen und privaten Mitteln erbrachten Finanzierungsanteils geboten. Beide Anteile sind unabdingbar miteinander verwoben, der Bezug des einen Förderungsanteils wäre ohne den jeweils anderen nicht möglich gewesen.
Die Zuwendungen des Freistaats Sachsen aus öffentlichen Mitteln wurden als „Anteilsfinanzierung“ gewährt. Deren Bewilligung hing davon ab, dass sich ein sächsisches Unternehmen mindestens in Höhe des aus öffentlichen Mitteln gespeisten Anteils an der Finanzierung des Industriepromotionsvorhabens beteiligt. Aus diesem Grund musste die Studentin bereits mit ihrem Antrag auf Bewilligung des Stipendiums den Entwurf einer Kooperationsvereinbarung mit der GmbH und der Universität vorlegen. Sie war zudem gegenüber dem Freistaat Sachsen (bzw. der Sächsischen Förderbankverpflichtet, regelmäßig die Zahlungen der GmbH nachzuweisen.
Auf der anderen Seite stand die Zahlungspflicht der GmbH unter dem Vorbehalt der Gewährung des „ESF-Stipendiums“ durch S. Die Verknüpfung beider Finanzierungsanteile ergibt sich ferner aus den Bestimmungen des Zuwendungsbescheids, wonach die Kooperationsvereinbarung Bestandteil jenes Bescheids wurde und schließlich aus den Schlussbestimmungen der Kooperationsvereinbarung, in denen es u.a. heißt, die Bestimmungen des Zuwendungsgebers (= S) gingen den Regelungen der Kooperationsvereinbarung „in jedem Falle“ vor.
Nach Maßgabe der Bestimmungen des Zuwendungsbescheids und der Inhalte der Kooperationsvereinbarung zwischen der Studentin und der GmbH wird das Finanzgericht zu beurteilen haben, ob die Stipendienzahlungen gegenleistungsfrei zugeflossen sind.
Zwar wird die Pflicht der Studentin, ihre Arbeitskraft der Promotion zu widmen, nicht als Gegenleistung im wirtschaftlichen Sinn, sondern als eine lediglich Selbstverständliches wiedergebende Erwartungshaltung der Mittelgeber anzusehen sein. Nichts anderes dürfte für die im Zuwendungsbescheid der Sächsischen Förderbank geregelten Berichts, Mitteilungs- und Veröffentlichungspflichtensowie für die Pflicht zur Ablieferung eines Pflichtexemplars der Dissertationsschrift gelten.
Allerdings kann die bei Stipendien jedenfalls nicht allgemeinübliche Pflicht, die aus dem geförderten Vorhaben gewonnenen wissenschaftlichen Erkenntnisse innerhalb einer bestimmten Bindungsfrist ausschließlich im Geber-Bundesland (Sachsen) beruflich zu verwerten, jedenfalls nicht ohne Weiteres als bloße Erwartungshaltung eingestuft werden. Insofern bedarf es einer näheren -dem Finanzgericht als Tatsacheninstanz obliegenden- Würdigung, ob in dieser Verpflichtung eine konkretisierbare wirtschaftliche Gegenleistung der Studentin oder nur eine abstrakte beschäftigungspolitische Zielsetzung des Freistaates Sachsen zu sehen ist.
Im Streitfall kann nicht offenbleiben, ob die streitigen Zahlungen der GmbH steuerbar sind. Wäre dies der Fall, unterlägen sie auch der Besteuerung, da eine Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 44 EStG -dem vorliegend einzig in Betracht zu ziehenden Tatbestand- nicht eingriffe.
Steuerfrei sind nach § 3 Nr. 44 Satz 1 EStG und unter den weiteren Voraussetzungen des Satzes 3 der Vorschrift Stipendien, die aus öffentlichen Mitteln oder von zwischenstaatlichen oder überstaatlichen Einrichtungen, denen die Bundesrepublik Deutschland angehört, zur Förderung der Forschung oder zur Förderung der wissenschaftlichen oder künstlerischen Ausbildung oder Fortbildung gewährt werden. Das Gleiche gilt gemäß § 3 Nr. 44 Satz 2 EStG für Stipendien, die zu den in Satz 1 bezeichneten Zwecken von einer Einrichtung, die von einer Körperschaft des öffentlichen Rechts errichtet ist oder verwaltet wird, oder von einer Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse i.S. des § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG gegeben werden.
Bei einer hinsichtlich der Steuerbefreiung gebotenen differenzierenden Betrachtung der beiden Finanzierungsanteile des „ESF-Stipendiums“ lägen in Bezug auf die Zahlungen der GmbH weder die Voraussetzungen des § 3 Nr. 44 Satz 1 EStG noch diejenigen des Satzes 2 der Vorschrift vor. Da auch eine analoge Anwendung der beiden Vorschriften nicht in Betracht kommt, muss der Bundesfinanzhof nicht entscheiden, ob die besonderen Voraussetzungen für eine Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 44 Satz 3 Buchst. a und b EStG erfüllt wären.
