Keine Abgeltungssteuer für Ehegattendarlehen

Gewährt der Steuerpflichtige seinem Ehegatten ein Darlehen zur Anschaffung einer fremdvermieteten Immobilie und erzielt er hieraus Kapitalerträge, ist die Anwendung des gesonderten Steuertarifs für Einkünfte aus Kapitalvermögen gemäß § 32d Abs. 1 EStG nach § 32d Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a EStG ausgeschlossen, wenn der Steuerpflichtige auf den von ihm finanziell abhängigen Ehegatten bei der Gewährung des Darlehens einen beherrschenden Einfluss ausüben kann. Der Ausschluss des Abgeltungsteuersatzes verstößt nicht gegen Art. 6 Abs. 1 GG und Art. 3 Abs. 1 GG, da er nicht an das persönliche Näheverhältnis der Ehegatten anknüpft, sondern auf der finanziellen Abhängigkeit des Darlehensnehmers vom Darlehensgeber beruht.

Keine Abgeltungssteuer für Ehegattendarlehen

In dem hier vom Bundesfinanzhof entschiedenen Fall gewährte der Kläger seiner Ehefrau fest verzinsliche Darlehen zur Anschaffung und Renovierung einer fremd vermieteten Immobilie. Die Besonderheit des Falles lag darin, dass die Ehefrau weder über eigene finanzielle Mittel verfügte noch eine Bank den Erwerb und die Renovierung des Objekts zu 100 % finanziert hätte und sie daher auf die Darlehensgewährung durch den Kläger angewiesen war. Das Finanzamt besteuerte die hieraus erzielten Kapitalerträge des Klägers mit der tariflichen Einkommensteuer: Der niedrigere Abgeltungsteuersatz sei nach § 32d Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a EStG nicht anzuwenden, weil Gläubiger und Schuldner der Kapitalerträge „einander nahe stehende Personen“ im Sinne des Gesetzes seien.

Der Bundesfinanzhof bestätigte diese Auffassung: Zwar sei bei verfassungskonformer Auslegung des § 32d Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a EStG ein lediglich aus der Ehe abgeleitetes persönliches Interesse nicht ausreichend, um ein Näheverhältnis i.S. des § 32d Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a EStG zu begründen1. Jedoch sei die Ehefrau bei der Aufnahme der Darlehen von dem Kläger als Darlehensgeber (absolut) finanziell abhängig gewesen, so dass ein Beherrschungsverhältnis vorliege, das gemäß § 32d Abs. 2 Satz 1 Buchst. a EStG zum Ausschluss der Anwendung des gesonderten Tarifs für Kapitaleinkünfte führe.

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Der Ausschluss des Abgeltungsteuersatzes verstößt nach Auffassung des Bundesfinanzhofs in diesem Fall weder gegen Art. 6 Abs. 1 GG noch gegen Art. 3 Abs. 1 GG, da er nicht an das persönliche Näheverhältnis der Ehegatten anknüpft, sondern auf der finanziellen Abhängigkeit des Darlehensnehmers vom Darlehensgeber beruht. Die Anwendung des allgemeinen Steuertarifs führt hier zu keiner Ungleichheit, sondern stellt im Hinblick auf die Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit durch den Ausschluss von Mitnahmeeffekten eine größere Gleichheit her.

Ausschluss des Abgeltungssteuersatzes

Die Anwendung des gesonderten Steuertarifs für Einkünfte aus Kapitalvermögen nach § 32d Abs. 1 EStG ist gemäß § 32d Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a EStG ausgeschlossen.

Gemäß § 32d Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a EStG gilt der gesonderte Steuertarif des § 32d Abs. 1 EStG nicht für Kapitaleinkünfte i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG, wenn Gläubiger und Schuldner der Kapitalerträge einander nahestehende Personen sind. Das Bundesministerium der Finanzen hat die Anwendung dieses Ausnahmetatbestands in seinen Schreiben vom 22.12 2009 – IV C 1-S 2252/08/100042; und vom 09.10.2012 – IV C 1-S 2252/10/100133 -jeweils Rz 134- für das Streitjahr in verfassungskonformer Rechtsfortbildung dahingehend eingeschränkt, dass der Abgeltungsteuersatz nur dann ausgeschlossen sein soll, wenn die den Kapitalerträgen entsprechenden Aufwendungen beim Schuldner Betriebsausgaben oder Werbungskosten im Zusammenhang mit Einkünften sind, die der inländischen Besteuerung unterliegen. Dies war bei der Einkommensteuerfestsetzung der Klägerin hinsichtlich der an den Kläger gezahlten Kapitalerträge der Fall.

