Kindergeld für das volljährige Kind – und der Wegfall der Arbeitsuchendmeldung

Es besteht keine im Rahmen des Kindergeldbezugs beachtliche ungeschriebene Meldepflicht des (volljährigen) arbeitsuchenden Kindes nach § 38 SGB III n.F.

Kindergeld für das volljährige Kind – und der Wegfall der Arbeitsuchendmeldung

Nach § 62 Abs. 1, § 63 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG wird ein Kind, das das 18. Lebensjahr vollendet hat, beim Kindergeld berücksichtigt, wenn es noch nicht das 21. Lebensjahr vollendet hat, nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht und bei einer Arbeitsagentur im Inland als Arbeitsuchender gemeldet ist.

Vorliegend ist allein streitig, ob der von S im Monat November 2008 begründete Status als Arbeitsuchender durchgehend im Streitzeitraum bestanden hat. Da keine ausdrückliche steuerliche Regelung besteht, wann der durch die Meldung begründete Status entfällt, sind für das Kindergeld insoweit die Vorschriften des Sozialrechtes, hier insbesondere § 38 SGB III, heranzuziehen1.

Nach § 38 SGB III a.F. gelten für die Abmeldung als Arbeitsuchender folgende Grundsätze:

Der Registrierung des Kindes bei der Arbeitsagentur kommt ebenso wie dem Ende der Registrierung (Abmeldung) keine (echte) Tatbestandswirkung zu. Entscheidend ist vielmehr die nach Maßgabe des § 38 SGB III a.F. tatsächlich zu beurteilende Meldesituation2. Danach wirkt die Meldung eines arbeitsuchenden Kindes, das nicht unter § 38 Abs. 4 Satz 1 SGB III a.F. fällt (u.a. Nichtleistungsbezieher), nach dessen Satz 2 grundsätzlich nur drei Monate fort und muss nach Ablauf dieser Frist erneuert werden3. Die Arbeitsagentur kann die Vermittlung gemäß § 38 Abs. 2 SGB III a.F. aber auch schon vorher einstellen, und zwar insbesondere dann, wenn der Arbeitsuchende nicht ausreichend mitwirkt4. Dies ist beispielweise dann der Fall, wenn das arbeitsuchende Kind schuldhaft einen Vorsprachetermin bei der Arbeitsagentur versäumt hat5.

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Die Entscheidung hierüber hat das Finanzgericht unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls, ggf. unter Anhörung des Kindes oder Zeugeneinvernahmen zu treffen. Da das Vorliegen einer durchgehenden Meldung als Arbeitsuchender nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG anspruchsbegründend ist, trägt nach der Bundesfinanzhofsrechtsprechung die Feststellungslast dafür, dass die Meldung erfolgt oder die Terminversäumnis schuldlos gewesen ist, der Kindergeldberechtigte6.

Dass die Arbeitsagentur die Vermittlung tatsächlich eingestellt und den Sohn abgemeldet hat, ist ohne Bedeutung. Diese Vorgänge entfalten -wie bereits ausgeführt- keine (echte) Tatbestandswirkung. Danach bleibt zu prüfen, ob die Arbeitsagentur berechtigt war, die Vermittlung nach § 38 Abs. 2 SGB III a.F. vor Ablauf der Drei-Monats-Frist einzustellen. Hierfür reicht zwar grundsätzlich jede nicht ausreichende Mitwirkung des Arbeitsuchenden aus. Die rechtliche Würdigung des Finanzgericht, wonach eine Terminversäumnis dann keine Pflichtverletzung begründet, wenn dem Arbeitsuchenden der Termin unbekannt ist, ist aber nicht zu beanstanden. In einem solchen Fall fehlt es infolge der fehlenden Kenntnis von dem Termin bereits an einer (konkreten) Mitwirkungspflicht des Arbeitsuchenden.

Die insoweit verbleibenden Zweifel gehen zu Lasten der Familienkasse. Der Bundesfinanzhof hat zwar -wie bereits ausgeführt- entschieden, dass der Kindergeldberechtigte die Feststellungslast dafür trägt, dass die Terminversäumnis schuldlos gewesen ist. Im Streitfall besteht jedoch -in Abgrenzung zum BFH, Urteil in BFH/NV 2009, 908, in dem das arbeitsuchende Kind trotz längerer Abwesenheit keine Maßnahmen zur Sicherstellung des Zugangs von Einladungsschreiben getroffen hat- ein „non liquet“ ausschließlich hinsichtlich der Tatfrage, ob dem S der Termin am … Dezember 2008 bekannt gewesen ist und demnach rechtlich überhaupt eine entsprechende Mitwirkungspflicht bestanden hat. Hierfür trägt die Familienkasse die Feststellunglast.

