Der Verlust aus dem fallenden Kurs von Knock-out-Produkten in Form von Unlimited Turbo Bull-Zertifikaten ist nach einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs steuerlich voll abziehbar und unterfällt nicht dem Ausgleichs- und Abzugsverbot für Termingeschäfte.

Der Begriff des „Termingeschäfts“ i.S. von § 15 Abs. 4 Satz 3 EStG ist im Grundsatz nach wertpapier- und bankenrechtlichen Maßgaben zu bestimmen; und vom Kassageschäft abzugrenzen. Das Ausmaß der spezifischen Gefährlichkeit eines konkreten Geschäfts spielt weder für die Qualifizierung als Termingeschäft noch als Kassageschäft eine Rolle1. Knock-out-Produkte in Form von Zertifikaten (hier: Unlimited TurboBull Zertifikate) unterfallen als Kassageschäfte nicht dem Ausgleichs- und Abzugsverbot des § 15 Abs. 4 Satz 3 EStG.
Nach § 15 Abs. 4 Satz 3 EStG unterliegen Verluste aus Termingeschäften grundsätzlich einem Ausgleichs- und Abzugsverbot, d.h. sie können nur sehr eingeschränkt mit Gewinnen aus eben solchen Geschäften verrechnet werden, sie mindern aber im Übrigen nicht die Bemessungsgrundlage der Körperschaftsteuer oder der Einkommensteuer. Aus Sicht des Gesetzgebers ist es gerechtfertigt, für besonders riskante Geschäfte derartige Beschränkungen vorzusehen.
Im hier vom Bundesfinanzhof entschiedenen Streitfall hatte die GmbH, eine GmbH, von einer Bank ausgegebene Unlimited Turbo Bull-Zertifikate erworben. Als sog. Knock-out-Zertifikate zeichneten sie sich durch die Möglichkeit aus, mit relativ geringem Kapitaleinsatz überproportional an der Wertentwicklung des zugrunde liegenden Basiswerts zu partizipieren. Erreichte oder durchbrach der Basiswert jedoch eine bestimmte Kursschwelle, dann verfielen die Zertifikate nahezu wertlos. Bedingt durch ein Absinken des jeweiligen Indexstandes fiel der Wert der von der GmbH erworbenen Zertifikate, wodurch diese einen erheblichen Verlust realisierte. Das Finanzamt vertrat die Auffassung, dass die Zertifikatsverluste dem Ausgleichs- und Abzugsverbot unterliegen.
Wie erstinstanzlich bereits das Finanzgericht Berlin-Brandenburg2 sah nun auch der Bundesfinanzhof die Sache anders als das Finanzamt: Die Anwendung des § 15 Abs. 4 Satz 3 EStG hänge entscheidend davon ab, ob ein Termingeschäft vorliege. Dieses sei vom sog. Kassageschäft abzugrenzen, bei dem der Leistungsaustausch sofort oder innerhalb einer kurzen Frist zu vollziehen sei. Bei Knock-out-Produkten in Form von Zertifikaten handelt es sich aber, so der Bundesfinanzhof weiter, um gewöhnliche Schuldverschreibungen, die im Streitfall Zug um Zug gegen Bezahlung übertragen worden seien; an dem für ein Termingeschäft typischen Hinausschieben des Erfüllungszeitpunkts habe es gefehlt.
Nach dem über § 8 Abs. 1 KStG für die Ermittlung des Einkommens der GmbH anzuwendenden § 15 Abs. 4 Satz 1 EStG dürfen die dort benannten Verluste (aus gewerblicher Tierzucht oder gewerblicher Tierhaltung) weder mit anderen Einkünften aus Gewerbebetrieb noch mit Einkünften aus anderen Einkunftsarten ausgeglichen werden; sie dürfen auch nicht nach § 10d EStG abgezogen werden. Die Verluste mindern jedoch nach Maßgabe des § 10d EStG die Gewinne, die der Steuerpflichtige in dem unmittelbar vorangegangenen und in den folgenden Wirtschaftsjahren aus den genannten Einkunftsquellen erzielt hat oder erzielt (§ 15 Abs. 4 Satz 2 EStG).
