Der inländische Kindergeldanspruch wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass Deutschland als Wohnsitzstaat im Hinblick auf die Gewährung der Familienleistungen der an sich unzuständige Mitgliedstaat ist (Art. 13 Abs. 2 Buchst. a, Art. 73 der VO Nr. 1408/71). Denn die ausschließliche Rechtszuständigkeit der Niederlande nach der VO Nr. 1408/71 entfaltet keine Sperrwirkung für die Anwendung des Rechts des nicht zuständigen Mitgliedstaats (Deutschland).

Der III. Bundesfinanzhof hat seine gegenteilige Ansicht aufgegeben1. Der V. Bundesfinanzhof des Bundesfinanzhofs schließt sich -im Hinblick auf die EuGH, Urteile „Bosmann“2 und „Hudzinski und Wawrzyniak“3- der geänderten Auffassung aus den gleichen Gründen an.
Auch ist der inländische Kindergeldanspruch nicht deshalb ausgeschlossen, weil im Streitfall ein Anspruch auf Familienleistungen im zuständigen Mitgliedstaat (Niederlande) bestanden hat. Unter Berücksichtigung des EuGH, Urteils „Hudzinski und Wawrzyniak“4 ist das EuGH, Urteil „Bosmann“2 nicht in dem Sinne zu verstehen, dass der nicht zuständige Mitgliedstaat (hier: Deutschland) nur dann Familienleistungen zu erbringen hat, wenn im zuständigen Mitgliedstaat (hier: Niederlande) der Anspruch auf Familienleistungen ausgeschlossen ist (z.B. wegen Überschreitung einer Alters- oder Einkommensgrenze). Dem hat sich zwischenzeitlich auch die Verwaltung angeschlossen5.
Die Konkurrenz zwischen der niederländischen und der inländischen Familienleistung ist nicht nach § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG, sondern nach der vorrangig anzuwendenden gemeinschaftsrechtlichen Antikumulierungsregelung des Art. 10 Abs. 1 Buchst. a der VO Nr. 574/72 aufzulösen6. Danach ruht der inländische Kindergeldanspruch, dessen Gewährung im Inland nicht von einer Versicherung, Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit abhängig ist, nur bis zur Höhe der in den Niederlanden für denselben Zeitraum und für dasselbe Kind geschuldeten Familienleistungen. Daher ruht im Streitzeitraum der inländische Kindergeldanspruch (monatlich 154 €) in Höhe der vierteljährlich gewährten niederländischen Familienleistung („Kinderbejslag“) von 285, 01 € (monatlich 95 €).
Bundesfinanzhof, Urteil vom 30. Januar 2014 – V R 38/11
- BFH, Urteil vom 16.05.2013 – III R 8/11, BFHE 241, 511, BStBl II 2013, 1040, unter II. 2.; zustimmend BFH, Urteile vom 11.07.2013 – VI R 68/11, BFHE 242, 206; und vom 05.09.2013 – XI R 52/10, BFH/NV 2014, 33, unter Rz 29[↩]
- EuGH, Urteil in Slg. 2008, I-3827, Rdnr. 33[↩][↩]
- EuGH, Urteil vom 12.06.2012 – C-611/10, – C-612/10, Hudzinski und Wawrzyniak DStRE 2012, 999, Rdnrn. 56 f.[↩]
- EuGH, DStRE 2012, 999, Rdnr. 68[↩]
- vgl. Dienstanweisung zur Durchführung des Familienleistungsausgleichs nach dem X. Abschnitt des Einkommensteuergesetzes, Abschn. 65.2 Abs. 2 Satz 4 -Stand 2013-[↩]
- vgl. dazu EuGH, Urteil Hudzinski und Wawrzyniak in DStRE 2012, 999, Rdnrn. 73 f.; BFH, Urteil vom 18.07.2013 – III R 51/09, BFH/NV 2013, 1973, Rz 19 f.[↩]