Für das Finanzgericht Nürnberg bestehen erhebliche Zweifel, ob die Besteuerung von Gewinnen aus Kryptowährungen rechtmäßig ist.

Mit dieser Begründung hat das Finanzgericht Nürnberg in dem hier vorliegenden Fall die Aussetzung der Vollziehung eines angefochtenen Steuerbescheids für die Dauer des Einspruchsverfahrens angeordnet, weil das Finanzamt hier einen Gewinn aus privaten Veräußerungsgeschäften besteuere, ohne den zugrundeliegenden Sachverhalt aufgeklärt zu haben. Außerdem ist für das Finanzgericht Nürnberg fraglich, ob mit den bestehenden steuerlichen Vorschriften konkret die Besteuerung von Geschäftsvorfällen mit einer Kryptowährung zu beurteilen ist und eine bestimmte Kryptowährung möglicherweise ein Wirtschaftsgut darstellt, was beim An- und Verkauf nach §§ 22 Nr. 2, 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2. Satz 1 EStG einen Besteuerungstatbestand erfüllt. Mit dieser Auffassung stellt sich das Finanzgericht Nürnberg nicht nur deutlich gegen die Handhabungspraxis der Finanzverwaltung, sondern auch gegen die Entscheidung des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg1, das im Verfahren zum vorläufigen Rechtsschutz die Spekulationen mit Kryptowährungen als steuerpflichtig angesehen hat.
Zu dem Verfahren vor dem Finanzgericht Nürnberg ist es gekommen, weil ein Steuerpflichtiger sich mit seinem zuständigen Finanzamt nicht darüber einig wurde, ob eine Steuerpflicht für Gewinne aus dem Handel mit „Kryptowährungen“ besteht. Der Steuerpflichtige erzielt Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit als Kursleiter sowie aus Gewerbetrieb (Einzelhandel). Nachdem das Finanzamt anhand der übermittelten Steuererklärung die Steuer für das Jahr 2017 (ohne Berücksichtigung des An- und Verkaufs von Kryptowährungen) vorläufig auf 8.481,00 € vorläufig festgesetzt hatte, erließ das Finanzamt einen nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO geänderten Bescheid, mit dem die Steuer unter Einbeziehung von Einkünften aus privaten Veräußerungsgeschäften in Höhe von 102.141 € auf 50.886,00 € heraufgesetzt wurde. Aufgrund von ergänzenden Angaben erließ das Finanzamt am 03.09.2019 einen geänderten Steuerbescheid für 2017, in dem es die Steuer auf 50.435,00 € herabsetzte. Damit war der Steuerpflichtige nicht einverstanden und hat dagegen Einspruch eingelegt. Gleichzeitig ist die Aussetzung der Vollziehung beantragt worden. Das Finanzamt lehnte die Aussetzung der Vollziehung ab, so dass beim Finanzgericht Nürnberg der Antrag gestellt worden ist, den geänderten Einkommensteuerbescheid vom 03.09.2019 insoweit von der Vollziehung auszusetzen, als die Steuerfestsetzung auf der Besteuerung dieser „sonstigen Einkünften“ beruht.
Mit Kryptowährungen wird ein digitaler Zahlungsverkehr durch kryptographische Werkzeuge ermöglicht, der keiner zentralen Stellen wie Banken bedarf. Die erste Kryptowährung, die öffentlich gehandelt worden ist, ist im Jahr 2009 der Bitcoin gewesen. Inzwischen existieren mehrere Tausend Währungen – Bitcoin (BTC), Ethereum (ETH), Bitcoin Cash (BCH), Bitcoin SV (BSV), Litecoin (LTC) usw.. Man besitzt einen kryptologischen Schlüssel als Zeichen des Eigentums an ebenfalls kryptologisch signiertem Guthaben. Das wird mit Hilfe einer besonderen gemeinschaftlichen Buchhaltung ganz speziell gespeichert (Blockchain). Mit dem Wachsen der Kryptowährungen hat es auch einen stetig wachsenden Handel damit gegeben, der folglich auch einen dementsprechenden Marktplatz benötigt. Wer in den Handel mit Bitcoins und Co einsteigen möchte, sollte sich gut informieren und auf Seriosität achten. Insbesondere die Spezialisierung und Erfahrung auf diesem besonderen Gebiet können ein Anhaltspunkt für eine Marktplattform mit Qualität sein. So ist z.B. bei dem seit 2011 bestehenden Handelsplatz Bitcoin.de Qualität durch Erfahrung gesichert.
