Liquidationsverlust bei der Auskehrung von Stammkapital

Ein Liquidationsverlust bei der Auskehrung von Stammkapital ist nur zu 60 % abzugsfähig.

Liquidationsverlust bei der Auskehrung von Stammkapital

In dem vom Finanzgericht Münster entschiedenen Fall begehrte die Klägerin den Abzug eines Liquidationsverlusts. Im Zuge der Auflösung einer GmbH, an der sie zu einem Drittel (Stammeinlage: 8.500 €) beteiligt war, erfolgte die Auskehrung des sich noch im Gesellschaftsvermögen befindlichen Teils des Stammkapitals, wobei auf die Klägerin 3.138 € entfielen. Die Klägerin beantragte den vollen Abzug der um die Auszahlung geminderten Stammeinlage (5.362 €). Hingegen berücksichtigte das Finanzamt den Verlust in Anwendung des Teileinkünfteverfahrens nur zu 60 %.

Das Finanzgericht Münster hat daraufhin erhobene Klage abgewiesen: Das Teileinkünfteverfahren gelte – wie bereits vom Bundesfinanzhof entschieden – auch in Verlustfällen. Zudem lasse sich dem Gesetz kein allgemeiner Grundsatz entnehmen, wonach eine Einnahme aus der Auflösung einer Kapitalgesellschaft erst dann vorliege, wenn und soweit der Wert der im Zuge der Auflösung erhaltenen Wirtschaftsgüter das Stammkapital übersteige. Dementsprechend habe das Finanzamt die Anschaffungskosten zu Recht nur zu 60 % abgezogen.

Der Auflösungsverlust ist gem. § 17 Abs. 2 Satz 1 EStG in Verbindung mit § 17 Abs. 4 Satz 2 EStG durch eine Gegenüberstellung des gemeinen Wertes des zugeteilten oder zurückgezahlten Vermögens der Gesellschaft und den Anschaffungskosten der Beteiligung zu ermitteln.

Die Klägerin hat infolge der Liquidation aus dem Stammkapital der Gesellschaft 3.138,71 Euro ausgekehrt bekommen. Gemäß § 3 Nr. 40 c Satz 2 EStG sind davon 40 % steuerfrei, weil § 3 Nr. 40 c Satz 1 in den Fällen von § 17 Abs. 4 EStG entsprechend anzuwenden ist1.

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Das Finanzgericht Münster folgt nicht der Ansicht, aus steuersystematischen Gründen könne eine Einnahme aus § 17 EStG überhaupt nur dann vorliegen, wenn der Veräußerungserlös oder der an dessen Stelle tretende gemeine Wert der im Falle der Liquidation erhaltenen Wirtschaftsgüter die gegenzurechnenden Auflösungs/Anschaffungskosten übersteige, so dass eine Anwendung des Teileinkünfteverfahrens in Verlustfällen von vornherein ausscheide. Zur Begründung verweist das Finanzgericht auf die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs2, der das Finanzgericht aus den dort dargestellten Gründen folgt.

Das Finanzgericht Münster folgt auch nicht der Auffassung, dass jedenfalls eine zurückgezahlte Stammeinlage nicht zu Einnahmen im Sinne von § 3 Nr. 40 c EStG führen könne, weil in § 3 Nr. 40 c Satz 2 EStG lediglich auf die Rechtsfolge von § 3 Nr. 40 c Satz 1 EStG verwiesen werde und deshalb nach allgemeinen Grundsätzen, aus denen sich aber ergebe, dass Kapitalrückzahlungen keine Einnahmen seien, zu beurteilen sei, ob Einnahmen vorlägen.

