Kurzarbeit und Beschäftigungsgesellschaft

Ein bestehendes Arbeitsverhältnis wird im Sinne von § 3 Nr. 9 EStG aufgelöst, selbst wenn der Arbeitnehmer mit dessen Aufhebung zugleich in ein neues (befristetes) Arbeitsverhältnis mit einer externen Beschäftigungs-Gesellschaft und Qualifizierungs-Gesellschaft eintritt.

Kurzarbeit und Beschäftigungsgesellschaft

Sind monatliche Zahlungen nach der Betriebsvereinbarung (Sozialplan) unter Berücksichtigung der maßgebenden Auslegungsgrundsätze zum Ausgleich der durch Kurzarbeit entstehenden Nachteile und für die Dauer der Kurzarbeit erbracht, stellen die gezahlten Zuschüsse zum Kurzarbeitergeld keine steuerfreie (ratierliche) Abfindung, sondern steuerpflichtigen Arbeitslohn dar.

Gemäß § 3 Nr. 9 Satz 1 EStG sind Abfindungen wegen einer vom Arbeitgeber veranlassten Auflösung des Dienstverhältnisses bis zu einer bestimmten Höchstgrenze1 steuerfrei.

Die Auflösung des Dienstverhältnisses verlangt dessen endgültige Beendigung. Im Falle des Wechsels des Arbeitgebers wird aber eine rein formale Betrachtung der Zielsetzung des § 3 Nr. 9 EStG (sozialpolitisch begründeter Ausgleich der Folgen eines Arbeitsplatzverlustes) nicht gerecht. Entscheidend ist vielmehr, wie die Beteiligten nach den Umständen des Einzelfalles die Umsetzung des Arbeitnehmers ausgestaltet haben. Wird das bestehende Dienstverhältnis bei Umsetzung eines Arbeitnehmers innerhalb eines Konzerns oder anlässlich eines Betriebsübergangs zwar mit einem neuen Arbeitgeber, aber im Übrigen in Bezug auf den Arbeitsbereich, die Entlohnung und unter Wahrung des sozialen Besitzstandes im Wesentlichen unverändert fortgesetzt, so ist ein die steuerfreie Abfindung rechtfertigender Arbeitsplatzverlust nicht gegeben2.

Dagegen wird ein bestehendes Arbeitsverhältnis im Sinne von § 3 Nr. 9 EStG aufgelöst, wenn die Arbeitsvertragsparteien –selbst im Zusammenhang mit einem Betriebsübergang und ohne Umgehung der Rechtsfolgen des § 613a BGB– das Arbeitsverhältnis wirksam aufheben, auch wenn Arbeitnehmer zugleich3 zur Vermeidung einer Entlassung in ein befristetes Arbeitsverhältnis mit einer (gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB III auch betriebsorganisatorisch eigenständigen) externen BQG eintreten4. Dieser Auffassung tritt der Bundesfinanzhof bei.

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Eine solche vom Arbeitgeber veranlasste Vertragsauflösung des Dienstverhältnisses liegt vor, wenn der Arbeitgeber die entscheidenden Ursachen für die Auflösung gesetzt hat. Das ist anhand der Umstände des Einzelfalls vom FG als Tatsacheninstanz zu entscheiden. Dabei ist nicht die arbeitsrechtliche Beurteilung der Auflösung maßgeblich, sondern allein der Umstand, wer die Auflösung „betrieben“ hat, von wem also die (Initiative zur) Beendigung des Dienstverhältnisses ausgegangen ist5.

Abfindungen im Sinne des § 3 Nr. 9 EStG sind Leistungen an den Arbeitnehmer, die Nachteile des Arbeitnehmers aus dem Verhalten des bisherigen Arbeitgebers ausgleichen sollen. Die Norm erfasst alle Leistungen zur Abgeltung von Interessen, die durch den Arbeitsplatzverlust infolge Auflösung des Dienstverhältnisses beeinträchtigt sind, soweit die Auflösung vom Arbeitgeber veranlasst oder gerichtlich ausgesprochen wurde6. Unter § 3 Nr. 9 EStG fallen nur solche Leistungen, die gerade durch die Auflösung des bisherigen Dienstverhältnisses bedingt sind; der einfache Kausalzusammenhang genügt nicht. Erforderlich ist ein unmittelbarer Zusammenhang der Zahlung mit dem aufgelösten Dienstverhältnis7.

