Die Verpflegungspauschalen sind auch dann nach § 9 Abs. 4a Satz 8 EStG zu kürzen, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer Mahlzeiten zur Verfügung stellt, der Arbeitnehmer aber nicht über eine erste Tätigkeitsstätte verfügt.

Anlass für diese Entscheidung bot dem Bundesfinanzhof die Klage eines Schiffsoffiziers. Dieser erhielt während seiner Tätigkeit als nautischer Offizier an Bord eines Schiffes dort unentgeltlich seine Mahlzeiten. In den Heuerabrechnungen wurden sie als steuerfreier Sachbezug behandelt. An einzelnen „Hafentagen“ blieb die Bordküche jedoch kalt, so dass sich der Kläger selbst versorgen musste. Den trotz der unentgeltlichen Gestellung der Mahlzeiten geltend gemachten Abzug der Verpflegungspauschale für alle Tage an Bord des Schiffes lehnte das Finanzamt ab.
Das Niedersächsische Finanzgericht ließ den Abzug der Verpflegungspauschale für die Tage der Selbstversorgung zu, für die übrigen Tage lehnte es den Werbungskostenabzug ab1. Der Bundesfinanzhof knüpfte an sein letztjähriges Urteil2 an, in der er bereits entschieden hatte, dass dem Steuerpflichtigen dem Grunde nach zustehende Verpflegungspauschalen auch bei Nichteinnahme der zur Verfügung gestellten Mahlzeiten zu kürzen sind, und wies die Revision des Schiffoffiziers gegen das finanzgerichtliche Urteil als unbegründet zurück; das Gesetz enthalte eine umfassende Verweisung auf die entsprechenden Regeln für Arbeitnehmer mit erster Tätigkeitsstätte und ordne insoweit eine Gleichstellung beider Gruppen an.
Arbeitnehmer, die außerhalb ihrer Wohnung und ersten Tätigkeitsstätte beruflich tätig sind (auswärtige berufliche Tätigkeit), können zur Abgeltung tatsächlich entstandener, beruflich veranlasster Mehraufwendungen nach Abwesenheitszeiten gestaffelte Verpflegungspauschalen abziehen. Diese sind allerdings zu kürzen, wenn vom Arbeitgeber Mahlzeiten zur Verfügung gestellt werden. Werden sämtliche Mahlzeiten gestellt, entfällt der Abzug der Verpflegungspauschalen vollständig. Auf der anderen Seite muss der Arbeitnehmer den geldwerten Vorteil -hier in Form der Mahlzeitengestellung- nicht lohnversteuern. Für Arbeitnehmer, die -wie der Kläger- nicht über eine erste Tätigkeitsstätte verfügen, ordnet das Gesetz eine entsprechende Handhabung an. Während der Kläger meinte, der gesetzliche Verweis umfasse die Kürzung der Verpflegungspauschalen bei unentgeltlicher Mahlzeitengestellung nicht, sah der Bundesfinanzhof die Verweisung als umfassend an. Daher gelte die Kürzung der Verpflegungspauschalen im Fall der Mahlzeitengestellung auch für solche Arbeitnehmer, die -wie der Kläger- nicht über eine erste Tätigkeitsstätte verfügten. Nur diese nach Wortlaut, Systematik und erkennbarem Willen des Gesetzgebers gebotene Gesetzesauslegung stelle sicher, dass Arbeitnehmer ohne erste Tätigkeitsstätte gegenüber solchen mit erster Tätigkeitsstätte nicht systemwidrig begünstigt würden. Entsprechend bestätigte der Bundesfinanzhof die Steuerfreiheit der Mahlzeitengestellung.
Mehraufwendungen des Arbeitnehmers für die Verpflegung sind nach Maßgabe von § 9 Abs. 4a EStG als Werbungskosten abziehbar. Wird der Arbeitnehmer außerhalb seiner Wohnung und ersten Tätigkeitsstätte beruflich tätig (auswärtige berufliche Tätigkeit), ist nach § 9 Abs. 4a Sätze 2 und 3 EStG zur Abgeltung der ihm tatsächlich entstandenen, beruflich veranlassten Mehraufwendungen eine nach Abwesenheitszeiten gestaffelte Verpflegungspauschale anzusetzen. Hat der Arbeitnehmer keine erste Tätigkeitsstätte, gelten die Sätze 2 und 3 entsprechend (§ 9 Abs. 4a Satz 4 Halbsatz 1 EStG). Denn liegen die Voraussetzungen des Abs. 4 nicht vor und ist der Arbeitnehmer gleichwohl außerhalb seiner Wohnung beruflich tätig, befindet er sich ebenfalls auf Auswärtstätigkeit.
