Die Steuerermäßigung nach § 35a Abs. 2 EStG ist auch für die Inanspruchnahme von haushaltsnahen Dienstleistungen zu gewähren, die dem Grunde nach als außergewöhnliche Belastungen abziehbar, wegen der zumutbaren Belastung aber nicht als solche berücksichtigt worden sind.

In der Haushaltsersparnis, die bei der Ermittlung der abziehbaren außergewöhnlichen Belastungen für eine krankheitsbedingte Unterbringung zu berücksichtigen ist, sind keine Aufwendungen enthalten, die eine Steuerermäßigung nach § 35a Abs. 2 EStG rechtfertigen.
Dies entschied jetzt der Bundesfinanzhof in einem Fall, in dem die Frage strittig war, ob im Fall einer krankheitsbedingten Heimunterbringung in Bezug auf die Haushaltsersparnis eine Steuerermäßigung nach § 35a EStG zu gewähren ist.
Die Steuerermäßigung nach § 35a Abs. 2 EStG kann gemäß § 35a Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 1 EStG u.a. nur in Anspruch genommen werden, soweit die Aufwendungen nicht als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt worden sind. Hierdurch soll eine ansonsten mögliche Doppelbegünstigung vermieden werden1.
Aufwendungen, die durch den Ansatz der zumutbaren Belastung nach § 33 Abs. 3 EStG nicht als außergewöhnliche Belastungen vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden, sind nicht i.S. von § 35a Abs. 5 EStG als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt worden. Für diese Aufwendungen ist eine Steuerermäßigung nach § 35a EStG mithin zulässig2.
Werden im Rahmen des § 33 EStG Aufwendungen geltend gemacht, die dem Grunde nach sowohl bei § 33 EStG als auch bei § 35a EStG berücksichtigt werden können, geht die Finanzverwaltung typisierend davon aus, dass die zumutbare Belastung vorrangig auf die nach § 35a EStG begünstigten Aufwendungen entfällt3.
Bei Anwendung dieser Rechtsgrundsätze ist das Finanzgericht im Ergebnis zutreffend davon ausgegangen, dass die vom Finanzamt nach § 35a Abs. 2 EStG bereits gewährte Ermäßigung der tariflichen Einkommensteuer in Höhe von 408 € zu Recht erfolgt ist, da Aufwendungen für die Inanspruchnahme von haushaltsnahen Dienstleistungen in Höhe von 2.039 € durch den Ansatz der zumutbaren Belastung im Rahmen von § 33 EStG nicht als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt worden sind.
Im vorliegenden Fall sind der Seniorin krankheitsbedingt Aufwendungen für die Unterbringung in der Seniorenresidenz in Höhe von 22.619, 28 € entstanden. In diesem Betrag sind haushaltsnahe Dienstleistungen i.S. des § 35a Abs. 2 EStG in Höhe von 6.799 € enthalten, die in Höhe von 2.039 € (zumutbare Belastung) nicht als außergewöhnliche Belastungen vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen worden sind. Der Ausschlusstatbestand in § 35a Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 1 EStG greift in diesem Betragsumfang daher nicht. Soweit die Finanzverwaltung typisierend davon ausgeht, dass die zumutbare Belastung vorrangig auf die nach § 35a EStG begünstigten Aufwendungen entfällt4, ist dies nicht zu beanstanden.
Die tarifliche Einkommensteuer der Seniorin ist daher nach § 35a Abs. 2 EStG um 408 € zu ermäßigen. Eine über den Betrag von 408 € hinausgehende Steuerermäßigung nach § 35a Abs. 2 EStG kommt dagegen für den Bundesfinanzhof nicht in Betracht:
Soweit die von der Seniorenresidenz bescheinigten haushaltsnahen Dienstleistungen die zumutbare Belastung übersteigen (4.760 €) und sie sich als außergewöhnliche Belastungen (12.109 €) ausgewirkt haben, scheidet eine (weitere) Berücksichtigung gemäß § 35a Abs. 2 EStG nach § 35a Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 1 EStG aus.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass sich ein Teil der vom Finanzgericht anerkannten Unterbringungskosten (22.620 €) infolge der Kürzung um die Haushaltsersparnis (8.472 €) im Rahmen des § 33 EStG nicht steuermindernd ausgewirkt hat. Zwar handelt es sich insoweit nicht um außergewöhnliche Belastungen, so dass -anders als das Finanzamt offenbar meint- eine Berücksichtigung nicht am Verbot der Doppelberücksichtigung des § 35a Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 1 EStG scheitert.
Eine Steuerermäßigung nach § 35a Abs. 2 EStG setzt allerdings voraus, dass in dem Betrag (hier in der Haushaltsersparnis) überhaupt Aufwendungen für haushaltsnahe Dienstleistungen enthalten sind. Dies kann in Bezug auf die Haushaltsersparnis nicht typisierend unterstellt werden.
Die Haushaltsersparnis entspricht der Höhe nach vielmehr den ersparten Verpflegungs- und Unterbringungskosten5. Sie wird realitätsgerecht entsprechend dem in § 33a Abs. 1 EStG vorgesehenen Höchstbetrag für den Unterhalt unterhaltsbedürftiger Personen geschätzt, wobei Maßgröße insoweit die üblichen Kosten eines Einpersonenhaushalts sind6. Mit der Haushaltsersparnis werden Fixkosten wie Miete oder Zinsaufwendungen, Grundgebühr für Strom, Wasser etc. sowie Reinigungsaufwand und Verpflegungskosten typisiert7. Insoweit ist davon auszugehen, dass in dem typisierten Betrag von im Streitjahr 8.472 € Aufwendungen für haushaltsnahe Dienstleistungen nicht in einer belastbaren Größenordnung enthalten sind.
Bundesfinanzhof, Urteil vom 16. Dezember 2020 – VI R 46/18
- Barein in Littmann/Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht, Kommentar, § 35a Rz 33[↩]
- z.B. Apitz in Herrmann/Heuer/Raupach, § 35a EStG Rz 24; Schmidt/Krüger, EStG, 39. Aufl., § 35a Rz 25[↩]
- BMF, Schreiben vom 09.11.2016 – IV C 8-S 2296-b/07/10003:008, BStBl I 2016, 1213, Rz 32[↩]
- BMF, Schreiben in BStBl I 2016, 1213, Rz 32[↩]
- BFH, Urteil vom 04.10.2017 – VI R 22/16, BFHE 259, 352, BStBl II 2018, 179, Rz 12, m.w.N.[↩]
- BFH, Urteil in BFHE 259, 352, BStBl II 2018, 179, Rz 13 f.[↩]
- BFH, Urteil in BFHE 259, 352, BStBl II 2018, 179, Rz 17[↩]