Kinderbetreuungskosten – und die Arbeitgeberleistungen

Erbringt der Arbeitgeber steuerfreie Leistungen zur vorschulischen Kinderbetreuung, ist der Sonderausgabenabzug in Höhe dieser Leistungen zu kürzen, denn der Abzug von Sonderausgaben setzt Aufwendungen voraus, durch die der Steuerpflichtige tatsächlich und endgültig wirtschaftlich belastet wird.

Kinderbetreuungskosten – und die Arbeitgeberleistungen

Die Kindergartenbeiträge sind zwar nicht als Werbungskosten anzusehen, weshalb der Abzug nicht bereits nach § 3c Abs. 1 Satz 1 EStG ausgeschlossen ist. Ein Abzug als Sonderausgaben nach § 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG scheidet aber wegen anzurechnender steuerfreier Arbeitgeberleistungen (§ 3 Nr. 33 EStG) aus.

Nach § 10 Abs. 1 Nr. 5 Satz 1 EStG sind als Sonderausgaben 2/3 der Aufwendungen, höchstens 4.000 € je Kind, für Dienstleistungen zur Betreuung eines zum Haushalt des Steuerpflichtigen gehörenden Kindes i.S. des § 32 Abs. 1 EStG, welches das 14. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, abziehbar.

Aus der Verwendung des Begriffs „Aufwendungen“ und aus dem Zweck des § 10 EStG, bestimmte, die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen mindernde Privatausgaben vom Abzugsverbot des § 12 EStG auszunehmen, folgt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH), dass nur solche Ausgaben als Sonderausgaben berücksichtigt werden dürfen, durch die der Steuerpflichtige tatsächlich und endgültig wirtschaftlich belastet ist1.

Im Streitfall führen die steuerfreien Leistungen des Arbeitgebers dazu, dass die Eltern durch die Aufwendungen für die Kinderbetreuung wirtschaftlich nicht belastet werden, sodass der Abzug der Kindergartenbeiträge als Sonderausgaben ausscheidet.

Grundsätzlich ist es zwar ohne Bedeutung, woher der Steuerpflichtige die Beiträge für die Leistung von Sonderausgaben genommen hat, ob aus dem Stamm seines Vermögens, aus laufenden Bezügen oder aus anderen Mitteln. Das gilt aber nicht uneingeschränkt dann, wenn ihm Zuwendungen von seinem Arbeitgeber gewährt worden sind, die den gezielten Zweck haben, von dem Arbeitnehmer zur Erbringung der dem Grunde nach zu den Sonderausgaben zu rechnenden Leistungen verwendet zu werden2. Es macht wirtschaftlich keinen Unterschied, ob der Arbeitgeber die Beiträge für den Arbeitnehmer beispielsweise an die Betreuungseinrichtung entrichtet, ob er ihm die Beiträge ersetzt oder ob er ihm vor der Leistung zweckgebundene steuerfreie Leistungen gewährt. In allen drei Fällen ist das wirtschaftliche Ergebnis das gleiche: Der Steuerpflichtige wird durch die Beiträge in dem Umfang nicht belastet, die der Arbeitgeber hierfür durch einen zweckgebundenen Zuschuss gewährt. Im vorliegenden Fall dienten die steuerfreien Leistungen nach § 3 Nr. 33 EStG genau dem Zweck, die wirtschaftliche Belastung durch die Kinderbetreuungskosten zu mindern.

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Die Anrechnung der steuerfreien Leistungen nach § 3 Nr. 33 EStG auf die Sonderausgaben nach § 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG entspricht auch dem Gesetzeszweck. Vor allem der Zusammenhang zu dem in § 12 Satz 1 Halbsatz 1 EStG enthaltenen Abzugsverbot mit Ausnahmevorbehalt gebietet eine besonders eng am jeweiligen Zweck des Vergünstigungstatbestands ausgerichtete Gesetzesauslegung3.

§ 10 EStG betrifft im Gegensatz zu § 9 EStG- nicht die Ermittlung der durch Einsatz von Arbeit und/oder Kapital erwirtschafteten Einkünfte, sondern eröffnet ausnahmsweise den Abzug von Ausgaben, die nicht mit der Einkünfteerzielung zusammenhängen4. Der rechtssystematische Kern der Regelung des § 10 EStG liegt darin, dass die die private Sphäre betreffenden Aufwendungen für den Steuerpflichtigen unvermeidbar sein können und deshalb die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit mindern (sog. subjektives Nettoprinzip; vgl. BVerfG, Beschluss vom 19.11.2019 – 2 BvL 22/14, BVerfGE 152, 274 bis 331, Rz 94). Die Rechtfertigung für den Abzug von Kinderbetreuungskosten als Sonderausgaben ist in der durch eine Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit hervorgerufenen wirtschaftlichen Belastung des Steuerpflichtigen zu sehen.