In dem hier vorliegenden Fall hat der Antragsteller durch den Ankauf und Verkauf von Kryptowährungen Einkünfte in Höhe von 102.141 € erzielt, von denen er angenommen hat, dass sie steuerfrei sind. Dagegen ist das Finanzamt der Meinung, dass es keiner gesonderten gesetzlichen Grundlage bedürfe, um Erträge aus Geschäften mit Kryptowährungen zu besteuern. Die Veräußerung von Wirtschaftsgütern sei in § 23 EStG geregelt. Außerdem verweist das Finanzamt auf eine Entscheidung des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg, die zur Veräußerung von Bitcoins ergangen sei. Dort hätte das Gericht keine Zweifel daran gehabt, dass Veräußerungsgewinne bei sogenannten Krypto-Assets gemäß §§ 22 Nr. 2, 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG zur Besteuerung heranzuziehen seien. Weiterhin argumentiert das Finanzamt, dass die Vermutung, viele Steuerpflichtige würden Gewinne aus Handelsgeschäften mit Kryptowährungen dem Finanzamt gegenüber verschweigen, in diesem Fall nicht dazu führen könne, dass dem Steuerehrlichen allein deswegen eine Aussetzung der Vollziehung gewährt werden müsse.
Dieser Auffassung des Finanzamtes konnte sich das Finanzgericht Nürnberg in seiner Entscheidungsbegründung nicht anschließen: So stellt das Finanzgericht fest, das Finanzamt habe einen Gewinn aus privaten Veräußerungsgeschäften besteuert, ohne den zugrundeliegenden Sachverhalt aufgeklärt zu haben. Es sei bislang überhaupt nicht geprüft worden, was eigentlich besteuert werden soll. Wie im Streitfall der laut Steuererklärung angegebene Gewinn aus dem Ankauf und Verkauf von Kryptowährungen ermittelt wurde bzw. die „Kalkulation des privaten Veräußerungsgeschäfts nach der FIFO-Methode gemacht“ wurde (Äußerung des Antragstellers in seinem Schreiben) erschließt sich dem Finanzgericht nicht. Insbesondere sei nicht bekannt, um welche von den zahlreichen Kryptowährungen es sich hier handelt, denn größtenteils sind es nach den Angaben des Antragstellers keine Bitcoins, sondern diverse andere. Außerdem sei nicht geklärt, welche Vorgänge vom Antragsteller als An- bzw. Verkauf bestimmt worden seien und wie genau er die Zeitpunkte der Vorgänge ermittelt habe.
Darüber hinaus mag bei einfachen Sachverhaltsangaben gelten, dass den Angaben des Steuerpflichtigen gefolgt werden konnte und er diese Angaben gegen sich gelten lassen müsse – aber das gelte nicht, wenn es sich um eine tatsächlich und rechtlich komplexe Beurteilung geht, wie im Streitfall um die Einordnung von Erträgen aus Geschäften mit verschiedenen Kryptowährungen als steuerpflichtige private Veräußerungsgewinne im Sinne des § 22 Nr. 2 i. V. m. § 23 Abs. 1 EStG.
Außerdem führt das Finanzgericht Nürnberg auch rechtliche Zweifel an, die die Aussetzung der Vollziehung des angefochtenen Einkommensteuerbescheids im begehrten Umfang rechtfertigen:
Nach Auffassung des Finanzgerichts ist die steuerliche Behandlung von Kryptowährungen soweit ersichtlich bisher noch nicht Gegenstand der höchstrichterlichen Rechtsprechung gewesen. Auch wenn man dem Finanzamt zugesteht, dass die bestehenden steuerlichen Vorschriften ausreichend sind, konkret die Besteuerung von Geschäftsvorfällen mit einer Kryptowährung zu beurteilen und möglicherweise eine konkrete Kryptowährung ein Wirtschaftsgut darstellen kann und folglich ihr An- und Verkauf nach §§ 22 Nr. 2, 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2. Satz 1 EStG einen Besteuerungstatbestand erfüllen kann, fehlt es an der finanzgerichtlichen Rechtsprechung, bzw. der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs.
Lediglich das Finanzgericht Baden-Württemberg2 hat in einem Urteil über den An- und Verkauf von Finaltickets erwähnt, dass es eine Besteuerung von Spekulationsgeschäften mit Kryptowährungen ebenso wenig für zulässig halte wie die seiner Entscheidung zugrundeliegenden Geschäften mit Finaleintrittskarten. Anderer Meinung war das Finanzgericht Berlin-Brandenburg1, nach dem Spekulationen mit Kryptowährungen nach §§ 22 Nr. 2, 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2. Satz 1 EStG steuerpflichtig seien. Das Finanzgericht Nürnberg hält diese Entscheidung, auf die sich das Finanzamt fast ausschließlich bezieht für nicht nachvollziehbar. So spreche die Argumentation des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg eher dafür, dass auch in dem dort entschiedenen Verfahren, die Gewährung der Aussetzung der Vollziehung angezeigt gewesen wäre.
Das Finanzgericht Nürnberg betont deutlich, das bei der Qualifizierung einer Kryptowährung als Wirtschaftsgut schon möglichst klar sein sollte, worüber man eigentlich entscheidet.
Aus diesen Gründen sind die Voraussetzungen für die Gewährung einer Aussetzung der Vollziehung im Rahmen der gebotenen summarischen Prüfung erfüllt.
Finanzgericht Nürnberg, Beschluss vom 8. April 2020 – 3 V 1239/19
- FG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 20.06.2019 – 13 V 13100/19[↩][↩]
- FG Baden-Württemberg, Urteil vom 02.03.2018 – 5 K 2508/17[↩]
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