§ 15 Abs. 4 Satz 3 EStG bestimmt, dass die Sätze 1 und 2 entsprechend für Verluste aus Termingeschäften gelten, durch die der Steuerpflichtige einen Differenzausgleich oder einen durch den Wert einer veränderlichen Bezugsgröße bestimmten Geldbetrag oder Vorteil erlangt. Nicht unter diese Beschränkungen fallen -vorbehaltlich der Rückausnahme des § 15 Abs. 4 Satz 5 EStG- zwar gemäß § 15 Abs. 4 Satz 4 EStG Geschäfte bestimmter Finanzunternehmen (sog. sektorale Ausnahme) und Risikokompensationsgeschäfte anderer Unternehmen, wenn damit Risiken des gewöhnlichen Geschäftsbetriebs abgesichert werden (sog. funktionale Ausnahme). Im Streitfall sind diese Ausnahmeregelungen indes, wovon auch die Beteiligten ausgehen, nicht einschlägig.
Die Rechtsfolge des § 15 Abs. 4 Satz 3 EStG bezieht sich nicht auf ein negatives Ergebnis eines einzelnen Geschäfts, vielmehr ist auf den Saldo sämtlicher Termingeschäfte im Wirtschaftsjahr abzustellen3. Auch dies ist zwischen den Beteiligten nicht umstritten.
Die Anwendbarkeit von § 15 Abs. 4 Satz 3 EStG hängt maßgeblich davon ab, ob ein Termingeschäft vorliegt, was das Finanzgericht rechtsfehlerfrei verneint hat.
Der Begriff des Termingeschäfts ist in § 15 Abs. 4 Satz 3 EStG nicht definiert. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) ist er im Grundsatz nach den wertpapier- bzw. bankenrechtlichen Maßgaben zu bestimmen, wobei allerdings aufsichtsrechtliche Gesichtspunkte außer Betracht bleiben4. Danach sind Termingeschäfte Verträge über Wertpapiere, vertretbare Waren oder Devisen nach gleichartigen Bedingungen, die von beiden Seiten erst zu einem bestimmten späteren Zeitpunkt zu erfüllen sind (zeitliches Auseinanderfallen von Verpflichtungs- und Erfüllungsgeschäft) und die zudem eine Beziehung zu einem Terminmarkt haben, der es ermöglicht, jederzeit ein Gegengeschäft abzuschließen5. Nach wertpapier- bzw. bankenrechtlichen Maßgaben ist das Termingeschäft ferner vom sog. Kassageschäft abzugrenzen6, bei dem der Leistungsaustausch (Belieferung Zug um Zug gegen Bezahlung) sofort oder innerhalb der für diese Geschäfte üblichen Frist von zwei (Bankarbeits- oder Börsen-)Tagen zu vollziehen ist („sofortige Erfüllung“). Diese (Negativ-)Abgrenzung zum Termingeschäft7 ist auch bei der steuerrechtlichen Begriffsbestimmung maßgeblich8.
Bestätigt wird diese Auslegung im Wesentlichen durch das Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente und der Durchführungsrichtlinie der Kommission (Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetz -FMRL-UmsG-) vom 16.07.20079. Durch dieses Gesetz wurde mit Wirkung zum 01.11.2007 (Art. 14 Abs. 3 FMRL-UmsG) als Legaldefinition10 in § 1 Abs. 11 Satz 4 Nr. 1 KWG (nunmehr § 1 Abs. 11 Satz 6 Nr. 1 KWG) und § 2 Abs. 2 Nr. 1 WpHG (nunmehr § 2 Abs. 3 Nr. 1 WpHG) das Termingeschäft definiert als Kauf, Tausch oder anderweitig ausgestaltetes Festgeschäft oder Optionsgeschäft, das zeitlich verzögert zu erfüllen ist und dessen Wert sich unmittelbar oder mittelbar vom Preis oder Maß eines Basiswerts ableitet. Diese Definition ist grundsätzlich auch für das Steuerrecht maßgeblich11, zumal auch das Termingeschäft nach der Legaldefinition des Kreditwesengesetzes bzw. Wertpapierhandelsgesetzes -wie im Steuerrecht- vom Kassageschäft abzugrenzen ist12.