Dieser Gesetzeszweck erfordert es, Aufwendungen vom Sonderausgabenabzug auszuschließen, soweit diese Aufwendungen aufgrund einer zweckgebundenen steuerfreien Leistung letztlich ersetzt werden und damit die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit im Ergebnis nicht mindern.

Darüber hinaus geht es bei den nach § 3 Nr. 33 EStG zusätzlich zum Arbeitslohn erbrachten Leistungen nicht um Leistungen, die der freien Disposition des Empfängers überlassen werden. Vielmehr handelt es sich um eine zweckgebundene steuerbare Leistung, die nur dann steuerfrei belassen wird, wenn sie für den im Gesetz benannten Zweck „Unterbringung und Betreuung von nicht schulpflichtigen Kindern der Arbeitnehmer in Kindergärten oder vergleichbaren Einrichtungen“ verwendet wird.

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Insoweit sind nach § 3 Nr. 33 EStG formelle Voraussetzungen nicht zu erfüllen. Auch die Einkommensteuer- und die Lohnsteuer-Durchführungsverordnung regeln nicht, wie die zweckgerichtete Verwendung dieser Leistungen nachzuweisen ist.

Da im hier vom Bundesfinanzhof entschiedenen Streitfall davon auszugehen ist, dass die Eltern die zweckgebundenen Arbeitgeberleistungen für Kindergartenbeiträge verwendet haben, kann offenbleiben, ob eine Anrechnung auch dann vorzunehmen wäre, wenn eine Steuerfreiheit der Arbeitgeberleistungen mangels Nachweises der zweckentsprechenden Verwendung zu versagen ist.

Soweit eine steuerfreie Leistung durch den Arbeitgeber nach § 3 Nr. 33 EStG erfolgt, stellt die Zahlung nach ihrem wirtschaftlichen Gehalt eine den Sonderausgabenabzug mindernde Erstattung der nach § 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG genannten Aufwendungen dar, weil diese nur bei tatsächlich geleisteten Kinderbetreuungskosten erfolgen kann und im Ergebnis den Aufwand des Steuerpflichtigen und damit dessen wirtschaftliche Belastung reduziert5. Damit werden auch unberechtigte Doppelbegünstigungen ausgeschlossen6.

Da der Sonderausgabenabzug nach § 10 EStG schon nach seinem Gesetzeswortlaut „Aufwendungen“ und damit eine wirtschaftliche Belastung voraussetzt, bedarf es auch keiner besonderen Regelung, wie sie in § 3c oder in § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG vorgesehen ist. Der Gesetzgeber hat bewusst darauf verzichtet, dieses Abzugsverbot generell auch auf Sonderausgaben zu erstrecken, obwohl der zugrunde liegende Rechtsgedanke, nämlich einen doppelten Steuervorteil zu vermeiden, auch bei Sonderausgaben gelten sollte7. Er hat vielmehr über den Begriff der „Aufwendungen“ und der damit verbundenen wirtschaftlichen Belastung die Beschränkung des Sonderausgabenabzugs selbst geregelt, um so letztlich auch Doppelbegünstigungen zu vermeiden.

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Soweit daher aus dem Fehlen vergleichbarer Vorschriften der Schluss gezogen wird, dass die Verwendung steuerfreier Einnahmen dem Sonderausgabenabzug nicht entgegensteht, gilt dies jedenfalls dann nicht, wenn die steuerfreien Einnahmen gerade für die den geltend gemachten Sonderausgaben zugrunde liegenden Ausgaben bestimmt waren8. Auch die Entscheidung des BFH vom 27.09.19639 steht dem vorliegenden Ergebnis nicht entgegen. Der BFH hatte dort entschieden, dass Beihilfen, die jemand von dritter Seite zu gezahlten Krankenversicherungsbeiträgen erhält, keine Erstattungen sind, die zu einer Minderung der anzu Sonderausgaben führen. Der der Entscheidung zugrunde liegende Fall lag so, dass von dritter Seite, nämlich von der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte, dem Steuerpflichtigen aufgrund der Reichsversicherungsordnung neben der gezahlten Rente monatliche Beihilfen zu seinen Krankenversicherungsbeiträgen geleistet wurden. Diese Beihilfen waren jedoch Einkünfte aus Leibrenten. Auch diese Renten waren gemäß § 22 EStG mit dem Ertragsanteil als sonstige Einkünfte den anderen Einkünften hinzuzurechnen. Eine Kürzung der Sonderausgaben konnte nach den vorstehenden Ausführungen allein aus diesem Grunde nicht in Betracht kommen10.

