Kein Kindergeldanspruch für in Polen lebende Kinder

Nach zuletzt zwei Urteilen des Finanzgerichts Düsseldorf hat nun auch das Niedersächsische Finanzgericht geurteilt, dass kein Kindergeldanspruch besteht für in Polen lebende Kinder eines polnischen Staatsangehörigen, der im Auftrag seines polnischen Arbeitgebers in Deutschland arbeitet.

Kein Kindergeldanspruch für in Polen lebende Kinder

Nach dem Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts ist in derartigen Fällen ein Kindergeldanspruch mit der Begründung zu versagen, dass nach der VO 1408/711 das deutsche Kindergeldrecht und damit die §§ 62 ff. EStG ausgeschlossen sind. Das deutsche Kindergeld fällt, so das FG, in den sachlichen Geltungsbereich der VO 1408/71. Es ist eine Familienleistung i. S. des Art. 4 Abs. 1 Buchst. h dieser Verordnung2. Der in Deutschland arbeitende Vater unterliegt als Arbeitnehmer auch dem persönlichen Geltungsbereich der VO 1408/71.

Die Frage, ob ihm ein Anspruch auf Kindergeld zusteht, ist demzufolge nach den Bestimmungen der VO 1408/71 zu entscheiden. Die Art. 13 bis 17a des Titels II der VO legen fest, welche Rechtsvorschriften auf Arbeitnehmer und Selbständige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, anwendbar sind. Sie bilden nach der Rechtsprechung des EuGH ein geschlossenes System von Kollisionsnormen und bezwecken, dass die Betroffenen (zu einem bestimmten Zeitpunkt) nur einem System der sozialen Sicherheit unterliegen, so dass die Kumulierung anwendbarer Rechtsvorschriften und die Schwierigkeiten, die sich daraus ergeben können, vermieden werden3.

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In dem jetzt in Hannover entschiedenen Streitfall unterfällt der Kläger den polnischen Rechtsvorschriften. Gemäß Art. 14 Abs. 1 Buchst. a) VO 1408/71 unterliegt ein Arbeitnehmer, der im Gebiet eines Mitgliedstaates von einem Unternehmen beschäftigt wird, dem er gewöhnlich angehört, und von diesem Unternehmen zur Ausführung einer Arbeit für dessen Rechnung in das Gebiet eines anderen Mitgliedstaates entsandt wird, weiterhin den Rechtvorschriften des ersten Staates, sofern die voraussichtliche Dauer dieser Arbeit zwölf Monate nicht überschreitet und er nicht einen anderen Arbeitnehmer ablöst, für den die Entsendungszeit abgelaufen ist. Diese Voraussetzungen erfüllte der Kläger. Der Kläger war jeweils weniger als zwölf Monate als Arbeitnehmer seiner polnischen Arbeitgeber in Deutschland tätig. Es ist nicht vorgetragen worden, dass der Kläger eine Person abgelöst hat, für welche die Entsendungszeit abgelaufen war. Damit ist im vorliegenden Fall die Anwendung der Vorschriften des X. Abschnitts des EStG über das Kindergeld auf den Kläger ausgeschlossen, da er nach Art. 14 Abs. 1 Buchst. a) VO 1408/71 nur den polnischen Rechtsvorschriften unterliegt.

Auch unter Berücksichtigung der Entscheidung des Hessischen Finanzgerichts4 kommt das Niedersächsische Finanzgericht nicht zu einem anderem Ergebnis. Denn die Feststellungslast für das Vorliegen der Voraussetzungen eines Kindergeldanspruchs trägt der Kindergeldberechtigte. Insofern ist es – insbesondere da vorliegend ein Auslandssachverhalt gegeben ist5 – die Sache des Klägers, seine arbeitsrechtliche Stellung zu seinen polnischen Arbeitgebern darzulegen. Diesen Anforderungen ist er nicht genügend nachgekommen.

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Das Niedersächsische FG verneint auch, dass dem Kläger neben den Regelungen der VO 1408/71 ein Kindergeldanspruch aus §§ 62 ff. EStG zusteht. Dabei folgt es der Ansicht der Finanzgerichte Köln und Düsseldorf6 läßt sich nach Ansicht des FG kein Kindergeldanspruch herleiten. In diesem Urteil hat der EuGH lediglich festgestellt, dass Art. 13 Abs. 2 VO 1408/71 nicht ausschließe, dass der Wohnsitzstaat Familienleistungen nach seinen Rechtsvorschriften gewähren könne. Im vorliegenden Fall ist Wohnsitz- und Beschäftigungsstaat Polen. Dass ein Staat, im vorliegenden Fall Deutschland, der nach der Regelung der VO 1408/71 weder als Wohnsitz- noch als Beschäftigungsstaat anzusehen ist, Kindergeld zu gewähren hat, kann dem Urteil des EuGH nicht entnommen werden.

Niedersächsisches Finanzgericht, Urteil vom 17. April 2009 – 15 K 263/08

  1. Verordnung des Rates der Europäischen Union über die Anwendung der Systeme der Sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern Nr. 1408/71[]
  2. BVerfG, Urteil vom 8. Juni 2004 2 BvL 5/00, HFR 2004, 1139[]
  3. vgl. EuGH, Urteil vom 10. Juli 1986 Rs. 60/85, EuGHE 1986, 2365, Randnr. 12; BSG. Urteil vom 15. Dezember 1992 10 RKg 18/91, NVwZ 1993, 919; BFH-Urteil vom 13. August 2002 VIII R 61/00, BStBl II 2002, 869[]
  4. Hessisches FG, Beschluss vom 19. Juni 2008 – 2 K 800/08[]
  5. vgl. § 90 Abs. 2 der Abgabenordnung[]
  6. FG Köln, Urteil vom 11. Juni 2008 14 K 4462/07, EFG 2008, 1901; FG Düsseldorf, Urteile vom 22. Dezember 2008 10 K 404/08 Kg, StE 2009, 124, vom 17. Februar 2009 10 K 1810/08 Kg, juris), nach der das deutsche Kindergeldrecht keine (auch nicht subsidiäre) Anwendung findet, wenn nach der VO 1408/71 das Recht eines anderen Mitgliedstaats Platz greift.

    Auch aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften ((EuGH, Urteil vom 20. Mai 2008 C-352/06[]

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