Für ein Kind, das das 18., aber noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet hat und sich in Ausbildung befindet, besteht nach § 62 Abs. 1, § 63 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG ein Anspruch auf Kindergeld nur, wenn das Kind Einkünfte und Bezüge, die zur Bestreitung des Unterhalts oder der Berufsausbildung bestimmt oder geeignet sind, von nicht mehr als 8.004 EUR im Kalenderjahr hat. Der Begriff der Einkünfte entspricht dem in § 2 Abs. 2 EStG gesetzlich definierten Begriff und ist je nach Einkunftsart als Gewinn oder als Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten zu verstehen. Erzielt das Kind ‑wie vorliegend A- Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, sind daher von den Bruttoeinnahmen die Werbungskosten abzuziehen [1].

Fahrtkosten zwischen Wohnung und (regelmäßiger) Arbeitsstätte sind nicht im tatsächlichen Umfang, sondern nur nach Maßgabe einer Entfernungspauschale steuerlich abziehbar [2]. In diesem Fall sind pro Entfernungskilometer zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte grundsätzlich 0, 30 EUR anzusetzen [3].
Bei der Ausbildungsstätte des Kindes A in B-Stadt hat es sich um eine regelmäßige Arbeitsstätte i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 1 EStG gehandelt, weil der Auszubildende A im Rahmen eines Ausbildungsdienstverhältnisses, aus dem er Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit erzielte, dem Ausbildungsbetrieb zugeordnet war und diesen fortdauernd aufsuchte, um dort seine für den Ausbildungszweck zentralen Tätigkeiten zu erbringen. Fahrtkosten von Auszubildenden zu einem derartigen Ausbildungsbetrieb sind nur mit der Entfernungspauschale des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 2 EStG als Werbungskosten zu berücksichtigen [4].
Eine doppelte Haushaltsführung liegt nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 2 EStG vor, wenn der Arbeitnehmer außerhalb des Ortes, in dem er einen eigenen Hausstand unterhält, beschäftigt ist und auch am Beschäftigungsort wohnt. Hausstand i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 2 EStG ist der Haushalt, den der Arbeitnehmer am Lebensmittelpunkt führt, also sein Erst- oder Haupthaushalt.
Die Beantwortung der Frage, ob im elterlichen Haus ein eigener Hausstand besteht, erfordert eine Abwägung und Bewertung aller Umstände des Einzelfalls. Indizien können sich u.a. aus einem Vergleich von Größe und Ausstattung der Wohnungen sowie aus Dauer und Häufigkeit der Aufenthalte in den Wohnungen ergeben [5].
So befand der Bundesfinanzhof im hier entschiedenen Fall die Tatsachenwürdigung des Finanzgericht als gemäß § 118 Abs. 2 FGO revisionsrechtlich bindend, weil sie verfahrensfehlerfrei zustande gekommen ist, nicht gegen allgemeine Erfahrungssätze oder Denkgesetze verstößt und, wenn auch nicht zwingend, so doch möglich ist [6]. Das Finanzgericht hat berücksichtigt, dass der 20 Jahre alte A sich im Streitjahr im dritten Jahr seiner vierjährigen Ausbildung befand, dass das eigenständige Waschen der Wäsche nicht zu einem eigenen Hausstand führt, dass es sich bei dem von ihm genutzten Zimmer im Haus seiner Eltern um sein Jugendzimmer mit einer Größe von 4,3 m x 2,5 m = 10,75 m² handelte, wohingegen die Wohnung in B‑Stadt 36 m² groß war, und dass A das Bad und die Küche des elterlichen Haushaltes mitnutzte. Die Würdigung, dass unter diesen Umständen kein eigener Hausstand vorliegt, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
Das Finanzgericht hat auch rechtsfehlerfrei entschieden, dass vorliegend ein Abzug der Unterkunftskosten als Werbungskosten gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG nicht in Betracht kommt. Ein Arbeitnehmer, der ‑wie A- am Beschäftigungsort i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG wohnt, d.h. am Ort der regelmäßigen Arbeitsstätte im Sinne einer ortsfesten dauerhaften betrieblichen Einrichtung des Arbeitgebers, kann die Aufwendungen für die Wohnung nur unter den Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG als Werbungskosten abziehen. Diese Norm ist im Verhältnis zu § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG das speziellere Gesetz [7].
Wie das Finanzgericht zu Recht erkannt hat, stehen die Urteile des BFH in BFH/NV 2014, 502 und in BFHE 239, 80, BStBl II 2013, 284 dieser Beurteilung nicht entgegen.