Aus der Gesetzesbegründung ergibt sich gleichfalls nicht, dass der Gesetzgeber eine Doppelbegünstigung bei den Kinderbetreuungskosten durch steuerfreie Leistungen und den Sonderausgabenabzug beabsichtigte.

§ 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG wurde durch das Steuervereinfachungsgesetz (StVereinfG) 2011 vom 01.11.201111 eingeführt. Zugleich wurde die Vorgängerregelung des § 9c EStG (Geltung bis 2011) aufgehoben. Soweit nach § 9c EStG Kinderbetreuungskosten wie „Werbungskosten“12 bzw. wie „Betriebsausgaben“ abgezogen werden konnten, galt die Vorschrift des § 3c Abs. 1 EStG, nach der Ausgaben, soweit sie mit steuerfreien Einnahmen in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang stehen, nicht als Betriebsausgaben oder Werbungskosten abgezogen werden dürfen. Zwar gilt § 3c EStG schon seinem Wortlaut nach nicht für den Bereich der Sonderausgaben13. Die durch das StVereinfG 2011 erfolgte Neuregelung der Kinderbetreuungskosten als Sonderausgaben sollte aber nur der Erweiterung des Kreises der Begünstigten und der Steuervereinfachung14 dienen. Insbesondere sollte nicht mehr zwischen erwerbsbedingten und nicht erwerbsbedingten Kinderbetreuungskosten unterschieden werden15. Zu dem Verhältnis des § 3 Nr. 33 und § 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG enthält die Gesetzesbegründung keine Ausführungen. Dies war nach Ansicht des Bundesgerichtshofs auch nicht erforderlich, da Kinderbetreuungskosten wie dargestellt- nach § 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG nur dann berücksichtigt werden können, wenn Aufwendungen hierfür vorliegen, die den Steuerpflichtigen tatsächlich und endgültig wirtschaftlich belasten. Einer § 3c EStG vergleichbaren Regelung bedurfte es nicht.

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Aus den Begründungen zum Entwurf des StVereinfG 2013 vom 14.12.201216, welches nicht umgesetzt wurde, lässt sich nicht im Nachhinein die Intention des Gesetzgebers herleiten, eine Doppelbegünstigung durch Sonderausgaben nach § 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG auf der einen Seite und den steuerfreien Arbeitgeberleistungen nach § 3 Nr. 33 EStG auf der anderen Seite gewähren zu wollen.

Soweit der Bundesrat in seinem Entwurf des StVereinfG 2013 eine Ergänzung des § 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG vorsah, nach dem ein Abzug bei den Sonderausgaben nur erfolgen sollte, „soweit für das Kind im Kalenderjahr keine nach § 3 Nr. 33 EStG steuerfreien Leistungen erbracht“ werden16, kann aus der Weglassung dieses Satzes nicht der Umkehrschluss gezogen werden, dass selbst dann eine Anrechnung nicht zu erfolgen hat, wenn die Aufwendungen (teilweise) zweckentsprechend steuerfrei erstattet werden. Dies würde den Zweck der Regelung, die steuerliche Förderung nur für „Aufwendungen“ vorzusehen, die den Steuerpflichtigen auch belasten, außer Betracht lassen. Auch die Stellungnahme der Bundesregierung in der BT-Drs.- 18/3158 vom 12.11.2014, S. 81, in welcher ausgeführt wird, dass „die Steuerfreiheit des § 3 Nr. 33 EStG und der Sonderausgabenabzug nach § 10 Abs. 1 Nummer 5 […] nicht in einem unmittelbaren Sachzusammenhang (stehen) und […] daher nicht zwingend einer Vereinheitlichung“ bedürfen, führt nicht zu einer anderen Beurteilung. Die Stellungnahme betraf das Anliegen einiger Bundesländer, mit dem zunächst in den Bundesrat eingebrachten Gesetzentwurf des StVereinfG 2013 die steuerfreien Leistungen nach § 3 Nr. 33 EStG in gleicher Weise wie den Sonderausgabenabzug der Höhe (4.000 €) und dem Umfang (2/3) nach zu begrenzen17. Da dies zu mehr Bürokratie für den Arbeitgeber führte, lehnte die Bundesregierung diesen Vorschlag ab. Eine Aussage über die Anrechenbarkeit von steuerfreien Arbeitgeberleistungen auf die geltend gemachten Sonderausgaben ist dieser Stellungnahme nicht zu entnehmen.