Gemäß § 9 Abs. 4a Satz 8 EStG sind die u.a. nach Satz 3 ermittelten Verpflegungspauschalen um 20 % für Frühstück und um jeweils 40 % für Mittag- und Abendessen zu kürzen, wenn dem Arbeitnehmer anlässlich oder während einer Tätigkeit außerhalb seiner ersten Tätigkeitsstätte vom Arbeitgeber eine Mahlzeit zur Verfügung gestellt wird.
Das Zurverfügungstellen einer Mahlzeit durch den Arbeitgeber (oder auf dessen Veranlassung durch einen Dritten) i.S. von § 9 Abs. 4a Satz 8 EStG erfordert dabei nicht, dass der Arbeitnehmer die Mahlzeit auch tatsächlich einnimmt3. Aus welchen Gründen der Arbeitnehmer eine ihm von seinem Arbeitgeber zur Verfügung gestellte Mahlzeit nicht einnimmt, ist insoweit ebenfalls unerheblich.
Bei Heranziehung dieser Rechtsgrundsätze ist das Finanzgericht zutreffend davon ausgegangen, dass der Kläger dem Grunde nach Verpflegungsmehraufwendungen als Werbungskosten bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit abziehen kann. Zwar verfügte er im Streitjahr als nautischer Offizier, der auf See tätig war, nicht über eine erste Tätigkeitsstätte i.S. des § 9 Abs. 4 EStG; gemäß § 9 Abs. 4a Satz 4 Halbsatz 1 EStG gelten die Sätze 2 und 3 für Auswärtstätigkeiten von Arbeitnehmern ohne erste Tätigkeitsstätte jedoch entsprechend.
Das Niedersächsische Finanzgericht hat weiter zu Recht entschieden, dass die Verpflegungspauschalen nach § 9 Abs. 4a Satz 8 EStG im Hinblick auf die vom Arbeitgeber des Klägers zur Verfügung gestellten Mahlzeiten an Bord zu kürzen sind4.
Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut der Norm. Während § 9 Abs. 4a Satz 2 EStG die auswärtige berufliche Tätigkeit definiert, legt § 9 Abs. 4a Satz 3 EStG die in diesem Fall anzusetzenden Pauschbeträge für Verpflegungsmehraufwendungen fest. § 9 Abs. 4a Satz 4 Halbsatz 1 EStG stellt durch die Anordnung der entsprechenden Geltung der Sätze 2 und 3 sodann klar, dass der Ansatz von pauschalierten Verpflegungsmehraufwendungen auch erfolgt, wenn der Steuerpflichtige über keine erste Tätigkeitsstätte verfügt. § 9 Abs. 4a Satz 8 EStG legt wiederum fest, inwiefern im Fall der Mahlzeitengestellung die in Satz 3 der Vorschrift geregelten Verpflegungspauschalen zu kürzen sind. Satz 8 ist mithin als Modifikation der Sätze 2 und 3 ausgestaltet. Die Geltungsanordnung in § 9 Abs. 4 Satz 4 Halbsatz 1 EStG erstreckt sich damit für den Arbeitnehmer, der keine erste Tätigkeitsstätte hat, nicht nur auf die entsprechende Anwendung der Verpflegungspauschalen für Mehraufwendungen des Arbeitnehmers, der außerhalb seiner Wohnung und ersten Tätigkeitsstätte tätig wird, gemäß § 9 Abs. 4a Sätze 2 und 3 EStG, sondern zugleich auf die entsprechende Anwendung der Modifikation dieser Verpflegungspauschalen nach Satz 8, soweit ihm eine Mahlzeit zur Verfügung gestellt wird.
