Der Bundesfinanzhof vermeidet eine Antwort: Die Verfassungsmäßigkeit der Besteuerung privater Einkünfte aus Kapitalvermögen mit einem abgeltenden Sondertarif von 25 % ist in einem Rechtsstreit, in dem der Steuerpflichtige jene Besteuerung aus Gleichheitsgründen für die von ihm erzielten Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung beansprucht, nicht klärungsfähig.

Die Klärungsfähigkeit der Rechtsfrage fehlt, da die von den Klägern erstrebte Vorlage des Bundesfinanzhofs an das Bundesverfassungsgericht gemäß Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG in einem Revisionsverfahren nicht in Betracht käme. Bei der Entscheidung des Rechtsstreits käme es auf die Gültigkeit von § 32d Abs. 1 EStG, der die nach Ansicht der Kläger verfassungswidrige Begünstigung von nicht unter § 20 Abs. 8 EStG fallenden Einkünfte aus Kapitalvermögen regelt, nicht an.
Wenn ein Gericht ein Gesetz, auf dessen Gültigkeit es bei der Entscheidung ankommt, für verfassungswidrig hält, ist das Verfahren gemäß Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG auszusetzen und eine Entscheidung des BVerfG einzuholen. Auf die Gültigkeit der vorgelegten Rechtsnorm kommt es im Sinne einer Entscheidungserheblichkeit nur dann an, wenn das Prozessgericht für den Fall der Verfassungsmäßigkeit der Norm zu einer anderen Entscheidung käme als bei ihrer Verfassungswidrigkeit1.
Beanstandet der Rechtsmittelführer -wie im Streitfall- die Vorenthaltung einer gesetzlichen Begünstigung als gleichheitswidrig, setzt die Entscheidungserheblichkeit einer konkreten Normenkontrolle voraus, dass die Feststellung der Verfassungswidrigkeit der zur Prüfung gestellten Norm für den Rechtsmittelführer die Chance offenhält, eine für ihn günstigere Regelung durch den Gesetzgeber zu erreichen. Hieran fehlt es, wenn der Gesetzgeber an der Schaffung einer für den Rechtsmittelführer günstigeren Regelung aus Rechtsgründen oder aus offenkundigen sachlichen Gründen gehindert ist2.
Nach diesen Maßstäben würde der Bundesfinanzhof in einem Revisionsverfahren die angefochtene Entscheidung selbst dann bestätigen, wenn § 32d Abs. 1 EStG wegen einer Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes gemäß Art. 3 Abs. 1 GG vom BVerfG für verfassungswidrig erklärt werden sollte. Die von den Klägern erstrebte Einbeziehung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in den aus ihrer Sicht günstigeren proportionalen Einkommensteuertarif von 25 % wäre ausgeschlossen. Der Gesetzgeber wäre jedenfalls aus offenkundigen sachlichen Gründen gehindert, jene Einkünfte entsprechend zu besteuern. Die von ihm seinerzeit angeführte Begründung, die Einkünfte aus Kapitalvermögen -ausnahmsweise- mit einem abgeltenden Sondertarif zu besteuern3, ist auf die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung unter keinem Gesichtspunkt übertragbar. Die Ansicht der Kläger, sie würden bis zu einer etwaigen Neuregelung durch den Gesetzgeber eine den Einkünften aus Kapitalvermögen entsprechende Besteuerung ihrer Vermietungseinkünfte beanspruchen können, hat weder einfachgesetzlich noch verfassungsrechtlich eine Grundlage.
Auf die von den Klägern in ihren Beschwerdebegründungen ausführlich dargelegten Einwendungen gegen die Verfassungsmäßigkeit der Besteuerung privater Einkünfte aus Kapitalvermögen kam es für den Bundesfinanzhof somit vorliegend nicht an.
Bundesfinanzhof, Beschluss vom 8. August 2023 – IX B 117/22
- statt vieler BVerfG, Urteil vom 27.06.1991 – 2 BvL 3/89, BVerfGE 84, 233, unter B.01.[↩]
- BVerfG, Beschlüsse vom 08.12.2021 – 2 BvL 1/13, BVerfGE 160, 41, Rz 46 f. sowie vom 26.07.2010 – 2 BvR 2227/08, 2 BvR 2228/08, Rz 9; vgl. auch Urteile des Bundesfinanzhofs vom 11.09.2008 – VI R 13/06, BFHE 223, 39, BStBl II 2008, 928, unter C.II. 1. und 2.; und vom 31.08.2010 – VIII R 11/08, BFHE 230, 486, BStBl II 2011, 72, Rz 24[↩]
- vgl. BT-Drs. 16/4841, S. 1, 60[↩]
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- Monopoly: Jörg Hertle