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Da somit bereits die Auslegung nach Wortlaut, Sinn und Zweck sowie Entstehungsgeschichte dazu führt, dass steuerfreie Arbeitgeberleistungen für die Betreuung nicht schulpflichtiger Kinder auf den Sonderausgabenabzug gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG anzurechnen sind, bedarf es keines Rückgriffs auf eine verfassungskonforme Auslegung der Norm.

Ob beim Sonderausgabenabzug eine Anrechnung steuerfreier Arbeitgeberleistungen zu unterbleiben hat, welche für die Verpflegung nicht schulpflichtiger Kinder bestimmt sind, bedarf im vorliegenden Streitfall keiner Entscheidung, denn hier hat der Arbeitgeber des Vaters steuerfreie Leistungen für die vorschulische Kinderbetreuung in Höhe der Kindergartenbeiträge erbracht. Dass er darüber hinaus für Verpflegungskosten aufgekommen ist, ist nicht festgestellt.

Bundesfinanzhof, Urteil vom 1. September 2021 – III R 54/20

  1. ständige Rechtsprechung des BFH, vgl. z.B. Urteile vom 06.06.2018 – X R 41/17, BFHE 261, 524, BStBl – II 2018, 648, Rz 12; vom 03.08.2016 – X R 35/15, BFH/NV 2016, 1704, Rz 14; vom 21.07.2009 – X R 32/07, BFHE 226, 67, BStBl – II 2010, 38, unter II. 1.a; und vom 28.05.1998 – X R 7/96, BFHE 186, 521, BStBl – II 1999, 95, unter 3.a, m.w.N.; vgl. Beschluss des Bundesverfassungsgerichts -BVerfG- vom 18.02.1988 – 1 BvR 930/86, HFR 1989, 271, unter 1.b[]
  2. vgl. BFH, Urteil vom 13.08.1971 – VI R 171/68, BFHE 103, 350, BStBl – II 1972, 57, Rz 11[]
  3. vgl. BFH, Urteil vom 19.04.1989 – X R 2/84, BFHE 157, 101, BStBl – II 1989, 683, unter I. 1.[]
  4. BFH, Urteil vom 09.02.1994 – IX R 110/90, BFHE 175, 212, BStBl – II 1995, 47, unter 2.a[]
  5. vgl. so auch Schmidt/Levedag, EStG, 40. Aufl., § 3 Rz 114; Schmidt/Krüger, EStG, 40. Aufl., § 10 Rz 93; a.A. HHR/Kulosa, § 10 EStG Rz 148[]
  6. vgl. BGH, Urteil vom 05.07.2012 – III R 80/09, BFHE 238, 76, BStBl – II 2012, 816, Rz 38[]
  7. BFH, Urteil vom 04.03.1977 – VI R 168/75, BFHE 122, 262, BStBl – II 1977, 503[]
  8. vgl. BFH, Urteile in BFHE 122, 262, BStBl – II 1977, 503; und vom 08.12.1978 – VI R 26/76, BFHE 126, 552, BStBl – II 1979, 212; vgl. FG Baden-Württemberg, Urteil vom 28.06.1979 – X (VII) 149/75, EFG 1979, 493[]
  9. BFH vom 27.09.1963 – VI 123/62 U, BFHE 77, 592, BStBl – III 1963, 536[]
  10. BFH, Urteil in BFHE 103, 350, BStBl – II 1972, 57[]
  11. BGBl I 2011, 2131[]
  12. vgl. BGH, Urteil in BFHE 253, 254, BStBl – II 2017, 53, Rz 13 f.[]
  13. vgl. schon BFH, Urteil in BFHE 122, 262 bis 265, BStBl – II 1977, 503[]
  14. BT-Drs.- 17/5125 vom 21.03.2011, S.20 f.[]
  15. BT-Drs.- 17/5125 vom 21.03.2011, S. 37[]
  16. BR-Drs.- 684/12[][]
  17. BT-Drs.- 18/3158 vom 12.11.2014, S. 18[]
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