Aus der Gesetzeshistorie, der Systematik sowie dem Sinn und Zweck des Gesetzes ergibt sich nichts anderes. Auch danach ist § 9 Abs. 4a Satz 8 EStG nicht isoliert, sondern im Kontext des gesamten Abs. 4a sowie des § 8 Abs. 2 Sätze 8 und 9 EStG zu betrachten.
Der Gesetzgeber beabsichtigte mit der gesetzlichen Neuregelung der Verpflegungsmehraufwendungen in § 9 Abs. 4a EStG eine Vereinfachung gegenüber der früheren Rechtslage.
Wurden einem Arbeitnehmer bei einer auswärtigen beruflichen Tätigkeit Mahlzeiten zur Verfügung gestellt, blieb der Werbungskostenabzug nach der bis 2013 geltenden Rechtslage in Höhe der Verpflegungspauschalen davon unberührt. Der geldwerte Vorteil musste jedoch im Gegenzug beim Arbeitnehmer als Sachbezug versteuert werden. Diese Rechtslage wurde mit der Reform des steuerlichen Reisekostenrechts ab dem Veranlagungszeitraum 2014 grundlegend neu gestaltet. Steht dem Arbeitnehmer dem Grunde nach der Werbungskostenabzug in Form von Verpflegungspauschalen zu, so unterbleibt gemäß § 8 Abs. 2 Satz 9 EStG nunmehr die Lohnversteuerung der üblichen, nach § 8 Abs. 2 Satz 8 EStG zu bewertenden Mahlzeiten. Im Gegenzug sind die Verpflegungspauschalen gemäß § 9 Abs. 4a Satz 8 EStG entsprechend zu kürzen5.
Durch den Verzicht auf die Besteuerung des geldwerten Vorteils einerseits bei gleichzeitiger Kürzung des Werbungskostenabzugs andererseits wollte der Gesetzgeber insbesondere die Arbeitgeber und die Finanzverwaltung im Besteuerungsverfahren von Verwaltungsaufwand entlasten6.
Des Weiteren will § 9 Abs. 4a EStG den Mehraufwand typisierend festlegen, der über das hinausgeht, was ein Arbeitnehmer für seine Verpflegung ohnehin während eines normalen Arbeitstags an der ersten Tätigkeitsstätte bzw. bei einer beruflich veranlassten doppelten Haushaltsführung aufwendet7. Denn die jedem Steuerpflichtigen täglich entstehenden Aufwendungen für Verpflegung stellen steuerlich grundsätzlich nicht abziehbare Kosten der Lebensführung dar. Als Werbungskosten kommen nur die Mehraufwendungen für die Verpflegung in Betracht8, weil insoweit das private Moment ausnahmsweise als steuerlich vernachlässigbar in den Hintergrund tritt9.
Stellt der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer Mahlzeiten zur Verfügung, konnte der Gesetzgeber typisierend davon ausgehen, dass dem Arbeitnehmer insoweit für seine Verpflegung keine Mehraufwendungen entstehen. Es ist daher nur folgerichtig, in einem solchen Fall die ebenfalls im Wege der Typisierung festgelegten Verpflegungspauschalen (anteilig) zu kürzen, wie dies § 9 Abs. 4a Satz 8 EStG anordnet10.
Hieraus folgt aber nicht nur, dass es bei typisierender Betrachtung auch in einem solchen Fall an einem beruflich veranlassten Verpflegungsmehraufwand fehlt, wenn der Arbeitnehmer -wie der Kläger an manchen Hafentagen- eine ihm zur Verfügung gestellte Mahlzeit -aus welchen Gründen auch immer- nicht einnimmt und sich anderweitig verpflegt11. Vielmehr bedingen sich der Verzicht auf die Versteuerung des geldwerten Vorteils für eine dem Arbeitnehmer im Zusammenhang mit einer Auswärtstätigkeit zur Verfügung gestellte Mahlzeit einerseits und die (anteilige) Kürzung der Verpflegungspauschalen im Rahmen des Werbungskostenabzugs andererseits gegenseitig.