Zutreffend ist, dass in § 3 EStG nicht geregelt ist, was Einnahmen sind, sondern die Vorschrift das Vorliegen einer Einnahme nach der jeweiligen Einkunftsart voraussetzt.§ 3 Nr. 40 c Satz 2 EStG verweist aber für den Einnahmebegriff auf „die Fälle des § 17 Absatz 4“, mithin auf die Einnahmen nach dieser Vorschrift. § 17 Abs. 4 Satz 3 EStG ordnet in den in § 17 Abs. 4 Satz 1 EStG angesprochenen Veräußerungsfiktionen die zufließenden Bezüge vorrangig den Einnahmen aus Kapitalvermögen im Sinne von§ 20 Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 2 EStG zu. Zu Bezügen im Sinne von § 17 Abs. 4 EStG führen nur Rückzahlungen aus dem Nennkapital, Stammkapital, Grundkapital oder aus dem steuerlichen Einlagenkonto3. Diese Zahlungen sind die Einnahmen im Sinne von § 17 EStG, denen für Zwecke der Ermittlung des Auflösungsverlusts/Auflösungsgewinns im Sinne von § 17 Abs. 2 EStG die Erwerbsaufwendungen gegenübergestellt werden4. Ein allgemeiner Grundsatz dahingehend, dass eine Einnahme aus der Auflösung einer Kapitalgesellschaft erst vorliege, wenn und soweit der Wert der im Zuge der Auflösung erhaltenen Wirtschaftsgüter das Stammkapital übersteige, lässt sich § 17 EStG nicht entnehmen. Vielmehr erfolgt auch im Auflösungsfall die Ermittlung der Einkünfte durch Gegenüberstellung von Zuflüssen im Sinne des § 17 Abs. 4 Satz 2 EStG und den nach § 17 Abs. 2 EStG zu berücksichtigenden Anschaffungskosten.

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Der Verweis von § 3 Nr. 40 c Satz 2 EStG auf Satz 1 bezweckt gerade, dass die infolge der Veräußerungsfiktion – statt eines Kaufpreises – zufließende Einnahme wie der Bezug eines Kaufpreises behandelt wird, so dass auch unter der Geltung des Teileinkünfteverfahrens die in § 17 EStG vorgesehene Gleichbehandlung einer Veräußerung von Gesellschaftsanteilen mit der Liquidation der Gesellschaft nach § 17 Abs. 4 EStG sicher gestellt ist.

Die Anschaffungskosten sind nur zu 60 % abzuziehen, denn nach § 3c Abs. 2 Satz 1 EStG dürfen Betriebsvermögensminderungen, Betriebsausgaben, Veräußerungskosten oder Werbungskosten, die mit den dem § 3 Nr. 40 EStG zugrunde liegenden Betriebsvermögensmehrungen oder Einnahmen in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen, unabhängig davon, in welchem Veranlagungszeitraum die Betriebsvermögensmehrungen oder Einnahmen anfallen, bei der Ermittlung der Einkünfte nur zu 60% abgezogen werden. Entsprechendes gilt, wenn bei der Ermittlung der Einkünfte der Wert des Betriebsvermögens oder des Anteils am Betriebsvermögen oder die Anschaffungs- oder Herstellungskosten oder der an deren Stelle tretende Wert mindernd zu berücksichtigen sind. Bei steuerfreien Einnahmen soll kein doppelter steuerlicher Vorteil durch den zusätzlichen Abzug von unmittelbar mit diesen zusammenhängenden Aufwendungen erzielt werden5.

Finanzgericht Münster, Urteil vom 16. Mai 2013 – 12 K 2963/12 E

  1. vgl. für zurückgezahlte Stammeinlagen Dötsch/Pung, DB 2010, 977; Förster, GmbHR 2010, 1009; Naujok, BB 2009, 2128, Anmerkung zu BFH vom 25.06.2009 – IX R 42/08; Schneider in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, KSM – Kommentar zum Einkommensteuergesetz § 17 EStG Rz. E 65, E 70; FG Niedersachsen, Urteil vom 19.05.2011 – 11 K 496/10, EFG 2012, 1326[]
  2. BFH, Urteil vom 25.06.2009 – IX R 42/08, BStBl II 2010, 220; vom 20.04.2011 – I R 97/10, BStBl II 2011, 815[]
  3. vgl. z.B. Schneider in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff Kommentar zum EStG KSM § 17 Rz. E 30, E 35[]
  4. Schneider in KSM § 17 EStG Rz. E 70[]
  5. BFH, Urteil vom 06.07.2005 – XI R 61/04, BStBl II 2006, 163; vom 06.04.2011 – IX R 40/10[]
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