Instandsetzungsmaßnahmen im Sanierungsgebiet – und die Bindungswirkung der gemeindlichen Bescheinigung

Die Bindungswirkung des Grundlagenbescheides gemäß § 7h Abs. 2 EStG erstreckt sich auf die in § 7h Abs. 1 EStG benannten Tatbestandsmerkmale. Eine im Grundlagenbescheid enthaltene „Vorbehaltsklausel“, dass die Bescheinigung „nicht alleinige Voraussetzung für die Inanspruchnahme der Steuervergünstigung ist und die Finanzbehörde die weiteren steuerrechtlichen Voraussetzungen … prüft“, betrifft nur spezifisch steuerrechtliche Voraussetzungen. Diese Grundsätze gelten ebenfalls bei der Anwendung des § 7h EStG im Rahmen der Steuerbegünstigung des § 10f EStG.

Instandsetzungsmaßnahmen im Sanierungsgebiet – und die Bindungswirkung der gemeindlichen Bescheinigung

Bei einem im Inland belegenen Gebäude in einem förmlich festgelegten Sanierungsgebiet oder städtebaulichen Entwicklungsbereich kann der Steuerpflichtige nach Maßgabe des § 7h Abs. 1 Satz 1 EStG -abweichend von § 7 Abs. 4 und 5 EStG- im Jahr der Herstellung und in den folgenden sieben Jahren jeweils bis zu 9 Prozent der Herstellungskosten für Modernisierungs- und Instandsetzungsmaßnahmen i.S. des § 177 BauGB absetzen. § 7h Abs. 1 Satz 1 EStG ist entsprechend anzuwenden auf Herstellungskosten für Maßnahmen, die der Erhaltung, Erneuerung und funktionsgerechten Verwendung eines Gebäudes im Sinne des Satzes 1 dienen, das wegen seiner geschichtlichen, künstlerischen oder städtebaulichen Bedeutung erhalten bleiben soll, und zu deren Durchführung sich der Eigentümer neben bestimmten Modernisierungsmaßnahmen gegenüber der Gemeinde verpflichtet hat (§ 7h Abs. 1 Satz 2 EStG). Der Steuerpflichtige kann die erhöhten Absetzungen im Jahr des Abschlusses der Maßnahme und in den folgenden elf Jahren auch für Anschaffungskosten in Anspruch nehmen, die auf Maßnahmen im Sinne der Sätze 1 und 2 entfallen, soweit diese nach dem rechtswirksamen Abschluss eines obligatorischen Erwerbsvertrags oder eines gleichstehenden Rechtsakts durchgeführt worden sind (§ 7h Abs. 1 Satz 3 EStG).

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Gemäß § 7h Abs. 2 Satz 1 EStG kann der Steuerpflichtige die erhöhten Absetzungen jedoch nur in Anspruch nehmen, wenn er durch eine Bescheinigung der zuständigen Gemeindebehörde die Voraussetzungen des Abs. 1 für das Gebäude und die Maßnahmen nachweist. Die Bescheinigung ist materiell-rechtliche Abzugsvoraussetzung für die Begünstigung des § 7h EStG und Grundlagenbescheid i.S. des § 171 Abs. 10, § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 der Abgabenordnung -AO-1. Dies folgt aus dem Zweck des § 7h Abs. 2 EStG. Denn mangels eigener Sachkunde ist es den Finanzbehörden nicht möglich zu überprüfen, ob Maßnahmen i.S. des § 7h Abs. 1 EStG durchgeführt worden sind. Die Finanzverwaltung selbst erkennt an, dass die Bescheinigung der Gemeindebehörde keiner Nachprüfung unterliegt2.

Die Bindungswirkung der Bescheinigung erstreckt sich auf die in § 7h Abs. 1 EStG benannten Tatbestandsmerkmale, nämlich auf die Feststellung, ob das Gebäude in einem Sanierungsgebiet belegen ist, ob Modernisierungs- und Instandsetzungsmaßnahmen i.S. des § 177 BauGB bzw. Maßnahmen i.S. des § 7h Abs. 1 Satz 2 EStG durchgeführt und ob Zuschüsse aus Sanierungs- oder Entwicklungsfördermitteln gewährt worden sind.

Nach diesen Grundsätzen prüft allein die Gemeinde, ob Modernisierungs- und Instandsetzungsmaßnahmen i.S. des § 177 BauGB durchgeführt wurden. Aufgrund der Wertungen des Baugesetzbuchs muss entschieden werden, wie die Begriffe „Modernisierung“ und „Instandsetzung“ zu verstehen sind und ob darunter auch ein Neubau in bautechnischem Sinne zu subsumieren ist.

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Die in der Bescheinigung enthaltene „Vorbehaltsklausel“, dass „sie nicht alleinige Voraussetzung für die Inanspruchnahme der Steuervergünstigung ist und die Finanzbehörde die weiteren steuerrechtlichen Voraussetzungen … prüft“, betrifft nur spezifisch steuerrechtliche Voraussetzungen, die wiederum die Gemeinde mangels Sachkunde nicht prüfen kann. Zu diesen spezifisch steuerrechtlichen Voraussetzungen gehört indes nicht die Beurteilung, ob Modernisierungs- und Instandsetzungsmaßnahmen i.S. des § 177 BauGB durchgeführt wurden und ob und in welchen Fällen darunter auch ein Neubau im bautechnischen Sinne fällt.

Diese Grundsätze gelten ebenfalls bei der Anwendung des § 7h EStG im Rahmen der Steuerbegünstigung des § 10f EStG. Nach § 10f Abs. 1 Satz 1 EStG kann der Steuerpflichtige Aufwendungen „an einem eigenen Gebäude“ im Kalenderjahr des Abschlusses der Baumaßnahme und in den neun folgenden Kalenderjahren jeweils bis zu 9 Prozent wie Sonderausgaben abziehen, wenn die Voraussetzungen des -hier relevanten- § 7h EStG oder des § 7i EStG vorliegen. Die Aufwendungen sind nur begünstigt, soweit der Steuerpflichtige das Gebäude in dem jeweiligen Kalenderjahr zu eigenen Wohnzwecken nutzt und die Aufwendungen nicht in die Bemessungsgrundlage nach § 10e EStG oder dem Eigenheimzulagengesetz einbezogen hat (§ 10f Abs. 1 Satz 2 EStG). Nach § 10f Abs. 5 EStG ist Abs. 1 „auf Gebäudeteile, die selbständige unbewegliche Wirtschaftsgüter sind“ entsprechend anzuwenden.

Bundesfinanzhof, Urteil vom 6. Dezember 2016 – IX R 17/15

  1. BFH, Urteile vom 22.09.2005 – IX R 13/04, BFHE 215, 158, BStBl II 2007, 373; vom 06.05.2014 – IX R 15/13, BFHE 246, 61, BStBl II 2015, 581; – IX R 16/13, BFH/NV 2014, 1729, und – IX R 17/13, BFH/NV 2014, 1731, sowie vom 22.10.2014 – X R 15/13, BFHE 247, 562, BStBl II 2015, 367, Anschluss an die Rechtsprechung des IX. Bundesfinanzhofs; ausführlich zuletzt BFH, Beschluss vom 06.10.2016 – IX B 81/16, BFHE 254, 514, m.w.N.[]
  2. vgl. R 7h (4) Satz 2 der Einkommensteuer-Richtlinien und H 7h „Bindungswirkung der Bescheinigung“ des Amtlichen Einkommensteuer-Handbuchs 2015[]
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