Eine Abweichung i.S. des § 11 FGO liegt nur bei einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage vor und setzt daher einen gleichen oder vergleichbaren Sachverhalt voraus. Liegen den Entscheidungen unterschiedliche Sachverhalte zugrunde, ergeben sich daraus andere rechtliche Wertungen und die Beurteilung anderer Rechtsfragen. Bei Ausführungen, die verallgemeinernd über den entschiedenen Fall hinausgehen, handelt es sich allenfalls um ein obiter dictum, das regelmäßig die Annahme einer Abweichung i.S. des § 11 FGO nicht indiziert. Eine Anrufung des Großen Bundesfinanzhofs des BFH ist in diesem Falle nicht erforderlich [8].
Im Urteil in BFHE 239, 80, BStBl II 2013, 284 hat der VI. Bundesfinanzhof des BFH entschieden, dass ein Student, der an einer Universität, also einer arbeitgeberfremden Bildungseinrichtung, eine Bildungsmaßnahme absolviert und nicht am Beschäftigungsort i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG wohnt, nicht gehindert ist, die ihm entstandenen Unterkunftskosten nach § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG geltend zu machen. Der Entscheidung des VI. Bundesfinanzhofs lag schon deshalb ein anderer Sachverhalt zugrunde, weil es sich um eine arbeitgeberfremde Bildungsmaßnahme handelte und der Kläger nicht am Beschäftigungsort wohnte.
Im Urteil in BFH/NV 2014, 502 hat der XI. Bundesfinanzhof unter Bezugnahme auf das Urteil des VI. Bundesfinanzhofs ebenfalls zu einer Bildungsmaßnahme entschieden und die Sache an das Finanzgericht zur Nachholung von Feststellungen, die die Beurteilung des Vorliegens der Voraussetzungen einer doppelten Haushaltsführung ermöglichen, zurückverwiesen. Soweit der XI. Bundesfinanzhof ausführt, dass selbst dann, wenn keine doppelte Haushaltsführung vorgelegen haben sollte, ein Abzug der Unterkunftskosten als Werbungskosten nach § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG in Betracht komme, handelt es sich um ein nicht entscheidungserhebliches obiter dictum. Kosten für die Erstwohnung, die jeder Steuerpflichtige zu tragen hat, sind bereits im Grundfreibetrag steuerlich berücksichtigt.
Bundesfinanzhof, Urteil vom 28. August 2014 – V R 22/14
- ständige Rechtsprechung, z.B. BFH, Urteil vom 27.02.2014 – III R 60/13, BFH/NV 2014, 1140; vom 20.12 2012 – III R 33/12, BFHE 240, 107, BStBl II 2013, 1035[↩]
- BFH, Urteil vom 09.02.2012 – VI R 42/11, BFHE 236, 439, BStBl II 2013, 236[↩]
- z.B. BFH, Urteile vom 09.02.2012 – VI R 44/10, BFHE 236, 431, BStBl II 2013, 234; vom 18.09.2012 – VI R 65/11, BFH/NV 2013, 517[↩]
- BFH, Urteile in BFH/NV 2014, 1140 Leitsätze 1 und 3; zur regelmäßigen Arbeitsstätte vgl. auch BFH, Urteile vom 09.06.2011 – VI R 55/10, BFHE 234, 164, BStBl II 2012, 38, m.w.N.; vom 19.09.2012 – VI R 78/10, BFHE 239, 80, BStBl II 2013, 284[↩]
- BFH, Urteil vom 30.10.2008 – VI R 10/07, BFHE 223, 242, BStBl II 2009, 153; BFH, Beschluss vom 29.10.2012 – VI B 102/12, BFH/NV 2013, 199, m.w.N.[↩]
- vgl. BFH, Urteile vom 28.05.2013 – XI R 44/11, BFH/NV 2013, 1409; vom 29.04.2008 – VIII R 28/07, BFHE 220, 332, BStBl II 2009, 842; BFH, Beschlüsse vom 11.11.2013 – XI B 99/12, BFH/NV 2014, 366; vom 18.02.2014 – III B 118/13, BFH/NV 2014, 897[↩]
- vgl. BFH, Urteil vom 22.04.1998 – XI R 59/97, BFH/NV 1998, 1216, unter II. 1.a, m.w.N.[↩]
- BFH, Urteil vom 21.02.2013 – V R 27/11, BFHE 240, 487, BStBl II 2013, 529, mit Nachweisen aus der Rechtsprechung des BFH[↩]