Kindergeld – und der Besuch einer Missionsschule als Berufsausbildung

Das Tatbestandsmerkmal „für einen Beruf ausgebildet wird“ i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG erfordert, dass der Erwerb der Kenntnisse regelmäßig einen konkreten Bezug zu dem angestrebten Beruf aufweisen muss. In Fällen, in denen der Ausbildungscharakter der Maßnahmen zweifelhaft ist, kommt diesem konkreten Bezug entscheidende Bedeutung zu.

Kindergeld – und der Besuch einer Missionsschule als Berufsausbildung

Der Besuch einer nicht allgemeinbildenden Schule, der nicht der Vorbereitung auf einen konkret angestrebten Beruf, sondern vorrangig der Erlangung sozialer Erfahrungen und der Stärkung des Verantwortungsbewusstseins für das Gemeinwohl sowie der Persönlichkeitsbildung und Charakterbildung i.S. des Leitbilds der Schule dient, stellt keine Berufsausbildung i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG dar.

Für ein volljähriges Kind besteht nach § 62 Abs. 1, § 63 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG -unter weiteren, hier nicht streitigen Voraussetzungen- Anspruch auf Kindergeld, wenn es für einen Beruf ausgebildet wird.

In Berufsausbildung befindet sich, wer „sein Berufsziel“ noch nicht erreicht hat, sich aber ernsthaft und nachhaltig darauf vorbereitet1. Dieser Vorbereitung dienen alle Maßnahmen, bei denen Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen erworben werden, die als Grundlagen für die Ausübung des „angestrebten“ Berufs geeignet sind2, und zwar unabhängig davon, ob die Ausbildungsmaßnahmen in einer Ausbildungs- oder Studienordnung vorgeschrieben sind3.

Dieser weite Berufsausbildungsbegriff bedeutet aber nicht, dass jedweder Erwerb von Fertigkeiten jeglicher Art als Berufsausbildung anzusehen ist. Denn das Tatbestandsmerkmal „für einen Beruf ausgebildet wird“ i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG erfordert, dass der Erwerb der Kenntnisse regelmäßig einen konkreten Bezug zu dem angestrebten Beruf aufweisen muss.

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Dieser Bezug wird grundsätzlich unterstellt, wenn ein Kind eine Ausbildung absolviert, die im Rahmen eines öffentlich-rechtlichen Ausbildungsgangs erlernt wird. Entsprechendes gilt regelmäßig auch dann, wenn es um das Erlernen oder um die Verbesserung von Fremdsprachen geht, soweit die Vermittlung der Sprachkenntnisse mit anerkannten Formen der Berufsausbildung verbunden oder von einem theoretisch-systematischen Unterricht von einer gewissen Mindestdauer begleitet wird. Der Umfang und die systematische Vermittlung rechtfertigen den Schluss auf eine hinreichend gründliche (Sprach-)Ausbildung4.

Der konkrete Bezug zu einem angestrebten Beruf erlangt indessen in den Fällen, in denen der Ausbildungscharakter der Maßnahmen zweifelhaft ist, entscheidende Bedeutung5. Entscheidend ist der hinreichende inhaltliche Zusammenhang zu einem von dem Kind angestrebten Beruf. Auf dieser Grundlage grenzen sich die zu beurteilenden Maßnahmen von den kindergeldrechtlich nicht förderungsfähigen Tätigkeiten zur Erlangung allgemeiner Erfahrungswerte ab.

Dies gilt beispielsweise für Sprachaufenthalte im Ausland in Abgrenzung von längeren Urlauben und sonstigen Auslandsaufenthalten, wenn der Unterricht weniger als zehn Wochenstunden umfasst. Nur soweit der Auslandsaufenthalt von einer Ausbildungs- oder Prüfungsordnung zwingend vorgeschrieben ist oder dazu dient, ein gutes Ergebnis in einem für die Zulassung zum angestrebten Studium oder zu einer anderweitigen Ausbildung erforderlichen Fremdsprachentest (z.B. TOEFL oder IELTS) zu erlangen6, besteht der konkrete Bezug zu einem angestrebten Beruf.

Eine Abgrenzung nach Maßgabe des konkreten Bezugs zu einem angestrebten Beruf ist insbesondere bei der Vermittlung oder dem Erwerb von Fähigkeiten erforderlich, die beispielsweise (auch) der Erlangung sozialer oder religiöser Erfahrungen, der Persönlichkeits- und Charakterbildung oder der Stärkung des Verantwortungsbewusstseins für das Gemeinwohl dienen. In diesen Fällen reicht es für die Annahme einer Berufsausbildung i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG nicht aus, wenn die Maßnahmen einen gewissen zeitlichen Mindestaufwand und eine ausreichende theoretische Systematisierung aufweisen7, einen inhaltlich hinreichenden Zusammenhang zu einem von dem Kind angestrebten Beruf aber nicht erkennen lassen.

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So werden Freiwilligendienste unabhängig von ihrer Ausgestaltung nicht als Berufsausbildung angesehen, da sie in der Regel nicht der Vorbereitung auf einen konkret angestrebten Beruf, sondern der Erlangung sozialer Erfahrungen und der Stärkung des Verantwortungsbewusstseins für das Gemeinwohl dienen8. Dementsprechend ist eine abweichende Beurteilung nicht ausgeschlossen, wenn der Freiwilligendienst, der von einer nicht von § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d EStG erfassten Organisation angeboten wird, einen so engen Bezug zu einem späteren Studium oder einer betrieblichen Ausbildung hat, dass er als Bestandteil einer Berufsausbildung angesehen werden kann9.

Bundesfinanzhof, Urteil vom 13. Dezember 2018 – III R 25/18

  1. ständige Rechtsprechung, z.B. BFH, Urteil vom 03.07.2014 – III R 52/13, BFHE 246, 427, BStBl II 2015, 152, Rz 29, m.w.N.[]
  2. ständige Rechtsprechung, z.B. BFH, Urteil vom 02.04.2009 – III R 85/08, BFHE 224, 546, BStBl II 2010, 298, Rz 9, m.w.N.[]
  3. BFH, Urteile vom 18.03.2009 – III R 26/06, BFHE 225, 331, BStBl II 2010, 296; vom 09.06.1999 – VI R 33/98, BFHE 189, 88, BStBl II 1999, 701; vom 10.05.2012 – VI R 72/11, BFHE 237, 499, BStBl II 2012, 895, Rz 12[]
  4. vgl. BFH, Urteil vom 19.02.2002 – VIII R 83/00, BFHE 198, 192, BStBl II 2002, 469; BFH, Urteil vom 09.02.2012 – III R 78/09, BFH/NV 2012, 940[]
  5. BFH, Urteil vom 08.05.2014 – III R 41/13, BFHE 245, 237, BStBl II 2014, 717[]
  6. BFH, Urteil vom 26.10.2012 – VI R 102/10, BFH/NV 2013, 366; BFH, Urteile vom 15.03.2012 – III R 82/10, BFH/NV 2012, 1588, Rz 13; vom 22.02.2017 – III R 3/16, BFH/NV 2017, 1304[]
  7. a.A. FG Baden-Württemberg, Urteil vom 15.02.2010 – 4 K 361/09, EFG 2010, 1050[]
  8. BFH, Urteil vom 07.04.2011 – III R 11/09, BFH/NV 2011, 1325, Rz 11; BFH, Beschluss vom 18.06.2014 – III B 19/14, BFH/NV 2014, 1541[]
  9. vgl. BFH, Urteil in BFH/NV 2012, 940, Rz 11[]
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