Mit § 9 Abs. 4a Satz 4 Halbsatz 1 EStG hat der Gesetzgeber zudem klargestellt, dass der Werbungskostenabzug nicht auf Fälle beschränkt ist, in denen der Arbeitnehmer -wie in § 9 Abs. 4a Satz 2 EStG vorausgesetzt- „außerhalb seiner Wohnung und ersten Tätigkeitsstätte beruflich tätig“ wird, sondern eine auswärtige berufliche Tätigkeit auch dann vorliegt, wenn der Arbeitnehmer nicht über eine erste Tätigkeitsstätte nach neuem Reisekostenrecht verfügt. Dementsprechend ist in der Gesetzesbegründung allgemein von einer auswärtigen Tätigkeit die Rede12.
Auch hat der Gesetzgeber bereits in § 9 Abs. 4a Satz 2 EStG festgelegt, dass der Werbungskostenabzug einen tatsächlich entstandenen beruflich veranlassten Mehraufwand voraussetzt. Nach den Ausführungen unter II. 3.b aa konnte der Gesetzgeber im Fall der Mahlzeitengestellung aber typisierend davon ausgehen, dass dem Arbeitnehmer insoweit für seine Verpflegung keine Mehraufwendungen entstehen13.
Aus den vorstehenden Ausführungen folgt, dass nach dem Willen des Gesetzgebers mit der Neuregelung des Reisekostenrechts -bei gleichzeitigem Verzicht auf die Besteuerung des geldwerten Vorteils- der Werbungskostenabzug für Verpflegungsmehraufwendungen im Falle der Gestellung von Mahlzeiten durch den Arbeitgeber für jede Form der auswärtigen beruflichen Tätigkeit entfallen sollte.
Die Auffassung des Klägers würde zudem zu einer vom Gesetzgeber erkennbar nicht gewollten doppelten Begünstigung von Arbeitnehmern ohne erste Tätigkeitsstätte -und zwar durch eine unversteuert, beitragsfrei gebliebene Mahlzeit einerseits und einem gleichwohl bestehenden Werbungskostenabzug andererseits- und damit zugleich zu einer nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlung der Arbeitnehmer mit erster Tätigkeitsstätte gegenüber solchen ohne erste Tätigkeitsstätte führen.
Danach waren die dem Kläger dem Grunde nach zustehenden Verpflegungspauschalen wegen der ihm von seinem Arbeitgeber zur Verfügung gestellten Mahlzeiten (Frühstück, Mittag- und Abendessen) gemäß § 9 Abs. 4a Satz 8 EStG um insgesamt 100 % auf 0 € zu kürzen. Soweit dem Kläger an einzelnen Hafentagen vom Arbeitgeber tatsächlich keine Mahlzeiten zur Verfügung gestellt wurden, hat das Finanzgericht folgerichtig von einer Kürzung abgesehen und für diese Tage Verpflegungsmehraufwendungen gewährt.
Bundesfinanzhof, Urteil vom 12. Juli 2021 – VI R 27/19
- Nds. FG, Urteil vom 02.07.2019 – 15 K 266/16, EFG 2019, 1537[↩]
- BFH, Urteil vom 07.07.2020 – VI R 16/18[↩]
- ausführlich BFH, Urteil vom 07.07.2020 – VI R 16/18, BFHE 269, 550, BStBl II 2020, 783, Rz 15 ff., m.w.N.[↩]
- ebenso Schmidt/Krüger, EStG, 40. Aufl., § 9 Rz 313; Blümich/Thürmer, § 9 EStG Rz 599; Bergkemper in Herrmann/Heuer/Raupach -HHR-, § 9 EStG Rz 583[↩]
- BFH, Urteil in BFHE 269, 550, BStBl II 2020, 783, Rz 18[↩]
- BT-Drs. 17/10774, S. 12 und 16; BFH, Urteil in BFHE 269, 550, BStBl II 2020, 783, Rz 19[↩]
- BT-Drs. 17/10774, S. 15[↩]
- BFH, Urteil in BFHE 269, 550, BStBl II 2020, 783, Rz 20[↩]
- HHR/Bergkemper, § 9 EStG Rz 564[↩]
- BFH, Urteil in BFHE 269, 550, BStBl II 2020, 783, Rz 21[↩]
- s. BFH, Urteil in BFHE 269, 550, BStBl II 2020, 783, Rz 21[↩]
- BT-Drs. 17/10774, S. 12 und 15 ff.[↩]
- s.a. Krüger, HFR 2021, 32[↩]