Dagegen kommt es für die steuerrechtliche Abgrenzung des Termingeschäfts nicht auf die umfassendere Definition der Finanztermingeschäfte in § 37e WpHG i.d.F. des FMRL-UmsG (nunmehr § 99 WpHG i.d.F. des Zweiten Gesetzes zur Novellierung von Finanzmarktvorschriften aufgrund europäischer Rechtsakte -zweites Finanzmarktnovellierungsgesetz- -2. FiMaNoG- vom 23.06.201713) an. Hierbei handelt es sich um eine andere Begriffsebene, die dem Anlegerschutz dient14.
Hinsichtlich sog. Indexzertifikate ist höchstrichterlich zudem bereits geklärt, dass sie als Kassageschäfte nicht den Termingeschäften i.S. von § 15 Abs. 4 Satz 3 EStG zuzuordnen sind15. Für Knock-out-Produkte hat der Bundesfinanzhof die Frage dagegen insbesondere bei der Einordnung von Einkünften aus Kapitalvermögen bisher offen gelassen16.
Knock-out-Produkte in Form von Zertifikaten sind Kassageschäfte und damit nicht Termingeschäfte i.S. von § 15 Abs. 4 Satz 3 EStG17.
Dies ergibt sich insbesondere aus der Gesetzeshistorie. § 15 Abs. 4 Satz 3 EStG wurde zusammen mit § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG als „Folgeänderung“18 durch das Steuerentlastungsgesetz (StEntlG) 1999/2000/2002 vom 24.03.199919 eingeführt. Nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 EStG i.d.F. des StEntlG 1999/2000/2002 waren private Veräußerungsgeschäfte u.a. Termingeschäfte, durch die der Steuerpflichtige einen Differenzausgleich oder einen durch den Wert einer veränderlichen Bezugsgröße bestimmten Geldbetrag oder Vorteil erlangt, sofern der Zeitraum zwischen Erwerb und Beendigung des Rechts auf einen Differenzausgleich, Geldbetrag oder Vorteil nicht mehr als ein Jahr betrug. Dabei galten gemäß Satz 2 der Vorschrift Zertifikate, die Aktien vertreten, und Optionsscheine als Termingeschäfte im Sinne des Satzes 1. Zudem müsse ein Differenzausgleich von größer 0 durchgeführt werden, um ein steuerbares privates Veräußerungsgeschäft bejahen zu können20. Diese Geschäfte waren somit der Verlustausgleichsbeschränkung des § 23 Abs. 3 Satz 6 und 7 EStG i.d.F. des StEntlG 1999/2000/2002 unterworfen. Das Ausgleichs- und Abzugsverbot des § 15 Abs. 4 Satz 3 EStG sollte sicherstellen, dass Verluste aus dem privaten Bereich zur Umgehung der Verlustausgleichsbeschränkung in § 23 Abs. 3 Satz 6 und 7 EStG i.d.F. des StEntlG 1999/2000/2002 nicht in den betrieblichen Bereich verlagert werden21.
Obwohl der Gesetzgeber § 15 Abs. 4 Satz 3 EStG als „Folgeänderung zu § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG“ und damit zu den dort geregelten privaten Veräußerungsgeschäften verstanden hat22, wurde in § 15 Abs. 4 EStG auf eine mit § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 EStG vergleichbare Regelung verzichtet. Der Gesetzgeber hat es somit im Bereich des Betriebsvermögens -anders als im Bereich der privaten Veräußerungsgeschäfte- unterlassen, eine Regelung zu schaffen, die Zertifikate mit Termingeschäften gleichstellt. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 EStG hätte es aber nicht bedurft, wenn Zertifikate generell als Termingeschäfte aufzufassen wären23. Der Gesetzgeber ist somit erkennbar selbst davon ausgegangen, dass Zertifikate keine Termingeschäfte darstellen24.