Wird ein hinsichtlich seines Rechtsgrunds einheitliches Stipendium -wie im Streitfall- von mehreren Gebern gewährt bzw. gegeben, ist im Einklang mit der Vorinstanz insoweit differenzierend zu beurteilen, ob die Voraussetzungen für eine Steuerbefreiung gemäß § 3 Nr. 44 EStG vorliegen. Hiergegen ließe sich zwar der Wortlaut der Sätze 1 und 2 anführen, in denen es jeweils „Stipendien, die …“ und nicht „Stipendien, soweit sie …“ heißt. Eine derart strenge Wortlautbetrachtung könnte allerdings zu dem sinn- und zweckwidrigen Ergebnis führen, dass bspw. ein Stipendium, das sich weit überwiegend aus öffentlichen und nur in geringem Umfang aus nicht öffentlichen Mitteln speist, in Gänze steuerpflichtig wäre, da in diesem Fall weder die Voraussetzungen des Satzes 1 der Vorschrift noch diejenigen des Satzes 2 erfüllt wären.
Das Finanzgericht hat zutreffend entschieden, dass hinsichtlich der von der GmbH an die Studentin erbrachten Zahlungen aus dem „ESF-Stipendium“ eine Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 44 Satz 1 EStG ausgeschlossen wäre, da das Stipendium insoweit nicht aus öffentlichen Mitteln im Sinne der Vorschrift gewährt worden ist.
Öffentliche Mittel sind solche, die aus einem öffentlichen Haushalt stammen, d.h. haushaltsmäßig als Ausgaben festgelegt und verausgabt werden10. Dies bedeutet, dass die Gelder von einem öffentlich-rechtlichen Gemeinwesen erhoben wurden, für die Verausgabung haushaltsrechtliche Grundsätze gelten und die Verwendung einer gesetzlich geregelten Kontrolle unterliegt11. Unter diesen Voraussetzungen steht einer Steuerbefreiung nicht entgegen, wenn die Mittel nicht unmittelbar aus einer öffentlichen Kasse, sondern mittelbar über Dritte gezahlt werden12.
Diesen Anforderungen genügen die Zahlungen der GmbH an die Studentin nicht. Die verausgabten Mittel stammten aus dem Unternehmensvermögen der GmbH. Sie unterlagen keiner öffentlich-rechtlichen Haushaltsbindung. Der GmbH stand es zudem offen, einen höheren Finanzierungsanteil als den monatlichen Mindestbetrag von 800 € zu übernehmen.
Die von der GmbH erbrachte Finanzierung ist auch nicht deshalb den öffentlichen Mitteln gleichzusetzen, da die Kooperationsvereinbarung zwischen der Studentin und der GmbH Bestandteil des Zuwendungsbescheids war und die Erfüllung der Zahlungsverpflichtung der GmbH einer öffentlichen Kontrolle unterlag. Beides diente nur der Umsetzung des geteilt finanzierten „ESF-Stipendiums“, konnte aber nichts an dem fehlenden öffentlich-rechtlichen Charakter der von der GmbH aufgebrachten Mittel ändern. Gleiches gilt für den angeführten Umstand, dass es nur dem Freistaat Sachsen (bzw. der Sächsischen Aufbaubank) zustand, die Bewilligung des (gesamten) Stipendiums zu widerrufen.
Die Einschätzung, der Gesetzgeber habe mit dem Verzicht auf das Unmittelbarkeitserfordernis in § 3 Nr. 44 Satz 1 EStG (StVereinfG 2011) deutlich machen wollen, dass der Zahlungsweg für die Steuerbefreiung grundsätzlich nicht mehr entscheidend sei, teilt der Bundesfinanzhof nicht. Durch die gesetzliche Anpassung sollte lediglich sichergestellt werden, dass auch Förderungen, die den Stipendiaten über einen Dritten (eine Zahlstelle) -d.h. nur mittelbar aus öffentlichen Mitteln- erreichen, steuerlich begünstigt sind13. Der Gesetzesbegründung kann dagegen nicht entnommen werden, dass auch Zahlungen, die -wie im Streitfall- nicht aus öffentlichen, sondern aus privaten Mitteln herrühren, steuerbefreit werden sollten. Dies stünde zudem in einem unauflöslichen Widerspruch zum Gesetzeswortlaut.
Auch die Voraussetzungen des § 3 Nr. 44 Satz 2 EStG sind nicht erfüllt. Die GmbH ist kein tatbestandlich begünstigter Stipendiengeber. Sie ist weder eine Einrichtung, die von einer Körperschaft des öffentlichen Rechts errichtet oder verwaltet ist, noch hat das Finanzgericht festgestellt, dass die GmbH die Voraussetzungen für eine Steuerbefreiung gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG erfüllt.