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Der Bundesfinanzhof hat bisher offen gelassen, ob die Einstellungsverfügung nach § 38 Abs. 2 SGB III a.F. ein bekannt zu gebender Verwaltungsakt ist3. Diese Frage bedarf auch im Streitfall keiner Klärung. Danach ist es zwar unter dem Gesichtspunkt einer möglichen Tatbestandswirkung ressortfremder Verwaltungsakte möglich, dass die Arbeitsuchendmeldung bei einer wirksam bekannt gegebenen Einstellungsverfügung selbst dann erlischt, wenn die Arbeitsagentur die Vermittlung zu Unrecht eingestellt hat7. Der Bundesfinanzhof erachtet es jedoch bei den im Streitfall gegebenen Umständen für nicht erfolgversprechend, der Frage in tatsächlicher Hinsicht weiter nachzugehen, ob S noch im Dezember 2008 eine solche Einstellungsverfügung erhalten hat. So hat das Finanzgericht in der Vorentscheidung ausgeführt, dass bei der Arbeitsagentur keine weiteren Unterlagen zur Arbeitsuchendmeldung des S vorhanden sind. Zudem lassen sich weder den Streitakten noch dem Sachvortrag der Beteiligten Anhaltspunkte für einen solchen Geschehensablauf entnehmen.

Im vorliegenden Fall bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Arbeitsagentur in dem Zeitraum ab Januar 2009 eine auf § 38 Abs. 3 Satz 2 SGB III n.F. gestützte (wirksame) Einstellungsverfügung gegenüber dem S erlassen hat8. Ebenso ist nicht erkennbar, dass S ab Januar 2009 eine ihm obliegende Pflicht, auf welche § 38 Abs. 3 Satz 2 SGB III n.F. Bezug nimmt, nicht erfüllt hat, ohne dafür einen wichtigen Grund zu haben9.

chließlich ist die Arbeitsuchendmeldung des Sohnes nicht dadurch weggefallen, dass er eine ihm gegenüber der Arbeitsagentur obliegende ungeschriebene Melde- bzw. Erkundigungspflicht verletzt hat. Dabei verkennt der Bundesfinanzhof nicht, dass im Streitfall der Vermittlungsanspruch des Sohnes gegenüber der Arbeitsagentur fortbestanden und deshalb nach wie vor ein Rechtsverhältnis zwischen ihm und der Arbeitsagentur existiert hat, das als Grundlage für ungeschriebene Mitwirkungspflichten des S herangezogen werden könnte. Der Bundesfinanzhof sieht sich jedoch aufgrund der Wertungen des Gesetzgebers nicht dazu in der Lage, aus diesem fortbestehenden Rechtsverhältnis ab Januar 2009 zu Lasten des Kindes eine nicht kodifizierte Melde- bzw. Erkundigungspflicht gegenüber der Arbeitsagentur zu begründen. Zum einen hat der Gesetzgeber der Arbeitsagentur mit der Neuregelung im Zusammenspiel mit der Aufnahme des § 309 SGB III in die Mitwirkungspflichten des Arbeitsuchenden (vgl. § 38 Abs. 1 Satz 6 SGB III n.F.) die Möglichkeit eingeräumt, Arbeitsuchende einzuladen und von Beginn der Arbeitsuche an wirksam in den Vermittlungsprozess einzubeziehen10. Hierfür muss die Arbeitsagentur allerdings selbst entsprechende Aktivitäten entfalten. Unterbleiben diese aufgrund einer zu Unrecht erfolgten Einstellung der Vermittlung, kann dies nicht dem Kläger angelastet werden. Zum anderen hat der Gesetzgeber durch die Neufassung des § 38 SGB III n.F. mehr Transparenz für die Beteiligten schaffen wollen10. Bei Begründung einer ungeschriebenen Melde- oder Erkundigungspflicht würde jedoch genau das Gegenteil bewirkt werden.

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Bundesfinanzhof, Urteil vom 10. April 2014 – III R 37/12

  1. BFH, Urteil vom 19.06.2008 – III R 68/05, BFHE 222, 349, BStBl II 2009, 1008, unter II. 2.b[]
  2. BFH, Urteil vom 26.07.2012 – III R 70/10, BFH/NV 2012, 1971, unter II. 1.a[]
  3. BFH, Urteil in BFHE 222, 349, BStBl II 2009, 1008, unter II. 2.b[][]
  4. vgl. dazu Mutschler in Mutschler/Bartz/Schmidt-De Caluwe, SGB III, 3. Aufl., § 38 Rz 28[]
  5. BFH, Urteil vom 17.12 2008 – III R 60/06, BFH/NV 2009, 908[]
  6. BFH, Urteil in BFH/NV 2009, 908, unter II. 1.d[]
  7. zur Tatbestandswirkung vgl. BFH, Urteil vom 15.03.2012 – III R 82/09, BFHE 236, 539, BStBl II 2013, 226, unter II. 3.; Steinhauff, Der AO-Steuer-Berater 2010, 271[]
  8. zur Einstellungsverfügung als denkbarer Erlöschensgrund vgl. BFH, Urteil vom 10.04.2014 – III R 19/12, BFHE, unter III. 1.c[]
  9. vgl. dazu BFH, Urteil vom 10.04.2014 – III R 19/12, BFHE, unter III. 1.a[]
  10. BT-Drs. 16/10810, S. 30[][]