Darüber hinaus spielt das Ausmaß der spezifischen Gefährlichkeit eines konkreten Geschäfts weder für die Qualifizierung als Termingeschäft25 noch als Kassageschäft eine Rolle26. Auch die Legaldefinition des § 2 Abs. 2 Nr. 1 WpHG i.d.F. des FMRL-UmsG stellt nicht auf bestehende Verlustrisiken -und damit anlegerschützende Gesichtspunkte- ab. Entgegen der Ansicht des Finanzamtes ist es daher nicht entscheidungserheblich, ob es sich um ein sog. Hebelprodukt, z.B. Hebel, Knock-out- oder Turbo-Zertifikate, handelt. Etwas anderes könnte allenfalls dann gelten, wenn aufgrund der konkreten Vertragsbedingungen ein sog. Scheinkassageschäft (und damit ein Termingeschäft) bzw. „wirtschaftliches Termingeschäft“ vorliegt, weil u.a. eine Nachschusspflicht und damit ein unbegrenztes Verlustrisiko besteht27.
Der Qualifizierung von Knock-out-Zertifikaten als Kassageschäfte kann entgegen der Ansicht des Finanzamtes nicht entgegengehalten werden, dass die Rückzahlungsverpflichtung des Emittenten unter der auflösenden Bedingung steht, dass die Knock-out-Schwelle nicht erreicht wird und somit von einer hinausgeschobenen Erfüllung gesprochen werden könne28. Zudem können Knock-out-Zertifikate nicht deswegen als Termingeschäfte qualifiziert werden, weil der Anleger bei diesen Produkten lediglich eine Chance auf Rückzahlung, aber keinen sicheren Anspruch hat29.
Hierbei wird jeweils übersehen, dass bei Knock-out-Zertifikaten der Fortbestand der verbrieften Forderung von einer Bedingung abhängt, nicht aber die Laufzeit des Erfüllungsgeschäfts30; es fehlt an dem für ein Termingeschäft erforderlichen hinausgeschobenem Erfüllungszeitpunkt31, so dass weiterhin Kassageschäfte vorliegen. Damit handelt es sich bei Knock-out-Zertifikaten um gewöhnliche Schuldverschreibungen, bei denen der Erfüllungszeitpunkt gerade nicht hinausgeschoben wird32.
Ausgehend von diesen Maßstäben ist das Finanzgericht rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass keine Termingeschäfte, sondern Kassageschäfte vorliegen.
Die Würdigung des Finanzgericht, es lägen nach Maßgabe der Vertragsbedingungen Kassageschäfte vor, ist möglich. Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die vom Finanzgericht vorgenommene Auslegung der Vertragsbedingungen -wonach der Leistungsaustausch durch Übertragung der Schuldverschreibung mit der darin wertpapiermäßig verbrieften Forderung Zug um Zug erfolgte und die spätere Rückzahlung des Emittenten an den Erwerber nicht den Vertrag über den Erwerb des Zertifikats, sondern die durch die Schuldverschreibung begründete Forderung erfüllte- gegen Denkgesetze und allgemeine Erfahrungssätze verstoßen haben und deswegen für den Bundesfinanzhof als Revisionsgericht nicht i.S. § 118 Abs. 2 FGO bindend sein könnte oder dass die Geschäfte abweichend von den getroffenen Vereinbarungen durchgeführt wurden.
Die dagegen gerichteten Einwendungen des Finanzamtes erweisen sich nicht als erfolgreich.
In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu den sog. Bandbreiten-Optionsscheinen wurde die Einordnung eines Geschäfts als (Börsen-)Termingeschäft ausdrücklich davon abhängig gemacht, dass es „sich […] um standardisierte Geschäfte mit Wertpapieren [handelt], die erst zu einem späteren Zeitpunkt, dem Ende der Laufzeit, zu erfüllen sind und einen Bezug zu einem Terminmarkt haben“33 jedenfalls für Zwecke des Wertpapierhandelsgesetzes aufgrund der Legaldefinition des Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetzes in § 2 Abs. 2 Nr. 1 WpHG überholt34. Andererseits hat der BGH in der genannten Entscheidung auch maßgeblich darauf abgestellt, dass das Geschäft -wie u.a. in der Legaldefinition des § 2 Abs. 2 Nr. 1 WpHG i.d.F. des FMRL-UmsG- zeitlich verzögert erfüllt wird, es sich also nicht um ein Kassageschäft handelt35.
