Einkünften aus Vermietung und Verpachtung – und der Abzug nachträglicher Schuldzinsen als Werbungskosten

Für die Berücksichtigung nachträglicher Schuldzinsen bei den Einkünften i.S. des § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG ist maßgeblich, was mit dem Erlös aus der Veräußerung des mit einem Darlehen fremdfinanzierten Vermietungsobjekts geschieht. Die nicht durch eine tatsächliche Verwendung begründete (angebliche) Reinvestitionsabsicht des Veräußerungserlöses in ein noch zu erwerbendes Vermietungsobjekt reicht nicht aus, um der Surrogationsbetrachtung zu genügen und den notwendigen wirtschaftlichen Zusammenhang der Schuldzinsen mit der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung zu begründen.

Einkünften aus Vermietung und Verpachtung – und der Abzug nachträglicher Schuldzinsen als Werbungskosten

Werbungskosten sind nach § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen. Hierzu zählen auch Schuldzinsen, soweit diese mit einer Einkunftsart, vorliegend den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung i.S. des § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG, im wirtschaftlichen Zusammenhang stehen (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 Satz 1 EStG).

Im Rahmen der Prüfung des wirtschaftlichen Veranlassungszusammenhangs zwischen Schuldzinsen auf ein Immobiliendarlehen und der Einkünftesphäre kommt einerseits dem mit der Aufnahme der Darlehensschuld verfolgten Zweck, welcher auf die Erzielung von Einnahmen -im Streitfall aus Vermietung und Verpachtung- gerichtet sein muss, und andererseits der zweckentsprechenden Verwendung der Darlehensmittel entscheidende Bedeutung zu. Der notwendige Veranlassungszusammenhang von Schuldzinsen mit Einkünften aus Vermietung und Verpachtung ist danach als gegeben anzusehen, wenn ein objektiver Zusammenhang dieser Aufwendungen mit der Überlassung eines Vermietungsobjekts zur Nutzung besteht und subjektiv die Aufwendungen zur Förderung dieser Nutzungsüberlassung gemacht werden. Mit der erstmaligen -objektbezogenen- Verwendung einer Darlehensvaluta zur Anschaffung eines Vermietungsobjekts wird die maßgebliche Verbindlichkeit diesem Verwendungszweck unterstellt1.

Weiterlesen:
Wohnungsvermietung auf dem Bauernhof

Ein einmal begründeter und zwischenzeitlich auch nicht aus anderen Gründen weggefallener wirtschaftlicher Veranlassungszusammenhang eines Darlehens mit Einkünften i.S. des § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG entfällt nicht allein deshalb, weil die mit den Darlehensmitteln angeschaffte Immobilie veräußert wird. Vielmehr setzt sich der ursprüngliche Veranlassungszusammenhang zwischen dem Darlehen und den Einkünften aus der Vermietung -unabhängig von der Veräußerung und mithin auch unabhängig von der Frage ihrer Steuerbarkeit- am Veräußerungspreis fort (sog. Surrogationsbetrachtung). Daher sind nachträgliche Schuldzinsen, die auf ein solches Darlehen entfallen, grundsätzlich auch nach einer -ggf. gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG steuerbaren- Veräußerung der Immobilie weiter als (nachträgliche) Werbungskosten zu berücksichtigen, wenn und soweit die Verbindlichkeiten durch den Veräußerungserlös nicht getilgt werden können (sog. Grundsatz des Vorrangs der Schuldentilgung)2. Für die Berücksichtigung nachträglicher Schuldzinsen bei den Einkünften i.S. des § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG ist daher maßgeblich, was mit dem Veräußerungspreis geschieht.

Schafft der Steuerpflichtige damit eine neue Einkunftsquelle -etwa ein zur Vermietung bestimmtes Immobilienobjekt- an, besteht der Zusammenhang (ggf. anteilig in Höhe des verwendeten Erlöses) am neuen Objekt fort3.

Wird kein neues Objekt und auch keine anderweitige Einkunftsquelle angeschafft, kommt es darauf an, ob der Verkaufserlös ausreicht, um das Darlehen abzulösen4.

Ist dies der Fall, endet der wirtschaftliche Zusammenhang i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 EStG mit der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung, und zwar unabhängig davon, ob der Steuerpflichtige -worin er frei ist- tatsächlich das Darlehen ablöst, oder ob er den Veräußerungserlös anderweitig (privat) verwendet und das Darlehen bestehen lässt. Denn im letztgenannten Fall wird der grundsätzlich fortbestehende Veranlassungszusammenhang von einer privat motivierten Entscheidung -die Nichtablösung des Darlehens oder der anderweitigen Verwendung des Verkaufserlöses- ersetzt5.