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Wie der Bundesfinanzhof in seinen Urteilen vom 29.04.2014 – VIII R 9/134, – VIII R 35/135 und – VIII R 44/136 entschieden hat, fallen unter den Begriff der „nahestehenden Person“ nach dem Wortsinn alle natürlichen Personen, die zueinander in enger Beziehung stehen. Diese Voraussetzung ist bei den Klägern als Eheleuten erfüllt, da bereits das auf der Eheschließung beruhende Näheverhältnis auf eine enge Bindung schließen lässt.

Indes reicht nach dem in der Gesetzesbegründung zu § 32d Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a EStG zum Ausdruck gebrachten Willen des Gesetzgebers7 ein lediglich aus der Eheschließung abgeleitetes persönliches Interesse nicht aus, um ein Näheverhältnis i.S. des § 32d Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a EStG zu begründen. Danach liegt ein Näheverhältnis u.a. nur dann vor, wenn der Steuerpflichtige auf die Person des Darlehensnehmers einen beherrschenden Einfluss ausüben kann8.

Dies ist vorliegend der Fall. Nach dem Vortrag der Kläger verblieb der Klägerin hinsichtlich der Finanzierung kein eigener Entscheidungsspielraum, da ein fremder Dritter den Erwerb und die Renovierung des Objekts durch die Klägerin nicht zu 100 % finanziert hätte. Danach war die Klägerin bei der Aufnahme der Darlehen von dem Kläger als Darlehensgeber (absolut) finanziell abhängig, so dass ein Beherrschungsverhältnis vorliegt, das gemäß § 32d Abs. 2 Satz 1 Buchst. a EStG zum Ausschluss der Anwendung des gesonderten Tarifs für Kapitaleinkünfte führt.

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Ehegattendarlehn und Grundrechte

Der Ausschluss des Abgeltungsteuersatzes nach § 32d Abs. 2 Satz 1 Buchst. a EStG in der vorstehenden Auslegung verstößt nicht gegen Art. 6 Abs. 1 GG und Art. 3 Abs. 1 GG.

Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebietet, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Aus ihm ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen. Eine Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG liegt dabei nicht nur vor, wenn der Gesetzgeber mehrere Personengruppen ohne sachlichen Grund verschieden behandelt, sondern auch dann, wenn die Gerichte im Wege der Auslegung gesetzlicher Vorschriften zu einer derartigen, dem Gesetzgeber verwehrten gerichtlichen Differenzierung gelangen.

Abs. 1 i.V.m. Art. 6 Abs. 1 GG verbietet es, Ehegatten im Vergleich zu Ledigen allein deshalb steuerlich schlechter zu stellen, weil sie verheiratet sind. Die Berücksichtigung der durch die eheliche Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft gekennzeichneten besonderen Lage der Ehegatten darf nicht dazu führen, dass eine missbräuchliche Ausnutzung des Abgeltungsteuersatzes unwiderlegbar vermutet wird9.

Liegen jedoch unabhängig von der ehelichen Lebensgemeinschaft Beweisanzeichen vor, die für die Annahme gleichgerichteter wirtschaftlicher Interessen sprechen, ist der Einwand, Verheiratete seien gegenüber Ledigen schlechter gestellt, unbegründet; denn insoweit folgt die Benachteiligung der Verheirateten im Verhältnis zu Ledigen nicht aus einer unwiderlegbaren Vermutung eines Gestaltungsmissbrauchs, die an die Ehe anknüpft, sondern ergibt sich aufgrund von konkreten Anhaltspunkten, die für eine enge Wirtschaftsgemeinschaft der Ehegatten im Einzelfall sprechen10.

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Nach diesen Grundsätzen wird im vorliegenden Fall der Schutz der Familie (Art. 6 Abs. 1 GG) durch den Ausschluss des Abgeltungsteuersatzes nicht verletzt. Denn dieser beruht bei verfassungskonformer Auslegung des § 32d Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a EStG nicht auf dem aufgrund der Eheschließung vermuteten persönlichen Näheverhältnis der Kläger, sondern auf dem wirtschaftlichen Abhängigkeitsverhältnis der Klägerin von dem Kläger. Da kein fremder Dritter der Klägerin eine Gesamtfinanzierung zum Erwerb und der Sanierung des Elternhauses gewährt hätte und die Klägerin im Streitjahr kaum in der Lage war, die für das Jahr 2009 vertraglich vereinbarten Zins- und Tilgungsleistungen zu erbringen, waren die Chancen und Risiken bei der Gewährung der Darlehen durch den Kläger nicht in fremdüblicher Weise verteilt. Es liegen somit Beweisanzeichen vor, die -unabhängig von der ehelichen Lebensgemeinschaft- für die Annahme einer personellen Verflechtung durch gleichgerichtete wirtschaftliche Interessen und gegen eine fremdübliche Kreditgewährung sprechen. Die Kläger werden hierdurch gegenüber Ledigen nicht schlechter gestellt, weil sie verheiratet sind, da auch bei diesem Personenkreis ein wirtschaftliches Abhängigkeitsverhältnis der vorliegenden Art ein Näheverhältnis i.S. des § 32d Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a EStG begründen würde, mit der Folge, dass der Abgeltungsteuersatz ausgeschlossen wäre.