Soweit das Finanzgericht Köln in seinem Urteil vom 26.10.201636 unter Verweis auf die im Urteil des Bundesgerichtshofs vom 13.07.200437 genannten Kriterien für die Qualifizierung von Knock-out-Zertifikaten als Termingeschäft auf deren Hebelwirkung und die Gefahr eines Totalverlustes abstellt, bleibt das Vorliegen eines Kassageschäfts ungeprüft. Selbst nach der vom Finanzgericht zitierten Entscheidung des BGH stellt dieser zudem -wie zuvor schon in der vom Finanzamt angeführten Entscheidung des BGH zu den sog. Bandbreiten-Optionsscheinen- darauf ab, dass es sich bei (Börsen-)Termingeschäften um standardisierte Verträge handele, die von beiden Seiten erst zu einem späteren Zeitpunkt, dem Ende der Laufzeit, zu erfüllen seien und einen Bezug zu einem Terminmarkt hätten38, es sich also um kein Kassageschäft handele. Der Bundesgerichtshof hat zwar daneben „auch“ auf die für Termingeschäfte fehlende Hebelwirkung und geringere Gefahr eines Totalverlustes hingewiesen, diese jedoch nicht als die allein maßgeblichen Kriterien angesehen, sondern nur nachrangig auf diese abgestellt.
Auch der Umstand, dass aufgrund der Zertifikatsbedingungen selbst bei gleichbleibenden Kursen des Indexwertes Kapital „vernichtet“ wird, ist entgegen der Auffassung des Finanzamtes für eine Einordnung als Termingeschäft nicht maßgeblich. Denn es fehlt solchen Produkten gleichwohl am Merkmal des hinausgeschobenen Erfüllungszeitpunkts39.
Schließlich liegen keinerlei Anhaltspunkte für ein sog. Scheinkassageschäft bzw. ein sog. wirtschaftliches Termingeschäft vor, wie dies Gegenstand der Entscheidung des Bundesfinanzhofs in BFHE 261, 35, BStBl II 2018, 637 war.
Die vorgenannte BFH-Entscheidung hatte eine Gestaltung des sog. echten (ungedeckten) Daytrading-Geschäfts zum Gegenstand. Danach wird ein Termingeschäft bejaht, wenn aufgrund der konkreten Ausgestaltung der vertraglichen (Neben-)Abreden oder der tatsächlichen Art der Vertragsdurchführung der sofortige Leistungsaustausch als das Charakteristische des Kassageschäfts ausgeschlossen und stattdessen allein Spekulationsgewinne durch Gutschriften aus gleichartigen Geschäften erzielt werden sollen40. Der Entscheidung lag ein Sachverhalt zu Grunde, bei dem im Zeitpunkt des Abschlusses eines Eröffnungsgeschäfts jeweils feststand, dass noch am gleichen Tag ein darauf abgestimmtes Gegengeschäft mit demselben Gegenstand abgeschlossen wird (vergleichbar einem Terminkauf mit Barausgleich). Es wurden Umsatzgeschäfte mit Devisen getätigt, die nur das technische Mittel zur Erzielung der zu Spekulationszwecken angestrebten Differenz waren; es wurden Ordervolumina (taggleich) verrechnet (glattgestellt) mit dem Ergebnis eines Geldsaldos41.
Eine solche Gestaltung liegt im Streitfall aber nicht vor. Es wurde weder vorgetragen noch liegen Anhaltspunkte dahingehend vor, dass der sofortige Leistungsaustausch ausgeschlossen gewesen wäre oder der Gewinn bzw. Verlust des Geschäfts auf einer Glattstellung (Differenzbetrag) noch offener Positionen beruhen könnte. Darüber hinaus bestand nach den Feststellungen des Finanzgericht auch keine Nachschusspflicht und damit kein unbegrenztes Verlustrisiko.
Da bereits das Vorliegen eines Termingeschäfts zu verneinen ist, ist die Frage, ob die GmbH durch dieses einen Differenzausgleich oder einen durch den Wert einer veränderlichen Bezugsgröße bestimmten Geldbetrag oder Vorteil erlangt hat42, nicht mehr entscheidungserheblich und kann daher offen bleiben.