Eine analoge Anwendung des § 3 Nr. 44 Satz 1 bzw. Satz 2 EStG auf die vorliegende Konstellation kommt nicht in Betracht. Es fehlt an einer hierfür erforderlichen planwidrigen Regelungslücke14. Für den Bundesfinanzhof sind keine Anhaltspunkte ersichtlich, die die Annahme erlaubten, der Gesetzgeber habe auch die Finanzierung von Stipendien durch nicht öffentlich-rechtlich gebundene bzw. kontrollierte oder nicht-altruistisch tätige Geber steuerlich begünstigen wollen.
Der sowohl im erstinstanzlichen als auch im Revisionsverfahren von den Beteiligten gezogene Vergleich zum sog. Deutschlandstipendium verfängt nicht. Jenes Stipendium setzt sich zwar auch aus öffentlichen und -von den Hochschulen eingeworbenen- privaten Fördermitteln zusammen (vgl. § 11 Abs. 1 StipG). In Gänze „gegeben“ i.S. von § 3 Nr. 44 Satz 2 EStG werden diese Mittel aber von der jeweiligen Hochschule (§ 2 Abs. 4 StipG). Diese Art der Stipendienvergabe ist mit den Abläufen und Zahlungsströmen des im Streitfall zu beurteilenden „ESF-Stipendiums“ nicht vergleichbar.
Da es in Bezug auf die Zahlungen der GmbH -wären sie steuerbar- bereits an den Grundvoraussetzungen für eine Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 44 Satz 1 bzw. 2 EStG fehlt, kann der Bundesfinanzhof offenlassen, ob die zusätzlichen Voraussetzungen nach Satz 3 der Vorschrift im Streitfall erfüllt wären. Insbesondere muss nicht erwogen werden, ob die Studentin im Zusammenhang mit dem „ESF-Stipendium“ aus den oben genannten Gründen zu einer bestimmten wissenschaftlichen Gegenleistung verpflichtet war (§ 3 Nr. 44 Satz 3 Buchst. b EStG).
Bundesfinanzhof, Urteil vom 28. September 2022 – X R 21/20
- Anschluss an BFH, Urteil vom 08.07.2020 – X R 6/19, BFHE 269, 556, BStBl II 2021, 557, Rz 28 ff., 36[↩]
- FG Nürnberg, Urteil vom 14.11.2019 – 4 K 234/18[↩]
- BFH, Urteil vom 08.07.2020 – X R 6/19, BFHE 269, 556, BStBl II 2021, 557[↩]
- BT-Drs. 16/10189, S. 51; BFH, Urteile vom 04.04.1989 – X R 14/85, BFHE 157, 88, BStBl II 1989, 779, unter 1.b; vom 25.10.1994 – VIII R 79/91, BFHE 175, 439, BStBl II 1995, 121, unter II. 1.c dd, sowie in BFHE 269, 556, BStBl II 2021, 557, Rz 29, m.w.N.[↩]
- BFH (GrS), Beschluss vom 21.11.1983 – GrS 2/82, BFHE 140, 50, BStBl II 1984, 160, unter C.I. 2.b aa; Brandis/Heuermann/Pfirrmann, § 10 KStG Rz 13[↩]
- BFH, Urteile vom 28.07.1983 – IV R 174/80, BFHE 139, 367, BStBl II 1984, 97, unter II. 2.a, sowie in BFHE 269, 556, BStBl II 2021, 557, Rz 30[↩]
- BFH, Urteil in BFHE 175, 439, BStBl II 1995, 121, unter II. 1.c ff[↩]
- BFH, Urteil in BFHE 269, 556, BStBl II 2021, 557, Rz 25; Bergkemper in Herrmann/Heuer/Raupach -HHR-, § 3 Nr. 44 EStG Rz 1; vgl. auch Hüttemann, Gemeinnützigkeits- und Spendenrecht, 5. Aufl., Rz 9.61[↩]
- vgl. BT-Drs. 17/5125, S. 35[↩]
- vgl. hierzu BFH, Urteil vom 05.11.2014 – VIII R 29/11, BFHE 249, 1, BStBl II 2017, 432, Rz 24, zum insoweit gleichlautenden Tatbestandsmerkmal in § 3 Nr. 11 Satz 1 EStG; HHR/Bergkemper, § 3 Nr. 44 EStG Rz 2 sowie § 3 Nr. 11 Rz 5[↩]
- Tormöhlen in Korn, § 3 Nr. 44 EStG Rz 2[↩]
- BFH, Urteil in BFHE 249, 1, BStBl II 2017, 432, Rz 25, m.w.N.[↩]
- vgl. hierzu BT-Drs. 17/5125, S. 35, sowie Hüttemann, a.a.O., Rz 9.70[↩]
- vgl. hierzu BFH, Urteil vom 28.10.2020 – X R 29/18, BFHE 271, 370, BStBl II 2021, 675, Rz 33 f., m.w.N.[↩]
Bildnachweis:
- Bibliothek: Andrew Tan