Zudem würde im vorliegenden Fall bei einer Gewährung des gesonderten Steuertarifs für Einkünfte aus Kapitalvermögen gemäß § 32d Abs. 1 EStG das vom Gesetzgeber mit der Einführung des Abgeltungsteuersatzes verfolgte Lenkungsziel verfehlt, die Standortattraktivität der Bundesrepublik Deutschland im internationalen Wettbewerb für private Anleger zu erhöhen, die ihr Kapital ohne größere Schwierigkeiten auch im Ausland anlegen könnten11; denn ist der Erwerb einer Immobilie durch einen Ehegatten nur dann möglich, wenn ihm der andere Ehegatte die finanziellen Mittel zur Verfügung stellt, ist weder die Verlagerung des Kapitals in das Ausland, noch eine Anlage des Kapitals und eine Kreditaufnahme im Inland eine Alternative zu dieser Investition. Die Anwendung des allgemeinen Steuertarifs führt hier zu keiner Ungleichheit, sondern stellt im Hinblick auf die Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit durch den Ausschluss von Mitnahmeeffekten eine größere Gleichheit her12.

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Fremdvergleich

Offen bleiben kann, ob die Darlehensverhältnisse der Besteuerung deshalb nicht zugrunde gelegt werden können, weil sie einem Fremdvergleich nicht standhalten. Das Finanzgericht hat in seiner Entscheidung hierzu keine Feststellungen getroffen, sondern dies lediglich unterstellt. Zwar wären, wenn die Darlehensverhältnisse einem Fremdvergleich nicht standhalten, die streitigen Kapitaleinkünfte des Klägers der Besteuerung nicht zugrunde zu legen, so dass die Klage insoweit Erfolg hätte. Jedoch wären in diesem Fall im Rahmen der bei der Zusammenveranlagung vorzunehmenden Fehlersaldierung nach § 177 der Abgabenordnung13 die Einkünfte der Klägerin aus Vermietung und Verpachtung hinsichtlich des gewährten Schuldzinsenabzugs in gleicher Höhe zu erhöhen. Danach würde die Versagung der steuerlichen Berücksichtigung der Darlehensverhältnisse zu demselben Ergebnis führen wie der Ausschluss des gesonderten Tarifs für die Einkünfte aus Kapitalvermögen nach § 32d Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a EStG, so dass die Revision in jedem Fall keinen Erfolg hat.

Bundesfinanzhof, Urteil vom 28. Januar 15 – VIII R 8/14

  1. vgl. BFH, Urteile vom 29.04.2014 – VIII R 9/13, – VIII R 35/13 und – VIII R 44/13[]
  2. BStBl I 2010, 94[]
  3. BStBl I 2012, 953[]
  4. BFHE 245, 343, BStBl II 2014, 986[]
  5. BFHE 245, 357, BStBl II 2014, 990[]
  6. BFHE 245, 361, BStBl II 2014, 992[]
  7. BT-Drs. 16/4841, S. 61[]
  8. BFH, Urteile in BFHE 245, 343, BStBl II 2014, 986; in BFHE 245, 357, BStBl II 2014, 990, und in BFHE 245, 361, BStBl II 2014, 992[]
  9. BFH, Urteil in BFHE 245, 343, BStBl II 2014, 986, m.w.N.[]
  10. vgl. BVerfG, Beschluss vom 12.03.1985 – 1 BvR 571/81, BVerfGE 69, 188[]
  11. s. hierzu im Einzelnen BFH, Urteil vom 29.04.2014 – VIII R 23/13, BFHE 245, 352, BStBl II 2014, 884[]
  12. BFH, Urteil in BFHE 245, 352, BStBl II 2014, 884[]
  13. BFH, Urteil vom 25.06.2003 – X R 66/00, BFH/NV 2004, 19[]
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Verfassungswidrigkeit der sog. Reichensteuer 2007