Monatlich wiederkehrende Einkünfte und Bezüge, die im Rahmen der nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG durchzuführenden –monatsbezogenen– Vergleichsrechnung nach dem Zuflussprinzip des § 11 EStG zu erfassen sind und dem behinderten Kind kurze Zeit vor Beginn oder kurze Zeit nach Beendigung des Kalendermonats, für den sie bestimmt sind, zufließen, sind in dem bestimmungsgemäßen Monat zu erfassen. Als kurze Zeit gilt ein Zeitraum von bis zu zehn Tagen.

Gemäß § 62 Abs. 1, § 63 Abs. 1 Sätze 1 und 2 i.V.m. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG besteht für ein Kind, das das 18. Lebensjahr vollendet hat, ein Anspruch auf Kindergeld, wenn es wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten; Voraussetzung ist, dass die Behinderung vor Vollendung des 25. Lebens-jahres eingetreten ist.
Ein behindertes Kind ist dann außerstande, sich selbst zu unterhalten, wenn es seinen Lebensunterhalt nicht bestreiten kann. Ist das Kind hingegen trotz seiner Behinderung (z.B. aufgrund hoher Einkünfte oder Bezüge) in der Lage, selbst für seinen Lebensunterhalt zu sorgen, kommt der Behinderung keine Bedeutung zu1. Ob dies der Fall ist, ist anhand eines Vergleichs zweier Bezugsgrößen zu prüfen, nämlich des gesamten Lebensbedarfs des Kindes einerseits und seiner finanziellen Mittel andererseits2. Zu den finanziellen Mitteln des behinderten volljährigen Kindes gehören seine Einkünfte und Bezüge. Einkünfte sind solche i.S. von § 2 Abs. 2 EStG, zu den Bezügen gehören alle Einnahmen in Geld oder Naturalleistungen, die nicht im Rahmen der einkommensteuerrechtlichen Einkünfteermittlung erfasst werden3.
Bei Prüfung der Frage, ob ein volljähriges Kind wegen seiner Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten, ist keine jahresbezogene Betrachtung vorzunehmen, sondern auf den Kalendermonat abzustellen4. Die Einkünfte und Bezüge sind, soweit für Gewinneinkünfte nicht das Realisationsprinzip gilt5, nach dem Zuflussprinzip des § 11 EStG zu erfassen6.
Nach Auffassung des Bundesfinanzhofs ist bei Anwendung des Zuflussprinzips auch der in der Vorschrift des § 11 Abs. 1 Satz 2 EStG zum Ausdruck kommende Rechtsgedanke zu berücksichtigen. Nach dieser Vorschrift gelten regelmäßig wiederkehrende Einnahmen, die dem Steuerpflichtigen kurze Zeit vor Beginn oder kurze Zeit nach Beendigung des Kalenderjahres, zu dem sie wirtschaftlich gehören, zugeflossen sind, als in dem Jahr der wirtschaftlichen Zugehörigkeit bezogen. Der Gesetzeszweck dieser Vorschrift, Zufälligkeiten bei der zeitlichen Erfassung wiederkehrender Leistungen zu vermeiden7, rechtfertigt auch deren Heranziehung bei monatlich wiederkehrenden –im Rahmen der Vergleichsrechnung anzusetzenden– Einkünften und Bezügen. Dies bedeutet, dass solche monatlich wiederkehrenden Leistungen, die dem behinderten Kind kurze Zeit vor Beginn oder kurze Zeit nach Beendigung des Kalendermonats, für den sie bestimmt sind, zufließen, in dem bestimmungsgemäßen Monat zu erfassen sind. In Anlehnung an die Rechtsprechung zu § 11 Abs. 1 Satz 2 EStG ist als „kurze Zeit“ ein Zeitraum von bis zu zehn Tagen anzusehen8. Allerdings misst der BFH hierbei dem Erfordernis, dass die Leistung auch während dieser kurzen Zeit –wie sonst bei § 11 Abs. 1 Satz 2 EStG vorausgesetzt9– fällig sein muss, keine Bedeutung bei, und zwar deshalb, weil für die Beurteilung der Frage, ob einem behinderten Kind ausreichende finanzielle Mittel zur Verfügung gestanden haben, nicht auf die Fälligkeit einer Zahlung, sondern vielmehr darauf abzustellen ist, ob tatsächlich entsprechende finanzielle Mittel zeitnah vorhanden waren. Im Übrigen kommt eine Verteilung solcher, in Anlehnung an § 11 Abs. 1 Satz 2 EStG abweichend vom Zuflussmonat zu erfassender monatlich wiederkehrender Leistungen auf einen längeren Zeitraum nicht in Betracht (anders bei jährlich anfallenden Einnahmen10).
Ob für monatlich wiederkehrenden Arbeitslohn ggf. Abweichendes gilt (s. dazu § 11 Abs. 1 Satz 4 EStG), bedarf im Streitfall keiner Klärung.
Schließlich wirkt sich eine im Laufe eines Monats zugeflossene Nachzahlung, die zum Wegfall der Unfähigkeit zum Selbstunterhalt führt, erst in dem auf den Zuflussmonat folgenden Zeitraum kindergeldschädlich aus11. Dem liegt die Überlegung zugrunde, dass das Kindergeld gemäß § 66 Abs. 2 EStG bis zum Ende des Monats gezahlt wird, in dem die Anspruchsvoraussetzungen vorliegen12. Danach ist Kindergeld für den Zuflussmonat der Nachzahlung zu gewähren, wenn die finanziellen Mittel in diesem Monat ohne Berücksichtigung der Nachzahlung nicht ausgereicht hätten, um den gesamten Bedarf des behinderten Kindes zu decken.
Bundesfinanzhof, Urteil vom 11. April 2013 – III R 35/11
- BFH, Urteil vom 24.08.2004 – VIII R 83/02, BFHE 207, 244, BStBl II 2007, 248, m.w.N.[↩]
- BFH, Urteil in BFHE 207, 244, BStBl II 2007, 248, m.w.N.[↩]
- z.B. BFH, Urteil vom 04.08.2011 – III R 22/10, BFHE 234, 329, BStBl II 2012, 337, m.w.N.[↩]
- z.B. BFH, Urteile vom 04.11.2003 – VIII R 43/02, BFHE 204, 120, BStBl II 2010, 1046; in BFHE 207, 244, BStBl II 2007, 248; a.A. Greite, Finanz-Rundschau 2004, 424; Pust in Littmann/Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht, Kommentar, § 32 EStG Rz 491[↩]
- s. dazu BFH, Urteil vom 22.12.2011 – III R 69/09, BFHE 236, 298[↩]
- BFH, Urteil vom 16.04.2002 – VIII R 76/01, BFHE 199, 116, BStBl II 2002, 525[↩]
- z.B. BFH, Urteil vom 24.07.1986 – IV R 309/84, BFHE 147, 419, BStBl II 1987, 16[↩]
- s. dazu BFH, Beschluss vom 06.11.2002 – X B 30/02, BFH/NV 2003, 169[↩]
- BFH, Urteil in BFHE 147, 419, BStBl II 1987, 16[↩]
- s. dazu BFH, Urteil in BFHE 207, 244, BStBl II 2007, 248, unter II.1.e[↩]
- BFH, Urteil in BFHE 204, 120, BStBl II 2010, 1046, unter II.2.[↩]
- BFH, Urteil in BFHE 204, 120, BStBl II 2010, 1046[↩]