Weiterlesen:
Nichteheliche Lebensgemeinschaft - und die Zusammenveranlagung

Veräußert der Steuerpflichtige demgegenüber die vermietete Immobilie, reicht der Verkaufserlös aber nicht aus, um ein hierfür aufgenommenes Darlehen abzulösen, bleibt der nicht ablösbare Teil des (fortgeführten) Anschaffungsdarlehens im Zusammenhang mit den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung6.

Auch auf ein Refinanzierungs- oder Umschuldungsdarlehen gezahlte Schuldzinsen können durch die (frühere) Einkünfteerzielung veranlasst sein. Daher kann auch ein Darlehen, das nicht unmittelbar dazu dient, Anschaffungs- oder Herstellungskosten einer zur Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung genutzten Immobilie zu finanzieren, sondern aufgenommen wird, um ein bereits früher aufgenommenes und nach Veräußerung der Immobilie fortgeführtes Anschaffungsdarlehen umzuschulden, mit Blick auf die Surrogationsbetrachtung noch in einem hinreichenden wirtschaftlichen Zusammenhang i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 EStG mit der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung stehen, soweit die Valuta des Umschuldungsdarlehens nicht über den abzulösenden Restdarlehensbetrag hinausgeht und die Umschuldung sich im Rahmen einer marktüblichen Finanzierung bewegt7.

Die nach § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG steuerbare Tätigkeit ist dabei stets objektbezogen; maßgebend ist die auf ein bestimmtes Objekt ausgerichtete Tätigkeit des Steuerpflichtigen8.

Für die Abziehbarkeit von Schuldzinsen als Werbungskosten kommt es auf den wirtschaftlichen Zusammenhang mit dem konkreten Vermietungsobjekt im Zeitpunkt ihres jeweiligen Entstehens an9. Eine bloße gedankliche Zuweisung eines Darlehens durch den Steuerpflichtigen genügt nicht10; die Darlehensmittel müssen vielmehr -tatsächlich- einem bestimmten Wirtschaftsgut zugeordnet werden können11. Es steht nach der erstmaligen -objektbezogenen- Verwendung einer Darlehensvaluta zur Anschaffung eines Vermietungsobjekts auch nach dessen späterer Veräußerung nicht im Belieben des Steuerpflichtigen, ungeachtet der objektiven Umstände lediglich aufgrund einer bloßen Willensentscheidung diese Fremdmittel einem anderen Vermietungsobjekt zuzuordnen12. Dies folgt aus dem Grundsatz, dass das Darlehen auch im Zeitpunkt des jeweiligen Entstehens der Schuldzinsen tatsächlich zum Erzielen von Einkünften -im vorliegenden Falle von solchen aus Vermietung und Verpachtung- verwendet worden sein muss13.

Weiterlesen:
Geschäftsanteile als Arbeitslohn

Nach diesen Maßstäben waren in dem hier vom Bundesfinanzhof entschiedenen Fall die in Rede stehenden Schuldzinsen auf die Darlehen 586 und 578 in den Streitjahren 2009 bis 2011 nicht als Werbungskosten bei den Einkünften der Vermieterin aus Vermietung und Verpachtung abziehbar:

Da im vorliegenden Fall mit dem Veräußerungserlös keine neue Einkunftsquelle angeschafft worden ist, dieser aber ausgereicht hätte, um die beiden Darlehen abzulösen, endete im Streitfall der wirtschaftliche Zusammenhang i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 EStG dieser Darlehen mit der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung im Jahr 2007.

Rechtliche Hindernisse standen der Verwendung des Veräußerungserlöses zur Schuldentilgung im vorliegenden Fall nicht entgegen. Denn auch bei einem Festzinskredit mit vertraglich vereinbarter Laufzeit begründet das Bedürfnis des Darlehensnehmers nach einer anderweitigen Verwertung des beliehenen Objekts eine Verpflichtung des Darlehensgebers, in eine vorzeitige Darlehensablösung gegen angemessene Vorfälligkeitsentschädigung einzuwilligen14. Der Einwand der Vermieter, dass die Tilgung des Darlehens 578 aus der Ablaufleistung einer zu diesem Zweck abgeschlossenen Kapitallebensversicherung erfolgen sollte, führt zu keiner anderen Beurteilung. Denn dies hinderte die Vermieterin nicht daran, das Darlehen aus dem Veräußerungserlös zu tilgen und die Ablaufleistungen der Lebensversicherungen für andere Zwecke zu verwenden.