Bundesfinanzhof, Urteil vom 8. Dezember 2021 – I R 24/19
- Fortentwicklung von BFH, Urteil vom 21.02.2018 – I R 60/16, BFHE 261, 35, BStBl II 2018, 637[↩]
- FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 14.02.2019 – 10 K 10235/16[↩]
- vgl. nur BFH, Urteil vom 21.02.2018 – I R 60/16, BFHE 261, 35, BStBl II 2018, 637, Rz 20, m.w.N.[↩]
- BFH, Urteile in BFHE 261, 35, BStBl II 2018, 637, Rz 21; vom 06.07.2016 – I R 25/14, BFHE 254, 326, BStBl II 2018, 124, Rz 32; vgl. auch BFH, Urteil vom 04.12.2014 – IV R 53/11, BFHE 248, 57, BStBl II 2015, 483, Rz 24 ff.[↩]
- s. BFH, Urteile in BFHE 254, 326, BStBl II 2018, 124, Rz 32 f., m.w.N., und in BFHE 261, 35, BStBl II 2018, 637, Rz 21; s.a. BGH, Urteile vom 22.10.1984 – II ZR 262/83, BGHZ 92, 317; vom 16.04.1991 – XI ZR 88/90, BGHZ 114, 177[↩]
- BFH, Urteil in BFHE 261, 35, BStBl II 2018, 637, Rz 21[↩]
- z.B. Ebel, Finanz-Rundschau -FR- 2013, 882, 884[↩]
- s. z.B. zum zertifikatbezogenen Kassageschäft BFH, Urteil in BFHE 248, 57, BStBl II 2015, 483, Rz 22; Ebel, ebenda; Johannemann/Reiter, Deutsches Steuerrecht -DStR- 2015, 1489, 1492 f.; Drüen, Betriebs-Berater -BB- 2021, 1175, 1182; Intemann in Herrmann/Heuer/Raupach, § 15 EStG Rz 1541; Brandis/Heuermann/Bode, § 15 EStG Rz 717; Krumm in Kirchhof/Seer, EStG, 20. Aufl., § 15 Rz 417a; Brandis/Heuermann/Ratschow, § 20 EStG Rz 368; Schmidt/Wacker, EStG, 40. Aufl., § 15 Rz 902; Jochum in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 20 Rz D/3 12 und D/3 16[↩]
- BGBl I 2007, 1330[↩]
- vgl. BT-Drs. 16/4028, S. 55; Roth in KK-WpHG, 2. Aufl., § 2 Rz 78[↩]
- vgl. BFH, Urteil in BFHE 248, 57, BStBl II 2015, 483, Rz 25; BFH, Urteil in BFHE 254, 326, BStBl II 2018, 124, Rz 33; Johannemann/Reiter, DStR 2015, 1489, 1490; Bode, a.a.O.; Ratschow, a.a.O.; Wacker, a.a.O.; in diese Richtung auch BMF, Schreiben vom 03.06.2021, BStBl I 2021, 723, Rz 9; einschränkend Krumm in Kirchhof/Seer, a.a.O., § 15 Rz 417; Intemann, a.a.O.; Haisch/Danz in Haisch/Helios, Rechtshandbuch Finanzinstrumente, 2011, § 5 Rz 11; Desens/Blischke, in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, a.a.O., § 15 Rz – I 67 f.[↩]
- Roth in KK-WpHG, a.a.O., § 2 Rz 79; Kumpan in Schwark/Zimmer, Kapitalmarktrechts-Kommentar, 5. Aufl., § 2 WpHG Rz 38[↩]
- BGBl I 2017, 1693[↩]
- Hamacher/Dahm in Korn, § 20 EStG Rz 341; Dahm/Hamacher, DStR 2014, 455, 457; Haisch/Danz, Deutsche Steuer-Zeitung 2005, 850, 851[↩]
- vgl. BFH, Urteil in BFHE 248, 57, BStBl II 2015, 483, Rz 22[↩]
- vgl. z.B. Urteile vom 10.11.2015 – IX R 20/14, BFHE 251, 381, BStBl II 2016, 159, Rz 24; vom 20.11.2018 – VIII R 37/15, BFHE 263, 169, BStBl II 2019, 507, Rz 21; vom 26.05.2020 – IX R 1/20 (IX R 39/15), BFH/NV 2021, 6, Rz 25; vom 16.06.2020 – VIII R 1/17, BFHE 269, 279, BStBl II 2021, 144, Rz 11 und 21[↩]
