Fahrtkosten eines Kindes bei Fachschule und Praktikum

Für ein über 18 Jahre altes Kind, das -wie die Tochter der Klägerin im streitigen Zeitraum Januar bis Juli 2011- das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hat und für einen Beruf ausgebildet wird, besteht nach § 62 Abs. 1, § 63 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a, § 32 Abs. 4 Sätze 2 und 6 bis 8 EStG ein Anspruch auf Kindergeld, wenn die zur Bestreitung des Unterhalts oder der Berufsausbildung des Kindes bestimmten oder geeigneten Einkünfte und Bezüge des Streitzeitraums den (anteiligen) Grenzbetrag nicht übersteigen.

Fahrtkosten eines Kindes bei Fachschule und Praktikum

Bei einer Tochter, die an einer privaten Fachschule zur staatlich anerkannten Erzieherin ausgebildet wird, sind die Fahrtkosten zum Kindergarten und zur Fachschule nicht mit der sog. Entfernungspauschale, sondern mit den tatsächlich entstandenen Kosten -hier pauschal 0, 30 € je gefahrenen Kilometer- anzusetzen.

Die Aufwendungen für die Fahrten zum Kindergarten sind in tatsächlicher Höhe als Werbungskosten abzuziehen.

Der Begriff der Einkünfte i.S. von § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG entspricht dem in § 2 Abs. 2 EStG definierten Begriff und ist je nach Einkunftsart als Gewinn oder Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten zu verstehen. Erzielt das Kind infolge seiner Berufsausbildung -wie hier für das Praktikum- Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, sind daher von den Bruttoeinnahmen die Werbungskosten (§ 9 EStG) abzuziehen1.

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Werbungskosten durch berufsbezogene Bildungsmaßnahmen umfassen Fahrtkosten, die grundsätzlich in tatsächlicher Höhe zu berücksichtigen sind (§ 9 Abs. 1 Satz 1 EStG), soweit der Arbeitnehmer nicht auf deren konkrete Ermittlung verzichtet und die in H 9.5 des Amtlichen Lohnsteuerhandbuchs 2011 vorgesehene Pauschale (0,30 € je Fahrtkilometer) ansetzt.

Die Abzugsbegrenzung für Wegekosten zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG ist grundsätzlich nicht zu beachten, wenn die zu Einkünften führende Bildungsmaßnahme nicht auf Dauer angelegt, sondern wie das hier vorliegende halbjährige bezahlte Praktikum im Kindergarten lediglich als Teilabschnitt in eine längere und anderenorts stattfindende Ausbildung eingebettet ist, die nicht insgesamt als Ausbildungsdienstverhältnis organisiert ist2. Wie bei einer Auswärtstätigkeit besteht in einem solchen Fall typischerweise nicht die Möglichkeit, sich auf die immer gleichen Wege einzustellen und so auf eine Minderung der Wegekosten hinzuwirken3; derartige Sachverhalte sind auch nicht mit befristeten Arbeitsverhältnissen vergleichbar4.

Die Aufwendungen für die Fahrten zur Fachschule sind ebenfalls in tatsächlicher Höhe abzuziehen. Der Bundesfinanzhof braucht nicht zu entscheiden, ob das Finanzgericht die Kosten für die Fahrten zur Fachschule -etwa wegen einer vorangegangenen Ausbildung der Tochter- zu Recht als Werbungskosten abgezogen hat oder ob diese als ausbildungsbedingte Mehraufwendungen zu berücksichtigen sind.

Alle über die Lebensführung hinausgehenden ausbildungsbedingten Mehraufwendungen, die nicht bereits als Werbungskosten im Rahmen einer Einkunftsart des Kindes berücksichtigt werden, sind gemäß § 32 Abs. 4 Satz 5 EStG a.F. als besondere Ausbildungskosten von der Summe der Einkünfte und Bezüge abzuziehen. Der Abzug ausbildungsbedingter Mehraufwendungen orientiert sich sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach an den entsprechend anwendbaren Vorschriften über den Werbungskostenabzug5. Falls der Werbungskostenabzug nach § 12 Nr. 5 und § 9 Abs. 6 EStG i.d.F. des Beitreibungsrichtlinie-Umsetzungsgesetzes (BeitrRLUmsG) vom 07.12 20116 ausgeschlossen wäre, weil es sich um Aufwendungen für eine erstmalige Berufsausbildung oder ein Erststudium handeln sollte, würde dies dem Abzug der Fahrtkosten als ausbildungsbedingte Mehraufwendungen im Rahmen der Grenzbetragsberechnung nicht entgegenstehen.

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Eine Beschränkung des Werbungskostenabzugs wie auch des Abzugs ausbildungsbedingter Mehraufwendungen auf die Entfernungspauschale scheidet danach aus, weil eine regelmäßige Arbeitsstätte i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG nur im Rahmen bezahlter Arbeit in Betracht kommt7. Die von der Tochter besuchte Fachschule ist keine regelmäßige Arbeitsstätte, obwohl sie häufig und über einen längeren Zeitraum hinweg aufgesucht wurde, weil sie nicht vom Arbeitgeber der Tochter betrieben wurde8.

Bundesfinanzhof, Urteil vom 5. Februar 2015 – III R 24/14

  1. ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH, Urteile vom 17.06.2010 – III R 59/09, BFHE 230, 142, BStBl II 2011, 121; und vom 16.01.2013 – VI R 14/12, BFHE 240, 125, BStBl II 2013, 449[]
  2. vgl. dazu BFH, Urteil vom 10.04.2014 – III R 35/13, BFHE 245, 207, BStBl II 2014, 1011[]
  3. BFH, Urteil in BFHE 240, 125, BStBl II 2013, 449, m.w.N.[]
  4. vgl. dazu BFH, Urteil vom 06.11.2014 – VI R 21/14, BFHE 247, 427, BStBl II 2015, 338[]
  5. BFH, Urteil vom 22.09.2011 – III R 38/08, BFHE 235, 331, BStBl II 2012, 338, m.w.N., zu § 9 Abs. 2 EStG[]
  6. BGBl I 2011, 2592[]
  7. BFH, Urteil vom 09.02.2012 – VI R 44/10, BFHE 236, 431, BStBl II 2013, 234[]
  8. BFH, Urteil in BFHE 245, 207, BStBl II 2014, 1011[]
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