Zwar kommt es auf die Art der Zahlung (Einmalbetrag, Teilbeträge) und deren Bezeichnung nicht an8. So können „Abfindungen“ auch als laufende (wiederkehrende) Beträge gezahlt werden9. Hinsichtlich der Zweckgerichtetheit der Zahlung („wegen“) ist aber entscheidend auf die Abfassung der Vereinbarungen10 und deren Auslegung abzustellen11. So hat der Bundesfinanzhof in einem Sachverhalt monatliche Zuzahlungen des Arbeitgebers zum Kurzarbeitergeld nicht als Abfindungen gemäß § 3 Nr. 9 EStG beurteilt, weil diese nicht wegen der Auflösung des Dienstverhältnisses, sondern wegen Kurzarbeit im Rahmen eines zwar bereits gekündigten, aber noch bestehenden Arbeitsverhältnisses gezahlt wurden12.

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Bundesfinanzhof, Urteil vom 20. Juli 2010 – IX R 23/09

  1. in den hier maßgeblichen Streitjahren höchstens 24.000 DM (1998) bzw. 16.000 DM (1999) []
  2. vgl. BFH, Urteile vom 13.12.2005 – XI R 8/05, BFH/NV 2006, 1071; vom 02.04.2008 – IX R 82/07, BFH/NV 2008, 1325[]
  3. vgl. dazu BAG, Urteile vom 28.04.1987 – 3 AZR 75/86, BAGE 55, 228, ZIP 1988, 120; vom 10.12.1998 – 8 AZR 324/97, BAGE 90, 260, ZIP 1999, 320, DB 1999, 537[]
  4. vgl. BAG, Urteil vom 30.03.2004 – 1 AZR 85/03, AP Nr. 170 zu § 112 BetrVG 1972; vom 18.08.2005 – 8 AZR 523/04, BAGE 115, 340, ZIP 2006, 148, DB 2006, 107; vom 23.11.2006 – 8 AZR 349/06, ZIP 2007, 643, BB 2007, 1054[]
  5. vgl. dazu BFH, Urteile vom 11.01.1980 – VI R 165/77, BFHE 129, 479, BStBl II 1980, 205; vom 10.11.2004 – XI R 51/03, BFHE 208, 186, BStBl II 2005, 441; und XI R 64/03, BFHE 207, 336, BStBl II 2005, 181, m.w.N.[]
  6. BFH, Urteile vom 16.12.1992 – XI R 33/91, BFHE 170, 369, BStBl II 1993, 447; vom 16.07.1997 – XI R 85/96, BFHE 183, 532, BStBl II 1997, 666, je m.w.N.[]
  7. BFH, Urteile in BFHE 170, 369, BStBl II 1993, 447; vom 01.08.2007 – XI R 18/05, BFH/NV 2007, 2104[]
  8. Schmidt/Heinicke, EStG, 25. Aufl., § 3 ABC, Stichwort „Abfindungen …“, S. 86; Handzik in Littmann/Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht, Kommentar, § 3 Rz 289, 290; Kreft in Herrmann/Heuer/Raupach –HHR–, § 3 Nr. 9 EStG Rz 11[]
  9. BFH, Urteil vom 11.01.1980 – VI R 165/77, BFHE 129, 479, BStBl II 1980, 205; von Beckerath in Kirchhof, EStG, 6. Aufl., § 3 Nr. 9 Rz 38[]
  10. vgl. BFH, Urteil vom 15.10.2003 – XI R 17/02, BFHE 203, 490, BStBl II 2004, 264; Schmidt/Heinicke, a.a.O., § 3 ABC, Stichwort „Abfindungen …“, S. 85; Kreft/HHR, § 3 Nr. 9 EStG Rz 14[]
  11. zur wegen ihrer aus § 77 Abs. 4 Satz 1, § 112 Abs. 1 Satz 3 BetrVG folgenden normativen Wirkung wie Tarifverträge vorzunehmenden Auslegung von Sozialplänen als Betriebsvereinbarung siehe BAG, Urteile vom 12.11.2002 – 1 AZR 632/01, BAGE 103, 312, DB 2003, 1686, BB 2003, 2401; vom 02.03.2004 – 1 AZR 272/03, AP Nr. 13 zu § 77 BetrVG 1972 Auslegung[]
  12. BFH, Beschluss vom 21.05.2007 – XI B 169/06, BFH/NV 2007, 1648[]
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