Die streitigen Schuldzinsen können auch nicht als (vorab entstandene) Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung aus anderen Objekten abgezogen werden. Die Mittel aus den Darlehen 586 und 578 sind in den Streitjahren nicht tatsächlich zum Erzielen von Vermietungseinkünften verwendet worden. Die Vermieterin hat den Erlös aus der Veräußerung nicht zur Anschaffung anderer Vermietungsobjekte eingesetzt, insbesondere wurden die im November 2009 neu angeschafften Immobilien allein durch die Aufnahme neuer Kredite finanziert. Anders als die Vermieter meinen, reicht die -nicht durch eine tatsächliche Verwendung begründete- (angebliche) Reinvestitionsabsicht des Veräußerungserlöses in ein noch zu erwerbendes und nicht bestimmtes Vermietungsobjekt nicht aus, um der Surrogationsbetrachtung zu genügen und den notwendigen wirtschaftlichen Zusammenhang i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 EStG mit der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung zu begründen.

Weiterlesen:
Der strafbare Facebook-Kommentar - und die Anwaltskosten als Werbungskosten

Bundesfinanzhof, Urteil vom 6. Dezember 2017 – IX R 4/17

  1. BFH, Urteile vom 20.06.2012 – IX R 67/10, BFHE 237, 368, BStBl II 2013, 275, Rz 15; vom 09.05.2017 – IX R 45/15, BFH/NV 2017, 1036, Rz 14[]
  2. s. BFH, Urteile in BFHE 237, 368, BStBl II 2013, 275; und vom 08.04.2014 – IX R 45/13, BFHE 244, 442, BStBl II 2015, 635, m.w.N.[]
  3. BFH, Urteile vom 08.04.2003 – IX R 36/00, BFHE 202, 280, BStBl II 2003, 706; in BFHE 244, 442, BStBl II 2015, 635[]
  4. BFH, Urteil in BFHE 244, 442, BStBl II 2015, 635[]
  5. BFH, Urteile vom 25.02.2009 – IX R 52/07, BFH/NV 2009, 1255; in BFHE 244, 442, BStBl II 2015, 635[]
  6. vgl. BFH, Urteil in BFHE 237, 368, BStBl II 2013, 275[]
  7. ausführlich BFH, Urteil in BFHE 244, 442, BStBl II 2015, 635, m.w.N.[]
  8. ständige Rechtsprechung, z.B. BFH, Urteile vom 26.11.2008 – IX R 67/07, BFHE 224, 58, BStBl II 2009, 370; vom 12.05.2009 – IX R 18/08, BFH/NV 2009, 1627; vom 13.01.2015 – IX R 46/13, BFH/NV 2015, 668; in BFH/NV 2017, 1036[]
  9. vgl. BFH, Urteile vom 07.03.1995 – VIII R 9/94, BFHE 177, 392, BStBl II 1995, 697; in BFHE 202, 280, BStBl II 2003, 706[]
  10. BFH, Urteile vom 29.07.1997 – IX R 89/94, BFHE 184, 80, BStBl II 1997, 772; vom 27.10.1998 – IX R 44/95, BFHE 187, 276, BStBl II 1999, 676; vom 19.08.1998 – X R 96/95, BFHE 187, 21, BStBl II 1999, 353[]
  11. BFH, Urteil vom 25.05.2011 – IX R 22/10, BFH/NV 2012, 14, m.w.N.[]
  12. vgl. BFH, Urteil in BFHE 202, 280, BStBl II 2003, 706, unter II. 1.b und 2.b[]
  13. z.B. BFH, Beschlüsse vom 04.07.1990 – GrS 2-3/88, BFHE 161, 290, BStBl II 1990, 817, unter C.II. 2.; und vom 08.12 1997 – GrS 1-2/95, BFHE 184, 7, BStBl II 1998, 193, unter B.I. 1. und 2.; BFH, Urteile vom 23.10.2001 – IX R 65/99, BFH/NV 2002, 341; vom 09.07.2002 – IX R 65/00, BFHE 199, 430, BStBl II 2003, 389[]
  14. vgl. BGH, Urteil vom 01.07.1997 – XI ZR 267/96, BGHZ 136, 161[]
Weiterlesen:
Doppelte Haushaltsführung des alleinstehenden Arbeitnehmers