- s.a. BMF, Schreiben in BStBl I 2021, 723, Rz 9 zu Einkünften aus Kapitalvermögen[↩]
- vgl. BT-Drs. 14/443, S. 27[↩]
- BGBl I 1999, 402, BStBl I 1999, 304[↩]
- vgl. BFH, Urteil in BFHE 269, 279, BStBl II 2021, 144, Rz 17, m.w.N.[↩]
- BFH, Urteil vom 28.04.2016 – IV R 20/13, BFHE 253, 260, BStBl II 2016, 739, Rz 23; BFH, Urteil in BFHE 254, 326, BStBl II 2018, 124, Rz 17[↩]
- BT-Drs. 14/443, S. 27[↩]
- vgl. hierzu und weiterführend bereits BFH, Urteil in BFHE 248, 57, BStBl II 2015, 483, Rz 28 ff.[↩]
- vgl. auch Drüen, BB 2021, 1175, 1183[↩]
- vgl. BFH, Urteil in BFHE 261, 35, BStBl II 2018, 637, Rz 30[↩]
- vgl. auch Intemann in Herrmann/Heuer/Raupach, § 15 EStG Rz 1541 a.E.; Moritz/Strohm in Frotscher/Geurts, EStG, § 20 n.F. Rz 235; zum generellen Verzicht auf anlegerschützende Gesichtspunkte bei der Definition des Termingeschäfts vgl. Ebel, FR 2015, 414, 418; einschränkend offenbar noch BFH, Urteil in BFHE 248, 57, BStBl II 2015, 483, Rz 22 unter Verweis auf die inzwischen überholte und noch am Typusbegriff orientierte Rechtsprechung des BGH[↩]
- vgl. BFH, Urteil in BFHE 261, 35, BStBl II 2018, 637, Rz 27 ff.[↩]
- so aber Kumpan in Schwark/Zimmer, a.a.O.; Hoops, Wertpapier-Mitteilungen/Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht 2017, 319, 320[↩]
- so aber Kumpan in Schwark/Zimmer, a.a.O., § 2 WpHG Rz 62[↩]
- Johannemann/Reiter, DStR 2015, 1489, 1493, m.w.N.[↩]
- Roth in KK-WpHG, a.a.O., § 2 Rz 126[↩]
- allgemein zu Zertifikaten als Schuldverschreibung vgl. FG Münster, Urteil vom 29.09.2020 – 6 K 1176/17 E, EFG 2021, 198, Rz 91, m.w.N.[↩]
- BGH, Urteil vom 05.11.1999 – XI ZR 296/98, BGHZ 142, 345, unter II. 1.a bb (2). Einerseits ist die Rechtsprechung des BGH zur Definition des (Börsen-)Termingeschäfts anhand eines Typusbegriffs ((vgl. auch BT-Drs. 14/8017, S. 85[↩]
- vgl. Roth in KK-WpHG, a.a.O., § 2 Rz 78; Müller in Derleder/Knops/Bamberger, Deutsches und europäisches Bank- und Kapitalmarktrecht, Bd. 2, 3. Aufl., § 59 Rz 23[↩]
- vgl. auch BGH, Urteil vom 18.12.2001 – XI ZR 363/00, BGHZ 149, 294, unter II. 2.[↩]
- FG Köln, Urteil vom 26.10.2016 – 7 K 3387/13, EFG 2017, 216[↩]
- BGH, Urteil vom 13.07.2004 – XI ZR 178/03, BGHZ 160, 58[↩]
- BGH, Urteil in BGHZ 160, 58, unter II. 1.a[↩]
- Roth in KK-WpHG, a.a.O., § 2 Rz 126; Müller in Derleder/Knops/Bamberger, a.a.O., § 59 Rz 34[↩]
- BFH, Urteil in BFHE 261, 35, BStBl II 2018, 637, Rz 27, m.w.N.[↩]
- BFH, Urteil in BFHE 261, 35, BStBl II 2018, 637, Rz 29[↩]
- vgl. dazu BFH, Urteil in BFHE 269, 279, BStBl II 2021, 144, Rz 17 zu § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG i.d.F. des StEntlG 1999/2000/2002[↩]